Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Am Anfang der Debatte möchte ich das Mitgefühl unserer Fraktion und ich denke auch des ganzen Hauses für die Opfer des Hochwassers ausdrücken. Ich denke, das ist angemessen. Ich möchte auch die Hochachtung vor all denen ausdrücken, die ihren Nachbarn uneigennützig helfen.
Was läuft akut schief? Es ist vieles schon gesagt worden. Ich möchte nur einen Fall beispielhaft herausgreifen, der in den letzten Tagen durch die Medien ging: den oft besprochenen Fall S 88 Riesa – Gohlis.
Es ist wichtig, diesem Haus klar mitzuteilen, dass bereits im Dezember 2003 das Staatliche Umweltfachamt Radebeul festgestellt hat, dass die Überflutung von Gohlis im Sommer 2002 hauptsächlich durch die S 88 hervorgerufen wurde.
Was ist getan worden? Ich kritisiere nicht, dass die Staatsregierung einen Plan gemacht hat, dass sie Hochwasserschutzkonzepte erstellt hat. Ich kritisiere insbesondere
nicht, dass sie eine Prioritätenliste aufgestellt hat. Ich kritisiere noch nicht einmal, dass es erst im September 2005 war.
Aber in diesem Konzept lese ich zur S 88, dass sie auf HQ 5 ausgelegt wurde. Ich lese, dass als Maßnahme vorgesehen ist, Löcher in die Straße zu machen. Da habe ich gedacht: Jetzt ist der Ministerpräsident, der das ja nicht für eine Katastrophe hält, als er vor Ort war, eines Besseren belehrt worden. Aber was lese ich in den Medien? Zuerst erfahre ich, dass kein Loch in die Straße hineinzubekommen war. Das ist Künstlerpech. Aber es ist noch nicht einmal geplant, die Straße tiefer zu legen. Die Brücke soll offensichtlich so bleiben. Herr Staatsminister, dort kann ich nicht die notwendige Konsequenz erkennen, auch aus Fehlern zu lernen. Ich bitte Sie, anders als in Ihrem Eingangsstatement auf diese Sachlage angemessen zu antworten.
Der Staatsminister und auch Redner der CDU haben es sich nicht nehmen lassen, des Öfteren in den Medien die Umweltverbände zu kritisieren. Ich möchte jetzt nicht über den Fall des BUND sprechen, den Herr Kupfer erwähnte. Der ist mir nicht bekannt und deshalb steht es mir nicht zu, mich dazu zu äußern. Ich finde es aber mehr als schäbig, dass Sie die Umweltverbände, die Sie jetzt kritisieren, quasi verantwortlich für die Fehler und Mängel machen, die Sie und kein anderer zu verantworten haben.
Ich bin hier fair, aber ich verlange diese Fairness auch für die Umweltverbände. Ich gestehe Ihnen zu, dass es richtig war zu planen, dass es richtig war, sorgfältig zu planen, dass es richtig war, eine Prioritätenliste aufzustellen. Diese Fairness fordere ich auch für die Umweltverbände ein. Es ist geradezu schäbig, wie Sie mit diesen Verbänden umgehen.
Unsere Kritik betrifft eher den unmittelbaren Zeitraum nach dem August 2002, als rasende Bürger den vermeintlichen Hochwasserschutz mit der Motorsäge selbst in die Hand nahmen und das SMUL das noch durch die Freistellung von der Eingriffsregelung unterstützt hat.
Ich bin in Dresden im Stadtrat und kenne deshalb die Verhältnisse ein bisschen. Ich weiß, dass wir mittlerweile unsere Straßen für Hunderte Millionen Euro als Schadensbeseitigungsmaßnahmen zwar nicht gleich golden, aber sehr fest, stabil, groß und breit gebaut haben. Hier besteht zu Recht der Eindruck, dass die Schadensbeseitigung zu sehr im Vordergrund gestanden hat.
Herr Staatsminister Tillich, ich gestehe Ihnen gern zu, dass Sie die Überschwemmungsflächen anders als in anderen Bundesländern von 6 500 auf 15 000 Hektar vergrößert haben. Das ist natürlich eine große Leistung. Aber wir wissen alle, dass die Elbe im 19. und 20. Jahrhundert 80 % ihrer Überflutungsflächen verloren hat.
Daraus ergibt sich eine entscheidende Frage. Diese Schritte, die wir hier zu Recht gehen, mögen kleine Schritte in die richtige Richtung sein. Aber sind sie der Größe des Problems angemessen? Diese Diskussion müssen wir führen.
Dieses Hochwasser hat uns aus den Träumen geweckt, dass es sich 2002 möglicherweise doch um eine Jahrhundertflut gehandelt hat, wobei es im Januar 2003 auch ein Hochwasser gab, das meines Wissens das dritthöchste Hochwasser war, was nur keiner mitbekommen hat. Deshalb müssen wir uns vielleicht die Frage stellen, ob diese Maßnahmen, Herr Tillich, tatsächlich ausreichen oder ob wir nicht in einem ganz anderen Maße zu einem ökologisch veranlassten Hochwasserschutz kommen müssten.
Kollege Lichdi, Sie haben soeben eine „angemessene Reaktion“ gefordert. Während des Hochwassers war in Dresden das „Blaue Wunder“ gesperrt. Ich frage Sie, ob die GRÜNEN jetzt ihren Widerstand gegen die Ausweichbrücke für das „Blaue Wunder“, die Waldschlösschenbrücke, aufgeben.
Herr Rohwer, das ist eines der dümmsten Märchen, die dadurch, dass Sie sie hier im Plenum weiterverbreiten, nicht wahrer werden.
Dass Sie sich hier mit Herrn Roßberg gemein machen, finde ich auch etwas erstaunlich. Sonst sind Sie nicht so furchtbar einig.
Herr Rohwer, wer sich ernsthaft mit der Planung der Waldschlösschenbrücke oder des Blauen Wunders beschäftigt, der weiß ganz genau, dass die Waldschlösschenbrücke bei dieser Frage überhaupt nichts bringt, auch wenn es vordergründig so scheinen mag. – Aber ich möchte mit meiner Rede fortfahren.
(Zurufe des Abg. Lars Rohwer und weiterer Abgeordneter der CDU – Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS: Das ist doch Unsinn!)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt ein geflügeltes Wort, das heißt: Wer nichts macht, macht nichts verkehrt.
Ich füge hinzu: Wer nichts sagt, sagt nichts Verkehrtes. Wenn das der ganze Inhalt der Debatte ist, dass ein Wort des Ministerpräsidenten hin- und herdekliniert wird und dass der nächste Satz, der der Solidarität mit den Betroffenen gilt, nicht erwähnt wird, macht das deutlich, dass Sie inhaltlich hier überhaupt nichts zu sagen haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, zumindest Herr Kollege Hahn hat feststellen müssen, dass wir in Sachsen besser im Hochwasserschutz dastehen als je zuvor und dass bei aller Kritik in den letzten Jahren sehr viel erreicht worden ist. Dass alles, was 2002 an Mängeln und Defiziten aufgelistet worden ist, nicht in diesen vier Jahren abgearbeitet werden konnte, muss auch jedem und allen klar sein.
Ich war heute Früh doch sehr erstaunt und eigentlich auch sehr verärgert, als ich den Artikel in der „Morgenpost“ lesen musste: „Nichts gelernt aus der Jahrhundertflut!“ Ich meine, diese Überschrift und auch das, was an Inhalt darunter stand, ist an Ignoranz, an Dreistigkeit, an Böswilligkeit und an Dummheit nicht mehr zu überbieten.
Ich möchte diesen Herrn Timm, der in diesem Artikel als Sachverständiger befragt und zitiert worden ist, fragen, ob er überhaupt einmal in Sachsen war, ob er die Topografie von Sachsen und die Umstände und Bedingungen kennt, unter denen die Fluthilfemittel des Bundes 2002 an Sachsen gegeben worden sind.
Diese sind zweckgebunden bewilligt worden für die Beseitigung der Schäden und nicht, wie er fordert oder meint, es besser machen zu können, zur Entschädigung für Landwirte zum Ankauf von Überschwemmungsflächen usw. usf. Wir müssen uns schon an Recht und Ordnung halten. Er muss zumindest, wenn er sich schon als Experte ausgibt, auch das entsprechende Wissen dafür haben, Expertisen abgeben zu können. Dieser Artikel gipfelt weiter in der Feststellung, die Sachsen sollten sich doch nun endlich einmal mit den Behörden in Tschechien in Verbindung setzen und gemeinsame Konzepte machen. Ja, hat er denn noch nie etwas von der internationalen Kommission zum Schutz der Elbe gehört, die schon seit Jahren wirkt, schon vor dem Hochwasser, die im Oktober 2003 einen Aktionsplan verabschiedet hat, der in diesem Jahr noch einmal evaluiert und Schritt für Schritt vollzogen werden soll? Das Makabre an dieser Äußerung,
meine Damen und Herren, ist, dass dieser Herr den BUND vertritt, der informelles Mitglied in der IKSE ist. Ich kann hier nur noch Bösartigkeit erkennen und muss Sachkunde bei ihm weit, weit wegschieben.
Ich möchte jetzt auf diesen Artikel nicht weiter eingehen, aber sehen Sie mir bitte nach, dass mich dieser doch mächtig geärgert hat.
Nun noch einmal zu ein paar Fakten, zu ein paar Realitäten, die wir einfach zur Kenntnis nehmen müssen. Die Bilder im Fernsehen zeigen Brennpunkte, zeigen Gohlis bei Riesa und Gohlis bei Dresden – hier muss die Stadtverwaltung gefragt werden, inwieweit sie situationsgerecht gehandelt hat. Sicher sind diese Brennpunkte für Medien stets besser ins Bild zu setzen. Aber das tatsächliche Bild dieser Woche war doch das besonnene Handeln der Bürger, das besonnene Handeln der Behörden, eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen Feuerwehr, Rettungsdienst, Katastrophendiensten, Hilfsdiensten und nicht zuletzt auch der Einsatz der Experten der Landestalsperrenverwaltung überall vor Ort.
„Kirchbach“ sei nicht umgesetzt worden, sagte Herr Dr. Hahn. Da muss ich wirklich lachen. Erstes Beispiel die Landeshochwasserzentrale, die mit ihren OnlineDiensten sehr, sehr hilfreich war für Bürger, für handelnde Behörden. Die Umsetzung der Konzepte haben Sie kritisiert. Denjenigen, die behaupten, es sei nicht genügend geschehen, muss ich sagen: Wissen Sie, wie hoch die Anforderungen an die Nachhaltigkeit der Projekte sind, welchen Planungsvorlauf diese voraussetzen, wie viele neue Betroffenheiten entstehen, wie viel Ignoranz und wie viel Uneinsichtigkeit in die Notwendigkeit solcher Maßnahmen aber auch zu beklagen waren?
Aber, meine Damen und Herren, wir sind alle hier gefragt, und ich sage das auch in Richtung der Medien, dafür zu sorgen, dass nicht am Ende die Schäden durch unterlassenen Tourismus nach Sachsen größer sind als die, die die Flut materiell tatsächlich angerichtet hat. In diesem Sinne bitte ich Sie alle um Unterstützung. Unterstützung natürlich auch bei den Beratungen zum kommenden Haushalt, wo wir diese Maßnahmen für die nächsten Haushaltsjahre einplanen müssen, möglicherweise auch unter Einsatz weiterer Gelder aus dem EFRE-Fonds. Darüber lassen Sie uns sprechen, wenn es so weit ist. Ich hoffe, Sie alle unterstützen uns dann und Sie erkennen auch an, dass wir durch die solide Finanzpolitik des Freistaates Sachsen in den vergangenen Jahren weiter in den Hochwasserschutz investieren können. Sonst könnten wir die noch anstehenden Maßnahmen überhaupt nicht mehr realisieren.