Liebe Fraktion der GRÜNEN! Hoffentlich verschonen Sie uns in Zukunft mit derart rufschädigenden Anträgen, denn das macht unsere sächsische Wirtschaft kaputt. Wir werden diesen Antrag selbstverständlich ablehnen.
Das war die erste Runde der Abgeordneten. Es sind weitere Redner angemeldet worden. Ich frage die CDU-Fraktion? – Nein. Dann bitte ich Frau Kagelmann, für die Linksfraktion.PDS zu sprechen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Nach einem Selbsttest kommt ein Redakteur eines Umweltmagazins zu der wenig ermutigenden Diagnose: „Ich bin eine Sondermülldeponie.“ Er hatte sein Blut, Urin und Fettgewebe auf 66 problematische Chemikalien, Metalle und deren Zerfallsprodukte testen lassen. Immer mal wieder wird der Verbraucher durch einen Skandal aufgeschreckt und verunsichert: Weichmacher in Kinderspielsachen, Dioxin in Schweinefleisch – ich hoffe, Peter, das Schnitzel, das dir ausgegeben wird, ist nicht dioxinbelastet – und ganz aktuell Nikotin in Hühnereiern. Irgendwann nach hektischen Produktwechseln relativiert die Zeit die Ängste der Bürger und der verstörte Mensch
gelangt zu der wenig tröstlichen Einsicht, dass seine aktive Einflussnahme auf die Produktqualität über bewusstes Konsumverhalten eher bescheiden ist. So weit, so traurig.
Allerdings, und das ist nun die positive Botschaft, sind die Umweltbelastungen durch Dioxine – um auf den vorliegenden Antrag konkret einzugehen – seit Ende der achtziger Jahre deutlich zurückgegangen, unter anderem durch die Deindustrialisierung Ostdeutschlands allgemein, aber auch durch eine ganze Reihe technischer Maßnahmen und rechtlicher Regelungen zu Emissionsbeschränkungen, Chemikalienverboten, zum Bodenschutz etc. Dort, wo Umweltgifte beim Produktionsprozess noch unvermeidbar austreten, gelten inzwischen Grenzwerte, womit wir beim vorliegenden Antrag wären.
Die Metall- und Stahlindustrie gilt nach wie vor als die große Quelle von Emissionen allgemein und darunter von Dioxinen und Furanen speziell. Darauf haben die Vorredner schon hingewiesen. Was da so alles im Rahmen des Produktionsprozesses bei den Elbe-Stahlwerken Feralpi Riesa in die Luft geblasen wird, können Sie der Kleinen Anfrage in der Drucksache 4/3186 meiner Kollegin Caren Lay detailliert entnehmen. In der nachfolgenden Kleinen Anfrage in der Drucksache 4/3187 zum gleichen Themenkomplex finden Sie die Grenzwerte für die einzelnen Emissionen mit der Aussage – sie ist schon mehrfach heute gekommen, ich wiederhole sie noch einmal – in Frage 3, dass seit Beginn des Stahlwerksbetriebes der in den Genehmigungsbescheiden festgelegte Emissionsgrenzwert für Dioxine und Furane im Abgas des Schornsteins des Elektrostahlwerkes nicht eingehalten wird.
Das sind die nackten Fakten, meine Damen und Herren. Ich verstehe die Aufregung daher nicht so ganz. Da nützt es auch nichts, die Grenzwertüberschreitung bei Emissionen im Nachhinein relativieren zu wollen. An dieser Stelle ist es wohl eine der elementarsten Aufgaben eines Parlaments, staatliches Verwaltungshandeln zu kontrollieren.
Nichts anderes will der vorliegende Antrag. In dieser Intention findet er auch unsere volle Unterstützung. Nichts anderes bezweckten beispielsweise auch die Kleinen Anfragen meiner Kollegin Lay und die, die noch ausstehen. Im Rahmen des mehrfach erwähnten DioxinReferenzmessprogramms der Bund-Länder-Arbeitsgruppe wurde im Zusammenhang mit dem 3. Bericht als dioxinrelevantes Industriegebiet das Stadtgebiet von Riesa untersucht, gemeldet durch das Sächsische Landesamt für Umwelt und Geologie. Diese Auswahl erfolgte natürlich nicht willkürlich. Man wusste sehr wohl von der problematischen Situation an einem traditionellen Standort der Stahlindustrie.
Nun kommen wir allerdings zur Kehrseite. Mit der konkreten Form des Antrages haben wir auch einige kleinere Probleme. Unter Berücksichtigung der anstehen
den Erweiterung der Kapazität hätten wir uns eher einen auf die Kontrolle der künftigen Produktionsweise ausgerichteten Antrag vorgestellt. Wir können deshalb nicht allen Punkten vorbehaltlos und einstimmig unsere Zustimmung geben. Mir ist zum Beispiel unklar, liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion GRÜNE – sie ist jetzt ein bisschen ausgedünnt –, wie Sie sich konkret zum Beispiel die Beseitigung von Bodenverunreinigungen vorstellen. Im eben erwähnten 3. Bericht der BundLänder-Arbeitsgruppe Dioxine wird in Bezug auf Immissionsbelastungen in der Umgebung des Stahlwerkes grafisch dargestellt, dass erhöhte Belastungsgehalte zum Beispiel in 600, aber auch in 1 000 Meter Entfernung vom Stahlwerk festgestellt wurden. Wohl gemerkt, es handelt sich hier um ein städtisches Siedlungsgebiet.
Oder: Sie wollen den Anwohnerinnen und Anwohnern im Einwirkungsbereich des Stahlwerkes eine gesundheitliche Untersuchung anbieten. Da gehe ich noch mit. Was ich mir darunter vorstelle, ist eine Aufklärung der Bürgerinnen und Bürger über mögliche, leider, wenn man den Medizinern glauben darf, sehr beschränkte Vorsorgemaßnahmen, die allenfalls im Bereich spezieller Verzehrempfehlungen liegen. Aber was, bitte schön, sollen Menschen mit der Information anfangen, wie sie zum Beispiel der Redakteur des Umweltmagazins, den ich eingangs meines Beitrages erwähnte, erhielt? Der stammt nicht aus Riesa. Es gibt keine mir bekannte kurzfristige Therapiemöglichkeit für eine Dioxinreduzierung im menschlichen Körper. Die einzige wirkungsvolle Therapie besteht in der Vermeidung der Emission selbst.
Schließlich heißt Emissionsgrenzwertüberschreitung sofort unterbinden, so ehrlich müssen wir sein, im Klartext Stilllegung.
Werte Kolleginnen und Kollegen von der GRÜNENFraktion, Ihre Kritik an einer nicht erst seit Feralpi sichtbaren tendenziellen Verschleppungstaktik sächsischer Behörden bei der Kontrolle und vor allem Umsetzung ihrer eigenen Genehmigungsauflagen teilen wir. Stichwort Kronospan Lampertswalde. Seinerzeit wurde die damalige PDS-Wahlkreisabgeordnete für ihr Engagement zur Einhaltung von Umweltauflagen scharf angegriffen. Wir sind in dieser Frage alles andere als blauäugig, aber ich denke, wir dürfen uns auch nicht pragmatischen, ökologisch wie wirtschaftlich gerechtfertigten Abwägungen unter Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten verschließen, und das nicht nur wegen der Totschlagskeule Arbeitsplätze, aber auch wegen dieser. Es wird kaum Akzeptanz bei den Menschen vor Ort finden, wenn kompromissloses lokales Handeln zu einer Verlagerung der Produktion und damit auch zu einer Verlagerung der Emission ins Ausland führt, wo häufig Umweltstandards noch niedriger sind. Das kann nicht unser gemeinsames Ziel sein.
Zumal eines unstrittig sein dürfte. Ähnliche Belastungswerte dürften wir an den überwiegenden Produktionsstandorten der Metallindustrie finden und, wie mir heute bewusst wurde, nicht nur dort. Ich halte eine ganz aktuelle DPA-Meldung in den Händen. Dort heißt es: „Das Weide
land an den niedersächsischen Elbedeichen ist einer Studie zufolge stark mit dem Krebs erregenden Dioxin belastet.“ Ich will hier nicht verharmlosen, was Riesa betrifft, aber das ist ein weiterreichendes Problem, was wir zu bewerten haben. Es betrifft nicht nur den Standort Riesa. Vielmehr muss aus meiner Sicht der Druck auf Unternehmen zur Sicherung einer umweltgerechten Produktionsweise entsprechend – und das ist mir sehr wichtig – dem neuesten technischen Standard permanent erfolgen, und zwar seit der ersten Genehmigung. Das schließt auch Kontrollen außerhalb von statischen Messreihen ein, beispielsweise wenn Hinweise aus der Bevölkerung vorliegen.
Fazit, meine Damen und Herren: Die Linksfraktion unterstützt in weiten Teilen die Intention des Antrages. Einige Punkte sind bei uns strittig. Wir werden dort differenziert abstimmen. Deswegen bitten wir um punktweise Abstimmung.
Danke schön. Wir sind in der zweiten Runde der allgemeinen Aussprache. Gibt es weiteren Aussprachebedarf seitens der Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Herr Staatsminister Tillich, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Vielleicht vorweg an die Fraktion der PDS: Weder ist die ehemalige Abg. Frau Zschoche von der Sächsischen Staatsregierung angegriffen worden, noch ist die Staatsregierung nicht ihrer Aufgabe nachgekommen, eine Kleine Anfrage der Abg. Lay umfassend zu beantworten. Das möchte ich vorweg klarstellen.
Trotzdem ist es so, wie es schon zu Bismarcks Zeiten war, die Opposition sucht immer Angriffsmöglichkeiten, um der Regierung eines auszuwischen. Deswegen: Otto von Bismarck hat seinerzeit klug ausgedrückt und drastisch gesagt: „Gegen die Regierung mit allen Mitteln zu kämpfen ist ein Grundrecht und Sport eines jeden Deutschen.“ Das beweist nicht zuletzt Ihr Umgang, Frau Fraktionsvorsitzende, mit der ESF-Elbe-Stahlwerk GmbH.
Der Verwaltung Duldung der Grenzwertüberschreitung vorzuwerfen, verdreht in der Tat sämtliche Tatsachen. Von einer Duldung der Grenzwertüberschreitung kann keine Rede sein – es sei denn, man interpretiert es so, wie es der Kollege Mannsfeld getan hat. Dann wäre es in der Tat nicht falsch.
Duldung hieße nämlich umgekehrt zu dem, was Sie uns unterstellen, dass die Verwaltungsbehörde Untätigkeit hat walten lassen und zeitweise Überschreitungen bewusst ohne eigene Handlungsaktivitäten gebilligt hätte. Das war – das haben Sie, glaube ich, alle selbst bestätigt – nicht der Fall. Lassen Sie mich daher zur Klarstellung einen kurzen Überblick über das Verwaltungshandeln geben.
Die ESF-Elbe-Stahlwerk GmbH erhielt am 09.08.1994 die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Elektrostahlwerkes. Das Werk wurde am 01.10.1994 in Betrieb genommen. In der Genehmigung war unter anderem die Nebenbestimmung enthalten, dass die Emission an Dioxinen und Furanen auf 0,1 Nanogramm pro Kubikmeter – das sind ein Milliardstel Gramm – zu begrenzen sind.
Herr Lichdi, ich bin doch noch gar nicht am Ende. Lassen Sie mich doch erst zum Ende kommen. Was wollen Sie denn von mir wissen?
Herr Staatsminister, vielen Dank für die Frage. Teilen Sie nicht mit mir die Auffassung, dass es nicht darauf ankommt, dass die Behörde handelt, sondern sie mit Effekt, mit Wirksamkeit, also mit einem Ergebnis, in der Außenwelt außerhalb der Behördenmauern handelt?
Ich habe es geahnt. Herr Lichdi, lauschen Sie meinen Ausführungen und ich hoffe, dass ich Ihre Frage damit beantworten kann.
1994 gab es für derartige Anlagen, Herr Lichdi, keine vorgeschriebenen Emissionsrichtwerte zur Begrenzung von Dioxinen und Furanen. Erst acht Jahre später wurde in der TA Luft 2002 ein Grenzwert von 0,1 Nanogramm pro Kubikmeter für Emissionen an Dioxinen und Furanen festgeschrieben. Dieser Wert ist bei Altanlagen ab dem 30.10.2007 einzuhalten. Zum Genehmigungszeitpunkt der Anlage handelte es sich also um ein sehr anspruchsvolles Emissionsbegrenzungsziel oder Vorhaben.
Bei ersten Messungen der Dioxine und Furanen wurden erhebliche Unterschreitungen des festgelegten Grenzwertes festgestellt. Das haben wir auch in der Kleinen Anfrage beantwortet. Daraufhin erließ das RP Dresden eine Stilllegungsverfügung. Dem Betreiber wurde aufgegeben, seine Anlage stillzulegen, wenn die Emissionsbegrenzung nicht bis zum 01.11.1998 eingehalten werden kann.
In der Folge gab es zahlreiche Verhandlungen mit der Firma ESF. Unter Würdigung aller Belange des Umweltschutzes und der Wirtschaft, meine Damen und Herren von der PDS und der NPD, wurde zwischen ESF und dem Freistaat Sachsen ein öffentlich-rechtlicher Vertrag geschlossen, der den Einbau einer Quenche, einer Dioxinsenke, und die Einhaltung des Grenzwertes bis zum 15.04.1999 vorsah. Bei der Abnahmemessung wurde der Grenzwert von 0,1 Nanogramm pro Kubikmeter eingehalten.
In der Folgezeit wurden in Abständen von jeweils drei Monaten Messungen durchgeführt. Wegen erneuter
Überschreitungen, die allerdings unter einem Zehntel der Emissionen aus dem Jahr 1996 lagen, hat das RP nachträgliche Anordnung erlassen und mit dem Betreiber weitere Maßnahmen vereinbart.
Ich habe es im Ausschuss deutlich gesagt. Es handelt sich hier nicht um ein Unternehmen, das nicht den Anordnungen und Auflagen der Behörde nachkommt, im Gegenteil, dieses Unternehmen ist diesen Auflagen immer gefolgt. Da die Dioxine und Furane an den Stäuben anhaften, zielten diese Maßnahmen insbesondere auf die Staubminderung ab. Dazu wurde die Quenche optimiert, die Abgasführung verändert, das Temperaturverhalten und die Funkenabscheidung verbessert.
Trotz aller Bemühungen der Genehmigungsbehörde und der Firma ESF sind mit der derzeitigen Abgasreinigungstechnik keine weiteren Emissionssenkungen möglich. Deswegen plant die Firma nun eine Erweiterung und Verbesserung der Abgasreinigungseinrichtung. Der entsprechende Antrag wurde am 24.10.2005 beim RP Dresden eingereicht. Die Genehmigungsbehörde wird alles in ihren Kräften Stehende tun, um die Genehmigung zügig, aber auch verantwortungsvoll zu erteilen. Dazu haben wir im Februar/März 2006 zwei Bescheide zum vorzeitigen Maßnahmebeginn bei der Errichtung der dazu notwendigen Fundamente erteilt. Die neue Anlage soll im Herbst fertig sein, so dass die Grenzwertüberschreitungen dann der Vergangenheit angehören. Eine weitere Stilllegungsanordnung ist derzeit nicht geboten, da der vom Bund-Länder-Ausschuss für Emissionsschutz als jüngst empfohlener Emissionsgrenzwert für Dioxine und Furane von 150 Femtogramm pro Kubikmeter nicht überschritten wird. Der höchste im letzten Jahr ermittelte Wert lag bei 106 Femtogramm pro Kubikmeter, also signifikant unter den Ergebnissen von 1998.
Nur zur Relativierung sei angemerkt, dass ein Femtogramm ein Billiardstel eines Grammes ist. Sie dürfen mir glauben – als Ingenieur sei mir die Bemerkung erlaubt –, ich bin in der Tat verblüfft, was man alles messen kann.
Schon Emissionsmessungen aus dem Jahr 1998 ergaben, dass der von der ESF verursachte Anteil von Dioxinen und Furanen, meine Herren von der NPD, an der Gesamtbelastung in Riesa weniger als 30 % betrug. Damit möchte ich das Problem auf keinen Fall verharmlosen. Auch ich kenne die Toxizität von Dioxinen. Aber umso unseriöser ist es, die Öffentlichkeit mit derart populistischen Anträgen zu verwirren.
Auch von einer so genannten Dioxinverseuchung des Bodens aufgrund des Betriebes kann keine Rede sein. In den Jahren 2004/2005 wurden Depositionsmessungen durchgeführt, aus denen sich ableiten lässt, dass in 30 Jahren mit einem Anteil an Dioxinen von etwa elf Pikogramm pro Kilogramm in einer 30 Zentimeter dicken Bodenschicht zu rechnen ist. Der für Riesa ermittelte Wert ist 500-mal geringer als der zulässige Belas
Auch dies muss man wissen, wenn man sich fachlich und sachlich informiert. Über 90 % der vom Menschen aufgenommenen Dioxine und Furane stammen aus der Nahrungskette. Weniger als 10 % werden über die Luft eingeatmet. Eine gesundheitsrelevante Zusatzbelastung über den inhalativen Aufnahmeweg ist somit in Riesa nicht zu erwarten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich schließe mich Bismarcks Worten gern an: Politik ist die Kunst des Möglichen.
Frau Lay bzw. Frau Kagelmann, aber auch Herr Paul hatten sich ja mehrfach die Mühe gegeben, einerseits zu kritisieren und gleichzeitig auf den Erhalt der Arbeitsplätze hinzuweisen – eine Eierei um den Antrag, der seinesgleichen sucht.