Protocol of the Session on March 17, 2006

Sie verbreiten Hiobsbotschaften, obwohl Sie als Mitglied der Partei der Unternehmer Interesse daran haben sollten, dass solche Hiobsbotschaften nicht in die Öffentlichkeit gelangen. Wenn ich mir heute die „Freie Presse“ ansehe, dann überrascht mich das nicht. Der Fraktionsvorsitzende der FDP ist der Auffassung, dass wir in einem Raumschiff sitzen und von hier aus auf weit entfernte Planeten schauen, und wir müssten uns nur als Halbtagspolitiker betätigen. Jetzt ist mir klar, warum Sie solch eine niveauarme Debatte führen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

In der Tat gibt es Lichtblicke und Wachstumsmotoren in Sachsen. Einer davon ist das verarbeitende Gewerbe. Wir haben Betriebe in diesem Gewerbe, die Rekordumsätze erzielen. Wir brauchen, und darüber können wir uns gern gemeinsam streiten, die Aufrechterhaltung einer sozialen Republik, gerade in einer Zeit, in der es um kurzfristiges wirtschaftliches Denken und Gewinnmaximierung geht und dies im Moment die Oberhand gewinnt. Deswegen ist es dringend, die aktuellen Konzepte zu überdenken, sie kritisch zu hinterfragen. Natürlich müssen wir eine öffentliche Debatte darüber führen, wie wir die Arbeitsstrukturen in einer sich wandelnden Gesellschaft verändern können. Dabei spielen die Themen Globalisierung und der demografische Wandel eine Rolle. Wir brauchen also neue Ideen und Konzepte.

Dabei darf ich als Letztes auf die Anträge der Koalition verweisen. Der Antrag „Wege für mehr Beschäftigung“ ist der richtige Weg, denn wir wollen regional abgestimmt die Besonderheiten berücksichtigen.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Staatsministers Thomas Jurk)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort. Herr Delle, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deutschland leidet unter akuter Merkel-Euphorie. Die Stimmung ist in Deutschland gut wie selten zuvor. Die Bundeskanzlerin erreicht traumhafte Umfragewerte. Der Ifo-Konjunkturindex schwingt sich auf Höhen empor, die er seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Trotz einer Arbeitslosenquote von weiterhin über 12 %, einer Regierung ohne wirklich erkennbare Reformagenda und einer mittelprächtigen

Fußball-National-Elf sind wir so optimistisch wie selten zuvor. Das tut nach all den Jahren des Trübsalblasens natürlich ganz gut, wir sollten aber nicht die Augen vor den wahren Gründen des derzeitigen zyklischen Aufschwungs verschließen. Dieser hat nämlich nur schrecklich wenig mit Dingen zu tun, die mit dem Merkel-Faktor oder überhaupt mit Politik in Verbindung stehen.

Er hat vielmehr etwas damit zu tun, dass Unternehmen und Banken fünf Jahre nach dem Aktiencrash wieder halbwegs saniert sind und Kredite vergeben. Er hat etwas damit zu tun, dass sich die lange Anpassungskrise am Bau zu entspannen scheint. Er hat etwas damit zu tun, dass der Euro erstmals seit fünf Jahren nicht mehr teuer ist, sondern für Exporteure viel günstiger wurde, und dass der Ölpreis, zumindest in letzter Zeit, nicht mehr steigt.

Doch auch dieser von positiven externen Effekten hervorgerufene Aufschwung droht offensichtlich am Freistaat vorbeizugehen. Nach der Investitionsstatistik der Sächsischen Aufbaubank-Förderbank wurden für das vergangene Jahr 61 Investments mit knapp 520 Millionen Euro Investmentsumme verzeichnet, was einen deutlichen Rückgang zum Jahr 2004 mit 66 Investments und einer Investmentsumme von 2,8 Milliarden Euro darstellt. Fairerweise möchte ich erwähnen, dass vor zwei Jahren die Ansiedlung von DHL die Statistik gewaltig nach oben gezogen hatte.

Dennoch ist der Rückgang im vergangenen Jahr nicht allein auf statistische Sondereffekte zurückzuführen. Das betonte auch Burghard Zscheischler, der Pressesprecher der Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH, der in der „Freien Presse“ vom 28. Februar 2006 die Abwärtstendenz damit begründete, dass viele Unternehmen aus Kostengründen ihre Produktion nach Osteuropa verlagern und auch Sachsen den anhaltenden Trend der Abwanderung zu spüren bekomme.

Sie brauchen mir jetzt auch gar nicht weiszumachen, dass dies allein an den sich frei entfaltenden Kräften des Wettbewerbs liegt. Man braucht doch nur einmal ein wenig über die sächsischen Landesgrenzen nach Niederschlesien zu schauen, um eine Antwort auf die Frage zu bekommen, wo denn die ganzen Arbeitsplätze geblieben sind. In der polnischen Sonderwirtschaftszone werden Investoren ganz von Unternehmensteuern befreit oder es werden ihnen, wie beispielsweise in der Sonderwirtschaftszone Waldenburg, offiziell Zuschüsse bis zu 50 % der Investitionskosten gewährt, während es im Freistaat maximal 40 % sind.

Jüngstes Opfer dieses Standortdumpings wurde eines der traditionsreichsten deutschen Werke, nämlich das AEGHaushaltsgerätewerk in Nürnberg, das vom schwedischen Elektrolux-Konzern dichtgemacht und ins schlesische Sarrau verlegt werden soll, in eine der schon angesprochenen Sonderwirtschaftszonen. Übrigens sprach auch in diesem Zusammenhang der IG-Metall-Vorsitzende Jürgen Peters den polnischen Sonderwirtschaftszonen jegliche Legalität ab. Ähnlich äußerte sich die sozialdemokratische Europa-Abgeordnete Lissy Gröner.

Mir und meinen Fraktionskollegen ist es, offen gesagt, deshalb ein Rätsel, wie die Staatsregierung Däumchen drehend dabei zusehen kann, wie direkt vor der Haustür unseres Freistaates Standortdumping aus der untersten Schublade betrieben wird, was wohl selbst nach EURegelung illegal ist. Sachsen, die Sächsische Staatsregierung, hätte das leidige Thema der polnischen Sonderwirtschaftszonen schon längst einmal in den Bundesrat bringen oder wenigstens intern auf Bundesebene ansprechen müssen. Den Menschen in Deutschland kann es wohl nicht zugemutet werden, dass mit Geldern des EUNettozahlers Deutschland die wirtschaftliche Vernichtung ebendieser Menschen betrieben wird.

(Beifall bei der NPD)

Zum Schluss sei noch erwähnt, dass uns leider auch die Rechnung schneller präsentiert werden könnte, als uns allen lieb ist. Der Internationale Währungsfonds hat nämlich der Hoffnung auf einen kräftigen Aufschwung in der letzten Woche einen kräftigen Dämpfer versetzt. In seinem World-Economic-Outlook geht er für dieses Jahr nur noch von einem Wachstum von 1,4 % und nicht von 1,7 % aus. Für 2007 erwartet er sogar noch einen stärkeren Einbruch auf dann nur noch 1 %. Dann werden die gefühlten Verbesserungen oder die Suche nach dem Merkel-Faktor nicht mehr verhindern, dass wir in Deutschland und natürlich auch in Sachsen wieder Zahlen und Fakten zur Kenntnis nehmen müssen.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion GRÜNE das Wort. Herr Weichert, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie ist die Situation im Moment in der sächsischen Wirtschaft?

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Nicht positiv!)

Wir haben im verarbeitenden Gewerbe zum Beispiel ein Umsatzplus und eine höhere Nachfrage als im Vergleichszeitraum 2004. Wir haben gleichzeitig ein leichtes Minus bei den Beschäftigtenzahlen, und wir haben vor allem deshalb einen zweistelligen Zuwachs in der Produktivität.

Bei Hoch- und Tiefbau gibt es einen geringeren Umsatz und Auftragseingang zu verzeichnen. Auch im Außenhandel sind die Vergleichszahlen höher als im Jahr davor. Auf dem Arbeitsmarkt haben wir im Jahresmittel 402 000 Arbeitslose. Das entspricht einer aktuellen Arbeitslosenquote von 19,5 %. Die Teuerungsrate ging im Jahr 2005 erstmalig seit 1997 über die 2-%-Marke.

Wir stellen fest, dass die Stimmung in der sächsischen Wirtschaft gut ist, vor allem bei den großen Betrieben. Es gibt positive Highlights zu verzeichnen. Bei BMW werden in diesem Jahr 3 200 Stellen erreicht. AMD wird wahrscheinlich das dritte Werk in Dresden bauen. Im Zuge von DHL kommt Amazon nach Leipzig. Für 2006 –

wir haben es vorhin gehört – werden 2,1 % Wachstum erwartet. Das ist deutlich über dem Durchschnitt, der für Deutschland erwartet wird.

Das ist im Großen und Ganzen eine positive Situation. Die Ursache für das momentane Hinterherhinken der sächsischen Wirtschaft liegt immer noch zum großen Teil an der Bauwirtschaft, auch mit dem Ende der katastropheninduzierten Programme, und ferner – das ist der Punkt, auf den ich Sie gerne hinweisen möchte – erweist sich der Mangel an qualifiziertem Personal zunehmend als Wachstumsbremse.

Wir können feststellen, dass trotz zahlreicher Bewerbungen gerade bei BMW und AMD Ingenieurstellen nicht besetzt werden konnten. In Chemnitz werden allein im verarbeitenden Gewerbe bis 2010 zehntausend fehlende Facharbeiter prognostiziert. Der demografische Wandel wird das Problem noch verstärken. Wenn es also eine Gefahr für den Arbeitsmarkt gibt – das ist ja der Titel der Debatte –, dann sind das eher nicht die momentan saldierten 0,1 % Minuswachstum, sondern die Frage, wie wir in Zukunft mit Bildung, Forschung und Entwicklung umgehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU)

Wir sollten deshalb den Standort nicht schlechtreden, sondern uns überlegen, wie wir noch mehr und intelligenter in Forschung und Entwicklung investieren können und wie wir die Vielfalt und die Qualität von Bildung im Freistaat steigern. Wir hatten gerade in den letzten Tagen öfter die Debatte. Wir haben alle zusammen im Herbst bei der Haushaltsdebatte Gelegenheit zu zeigen, dass wir etwas gelernt haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU)

Wird von der Fraktion der FDP noch das Wort gewünscht? – Bitte schön, Herr Morlok.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrter Kollege Brangs, ich bin sehr froh, dass Sie das Beispiel Sachsen-Anhalt hier in der Debatte angeführt haben, weil dies Beispiel zeigt, wie man es richtig macht;

(Protest bei der CDU, der SPD und der Linksfraktion.PDS)

denn – hören Sie einmal zu, Sie müssen ganz einfach die Fakten ertragen – Sachsen-Anhalt ist Spitze. SachsenAnhalt hat im Jahr 2005 ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 1,1 % und liegt damit an der Spitze der neuen Bundesländer. Das müssen Sie bitte einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der FDP)

Argumentieren Sie doch nicht mit Ihren Ideologien, sondern nehmen Sie endlich einmal die Fakten zur Kenntnis!

(Unruhe bei der SPD und der Linksfraktion.PDS)

Darf ich um Aufmerksamkeit bitten!

Das verarbeitende Gewerbe ist in Sachsen – ich habe das vorhin zitiert – um 6,4 % und in Sachsen-Anhalt um 8,2 % gewachsen. Nehmen Sie doch bitte diese Zahlen endlich einmal zur Kenntnis!

(Beifall bei der FDP – Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Und die FDP schrumpft!)

Was ist zu tun? Wie es nicht geht, hat uns die Linksfraktion.PDS erklärt. Das Modell der Linksfraktion.PDS ist: Wachstum durch Energiesteuer oder Arbeitsplätze durch Energiesteuer bzw. schrumpfendes Wirtschaftswachstum schafft Arbeitsplätze. Das ist die Wirtschaftspolitik der Linksfraktion.PDS, und die halten wir, mit Verlaub, für vollkommen daneben.

(Beifall bei der FDP)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Morlok?

Herr Morlok, einmal ganz unideologisch, nur die Fakten zur Kenntnis genommen: Stimmen Sie mir dann zu, dass man die Entwicklung in Sachsen-Anhalt so interpretieren könnte, dass ein Schrumpfen der FDP ein Wachsen der Wirtschaft zur Folge hat?

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Heftige Proteste bei der FDP)

Den Schlamassel aufzuräumen, den Sie gemeinsam mit der SPD in Sachsen-Anhalt angerichtet haben, das nehmen wir wohl zur Kenntnis, wobei es dem Bürger schwer zu vermitteln ist. Aber im Gegensatz zu Ihnen packen wir an und verändern etwas.

(Beifall bei der FDP)

Was ist zu tun? Sachsen muss sich dem Wettbewerb stellen, auch dem Wettbewerb zwischen den Bundesländern. Ich habe das schon öfter hier gesagt, auch Fraktionskollegen von mir haben es gesagt: Wir brauchen endlich in Sachsen eine Sonderwirtschaftsregion. Sachsen könnte durchaus zum Experimentierfeld von Reformen werden, indem hier Gesetze und Reglementierungen versuchsweise gelockert werden, die anderswo tabu sind.

Die Gesetzesflut, meine Damen und Herren, bürdet sowohl der Wirtschaft als auch den Kommunen immense Lasten auf. Sie werden sich noch wundern! Das westdeutsche Wirtschaftswunder wäre unter solchen Bedingungen niemals möglich gewesen. Wenn man an die Debatten hier im Hause erinnert zum Thema Ladenöffnungszeiten, Sonntagsöffnungszeiten – auch hier war eine Blockade im Hause festzustellen. Der Hamburger Senat ging dabei mutig voran. Er stellte Überlegungen an, Immobilienmaklern, Buchmachern, Gärtnereien, Videotheken und vielen anderen die Sonntagsarbeit auch ohne Sondergenehmi