Protocol of the Session on March 16, 2006

Es ist völlig unstrittig, dass ich weiß, dass die Anpassung dieser Einrichtung Probleme bereitet. Wir sind gegenwärtig im Gespräch, wie wir diese Probleme – über einige Jahre gestreckt – gemeinsam meistern können. In diesem Gespräch sind wir, und dass Sie heute bereits wieder in diesem Hohen Hause verkünden, es gebe da einen Kultusminister, der eine Schule in Pirna platt machen will – dem ist mitnichten so.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Wir haben es schriftlich!)

Damit haben Sie regelrecht den Beweis erbracht, dass es Ihnen nur um Panikmache im Lande geht, Herr Dr. Hahn!

(Beifall bei der CDU)

Damit es in dieser Debatte nicht völlig untergeht, möchte ich – denn das hat niemand getan – kurz die Erfolgsgeschichte schildern. Es ist eine einzige Erfolgsgeschichte, die wir in Sachsen hinbekommen haben. Ich möchte es noch einmal wiederholen: 1990 bei null gestartet, keine einzige Privatschule, folglich auch keine staatlichen Ausgaben für Privatschulen. Wir haben heute 295 Privatschulen, 183 private Berufsschulen, 112 allgemein bildende Schulen. Schauen wir uns den aktuellen Schüleranteil im laufenden Schuljahr an: Bei den Grundschulen lernt ein Anteil von 4,8 % an Privatschulen, bei Mittelschulen 2,2 %, Gymnasien 5,2 %, Förderschulen 5,9 % und Berufsschulen 27,1 %. – Das sind die aktuellen Zahlen; eine einzige Erfolgsgeschichte: Wir haben es in diesem Bereich geschafft, in nur 15 Jahren den Anschluss an Westdeutschland herzustellen. Wir liegen bei den allgemein bildenden Schulen genau im Bundesdurchschnitt und haben bei den Berufsschulen den Bundesdurchschnitt um das Vierfache übertroffen. Dies gilt es zunächst einmal festzuhalten.

Was die Finanzen betrifft, weil ich immer wieder „Einspargesetz“ höre: Die Finanzen lagen 1990 bei null, ganz klar. 2006 liegen sie bei rund 200 Millionen Euro für

Privatschulen, und im nächsten Jahr, so meine Schätzung, bei 213 Millionen Euro. Dort von Einsparungen zu sprechen verbietet sich aus meiner Sicht.

Ich möchte zunächst noch einmal festhalten: Für mich stellt die jetzige Situation keinerlei Problem dar. Ich meine, dass wir durch dieses System – staatliche Schulen, ergänzt durch private Schulen – eine gute Wettbewerbssituation haben, die gute Ergebnisse gebracht hat, und ich bin – ich denke auch, gemeinsam mit der SPD-Fraktion – stolz auf diese Entwicklung.

Aber jetzt haben wir ein Problem. Dieses Problem besteht darin, dass wir eine demografische Entwicklung haben, die die jungen Leute nicht zu verantworten haben. Sie sind entweder auf der Welt, oder sie sind nicht auf der Welt; und ich finde es geradezu schäbig, dass die Generation, die dies verursacht hat – in Westdeutschland sind dies zwei bis drei Generationen –, die jungen Leute heute auf die Straße treibt – ich kann es so deutlich aussprechen, da ich gegenwärtig keinen Gesetzentwurf im Geschäftsgang habe –, um gegen ein Problem, das sie selbst verursacht hat, zu protestieren.

(Beifall bei der CDU)

So viel dazu. Ich bin nicht froh darüber, dass ich den Gesetzentwurf zurückgezogen habe, sondern ich bin in der Sache froh, dass den jungen Leuten erspart geblieben ist, vor dem Landtag in einer Sache zu protestieren, die sie selbst nicht zu verantworten haben.

Nun zum Problem. Wir haben gegenwärtig in Sachsen rund 170 000 Schülerinnen und Schüler an den Berufsschulen, und Ende des Jahrzehnts werden es 74 000 bis 78 000 sein – weniger als 50 %. Nun müssen wir auf zwei Fragen eine Antwort finden. Die erste Frage ist: Was passiert, wenn diese „halbierten“ Jahrgänge auf das jetzt bestehende Berufsschulsystem in Sachsen stoßen? Was geschieht mit der kommunalen, der staatlichen Berufsschule?

Jetzt könnte man die Frage so beantworten, Herr Herbst: Das ist uns gleichgültig. Das kann man tun. Man kann die Entwicklung sich selbst überlassen. Man kann jedoch auch zu dem Ergebnis kommen, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland gute Erfahrungen mit einem staatlichen Bildungssystem gemacht haben, welches privat ergänzt wird. Ich möchte nur sagen: Die Entwicklung mit 27,1 % ist noch nicht beängstigend. In meinem Wahlkreis Annaberg stehen wir bei 53 % in der privaten Berufsausbildung und 47 % in der staatlichen Berufsausbildung. Ich will nicht sagen, dass daraus automatisch ein Problem erwächst. Wir müssen uns jedoch mit der Beantwortung der Frage beschäftigen: Was geschieht in zwei Jahren, wenn die „halbierten“ Jahrgänge auf die Berufsschule stoßen?

Eine zweite Frage, die für mich noch entscheidender ist: Wir haben gegenwärtig in ganz Deutschland das Problem, dass die duale Berufsausbildung mehr als auf der Kippe steht. Wir haben noch etwa knapp 50 % Berufsschüler in der dualen Ausbildung, und wir haben 50 % – in Wirk

lichkeit ein wenig mehr als 50 % – in der vollzeitschulischen Ausbildung. Wir müssen die Frage beantworten: Wollen wir die duale Ausbildung erhalten? Wenn ja, dann müssen wir uns natürlich damit beschäftigen, wie wir dies steuern und finanzielle Anreize anders setzen als gegenwärtig. Dies ist es im Wesentlichen, was geblieben und nicht damit gelöst ist, indem ich den Gesetzentwurf zurückgezogen habe.

Ich will damit sagen: Nutzen wir die Chance! Das Thema ist benannt. Ich habe auch von niemandem so richtig gehört, dass er das Problem in den nächsten Jahren bestreitet. Also nutzen wir doch diese Chance, tatsächlich zu diskutieren, wie es zu lösen ist. Ich bin offen für Vorschläge, aber ich habe heute wieder nur Kritik gehört.

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, natürlich. Bitte schön.

Bitte, Herr Dr. Jähnichen.

Herr Staatsminister, Herr Kollege Dulig hat vorhin in seinem Beitrag in Bezug auf den zurückgezogenen Referentenentwurf gesagt, den freien Schulen sollte ihre Freiheit genommen werden. – Ich habe es mir notiert. – Teilen Sie diese Meinung?

Mit dieser Auffassung, Herr Abg. Jähnichen, die Herr Dulig vertreten hat, der sich aus meiner Sicht – dies ist meine persönliche Sicht, Herr Dulig, wir werden uns ja weiter auseinander setzen – nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat, was die Panikmache im Lande betrifft, hat er nicht Recht. Worum es uns in diesem Referentenentwurf ging, ist die Frage: Wie stellen wir im Privatschulbereich die Qualität sicher? Eine Qualitätssicherung ist immer eine Aufgabe des Unternehmens selbst, aber natürlich auch eine Aufgabe der Qualitätskontrolle mit genau dem Thema, mit dem wir uns im staatlichen Bereich beschäftigen. Dass man darin unterschiedlicher Auffassung sein kann, wie die einzelne Regelung lautet, gebe ich gern zu. Ich meine jedoch, dass wir in diesem Bereich insgesamt zur Einigung kommen können.

Was niemandem erspart werden kann, ist der schmerzliche Anpassungsprozess. Ich möchte es hier noch einmal deutlich sagen: Die Chance für dieses Jahr ist vertan. Für das nächste Schuljahr kann keine neue Regelung mehr in Kraft treten. Die nächste Chance gibt es zum Schuljahresbeginn 2007/2008. Der Anpassungsdruck wird im nächsten Jahr größer sein als in diesem Jahr. Das heißt, die Lösung dieses Problems wird im nächsten Jahr nicht einfacher. Ich hoffe jedoch, dass das Problembewusstsein ein größeres ist und es uns eines Tages gelingen wird, dieses Problem hier im Parlament – ganz gleich, auf welche Weise, mittels neuen Gesetzes, Haushaltsbegleitgesetzes oder Verordnungen; ich bin für alle Wege offen –

zu lösen. Ich möchte nur, dass wir uns nicht drücken und die Entwicklung einfach sich selbst überlassen. Denn dann müssen wir auch darüber diskutieren, ob wir mit den Ergebnissen tatsächlich leben können. Aus meiner Sicht wäre das klare Ergebnis, dass die staatliche Berufsschule vor die Wand fährt und die duale Berufsausbildung in Deutschland im Vorreiterland Sachsen – wir haben das Problem zuerst – scheitert. Ich möchte dies jedenfalls nicht.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Einige Fraktionen haben noch Redezeit. Ich frage, ob diese noch in Anspruch genommen wird. Die CDU-Fraktion? – Nicht. Die Linksfraktion.PDS? – Frau Abg. Bonk.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Flath, es gibt Dinge, die einfach nicht unwidersprochen stehen bleiben können. Ich verbitte mir in diesem Haus zukünftige Gleichsetzungen der Linksfraktion.PDS mit der NPD-Fraktion. Sie machen damit die Neonazis salonfähig. Das ist politisch nicht verantwortbar. Ich bitte das in Zukunft zu unterlassen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und vereinzelt bei der NPD)

Sie handeln relativ treu nach dem Muster „Gehen die Argumente aus, pack den Dogmatismus aus!“ und versuchen, vom eigenen Versagen mit dem Referentenentwurf dadurch abzulenken, dass Sie Aversionen gegen die Linkspartei schüren.

Wir haben deutlich gemacht, dass wir uns mit dem Thema freie Schulen auseinander setzen. Ich tue dies mit meinen Erfahrungen mit diesem Schulwesen und mit meinem politischen Hintergrund. Ich fordere Sie auf, sich endlich einmal zu den Inhalten und Konzepten zu äußern, dort zuzuhören und Stellung zu beziehen, statt immer nur mit den Argumenten Meinungsmache und Dogmatismus zu reagieren.

Wir haben von Ihnen, Prof. Weiss, gehört, dass Sie die Neuregelung des Schulgesetzes für die Schulen in freier Trägerschaft angehen und dass Sie das im Auge behalten. Auch wir behalten das im Auge. In den vergangenen Jahren haben Sie beispielsweise die Finanzierung immer über Haushaltsbegleitgesetze angepasst. Wir werden sehr deutlich darauf achten, wenn wir uns in Zukunft mit dem

Doppelhaushalt befassen, dass es zu einer ordentlichen Willensbildung im Parlament kommt, dass die Interessenvertreter der Schulen in freier Trägerschaft einbezogen sind. Diejenigen, die für heute eine Demonstration einberufen hatten, haben deutlich gesagt, dass sie die Demonstration verschoben haben. Wenn diesbezüglich irgendetwas geschieht, werden sie da sein. Auch wir werden da sein und darauf achten, dass das nicht einfach so durch die Hintertür passiert.

Danke.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ich wollte noch die SPD-Fraktion fragen; sie hat auch noch Redezeit. – Die NPD-Fraktion? – Dann die Linksfraktion. Herr Dr. Hahn.

Frau Präsidentin, ich mache es gleich von hier. Ich möchte eine Angelegenheit sachlich richtig stellen. Der Minister hat mir im Zusammenhang mit der Hotelfachschule Pirna Panikmache vorgeworfen. Ich habe hier ein internes Protokoll aus dem Sächsischen Staatsministerium für Kultus vom 18. Januar 2006 vorliegen.

(Zuruf des Abg. Heinz Lehmann, CDU)

In diesem Protokoll steht wörtlich: „Letztmalige Aufnahme an der Berufsschule für gastgewerbliche Berufe zum Schuljahr 2006/2007.“ Dies ist genau in diesem Jahr, Herr Minister. Insofern ist die Sache akut. Wenn Sie uns Panikmache vorwerfen, dann haben Sie die Unwahrheit gesagt. Sie wollen diese Schule platt machen. Ich bleibe dabei.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

So, meine Damen und Herren, ich kann jetzt keinen weiteren Redebedarf mehr erkennen. Damit ist diese Aktuelle Debatte abgeschlossen und der Tagesordnungspunkt beendet.

Ein Blick auf die Uhr und überzeugende Argumente bringen mich zu der Entscheidung, dass wir an dieser Stelle die Mittagspause einlegen. Wir treffen uns 13:30 Uhr zur Fragestunde wieder. Ich wünsche einen guten Appetit.

(Unterbrechung von 12:34 Uhr bis 13:30 Uhr)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir setzen unsere Beratung fort. Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 2

Fragestunde

Drucksache 4/4535

Ihnen liegen die eingereichten Fragen der Mitglieder des Landtages vor. Diese Fragen wurden auch der Staatsregierung übermittelt. Gleichzeitig ist Ihnen die Reihenfolge der Behandlung der eingereichten Fragen bekannt gemacht worden.

Ich bitte darum, dass der Abg. Kosel, Linksfraktion.PDS, die Frage Nr. 1 stellt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Frage bezieht sich auf die Kritik des Europarates an der Umsiedlung sorbischer Dörfer.

Das Expertenkomitee des Europarates zur Überwachung der Umsetzung der Charta zum Schutz der Regional- und Minderheitensprachen hat sich kritisch über die Folgen der Zerstörung sorbischer Dörfer für die Sprache des sorbischen Volkes geäußert.

Ich frage die Staatsregierung: