Um eines klarzustellen: Es gehört zu den Grundpositionen der Linksfraktion.PDS, staatliche Verantwortungsbereiche nicht zugunsten kommerzieller Interessen privater Anbieter aufzuweichen bzw. Risiken und zu erbringende Leistungen nicht zu individualisieren. Das ist auch eine wichtige Auseinandersetzung, wenn wir gerade die Entwicklung im Bereich der europäischen Öffnungen der Märkte für Bildung als Dienstleistung anschauen. Bildung darf nicht nach marktlogischen Gesichtspunkten organisiert werden, etwa Profit zu erwirtschaften oder die Inhalte schulischen Lernens auf Verwertbarkeit in anschließenden Erwerbsbiografien auszurichten. Diese Auseinandersetzung gehört auch in dieses Hohe Haus. Genau dazu beschreibt die Formulierung Bildung als Menschenrecht den Kontrapunkt, für den wir uns einsetzen. Dies meint, die individuelle und selbstbestimmte Entwicklung von jungen Menschen in den Vordergrund zu stellen. Danach muss sich Schule ausrichten.
Bildung als staatliche Aufgabe meint jedoch explizit nicht, dass in einem Haus, in einem Land oder etwa in einem Ministerium zentral bestimmt werden soll, was in allen Schulen im ganzen Land geschieht. Bildung in staatlicher Verantwortung bedeutet für uns, dass der Staat den Rahmen setzen soll, indem die Schulen eigenständig ihren pädagogischen Weg gehen können – ein Weg, der bis zu einem gewissen Grad inhaltlich nach demokratischen Gesichtspunkten an den Schulen bestimmt werden soll. Im bestehenden System können freie Schulen eine Alternative zu Praxis und Ausrichtung des herkömmlichen Schulwesens darstellen. Gemeint sind damit jene freien Schulen, die tatsächlich die individuelle Entwicklung von Schülerinnen und Schülern nach ihren Neigungen, Stärken und Schwächen in den Mittelpunkt stellen. Solche freien Schulen sind sehr oft auch die demokratischen Schulen, die wir in der Diskussion meinen. Sie
leben autonome und gemeinschaftliche Konzeptentwicklungen von Lehrerinnen und Lehrern, Schülerinnen und Schülern sowie Eltern. Sie lernen mit alternativer Lernmethodik, die die Schülerinnen und Schüler nicht einem Takt in einer Gruppe unterordnen und die eigenverantwortlichen Erwerb von Wissen und Kompetenz ermöglichen. Es ist wünschenswert, diese Alternativen zur bestehenden Philosophie öffentlicher Schulen denjenigen zu ermöglichen, die sie für sich in Anspruch nehmen wollen. Aus linker Perspektive darf der Zugang zu derartigen Konzepten jedoch nicht zum Beispiel an der Zahlung eines Schulgeldes scheitern.
Freie Schulen, die inhaltlich und methodisch einen anderen Weg gehen und soziale Selektion zu verringern suchen, können als Alternative zum System bestehen. Sie haben zudem noch Wirkungen auf das System öffentlicher Schulen, wie selbst zum Beispiel Kultusminister Flath betont und sich zu Nutzen machen sollte. Freie Schulen werden als Motoren der Bildungsreform bezeichnet. Gemeint ist, dass alternative Ansätze der Methodik und Schulorganisation auch auf öffentliche Schulen abfärben können und deren Entwicklung vorantreiben. Natürlich ist dies ein wünschenswerter Effekt und praktisch ist die Existenz freier Schulen neben den staatlichen in diesem Sinne sinnvoll.
Klar, wir wollen die freiheitliche Schulkultur der freien Schulen, aber wir wollen sie für alle Schülerinnen und Schüler an allen Schulen. Darum fasse ich zusammen:
Politische Forderungen, die wir erheben müssen, sind daher mehr inhaltliche und organisatorische Autonomie bei demokratischer Grundverfasstheit jeder einzelnen Schule,
sind weiterhin Lernbedingungen, Veränderung der Lernpädagogik, die Freiräume für die selbstbestimmte Entwicklung der Schülerinnen und Schüler. Zu einer grundlegenden Förderung gehört auch bei einer anderen Schulkultur die Abschaffung des gegliederten Schulwesens.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will zu zwei Punkten sprechen. Erstens wundert es mich, dass sich heute diejenigen zu Gralshütern der Schulen in freier Trägerschaft aufschwingen, die anfangs, als wir unser erstes Schulgesetz zu Privatschulen im Sächsischen Landtag verabschiedet haben, keineswegs zu den Freunden privater Schulen gehörten.
Wir mussten es damals gegen den immensen Widerstand verschiedener politischer Kreise durchsetzen und hatten zum Glück die Mehrheit dafür.
Zweitens frage ich mich, welches Selbstverständnis dieses Parlament inzwischen entwickelt hat und ob es überhaupt noch Abgeordnete gibt, die wissen, wie ein ordnungsgemäßes Gesetzgebungsverfahren vonstatten geht. Welchen Zweck hat ein Referentenentwurf? Er wird den Betroffenen mit der Bitte um Stellungnahme zur Kenntnis gegeben. Wenn bei den Betroffenen viel Kritik aufkommt und in den Stellungnahmen Vorschläge enthalten sind, ist es die Aufgabe des Kabinetts, das diesen Entwurf auf den Weg gebracht hat, diese Stellungnahmen zu sichten, zu werten und einzuarbeiten. Das ist geschehen. Sie aber, meine Damen und Herren, weitgehend von der Opposition, reden immer nur vom Inhalt dieses ersten Entwurfs, der aus Ihrer Sicht und vielleicht auch aus unserer Sicht möglicherweise einige Mängel hatte. Das Parlament ist bis dato in keiner Weise damit befasst. Im Gegenteil, ein Referentenentwurf wird noch nicht einmal dem Landtag offiziell zur Kenntnis gegeben.
Sie können ihn im Internet lesen, außerdem hat jeder den Entwurf. Sie sprechen ja ununterbrochen über diesen Referentenentwurf. Das ist auch gut so. Wir sollen uns sicherlich vorher Gedanken machen, wie wir damit umgehen, wenn er zu einem Kabinettsentwurf geworden ist. So weit sind wir aber eben nicht gekommen.
Viele Stellungnahmen aus den betroffenen Bereichen der Bevölkerung, auch von Grundschülern, sind bei uns eingegangen, fälschlicherweise, muss ich sagen. Darin stand: Stimmen Sie diesem Referentenentwurf nicht zu. Wir haben noch nie einem Referentenentwurf zugestimmt.
Er ist immer im Kabinett qualifiziert und erst dann dem Landtag zugeleitet worden. Wir waren innerhalb der Koalition knapp vor einer Einigung. Natürlich haben wir zur Kenntnis genommen, was an uns geschrieben worden ist. Wir haben der Staatsregierung auch manchen Hinweis gegeben, wie man den Entwurf hätte verbessern können, ohne das Ziel des ursprünglichen Entwurfs aus den Augen zu verlieren. Dass jetzt ein allgemeiner Jubel im Landtag ausbricht, weil er keinen Gesetzentwurf überwiesen bekommen hat, ist ein Armutszeugnis.
denn wenn die Staatsregierung dem Landtag einen Gesetzentwurf überweist, dann ist der Landtag an der Reihe
und die Regierung außen vor. Dann können wir hier entscheiden, wie dieser Gesetzentwurf aussieht, wenn wir ihn in 2. und 3. Lesung behandeln. Am Ende steht meist ein ganz anderer Entwurf, als er ursprünglich von der Verwaltung erarbeitet worden ist. Das bitte ich zur Kenntnis zu nehmen. Ich bitte auch die Öffentlichkeit, das zur Kenntnis zu nehmen. Wenn ich vor einigen Tagen gesagt habe, dass ich zutiefst bedauere, dass dieser Entwurf zurückgezogen werden musste, dann habe ich das in Kenntnis dessen getan, was inzwischen alles eingearbeitet worden ist. Da trifft kaum noch etwas zu, was Sie hier so vehement beklagen.
Er ist zurückgezogen worden, meine Damen und Herren – das muss ich leicht kritisch anmerken –; er ist vom Kultusminister zurückgezogen worden, weil es keine Einigung gab.
Vielleicht noch ein ganz kleiner Seitenhieb auf unseren Koalitionspartner: Es hat mich schon gestört, dass es am Abend noch eine letzte Verhandlungsrunde zwischen Ministern und Staatssekretären gab, während mein Kollege Dulig schon im Fernsehen verkündet hat, der Gesetzentwurf wäre Gott sei Dank endlich vom Tisch.
Wir müssen uns hier verbessern. Das kann so nicht gehen. Wenn wir noch verhandeln, kann eine andere Seite nicht sagen, die Verhandlungen sind schon gescheitert. Oder man geht mit dem Ziel hinein, die Verhandlungen scheitern zu lassen, aber das ist keine vernünftige Arbeit.
Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie herzlich darum, zu einer vernünftigen Arbeit, so wie sie in diesem Parlament üblich war, zurückzukehren und nicht schon alles zu zerreden, bevor es überhaupt in unsere Hände gelangt. Wenn es dann bei uns liegt, bitte ich darum, es ordnungsgemäß und vernünftig, so wie es unser Land verdient und wie es unser Land voranbringen könnte, zu behandeln. Das ist mein Appell an Sie.
Herr Dr. Hähle, da Sie mich nicht hören und nicht auf meine Frage reagiert haben, ob Sie eine Zwischenfrage gestatten, muss ich Ihnen jetzt mitteilen, dass Ihre Redezeit beendet ist. Tut mir Leid.
Meine Damen und Herren, ich frage, ob es aus den Fraktionen noch Redebedarf gibt. – Herr Dr. Hahn von der Linksfraktion.PDS.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Hähle, Ihr Redebeitrag war beredtes Zeugnis über den Zustand dieser Koalition. Das muss ich schon feststellen. Es wird Ihnen aber nicht gelingen, vom Scheitern dieses Gesetzentwurfes abzulenken. Ich will auch noch richtig stellen, dass Ihre Aussage zu den freien Schulen und unserer Haltung in der 1. Wahlperiode falsch war. Wir haben fast allen Paragrafen zugestimmt. Es gab zwei konkrete Punkte, zu denen wir eine andere Auffassung hatten, das ist unser gutes Recht. Aber wir haben uns nicht gegen die Einrichtung freier Schulen gewehrt. Das Gegenteil ist der Fall.
Ich möchte jetzt noch zu einem konkreten Fall aus meinem Landkreis sprechen. Dabei geht es nicht um das Gesetz, sondern um die Schulordnung, über die wir hier auch sprechen. Es geht um die Hotelfachschule in Pirna. Sie existiert seit 1994, ist also seit zwölf Jahren staatlich anerkannte Einrichtung. Dort werden Erstausbildungen in folgenden Berufen angeboten: Hotelfachfrau/Hotelfachmann, Fachmann für Gastgewerbe, Köchin bzw. Koch sowie staatlich geprüfter Assistent für Hotelmanagement. Alle diese Ausbildungsberufe sollen nach dem Willen des Kultusministeriums komplett gestrichen werden. Keine Berufsfachschule in Sachsen dürfte dafür künftig noch ausbilden. Wir halten das nicht für akzeptabel. In der Pirnaer Hotelfachschule stünden mit dem Wegfall der genannten Bildungsgänge letztlich 360 Ausbildungsplätze und 42 Arbeitsplätze für Lehrkräfte zur Disposition.
Die Begründung des Kultusministeriums für die geplante Streichung der Berufe ist abenteuerlich. So heißt es im Schreiben des Kultusministers: „Für die existierenden Berufsfachschulen für gastgewerbliche Berufe besteht derzeit und in Zukunft kein Bedarf. Die Bundesagentur für Arbeit registrierte im August 2005 14 460 arbeitslose Köche.“ Fragt man beim Arbeitsamt nach, bekommt man für den gleichen Zeitraum die Zahl 2 800 genannt und nicht 14 400, wie der Minister schreibt. Das SMK hatte einfach die unqualifizierten Hilfskräfte ohne Abschluss eingerechnet. Was tut man nicht alles, wenn man einen bestimmten Zweck verfolgt und Schulen platt machen will!
Entscheidend, Herr Minister, kann doch nicht die Zahl der Arbeit Suchenden in einem Beruf sein; entscheidend müssen die Qualität der Ausbildung an einer konkreten Schule und die tatsächlichen Chancen der Absolventen sein. Bei der Hotelfachschule in Pirna ist festzustellen, dass im Jahr 2005 von 157 Absolventen 153 direkt nach
der Ausbildung in ein Arbeitsverhältnis übernommen wurden. Das entspricht einer Quote von 98 %, und diese Schule soll nach dem Willen des Kultusministeriums dicht gemacht werden. Das kann doch niemand ernsthaft wollen.
Auch andere Argumente des Kultusministers in seinem Schreiben an den Verband Deutscher Privatschulen halten einer näheren Prüfung nicht stand. So wird zum Beispiel gesagt, dass Lehrstellen verdrängt werden, dass es überhaupt keinen Bedarf gebe. Im Raum Pirna, Sebnitz, Freital, Dippoldiswalde, also dem entsprechenden Arbeitsamtbezirk, gab es im letzten Jahr 830 offiziell gemeldete Ausbildungsstellen. Dem standen 1 335 Bewerber gegenüber. Angesichts dieser Situation sind die Arbeitsagenturen regelrecht gezwungen, Alternativen zu betrieblichen Ausbildungsplätzen anzubieten.
Im Berufsfeld Gastronomie waren im September 2005 nach Angaben der IHK Dresden in Sachsen 2 640 betriebliche Ausbildungsplätze eingetragen. Im Bereich Pirna, Sebnitz, Freital, Dippoldiswalde blieb keine einzige Stelle unbesetzt. Die Existenz der Berufsfachschulen in Pirna und Dresden führte also nicht dazu, dass freie Ausbildungsstellen nicht besetzt werden konnten. Im Gegenteil, die Hotelfachschule Pirna stellte zusätzlich 360 Ausbildungsplätze zur Verfügung und bietet damit Jugendlichen eine Chance auf berufliche Erstausbildung.
Ich bin bekanntermaßen selten einer Meinung mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Klaus Brähmig aus meiner Region. Sein Einsatz für die Hotelfachschule findet aber meine Unterstützung. Er hat einfach Recht, wenn er darauf hinweist, dass an dieser Schule vorrangig Jugendliche mit Hauptschulabschluss oder schlechten Mittelschulabschlüssen eine Chance bekommen, die woanders kaum eine Ausbildungsstelle finden würden. In einer Tourismusregion jetzt gerade die gastgewerblichen Ausbildungsberufe komplett streichen zu wollen, ist einfach absurd, Herr Minister.