Meine Damen und Herren! Die hohe kriminelle Energie der Umsatzsteuerbetrüger macht es sehr schwierig, diesen Betrug aufzudecken. Der „Spiegel“ hat in einem Artikel vom 17.10.2005 plakativ dargestellt, dass das jetzige System Betrügereien erst ermögliche. Der systembedingte gigantische Verrechnungsverkehr zwischen Fiskus und Firmen im Rahmen der Umsatzsteueranmeldung und der Vorsteuererstattung böte eine „Lizenz zum Gelddrucken“, wie es der „Spiegel“ nannte. Immerhin handelt es sich um bundesweit jährlich etwa 434 Millionen Zahlungsvorgänge, die in allen Finanzämtern Deutschlands zu überprüfen sind. Die Möglichkeiten, die die Finanzverwaltung in diesem Netz der Zahlungsströme hat, sind daher – auch nach Einschätzung des „Spiegels“; man kann dem wohl keine besondere Verwaltungsnähe unterstellen – natürlich begrenzt. Sie müssen sich da einmal vor Augen halten, dass wir uns in einem Massenverfahren befinden, in dem die sächsischen Finanzämter jährlich etwa 1,5 Millionen Umsatzsteueranmeldungen mit einem Volumen – im letzten Jahr – von 2,6 Milliarden Euro bearbeiten. Damit ist jedem klar, dass nicht jede einzelne Rechnung im Voranmeldeverfahren geprüft wird. Es werden Stichproben durchgeführt, überwiegend im maschinellen Verfahren.
Meine Damen und Herren! Diese maschinellen Verfahren kommen in allen Bundesländern zum Einsatz. Das gilt im Übrigen auch für andere Verfahren und Methoden. Einige Namen dieser Verfahren und Methoden sind hier auch schon von den Vorrednern genannt worden. Darauf will ich nicht weiter eingehen.
Umsatzsteuerbetrug ist also kein spezifisch sächsisches Problem, sondern betrifft alle deutschen Bundesländer.
Zweitens wenden alle Bundesländer unabhängig vom Bundesland und der jeweiligen Regierungspartei auch in Zusammenarbeit mit dem Bund die gleichen Instrumente an und haben gleichermaßen ihre Anstrengungen in den letzten Jahren verstärkt.
Welche Maßnahmen haben wir hier im Freistaat Sachsen in Abstimmung mit den anderen Bundesländern veranlasst? Die Zahl der Umsatzsteuersonderprüfer – das ist eigentlich das Thema, das der Knackpunkt ist, und darauf will ich eingehen – haben wir in den letzten Jahren, von 2000 bis 2004, um 28 % auf nunmehr 189 Prüfer aufgestockt. Also, in den brisanten Bereichen Umsatzsteuersonderprüfung und Umsatzsteuerbetrugsanfälligkeit haben wir das Personal im Zeitraum von 2000 bis 2004 um 28 % erhöht. Zurzeit sind es 189 Prüfer.
Die Zahl der Prüfer in den Bereichen Betriebsprüfungen, Steuerfahndung und betriebsnahe Veranlagungen – das ist wiederum ein Bereich, der natürlich betrugsanfällig ist
und die Feststellung der Umsatzsteuer betrifft – wurde im letzten Jahr ebenfalls um 10 % erhöht, nämlich auf 789. Lediglich, Frau Hermenau, in der Umsatzsteuervoranmeldung haben wir die Zahl der Mitarbeiter leicht gesenkt.
Ich will Ihnen das auch noch einmal benennen. Sie beziehen sich sicher auf meine Darlegungen in Beantwortung der Großen Anfrage. Wir hatten am 01.07.2004 314 Mitarbeiter ganz normal in der Umsatzsteuervoranmeldung und der Umsatzsteuersonderprüfung. Diese Zahlen haben sich von 314 zum 01.07.2005 auf 296 geändert. Hier ist das Absinken von 18 Stellen zu vermerken. Aber dieses Absinken ist nur im Bereich der Umsatzsteuervoranmeldung erfolgt. Wir haben in den Bereichen aufgestockt, in denen Umsatzsteuerbetrug möglich ist.
Ursache dafür – das will ich gern sagen – ist unter anderem, dass sich die Aufgaben in der Umsatzsteuervoranmeldung verändert haben. Einfache Überprüfungsaufgaben werden seit der Einführung der elektronischen Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung durch die Maschine erledigt, und dies ist für die Unternehmen ab dem 01.01.2005 Pflicht. Deswegen kann ich sozusagen eine personelle Absenkung in dem brisanten Bereich Umsatzsteuerkriminalität nicht erkennen.
Die Zahl der Umsatzsteuersonderprüfungen und der Umsatzsteuernachschauen wurde von 2000 bis 2004 von 9 000 auf 12 600 gesteigert. Die Zahl der geprüften Betriebe stieg um knapp 40 %. Jetzt komme ich zu einem Satz, der sehr wichtig ist. Dadurch haben wir – das sage ich mit einem gewissen Stolz – bundesweit die zweithöchste Prüfungsquote im Bereich der Umsatzsteuersonderprüfung; von 16 deutschen Bundesländern hat Sachsen die zweithöchste Prüfungsquote im Bereich Umsatzsteuersonderprüfungen. Das ist der Bereich, bei dem wir sagen, hier wollen wir Umsatzsteuerbetrug bekämpfen.
Ich will auch durchaus sagen, dass wir uns nicht auf den Maßnahmen der Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung ausruhen, sondern weitere Maßnahmen vor uns haben, zum Beispiel die Umsetzung eines bundeseinheitlichen Prüfungskonzepts für die Steuerfahndung in Karussell- bzw. in Kettenbetrugsfällen.
Von einer laschen Eintreibungspraxis, Frau Hermenau, zeugen diese Aktivitäten und diese Zahlen nicht. Zur systematischen landesweiten Bekämpfung von Steuerausfällen scheue ich mich auch nicht, neue Wege zu gehen. Ich habe deswegen verfügt, demnächst bei der Oberfinanzdirektion eine Sondereinheit „Risikoprüfung“ einzurichten. Diese Sondereinheit soll losgelöst von der Erledigung des Tagesgeschäfts gezielt steuerlich relevante Fallkonstellationen und Prüffelder mit hohem Steuerrisikoausfall aufdecken und unter Einsatz moderner EDVTechnik der Besteuerung zurückführen. Die Zuständigkeit erstreckt sich finanzamtübergreifend auf alle Steuerarten, also auch auf Fälle des Umsatzsteuerbereiches. Hier erhoffe ich mir, dass ich steuerlichen Machenschaften noch wirkungsvoller begegnen kann.
Auf das Reverse-Charge-Verfahren ist hingewiesen worden. Ich will mir das angesichts der Zeit schenken.
Meine Damen und Herren! Wir haben in der sächsischen Steuerverwaltung bislang den notwendigen Spagat zwischen Personalabbau und immer komplizierteren Steuergesetzen, glaube ich, erfolgreich gemeistert. Wir haben unser besonderes Augenmerk eben gerade auf die Bereiche mit hohem Steuerausfallrisiko gerichtet und dort den Personaleinsatz erhöht. Eine verbesserte EDV-Ausstattung trägt weiter dazu bei, dass auch die sächsische Steuerverwaltung ihre Aufgaben immer moderner und effizienter verfolgen kann.
Ich fasse zusammen: Alle Länder befinden sich in der gleichen Situation. Sachsen spielt beim Umsatzsteuerbetrug keine unrühmliche Rolle, im Gegenteil, die Kolleginnen und Kollegen in den Ämtern kennen ihr Fach und schöpfen ihre Möglichkeiten, manchmal sehr zum Verdruss der Steuerzahler, durchaus voll aus. Die sächsische Steuerverwaltung arbeitet zuverlässig und gut. Dafür möchte ich mich von dieser Stelle aus bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herzlich bedanken.
Mir liegen keine weiteren Anträge auf Wortergreifung vor. Damit ist die allgemeine Aussprache zur Großen Anfrage beendet. Aber es gibt einen Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den Frau Hermenau sicher einbringen möchte. Bitte.
Frau Präsidentin! Das ist nicht nötig. Der Entschließungsantrag hat natürlich mit der Beantwortung der Großen Anfrage zu tun.
Dann frage ich die anderen Fraktionen, ob es dazu Redebedarf gibt. – Linksfraktion.PDS; Frau Simon, bitte.
Frau Präsidentin! Ich möchte Sie bitten, über den Punkt II punktweise abstimmen zu lassen, wobei die Punkte 1 und 2 gemeinsam abgestimmt werden können. Ich bitte, über den Punkt 3 separat abstimmen zu lassen.
Wir lehnen den Entschließungsantrag ab, weil wir die Feststellungen des Antrages nicht mittragen. Die Ausführungen des Finanzministers haben das verdeutlicht. Deshalb brauchen wir auch die Schlussfolgerungen nicht.
Ich rufe auf den Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drucksache 4/4120 zur Drucksache 4/2858 mit dem Thema Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Bekämpfung des Umsatzsteuer-Betruges. Es war Abstimmung nach I und II verlangt, separate Abstimmung im Punkt II die Punkte 1 und 2 gemeinsam, aber den Punkt 3 getrennt.
Ich rufe den Punkt 1 auf. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um sein Handzeichen. – Danke schön. Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei Stimmen dafür und Stimmenthaltungen ist dennoch der Punkt I mehrheitlich abgelehnt worden.
Ich rufe im Punkt II zunächst die Punkte 1 und 2 auf. Wer diesen beiden Punkten zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Es gibt gleiches Stimmverhalten
Ich rufe den Punkt 3 auf. Wer diesem Punkt seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um sein Handzeichen. – Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer größeren Anzahl von Stimmen dafür ist der Punkt 3 dennoch mehrheitlich abgelehnt worden.
Da die Punkte in der Einzelabstimmung abgelehnt wurden, erübrigt sich eine Gesamtabstimmung zu diesem Entschließungsantrag. Wir beenden damit den Tagesordnungspunkt 2.
Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde lautet: CDU, SPD, FDP, Linksfraktion.PDS, NPD, GRÜNE und die Staatsregierung. Ich erteile der CDU-Fraktion das Wort. Herr Abg. Petzold, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben drei Anträge von vier Fraktionen, die Neuland in der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit beschreiten wollen. Das ist tatsächlich etwas Neues in diesem Hohen Hause und ich wünsche mir, dass wir uns behutsam und vorbehaltlos an die Kernfrage herantasten, wie wir vor allem Langzeitarbeitslosen eine echte Perspektive bieten können. Hohe Erwartungen einerseits, aber auch deutliche Skepsis seit Wochen im Blätterwald andererseits, wenn über das Thema Kombilohn diskutiert wird.
Unser Antrag „Wege für mehr Beschäftigung“ will zunächst einmal Ordnung in die verwirrende Diskussion bringen. Hierzu soll die Staatsregierung darlegen, was im Einzelnen derzeit in Wirtschaftsförderung, Wirtschaftsforschung und Politik zur Beschäftigungssteigerung diskutiert wird, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede diese Modelle aufweisen. Ich glaube, das ist für uns alle ein notwendiges Fundament, um die Debatte sachorientiert und im Interesse der arbeitslosen Menschen führen zu können. Meine Vermutung ist, es gibt unter den Fach
leuten viel mehr Gemeinsamkeiten, als wir allgemein vermuten möchten. Man muss das Rad nicht überall neu erfinden. Deswegen lohnt ein Blick auf die Länder, die weit erfolgreicher als wir in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sind und insbesondere gering Qualifizierten auch eine echte Chance gegeben haben.
Ein Blick in die Statistik zeigt: Beschäftigung ist auch für diesen Personenkreis möglich. Während deutschlandweit die Arbeitslosenquote von gering Qualifizierten 18 % beträgt – in Ostdeutschland ist sie übrigens bedauerlicherweise 50 % –, so sind es in Österreich, Dänemark und der Schweiz nicht einmal 8 %. Die banale Erkenntnis lautet also: Auch in hochentwickelten Industrieländern ist Beschäftigung selbst für gering Qualifizierte möglich. Weil dies möglich erscheint, hat die Politik die Pflicht und Schuldigkeit, diesen Menschen endlich eine echte Perspektive aufzuzeigen.
Voraussetzung dafür ist, dass wir die bisherigen Denkkategorien verlassen und vorbehaltlos eigene Fehler, vielleicht auch Trägheiten in der Politik eingestehen. Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung, sagt bereits der Volksmund. Daran möchte ich anknüpfen. Zu lange haben wir an der Illusion festgehalten, mit Wirtschaftswachstum und konjunktureller Erholung könnte man Dauerarbeitslosig
keit, gerade auch von gering Qualifizierten, in den Griff bekommen. Zwischenzeitlich wächst jedoch die Erkenntnis, dass dies ein Trugschluss ist. Immer höher wird die so genannte Sockelarbeitslosigkeit, die nach einer konjunkturellen Erholung übrig bleibt.
Auch Sachsen hat trotz bundesweiten Spitzenwachstums sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse verloren. Umsatzwachstum in der Industrie und Erfolge beim Export schlagen sich nicht automatisch in zusätzlichen Arbeitsplätzen nieder. Es ist eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die weitere Entwicklung unserer Wirtschaft und des Arbeitsmarktes. Das hilft lediglich, vorhandene Arbeitsplätze zu sichern.
Wirklich mehr Beschäftigung verlangt deswegen andere Rezepte. Die Ökonomen sind sich in der Diagnose weitgehend einig: Zur Verbesserung der Beschäftigungschancen müssen sich Arbeitskosten von gering Qualifizierten an deren Produktivität angleichen, sprich: sie müssen sinken, damit neue Jobs entstehen. Damit die sozialstaatliche Balance gewahrt bleibt, ist der Staat gefordert, mittels Transfereinkommen den politisch definierten notwendigen Lebensstandard zu sichern. Das heißt ganz klar: Wer zusätzliche Arbeitsplätze für gering Qualifizierte will, muss bereit sein, diese teilweise dauerhaft zu subventionieren. Davor schreckt die Politik, aber auch die Wirtschaft bisher zurück.
Ich plädiere dafür, diese mentale Barriere niederzureißen. Lasst uns lieber zusätzliche Arbeitsplätze durch Transferleistungen schaffen, als Dauerarbeitslosigkeit finanzieren. Staatlich geförderte Arbeit ist besser als gar keine Arbeit, zumindest dann, wenn die staatlich geförderte Arbeit nicht teurer ist als die Arbeitslosigkeit. Natürlich müssen Mitnahme- und Drehtüreffekte sowie eine Behinderung des ersten Arbeitsmarktes ausgeschlossen werden. Ist das unbezahlbar? Ich denke nein, wenn man es richtig anstellt. Eine Bedarfsgemeinschaft nach SGB II erhält monatlich rund 800 Euro vom Staat und das ohne eine echte Perspektive in Richtung Beschäftigung. Auch die Ein-Euro-Jobs dienen in erster Linie dazu, aus der sozialen Isolation herauszukommen, aber als Einstieg in die Beschäftigung erweisen sie sich mehrheitlich als ungeeignet. Das kann Ihnen jede ARGE und jede optierende Kommune bestätigen.