Sehr kurz zu einem letzten Problem, dem Regionalkonzept der Bundesbeauftragten für die Hinterlassenschaften der Staatssicherheit. Wir stimmen Herrn Beleites hierin gern zu, dass die Reihenfolge der anstehenden Grundsatzentscheidungen umgekehrt werden muss. Wie sonst kann sinnvoll über die sächsische Archivstruktur entschieden werden, ohne fahrlässig Steuergelder aus dem Fenster zu werfen, wenn nicht die mittel- und langfristige Perspektive des Umgangs mit diesen Unterlagen geklärt ist? Herr Beleites stellt auf den Seiten 36 ff. durchaus die richtigen Fragen. Beantworten kann sie allerdings nicht der Sächsische Landtag, sondern nur der Bundestag.
Abschließend: Wir sind gern bereit, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen – aber eben nicht billigend, wie es in der Beschlussempfehlung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses heißt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, dem Landesbeauftragten Herrn Beleites und seinen Mitarbeitern im Namen der SPDFraktion recht herzlich für die geleistete Arbeit und den vorgelegten Bericht zu danken.
Die NPD-Fraktion hat keinen Redner gemeldet, sie verzichtet. Die FDP hat auch niemanden gemeldet und verzichtet. Die GRÜNEN haben Herrn Lichdi gemeldet.
Sehr geehrter Herr Präsident! Auch wenn es spät ist, haben wir uns in der Fraktion darauf verständigt, doch zu diesem Thema zu sprechen; denn ich denke, dieses Thema ist es wert.
Angesichts der Vorlage des Jahresberichtes des Sächsischen Landesbeauftragten möchte auch ich für meine Fraktion Herrn Beleites und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für seine wichtige Arbeit sehr herzlich danken. Sein Bericht zeigt wiederum die vielfältigen Aufgaben und das hohe Engagement des Landesbeauftragten. Ich möchte insbesondere auch an die Veranstaltungsreihe zum 15. Jahrestag der friedlichen Revolution in Plauen, Dresden und Leipzig im Herbst 2004 erinnern.
Die Anzahl der Beratungen ist immer noch sehr hoch. Dies heißt für uns, dass der Bedarf für diese Stelle weiterhin gegeben ist. Insbesondere scheint die dezentrale Beratungsinitiative erfolgreich gewesen zu sein. Ich möchte in diesem Zusammenhang aber auch kritischerweise – nicht gegen Herrn Beleites, sondern gegen die Staatsregierung – den Bereich der Rehabilitation herausgreifen. Der Landesbeauftragte berichtet auf Seite 10 – Zitat –: „Wir mussten immer wieder feststellen, dass diejenigen Fälle überwiegen, bei denen eine Ablehnung zwar rechtlich berechtigt erscheint, sachlich aber eine Rehabilitierung geboten wäre.“
Der Landesbeauftragte spricht sich daher für die Opferpension aus. Nun äußert sich Herr Beleites durchaus sehr diplomatisch; ich bin aber doch über folgende Hinweise gestolpert – Zitat–: „Das Angebot unserer Behörde an die Rehabilitierungsbehörde beim Landesamt für Familie und Soziales in Chemnitz, zu Einzelfällen bei der beruflichen verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung eine Bewertung der vorliegenden Stasi-Unterlagen Verfolgter vorzunehmen, um festzustellen, ob und in welchem Umfang sich Verfolgungstatbestände aus den Stasi-Unterlagen ableiten lassen, ist bisher nicht wahrgenommen worden.“
Weiter heißt es: „Über das Sächsische Staatsministerium der Justiz war ein ähnliches Angebot auch an die Entschädigungsstelle bei der sächsischen Generalstaatsanwaltschaft herangetragen worden. Hier geht es um die Feststellung von Ausschlussgründen bei der Kapitalentschädigung im Rahmen der strafrechtlichen Rehabilitierung, das heißt um solche Fälle, wo politische Häftlinge vor, während oder nach ihrer Haftzeit für das MfS tätig waren. Auch von dort gab es keine konkreten Anfragen.“
Frau Staatsministerin Orosz und Herr Staatsminister Mackenroth, ich habe schon den Eindruck, dass die Staatsregierung nicht alle ihre Möglichkeiten genutzt hat, um tatsächlich auch die Rehabilitierung und den besonderen Sachverstand, den Herr Beleites und seine Mitarbeiter haben, nutzbar zu machen. Ich hoffe, dass der Landesbeauftragte in seinem nächsten Bericht hier Besseres berichten kann.
Ich möchte auch – zumal einer meiner Vorredner, Herr Dr. Friedrich, gewisse Nuancen fallen ließ, die ich jetzt nicht weiter bewerten möchte, indem er DDR- und SED-Unrecht in Zusammenhang mit Systemunrecht
gestellt hat; das ist ja Ihre ständige Leier – darauf hinweisen, dass meine Fraktion beispielsweise die Stellungnahmetätigkeit des Landesbeauftragten entsprechend dem Landesbeauftragtengesetz auch in der Arbeit der Ausschüsse des Landtages durchaus sehr zu schätzen weiß. Dies möchte ich hier ausdrücklich sagen; Sie hätten es ja nicht ansprechen brauchen.
Ich komme zu einem dritten Punkt, der uns ebenfalls sehr wichtig ist: zum Gedenkstättengesetz. Kollege Gerstenberg und ich hatten die Ehre, an einer Sitzung der Aufarbeitungsinitiativen teilzunehmen. Wir haben dabei auch das Thema Gedenkstättengesetz angesprochen. Meine Fraktion bedauert es sehr, dass durch die Ungeschicklichkeit der Staatsregierung die Verbände der Opfer aus der NS-Zeit das Kuratorium verlassen haben. Wir bedauern aber noch mehr, dass es bisher nicht gelungen ist, diesen Konflikt zu lösen.
Wir haben aus dem Gespräch mitgenommen – dies ist mir wichtig zu sagen –, dass bei den Opfern und Aufarbeitungsinitiativen die Verbitterung über die mangelnde Wahrnehmung und Anerkennung in der Öffentlichkeit durchaus sehr tief sitzt, aber sie wehren sich auch gegen eine Instrumentalisierung zulasten der NS-Opfer. Sie wollen jeweils ein spezifisches Gedenken, und sie wollen nicht, dass die Erinnerung an ihr Leid untergebuttert wird oder gegenüber den NS-Opfern in den Hintergrund tritt – jedoch ohne ihnen irgendetwas wegzunehmen. Ich möchte ausdrücklich sagen, dass uns dies sehr beeindruckt hat und dass wir diese Haltung auch sehr schätzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur kurz auf die Anwürfe des Abg. Lichdi gegen die Staatsregierung eingehen.
Herr Lichdi, wenn Sie der Staatsregierung vorwerfen, sie habe nicht alle Möglichkeiten genutzt, den Sachverstand von Herrn Beleites nutzbar zu machen, dann kann ich Ihnen nur sagen: Dieser Ihr Eindruck beruht auf einer reinen Vermutung. Tatsachen dafür geben Sie nicht an. Dass ein Gesprächsangebot an die Rehabilitierungsbehörde oder an die Entschädigungsstelle bei der Generalstaatsanwaltschaft bisher nicht angenommen worden ist, kann vielfältige Ursachen haben, nämlich unter anderem die, dass mögliche Fragen nicht auftauchen oder dass Probleme bereits im Sinne des Landesbeauftragten gelöst sind.
Ansonsten danke ich auch namens und im Auftrag der Staatsregierung dem Landesbeauftragten für die gute und verantwortungsvolle Tätigkeit, die er im Berichtszeitraum
Danke schön. – Ich frage Herrn Prof. Schneider als Berichterstatter, ob er noch sprechen möchte. – Er verzichtet.
Meine Damen und Herren! Wir stimmen über die Beschlussempfehlung des Verfassungs-, Rechts- und Europaausschusses, vorliegend in der Drucksache 4/4030, ab. Wer der Beschlussempfehlung folgt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer folgt der Beschlussempfehlung nicht? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei keinen Gegenstimmen und einer größeren Anzahl von Enthaltungen ist das Haus mehrheitlich der Beschlussempfehlung gefolgt.
Es ist durchaus eine angenehme Aufgabe, zu diesem Tagesordnungspunkt sprechen zu dürfen. Ich darf auch im Namen der SPD-Fraktion Herrn Beleites und seinen Mitarbeitern ganz herzlich für die im letzten Jahr geleistete Arbeit und den hier vorgelegten Bericht danken.
Mit dem Bericht wird der Öffentlichkeit das breite Spektrum einer wichtigen Tätigkeit vermittelt und ein umfassender Einblick in die Arbeit der Behörde gewährt.
Der Bericht macht deutlich, wie wichtig auch mehr als 15 Jahre nach der friedlichen Revolution die historische und politische Aufarbeitung der SED-Diktatur und insbesondere der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes der DDR ist.
Ich habe bei der Lektüre des Berichts und auch aus den Ausführungen des Landesbeauftragten im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss eine Tendenz ausmachen können, und zwar die Tendenz, dass die politische Bildung eine immer größere Rolle der Arbeit der Behörde einnimmt. Das ist eine positive Entwicklung, vor allem, wenn die entsprechenden Angebote des Landesbeauftragten stärker nachgefragt werden, hauptsächlich von Schulen.
Gerade vor dem Hintergrund, dass heutige Schüler die DDR nicht selbst erlebt haben und vieles von dem, was die Arbeit der Staatssicherheit ausmachte, nicht kennen, sehe ich den künftigen Schwerpunkt der Arbeit des Landesbeauftragten in der politischen Bildung, ohne dass die anderen Aufgaben, insbesondere der Kontakt mit den Opferverbänden und Aufarbeitungsinitiativen, dadurch abgewertet werden.
Politische Bildung ist aber wichtig. Nur wenn es gelingt, die Erinnerung an die Diktaturen aufrechtzuerhalten, wird das Bewusstsein gerade junger Menschen für die Werte unseres demokratischen Staatswesens geschärft.
Meine Fraktion ist davon überzeugt, dass es hierzu zwingend der Arbeit des Landesbeauftragten bedarf.
In den vergangenen Wochen ist die Debatte über die Absicht der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, die Archiv
bestände der Außenstellen an einem Ort je Bundesland zusammenzuführen, erneut aufgeflammt. Schon diese Debatte zeigt, dass die Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes auch 16 Jahre nach der friedlichen Revolution des Herbstes 1989 nicht abgeschlossen ist; einen Schlussstrich kann es nicht geben.
Neben den rein organisatorischen Aspekten hat die Debatte um das so genannte Regionalkonzept – Schowtka – auch die Frage nach dem künftigen Umgang mit der Hinterlassenschaft des Staatssicherheitsdienstes wieder auf die Tagesordnung treten lassen.
Der Landesbeauftragte weist in seinem Bericht in Übereinstimmung mit der Staatsregierung darauf hin, dass zuerst eine Klärung der mittel- und langfristigen Perspektiven des Umgangs mit den Stasi-Unterlagen insgesamt herbeigeführt und erst dann eine Entscheidung über die Archivstruktur und Archivumlagerung getroffen werden sollte. So fordert es Dr. Friedrich, Linksfraktion.PDS.
Der Landesbeauftragte hat seinen Sachverstand über die Funktionsweise des Staatssicherheitsdienstes und das Erfahrungswissen aus seiner langjährigen Tätigkeit nicht nur im Rahmen dieser Diskussion, sondern auch bei der Unterstützung von Verfolgtenverbänden und Aufarbeitungsinitiativen einfließen lassen.
Genauso wichtig war im Berichtszeitraum die individuelle Beratung von Bürgern zu den vom Staatssicherheitsdienst zu ihrer Person gespeicherten Informationen und zu Rehabilitierungsmöglichkeiten.
Neben dieser Aufgabe stellt die historische Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes und die Unterrichtung der Öffentlichkeit über totalitäre Strukturen und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft und den Einzelnen weiterhin einen Schwerpunkt der Tätigkeit des Landesbeauftragten dar.
Die Arbeit des Landesbeauftragten dient damit auch der Erinnerung an die Ereignisse im Herbst ’89. Insbesondere die Bürger der sächsischen Städte waren es, die mit großem Mut für sich und andere grundlegende Freiheitsrechte errungen haben. Die Erinnerung an diese Leistungen, verbunden mit dem Wissen um die Funktionsweise und die Folgen von Diktaturen, kann dazu beitragen, demokratiefeindlichen Bestrebungen, gleich aus welcher Richtung sie auch kommen, den Nährboden zu entziehen.
Der Sächsische Landtag hat am 9. November 2005 Herrn Beleites für eine weitere Amtszeit zum Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik gewählt. Für seine Tätigkeit kann er sich weiterhin auf die Unterstützung durch die Staatsregierung verlassen.
Der Landesbeauftragte hat auch im Berichtszeitraum insgesamt gut und verantwortungsbewusst gearbeitet.