Es waren zuerst die Kirchen, die auf ihr gemeinsames Erbe in dieser alten europäischen Kulturregion angeknüpft haben, gemeinsame Kirchentage und gemeinsame Prozessionen organisiert haben. Seit dem Herbst 1989 besteht wieder eine gemeinsame europäische Perspektive für unseren europäischen Kontinent, und wo wird dies spürbarer als an dieser Nahtstelle zwischen Görlitz und Zgorzelec? Eine europäische Kulturregion wächst wieder zusammen. Das Bindeglied über die Neiße sind in der Tat die Brücken. Sie symbolisieren nichts anderes als den Wiederaufbau und den Zukunftswillen der Stadt; und wer sich gegen Brücken ausspricht, spricht sich für Vergangenheit aus. Wir wollen Zukunft bauen, und die Brücke ist das Symbol der Kulturhauptstadt-Bewerbung. Der Mensch auf der Brücke weist auf das Entscheidende hin: dass es auf die Menschen ankommt, dies zu realisieren.
1071 wurde durch Heinrich IV. die erste Erwähnung dieser Stadt dokumentiert. Die Stadtgründung ist viel älter. Regionale Unterstützung ist besonders wichtig. So hat sich eben zuerst Zgorzelec dazu bekannt, die deutsche Bewerbung zu unterstützen; und dies ist nicht selbstverständlich. Die ganze Region Oberlausitz/Niederschlesien steht dahinter, genauso wie die Woiwodschaft Niederschlesien und die polnische Regierung, wie es in Warschau bekundet wurde. Aber es sind auch aus Prag entsprechende Äußerungen zu vernehmen, sich für die Bewerbung und die erfolgreiche Durchsetzung stark zu machen.
Deswegen möchte ich als Görlitzer Ihnen, meine Damen und Herren, an dieser Stelle heute danke sagen. Ich möchte danke sagen für die bisherige Unterstützung. Ich danke auch der Staatsregierung und dem Ministerpräsidenten. Ich danke dem Landtagspräsidenten, aber ich danke auch den beiden Ministern aus der Görlitzer Region, unserer Sozialministerin und unserem Wirtschaftsminister, die mit Feuer und Flamme hinter dieser Bewerbung stehen.
Einige Etappen dieser Bewerbung wurden schon beschrieben. Städtebaulich hat sich Erich Iltgen, ein Freund von Görlitz, immer wieder stark gemacht. Ich weiß sehr genau, dass in dieser Region enorme Potenziale schlummern. Wir sind eine lernende Region, lernen gemeinsam die Zukunft. Auf beiden Seiten der Neiße wird Polnisch und Deutsch gelernt. Eben diese Erfahrungen zeigen, dass in dieser Stadt eine alte Tradition, nämlich Toleranz, keine Utopie ist, sondern erlebte Praxis. Gerade vor dem Hintergrund einer Krise in der Europäischen Union zeigt das Beispiel Görlitz/Zgorzelec, dass bürgerschaftliches Miteinander über Grenzen hinweg eben keine Utopie ist, sondern real erfahrbares Leben.
Peter Baumgart, Kulturraummanager der Bewerbung, sagte: „Görlitz/Zgorzelec sind auf dem Weg und laden die
Ich denke, wir haben großartige Chancen. Wir sind dabei, auch in Dresden die Menschen zu motivieren, nach Görlitz zu kommen. Ich lade Sie alle herzlich ein. Kommen Sie zu uns, dokumentieren Sie, dass Sie Gäste mitbringen, und unterstützen Sie dabei unser Anliegen in einem wahrhaft lohnenswerten Prozess! Wir in Görlitz fördern Freiheit und Demokratie, Mut statt Kleingeist, Freundschaft statt Hass. Wir werden Europas Kulturhauptstadt 2010!
Ich erteile der Linksfraktion.PDS das Wort. – Ich bin davon ausgegangen, dass die SPD keinen Redebeitrag mehr bringen wollte. – Bitte, Herr Hilker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bewerbung zur Kulturhauptstadt Görlitz bewegt den Landtag schon seit dem Jahre 2002. Erst waren es Kleine Anfragen. Im Jahre 2003 brachte die CDU-Fraktion einen entsprechenden Antrag ein, dass der Landtag die Bewerbung unterstützen möge. Dieser Antrag wurde einstimmig verabschiedet. Im Jahre 2004 gab es eine Debatte, beantragt von der SPDFraktion, mit dem Hauptredner, dem jetzigen Staatsminister Herrn Jurk, in dem es darum ging, wie die CDUStaatsregierung versucht, eine Bewerbung zu verhindern. Und nun – neun Monate vor der Entscheidung – führen wir wieder eine Debatte. Die Frage ist, ob die heutige Debatte mehr wird als ein rein symbolischer Akt.
Es gibt andere Entscheidungen, die der Landtag einstimmig gefasst hat. Ich möchte hierzu den „Tag der Sachsen“ oder die Olympiabewerbung anführen, mit denen wir anders umgegangen sind. Für den „Tag der Sachsen“ gibt es bei der Staatskanzlei einen eigenen Haushaltstitel im Kapitel 02. Für die Olympiabewerbung sind wir wesentlich weiter gegangen. Es wurden GmbHs gegründet, es wurden Gelder im Einzelplan 15 bereitgestellt, allein im Jahre 2005 noch einmal drei Millionen Euro zur Abwicklung der entsprechenden GmbH.
Aber wie sieht die Praxis im Rahmen der Bewerbung zur Kulturhauptstadt aus? Ja, wir haben einen Beauftragten für die Kulturhauptstadt Europas, den früheren Regierungssprecher Herrn Striefler, aber es ist ein Beauftragter ohne eigenen Etat. Wir haben keinen eigenen Haushaltstitel. Wir haben keine entsprechende GmbH gegründet. Das Meiste, was im Bereich der Kulturhauptstadt-Bewerbung gemacht wird – zumindest, wenn es finanziert werden soll –, ist Stückwerk. Natürlich ist diesbezüglich sowohl dem Wirtschaftsminister zu danken, aber vor allem auch der Wissenschaftsministerin, Frau Ludwig, die versucht, aus ihr zur Verfügung stehenden Einzelposten ein Gesamtkonzept zu finanzieren. Wie wollen Sie aber ein Gesamtkunstwerk, eine Gesamtbewerbung, finanzieren, wenn Sie
auf einzelne Etats und auf die Förderung der allgemeinen Kulturräume zurückgreifen müssen, wenn Sie in die Kulturförderung gehen? Diese Bewerbung geht doch dann zulasten anderer, die bisher in diesem Bereich Projekte eingebracht haben.
Ich sage Ihnen, dieses politische Symbol ist natürlich gefordert. Die Kulturhauptstadtbewerbung Görlitz braucht einen eigenen Etat.
Wir sagen, die Art und Weise der Finanzierung kann so nicht bleiben und sie muss sofort geändert werden. Unser Vorschlag ist deshalb, dass es eine entsprechende außerplanmäßige Ausgabe mit zirka 300 000 Euro geben muss. Wir glauben, dass dieses Geld übrig ist. Ich hatte vorhin eine Summe genannt; zirka 10 % der Mittel der Olympia GmbH aus dem letzten Jahr würden ausreichen, um diese 300 000 Euro aufzubringen.
Meine Damen und Herren von der CDU, Sie sprechen von einem Endspurt. Um im Bild zu bleiben: Ein Marathonläufer braucht kurz vor Schluss noch einen Verpflegungsstützpunkt. Diesen Verpflegungsstützpunkt kann dieses Mal nicht die Kulturhauptstadt Görlitz einrichten, dazu ist jetzt die Staatsregierung gefragt.
Herr Heitmann, eine Ihrer ersten Fragen in Görlitz war die nach dem Haushalt, ob es die Finanzlage in Görlitz zulasse, dass der Haushalt genehmigt werden könne, und welche Konsolidierungsmaßnahmen es gebe. Meine Damen und Herren, aber was sind denn Konsolidierungsmaßnahmen? Konsolidierungsmaßnahmen sind Einsparmaßnahmen. Wenn man aber etwas zusätzlich will, wenn man eine Bewerbung gewinnen will, dann braucht man doch mehr Geld und nicht weniger. Zumindest sagt das unsere Logik.
Ja, wir müssen uns entscheiden – nicht hier und heute, nicht sofort, aber in der nächsten Zeit. Wir müssen uns entscheiden, ob es um die Finanzlage oder um eine erfolgreiche Bewerbung von Görlitz geht. Meine Damen und Herren, Kultur rechnet sich genauso wenig wie Religion. Und ich sage Ihnen eines: Ich bin zwar nicht Jesus, aber wir können nicht zugleich Gott und dem Mammon dienen.
Wir als Linksfraktion.PDS wollen eine erfolgreiche Bewerbung. Wir wollen, dass Görlitz Kulturhauptstadt wird, und dazu ist jetzt die Staatsregierung gefordert.
Wird das Wort von der Fraktion der FDP gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Von den GRÜNEN? – Ebenfalls nicht. Dann bitte die CDUFraktion; Herr Clemen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich spreche hier nicht nur für die CDU-Fraktion, sondern
insbesondere als Vorsitzender des Ausschusses für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien, der am 12. Januar 2006 die Gelegenheit hatte, sich vom Stand der Kulturhauptstadtbewerbung in Görlitz zu überzeugen.
Meine Damen und Herren! Ich danke allen Fraktionen, die dort anwesend waren. Herr Gansel, es ist bezeichnend, dass gerade Sie, der mit Halbwahrheiten und Unwahrheiten agiert, eben nicht an dieser Präsentation teilgenommen haben und deshalb nicht wissen konnten, dass der Stadtrat von Zgorzelec im Dezember beschlossen hat, die Kulturhauptstadt-Bewerbung – und zwar die gemeinsame Kulturhauptstadt-Bewerbung von Görlitz und Zgorzelec, das möchte ich noch einmal betonen – mit 1,7 Millionen Euro zu unterstützen.
Meine Damen und Herren! Ich denke, das war durchaus einen Beifall wert, zumal wir wissen, dass in Polen ein Euro immer noch einen anderen Stellenwert besitzt, als es bei uns der Fall ist.
Ich hatte Gelegenheit, mich mit dem Stellvertretenden Bürgermeister für Bauen und Investitionen, Herrn Zdisław Gierwielaniec, zu unterhalten. Wir sind dabei zu dem Ergebnis gekommen: Es war natürlich am Anfang für die polnische Seite durchaus nicht einfach, sich mit dem Gedanken anzufreunden, mit dieser Region im Zusammenspiel mit Görlitz in die Kulturhauptstadt-Bewerbung einzutreten; gibt es doch auch andere Städte in Polen, die durchaus fähig und in der Lage und von der Historie her geeignet wären, als europäische Kulturhauptstadt zu fungieren. Aber man hat inzwischen die Chancen erkannt und man hat sich entschieden. Ich bin froh darüber, sehr intensiv und aktiv an dieser Bewerbung teilzuhaben. Meine Damen und Herren, damit ist es wirklich eine gemeinsame Bewerbung geworden.
Ich bedanke mich ausdrücklich bei Staatsministerin Ludwig, beim Ministerpräsidenten und bei der Staatskanzlei, dass wir nach anfänglicher Skepsis inzwischen einen großen Anteil auch von Landesseite leisten konnten, diese Kulturhauptstadt-Bewerbung nach vorn zu bringen.
In Görlitz ist für mich, seitdem ich immer wieder einmal in dieser Stadt zu Gast war, jetzt das erste Mal der Eindruck entstanden, dass so etwas wie Aufbruchstimmung aufgekommen ist, dass in Gesprächen mit den Menschen zu erkennen ist, es geht voran, sie haben eine gemeinsame positive Vision. Die einfachen Menschen auf der Straße wollen diese Bewerbung nach vorn bringen. Sie wollen Kulturhauptstadt Europas werden. Dabei bin ich sehr zuversichtlich; denn wenn diese Bewerbung von den Menschen getragen wird, meine Damen und Herren, denke ich, dass es gelingen wird, das Gremium, den Kulturausschuss des Europäischen Parlaments, und natürlich vorher die Expertenkommission zu überzeugen, sich für Görlitz/Zgorzelec als Kulturhauptstadt Europas zu entscheiden.
Kollege Heitmann hat gesagt: „Ich glaube, wir haben eine gute Chance.“ Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, dass Görlitz/Zgorzelec Kulturhauptstadt Europas wird.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wäre mehr als verdient und diente zudem der europäischen Integration, wenn Görlitz/Zgorzelec europäische Kulturhauptstadt 2010 werden würde. Es gibt zurzeit in der Bundesrepublik keinen besseren Bewerber, europapolitisch gesehen, und es gibt für diese Bewerbung kein besseres Argument als das europapolitische, konkret vor allem das der deutschpolnischen Gemeinsamkeit und Wechselseitigkeit. Ich verrate wohl kein Geheimnis, wenn ich sage, dass gerade dieses europapolitische Argument der wichtigste Trumpf für die Bewerbung der Neißestadt ist und dass die Klarheit und vor allem die Glaubwürdigkeit, mit der dieses Argument immer wieder neu vorgetragen, ja vorgelebt wird, von entscheidender Bedeutung für die endgültige Entscheidung sein wird.
Von daher ist die Forderung, die da lautet: „Die Bewerbung muss noch polnischer werden!“, nicht von der Hand zu weisen. Doch sollte noch darüber hinaus gedacht werden. Wenn zum Beispiel die Großstadt Essen das gesamte Ruhrgebiet als Region hinter sich und seine Kulturhauptstadt-Bewerbung versammelt, dann sollte die Europastadt Görlitz/Zgorzelec das enorme europäische Potenzial der Regionen des deutsch-polnischtschechischen Dreiländerecks und der deutsch-sorbischen Lausitz nicht vernachlässigen. Wenn sich also das tschechische Parlament in Prag für die Bewerbung von Görlitz/Zgorzelec ausspricht und sich zum Beispiel das sorbische Nationalensemble und der Sorbische Künstlerbund durch Veranstaltungen diesseits und jenseits der Neiße als Kulturbotschafter der zweisprachigen Lausitz für die Kulturhauptstadt-Bewerbung engagieren, dann sollten wir alle das nur gutheißen und unterstützen.
Ich bitte alle, sich stets daran zu erinnern, dass als Grundgedanke für die jährlich wechselnden Kulturhauptstädte Europas formuliert ist – Zitat –, „den Reichtum, die Vielfalt und die Gemeinsamkeit des kulturellen Erbes in Europa herauszustellen und ein besseres Verständnis der Bürger Europas füreinander zu ermöglichen“.
Daher ist es durchaus richtig, wenn der Görlitzer Oberbürgermeister formuliert – Zitat –: „Die Bewerbung braucht die Bürger.“ Und zwar die Görlitzer und die Zgorzelecer, und in der Region um die Neißestadt jeden
Aber wie verhält es sich damit nun konkret? Meine Damen und Herren, da heute über den Bewerbungsendspurt diskutiert werden soll, sei vor allem mitgeteilt, wo noch Handlungsbedarf besteht.
Erstens. Wenn den Umfragen zu trauen ist und diese nicht trügen, weiß in Zgorzelec nur ein Drittel der Bevölkerung von dem gemeinsamen Projekt. Das ist weniger ein Versäumnis der polnischen Stadtverwaltung, noch ist es dem Desinteresse der Zgorzelecer an dem, was entlang der Neiße geschieht, zuzuschreiben. Ich denke, die Aufgabe ist klar.
Vielleicht würde es schon jetzt etwas helfen, wenn auf allen einschlägigen Internetadressen auch Informationen auf Polnisch angeboten werden würden bzw. das polnischsprachige Angebot auch wirklich funktionieren würde. Die bei Google auffindbaren Seiten des Fördervereins Kulturhauptstadt Görlitz/Zgorzelec 2010 e. V. enthalten kein polnischsprachiges Angebot oder es funktioniert nicht. Auf der offiziellen Homepage der Europastadt Görlitz/Zgorzelec kann zwar eine polnische Sprachversion angeklickt werden, aber nach dem Klicken passiert nichts. Das Gleiche gilt für die Seite
www.altstadtbruecke.de. Vorbildlich in diesem Zusammenhang ist – das sei hier ausdrücklich erwähnt – zum Beispiel die Seite von „Projekt Stadt 2030“.
Des Weiteren sollten auf beiden Seiten der Neiße alle zivilgesellschaftlichen Akteure in das Projekt der Bewerbung einbezogen werden. Ich hätte kein Verständnis dafür, wenn unlängst tatsächlich vor Ort ein Gesprächs- und Projektangebot der Deutsch-Polnischen Gesellschaft abgelehnt worden sein sollte. Auf jeden Fall bitte ich darum, das neue Angebot der Deutsch-Polnischen Gesellschaft, das 7. Deutsch-Polnische Gespräch mit dem Thema „Görlitz und Zgorzelec auf dem Weg zur Kulturhauptstadt Europas“, in der Neißestadt zu unterstützen.
Ganz eindeutig, meine Damen und Herren, ist durch alle, denen die Kulturhauptstadt-Bewerbung in Görlitz am Herzen liegt, jeder großdeutschen und antipolnischen Provokation an den Neißeufern entgegenzutreten. Der Spuk der Preußischen Treuhand und eines so genannten Zentrums gegen Vertreibung, eventuell sogar in Görlitz, haben auf polnischer Seite schon zu viel Vertrauen erschüttert.
Meine Damen und Herren! Ein weiteres Problem besteht darin, dass selbst bei den polnischen Partnern, die sich bereits engagiert in die Bewerbung einbringen, Unklarheit darüber besteht, wie die polnische Seite in diesen Prozess konkret eingebunden und behandelt werden soll. Nur als bürokratischer Ablauf zwischen den beiden Stadtverwaltungen wird es nicht funktionieren. Es werden – aus meiner Sicht legitimerweise – Vereinbarungen über die gemeinsame Nutzung von Mitteln nachgefragt. Es wird wohl nicht ohne Not geschehen, wenn polnische Unter
nehmer und Kommunalpolitiker, zum Teil Konservative, in diesen Fragen das Gespräch mit der sächsischen Linksfraktion.PDS suchen.