Protocol of the Session on January 24, 2006

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wollen wir die Vergangenheit produktiv überwinden, also nicht verdrängen, und die Zukunft gemeinsam wenigstens ebenso produktiv gestalten, dann ist sicherlich eine Voraussetzung, dass wir mehr voneinander lernen. Was liegt näher, als damit so früh wie möglich zu beginnen?

Wir wissen, dass wir insoweit nicht voraussetzungslos sind. Es gibt schon viele gute Projekte in der Grenzregion. Ich denke dabei an „Pontes“, der in der Euroregion Neiße angesiedelten „lernenden Region“, ein Netzwerk vielfältiger Akteure und Initiativen. Ich denke ferner an Schkola, einen freien Träger, der zweisprachige Schulen in der Grenzregion mit überwältigendem Erfolg betreibt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Erfahrungen und Beispiele gilt es zu verallgemeinern und zu verbreiten. Zugleich müssen wir es mit dem Zusammenrücken in Europa ernst meinen. Polen ist insgesamt nicht so weit weg von Sachsen, als dass wir nicht Sorge dafür tragen müssten, dass die Bekanntschaft mit dem Nachbarland, seiner Kultur und seiner Geschichte insgesamt vertieft wird. Dazu gibt es die Ansätze, die schon im Antragstext aufgeführt werden. Das Kultusministerium wird uns noch mehr und detaillierter berichten können. Zugleich sollten wir als Parlament die Bemühungen zur Erarbeitung und Einführung eines Arbeitsmittels für Schulen zur Frage der deutsch-polnischen Zusammenarbeit und Geschichte mit regionalen Inhalten, insbesondere zu Ostsachsen und der Woiwodschaft Niederschlesien, unterstützen.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Für die Linksfraktion.PDS Frau Abg. Bonk, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Koalitionsfraktionen zielt aus Anlass des ablaufenden DeutschPolnischen Jahres auf eine Bilanz der deutsch-polnischen Aktivitäten im Schulbereich, der der Staatsregierung möglichst wenig konkrete Maßnahmen abfordert – abgesehen von dem unter Punkt 4 erwähnten Arbeitsmittel für Schulen. Aber Arbeitsmittel allein können das Zusammenrücken nicht fördern.

Deswegen haben wir als Linksfraktion einen Änderungsantrag verfasst, der Ihnen die Möglichkeit gibt, konkrete

Schritte in Richtung Zusammenwachsen und Kennenlernen zu beschließen. Denn grundsätzlich erachtet die Antragstellerin die weitere Intensivierung der partnerschaftlichen Zusammenarbeit des Freistaates Sachsen mit seinen Nachbarstaaten, und zwar der Republik Polen und der Tschechischen Republik, für erforderlich. Aber gerade angesichts des genannten Deutsch-Polnischen Jahres ist es legitim, das Augenmerk verstärkt auf die Republik Polen zu legen.

Nach meiner Auffassung bedarf es dafür aber neben der begrüßenswerten ausführlichen Berichterstattung eines konkreten Handlungsauftrags an die Staatsregierung. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode hat sich die Linksfraktion mit der Thematik „Erlernen der Nachbarsprache im grenznahen Raum“ befasst. Dieses Thema ist für uns kein neues Thema. Wir sind froh, dass Sie es nun aufgreifen. Allerdings erwarten wir auch konkrete Schritte.

Wir haben dabei sowohl die Anzahl der zweisprachigen Einrichtungen im Kindertagesstättenbereich als auch die der Grundschulen angesprochen. Hier geht es nicht nur um die Erhöhung der sprachlichen Kompetenz und nicht nur um die Ausweitung der organisatorischen und finanziellen Spielräume, sondern mit jedem Erlernen einer Sprache gehen auch die verstärkte Kenntnisnahme und das Kennenlernen der Nachbarn einher. Arbeitsmittel allein reichen hier nicht aus.

Ungeachtet aller Fortschritte durch die Lehrplanreform ist die polnische Sprache als Fremdsprache im Freistaat noch keineswegs zufrieden stellend etabliert. Es bleibt das Geheimnis von Herrn Flath, wie einerseits die curricularen Voraussetzungen für Polnisch und Tschechisch für die verschiedenen Schularten in Sachsen geschaffen worden sind – so in der Antwort auf eine Kleine Anfrage meines Kollegen Kosel. Es bleibt das Geheimnis, wie sie umgesetzt werden sollen, wenn andererseits bezüglich der entsprechenden Qualifizierung der Lehrkräfte nicht mehr Engagement an den Tag gelegt wird. Bei gerade einmal elf ausgebildeten Lehrkräften für die polnische Sprache in Sachsen sind auch die 13 Teilnehmer der berufsbegleitenden Lehrerweiterbildung nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, zumal sie voraussichtlich erst für das Schuljahr 2007/2008 ihre unbefristete Lehrerlaubnis erworben haben werden. So hilfreich hier das Wirken von Sprachassistenten sein kann, um ein lebendiges Bild vom Nachbarn zu vermitteln, so können die sechs polnischen Sprachassistenten, die im Schuljahr 2005/2006 im Einsatz sind, diese Lücken keineswegs schließen.

Sehr begrüßenswert ist hingegen die Tatsache, dass ab dem Wintersemester 2006/2007 Polnisch und Tschechisch an der Universität Leipzig in einer grundständigen Lehramtsausbildung wählbar sind. Ob damit allerdings der tatsächliche Bedarf an Lehrkräften für ein möglichst flächendeckendes Angebot abgedeckt werden kann, bleibt abzuwarten.

Meine Damen und Herren! Im Bereich der Zusammenarbeit und der Förderung des Erwerbs von polnischen

Sprachkenntnissen liegt in Sachsen einiges im Argen. Deswegen wird es einige Zeit dauern, das aufzuarbeiten. Aber dafür müssen jetzt konkrete Schritte eingeleitet werden. Es darf nicht einfach nur berichtet werden.

Meine Damen und Herren! Uns ist es ferner wichtig, dass flächendeckend Polnischunterricht angeboten wird – nicht nur, aber besonders im grenznahen Raum, zum Beispiel analog dem Modell, das an der deutsch-französischen Grenze gewählt worden ist, mit „Lerne die Sprache deines Nachbarn!“ bereits in der Grundschule anzufangen. Das sind zukunftsweisende Möglichkeiten, Kinder und Jugendliche so früh wie möglich zusammenzubringen und ihnen Kenntnisse vom Nachbarn zu vermitteln. Das sollte auch in Sachsen verstärkt gefördert werden.

Meine Damen und Herren! Wenn wir die Zusammenarbeit verstärken wollen, können wir nicht erwarten, dass immer nur die andere Seite unsere Sprache lernt. Darum müssen wir die Aktivitäten und Bemühungen, entsprechende Bedingungen in Sachsen zu schaffen, verstärken.

Dem Nachholbedarf, den wir aufgezeigt haben, kann nur mit einem Maßnahmenkonzept, das zügig greift, entsprochen werden. Darum werbe ich schon jetzt für unseren Änderungsantrag.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Für die NPDFraktion Frau Schüßler, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Deutsch-Polnische Jahr begann im Mai 2005 und findet noch bis Mai 2006 statt. Es soll vor allem den kulturellen Austausch fördern. Das Verhältnis zu Polen – Herr Dulig hat es bereits gesagt – war nicht immer unproblematisch. Immer wieder drängt sich uns der Eindruck auf, dass das deutsch-polnische Verhältnis eine Einbahnstraße ist. Bezeichnend ist hier die Stellungnahme hinsichtlich der politischen Beziehungen zu Polen auf der Netzseite der Auswärtigen Ämter von Polen und von Deutschland. Ich zitiere:

„Unverzichtbare Grundlage von engen und freundschaftlichen Beziehungen ist ein verantwortungsvoller Umgang mit der Vergangenheit. Dazu gehört die vorbehaltlose deutsche Anerkennung der Schuld für die Leiden der polnischen Bevölkerung im Zweiten Weltkrieg. Zum Symbol hierfür wurde Willy Brandts Kniefall vor dem Denkmal für die Helden des Warschauer Gettos am 7. Dezember 1970. Seine Geste ebnete den Weg für die deutsch-polnische Aussöhnung.“

Wie Aussöhnung aussehen kann, meine Damen und Herren, zeigt uns zum Beispiel die Vereinigung Polnische Treuhand, welche auch durch den polnischen Staatspräsidenten Lech Kaczynski unterstützt wird. Mit einem antideutschen Propagandaplakat aus dem Zweiten Weltkrieg wird hier offensiv Werbung betrieben. Die Polnische Treuhand hat es sich zur Aufgabe gemacht, die polnischen Bürger vor Rückgabeansprüchen deutscher Vertriebener zu schützen. Gleichzeitig unterstützt diese Vereinigung

Entschädigungsforderungen polnischer Bürger, die während der deutschen Besatzung vertrieben wurden.

Die Treuhandvorsitzende, gleichzeitig polnische Senatorin, sagte dazu gegenüber einer polnischen Zeitung: „Das Plakat soll mit Gefühlen spielen und den Menschen Material zum Nachdenken geben.“

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Mit Gefühlen haben Sie auch gespielt!)

Meine Damen und Herren, wenn Sie das vielleicht mal – –

(Die Rednerin hält ein Plakat mit einer Aufschrift in polnischer Sprache in Richtung des Podiums. – Unruhe)

Nein. Das dürfen Sie nicht, Frau Schüßler. Würden Sie es bitte herunternehmen! Es ist grundsätzlich nicht erlaubt, im Parlament solche Dinge zu zeigen.

(Holger Apfel, NPD: Die Wahrheit darf man im Parlament nicht sagen!)

Vielleicht haben Sie es trotzdem gesehen. Meine Damen und Herren! Bei solcher Propaganda kommt man sicherlich zum Nachdenken über das deutsch-polnische Verhältnis.

Diese Politikerin der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit weiter: „Das Plakat muss stark sein; denn die Deutschen ersparen uns auch nichts.“

Auch die vom Vizepräsidenten des Polnischen Abgeordnetenhauses, Marek Kotlinowsky, angekündigte Parlamentsinitiative, mit der Bundesregierung Kontakt aufzunehmen und über die Gründung eines Zentrums des polnischen Martyriums zu verhandeln

(Zurufe von der Linksfraktion.PDS: Zum Thema!)

ich komme noch zum Thema –, zeigt die Einbahnstraße dieser Beziehungen auf. Das Schicksal Polens im Zweiten Weltkrieg wird in der offiziellen Gedenkstättenarbeit des Landes vielfach als Martyrium bezeichnet. Angesichts dieser Geschichtsbetrachtung unserer polnischen Nachbarn stellte selbst die Polen-Beauftragte der Bundesregierung, Frau Gesine Schwan, SPD, erst kürzlich fest – ich zitiere –: „Es ist nicht zukunftsgerichtet, an die eigene Geschichte in Kategorien eines Martyriums zu erinnern.“

Meine Damen und Herren! Daran wird deutlich, was ich mit Einseitigkeit meine. Wir Deutschen sollen die Alleinschuld am Leid der Polen anerkennen und über die Vertreibung und die Verbrechen der Polen – –

Frau Schüßler, bitte! Es geht um das Thema „Schulbereich“. Ich würde Sie bitten, jetzt zum Thema zu kommen.

(Unruhe bei der Linksfraktion.PDS, der SPD und den GRÜNEN)

Ja, ich komme – –

Es geht um die deutsch-polnische Zusammenarbeit im Schulbereich.

(Fortgesetzte Unruhe)

Dann kürze ich ab. – Wir unterstützen den Berichterstattungsantrag der Koalition; denn da Versöhnung wahrscheinlich das Werk der unbelasteten Generationen sein wird, kommt den Schülerreisen eine wichtige Bedeutung zu.

Die von der Koalition an die Regierung gerichteten Fragen sind auch für uns bedeutend, um den Sinn oder den Unsinn solcher Projekte einschätzen zu können.

Allerdings interessiert uns auch die Kostenfrage bzw. die Aufteilung der Kosten zwischen den Beteiligten.

Herr Grapatin, von fiskalischen Aspekten konnte ich in Ihrem Antrag leider nichts finden. Deshalb möchte ich unseren Antrag einbringen. – Das muss ich jetzt auch noch weglassen.

(Heiterkeit)

Der Punkt 5 Ihres Antrages hat sich aus unserer Sicht weitgehend erledigt, da mit der Beantwortung der Kleinen Anfrage 4/1403 vom 22.04.2005 darüber bereits detailliert Auskunft erteilt wurde.

Ich bitte nochmals um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag, der Ihnen vorliegt.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)