Protocol of the Session on January 24, 2006

(Beifall bei der NPD)

Die FDP-Fraktion, bitte. Herr Herbst.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zwei kurze Worte zu meiner Vorrednerin: Ich glaube nicht, dass wir irgendwie von Aufrechnung von Schuld und Gebietsansprüchen sprechen sollten. Das steht nicht im Antrag. Sie haben klassisch am Thema vorbeigeredet.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD, und den GRÜNEN)

Auch zu Ihren Zeugen, die Sie aus Polen zitieren, kann ich nur feststellen: Verirrte gibt es in jedem Land. Das ist keinesfalls Schuld einer Nation. Wenn ich mich hier im Plenum umschaue, meine Damen und Herren –

(Uwe Leichsenring, NPD: Der Präsident ist also der Verirrte! Na toll!)

getroffene Hunde bellen –: Wir können nicht auf jeden stolz sein, der hier im Land lebt.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der Linksfraktion.PDS, der SPD, und den GRÜNEN)

Zum Antrag: Es ist ein Glanzstück der Koalitionsparteien. Ich halte das Thema in der Tat für wichtig; denn mit Polen verbindet uns Geschichte, auch eine sehr lange Grenze, die wir gemeinsam haben, und auch die Zukunft, denn wir

sind jetzt in einem gemeinsamen europäischen Haus. Ich finde es nur etwas traurig, dass wir hier nur immer über Berichte reden, quasi den Berichten der Staatsregierung hinterherhecheln, statt nach vorn zu schauen und über Strategien und konkrete Maßnahmen zu reden.

Wenn ich mir anschaue, was hier im Antrag von CDU und SPD steht, dann muss man sich das einmal verbal auf der Zunge zergehen lassen. Unter drittens soll beispielsweise die Staatsregierung über den jetzigen Stand eines Impulses berichten. Die Naturwissenschaftler unter uns verdrehen sicher die Augen, was der „jetzige Stand eines Impulses“ ist. Diejenigen, die sich etwas mit der deutschen Sprache auskennen, tun das vielleicht auch. Ich finde das reichlich dünn. Anspruch von uns hier im Parlament sollte es sein, Politik zu gestalten und nicht über irgendwelche Impulse zu diskutieren.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Im Übrigen ein kleiner Tipp: Es ist gut und wissenswert, dass die Koalitionsfraktionen neugierig sind. Antworten auf Neugier befriedigen und bringen uns weiter, Stichwort: lebenslanges Lernen. Ich empfehle: Wenn Sie Fragen haben, dann gibt es dafür spezielle parlamentarische Instrumente. Diese heißen parlamentarische Anfragen. Sie kann man als Kleine und Große Anfragen stellen und bekommt eine wundervolle Antwort von der Staatsregierung – hofft man zumindest.

Bevor man fragt, kann man natürlich auch nachsehen, was vorhanden ist. Ich lobe das Kultusministerium nicht so oft, Herr Flath, aber in dem Fall tue ich es einmal. Unter www.sachsen-macht-Schule.de, auf dem Informationsserver des Kultusministeriums, befindet sich eine fantastische Übersicht über die deutsch-polnischen Kooperationsprojekte im Bildungsbereich.

(Beifall bei der FDP)

Wer noch Fragen darüber hinaus hat, kann auf das bewährte Mittel der parlamentarischen Anfragen zurückgreifen. Es gibt Kollegen, die das tun. Sie werden es nicht glauben. Der eine sitzt da links, Herr Zastrow, zufällig Mitglied der FDP-Fraktion. Er hat relativ umfassend erfragt, wie denn das beispielsweise mit den Sprachkenntnissen, der Vermittlung, mit den Fähigkeiten und Kenntnissen sächsischer Lehrer hinsichtlich der polnischen Sprache ist. Was hat die Anfrage gezeigt? Die Sprache ist noch eine Barriere, und wir in Sachsen haben Nachholbedarf – mehr als unsere polnischen Kollegen offenbar.

Wenn man einmal hineinschaut, was die Antwort auf die Anfrage des Kollegen Zastrow ergeben hat, sieht man Folgendes: Polnisch wird in Form von Arbeitsgemeinschaften oder als fremdsprachlicher Unterricht an sieben Grund- und sieben Mittelschulen unterrichtet sowie an sieben Gymnasien und zwei berufsbildenden Schulen. Das ist relativ wenig, wird man hier feststellen.

Übrigens: Vorreiter sind hier die Schulen in freier Trägerschaft. Davon soll es ja ein paar weniger geben, dank des Referendenentwurfs zur Gesetzesnovellierung. Was wirklich relativ dünn ist, ist die Anzahl der Lehrkräfte an öffentlichen Schulen, die für Polnisch eine Lehrbefähigung, eine Lehrerlaubnis oder eine mindestens dreijährige Unterrichtserfahrung haben. Im April 2004 waren es wohl zwölf Lehrkräfte, auf ganz Sachsen gerechnet. Das sind 0,04 % der sächsischen Lehrerschaft. Ich glaube, das ist für uns kein Ruhmesblatt.

Wie sieht es nun mit der berufsbegleitenden Weiterbildung aus? Seit dem Wintersemester 2003/2004 nehmen wohl zwölf Lehrer an der berufsbegleitenden Weiterbildung im Unterrichtsfach Polnisch teil. Nach Abschluss dieser Weiterbildungsmaßnahme 2007/2008 sind weitere Kurse geplant. Wenn man das hochrechnet, werden wir 2008 zirka 0,1 % Lehrer haben, die in der Lage sind, Polnisch zu unterrichten.

Rechtliche Fragen – auch im Zusammenhang mit gegenseitigen Besuchen von Schülern und Lehrern – sind nicht abschließend geklärt. Wenn ich da an die Anerkennung von Mittelschulabschlüssen denke, wenn ich daran denke, wie beispielsweise Besuche von Schülern im jeweiligen anderen Land versicherungstechnisch gehandhabt werden, glaube ich, gibt es sehr konkreten Handlungsbedarf.

Die Zusammenarbeit zwischen den sächsischen und polnischen Schulen steht trotz der guten Projekte, die es bereits gibt, noch am Anfang. Es gibt wahnsinnig viel zu tun. Vielleicht hat das Deutsch-Polnische Jahr auch das Interesse bei dem einen oder anderen geweckt, solche Projekte zu starten. Ich kann nur sagen, ich bin froh, dass die Menschen und die Schulen zum Teil weiter sind als die CDU-Fraktion. Sie handeln nämlich und beschreiben nicht nur Papier.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Die Fraktion der GRÜNEN, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch in meiner Fraktion ist man ganz schnell darauf gekommen, dass eine Nachfrage bei "Google" die Fragen in null Komma nichts beantwortet hätte.

Uns hat insofern der Zeitpunkt dieses Antrages irritiert.

Wenn das Deutsch-Polnische Jahr von Mai 2005 bis 2006 geht, hätten Sie ja diesen Antrag gern vor dem Mai 2005 stellen können. Dann wäre der Impuls auch richtig auszuleben gewesen. Sie hätten aber auch nach dem Mai 2006 fragen können, dann hätten wir eine Abrechnung vornehmen können. So stehen wir mittendrin und fragen uns: Was soll das eigentlich?

Ich möchte einige Problemfelder aus unserer Sicht aufzeigen. Deutsch-polnische Zusammenarbeit im Schulbereich bietet sich insbesondere im grenznahen Raum an,

also in Görlitz, im NOL-Kreis usw. Dort haben wir Kooperationen, die bereits im Kindergartenbereich ansetzen, die regelmäßig darunter leiden, dass es eine zu geringe finanzielle Förderung für diese Ansätze gibt, die durchaus lobenswert sind.

Wenn wir uns beispielsweise die Schkola in Ostritz anschauen: Sie bekommt vom Regionalschulamt in Bautzen keine finanzielle Unterstützung für die polnischen Kinder in der Partnerschule ausgereicht. Das ist ein Problem. Das sollte man in den Focus nehmen und nicht die Frage, ob wir irgendwelche Unterrichtsmittel bis zum Tag X erstellt haben.

Die vorschulische sprachliche Ausbildung scheint mir der Anknüpfungspunkt zu sein, um den es geht. Den französisch-deutschen Grenzbereich betreffend, gibt es insbesondere im Saarland schon seit Jahren etablierte Projekte, wo man sich anschauen könnte, wie beispielsweise der Lehreraustausch funktioniert. Dort haben wir Probleme, wenn wir uns den Austausch von Kindergartenerzieherinnen, Grundschullehrerinnen und Grundschullehrern mit den Nachbarländern anschauen. Die Nachbarländer haben einen Hochschulabschluss für Erzieher, während wir eine Fachschulausbildung haben. Wenn wir Menschen von dort zu uns holen, sind diese für den Kindergarten überqualifiziert und kommen in die Grundschule nicht hinein, während unsere Grundschullehrerinnen für den Kindergarten taugen, aber als Erzieherinnen gar nicht eingesetzt werden können. Es ist eine Frage, wie wir gegenseitig Abschlüsse anerkennen.

Sie erwähnen in der Begründung zu Ihrem Antrag ausdrücklich diese Grundschule in Breslau. Das halte ich für sehr gelungen, denn diese Schule hat Ganztagsangebote. Diese Schule verzichtet auf eine Selektion bereits nach der 4. Klasse und das ist etwas, woran wir uns durchaus ein Beispiel nehmen könnten.

Wenn Sie Polnisch in der Schule etablieren wollen, bietet sich zum Beispiel der Ergänzungsbereich an. Sie könnten zum Beispiel in den Berufschulzentren Sachsens Polnisch als Fremdsprache anbieten. Der Ergänzungsbereich ist in den Regionalschulamtsbezirken – je nachdem – von null bis 11,5 % abgedeckt.

Das heißt, wir hätten noch ungeheures Potenzial. Ich weiß also nicht, was Ihr Antrag eigentlich bewirken soll. Es ist ein Fensterantrag, Sie wollen sich wahrscheinlich selbst beweihräuchern. Ich halte das für wenig zielführend; denn wenn Sie konsequent agieren wollen, würden Sie Möglichkeiten schaffen, um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit besser zu fördern. Das hat finanzielle Konsequenzen. Lehrerinnen und Lehrer müssen bereitgestellt werden, es müssen Ausbildungsabschlüsse anerkannt werden. Das wäre meiner Meinung nach viel zielführender gewesen als dieser Berichtsantrag.

Wir werden dennoch zustimmen, weil es nicht schädlich ist, den Bericht einmal zu lesen oder zu hören.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS)

Wird von den Fraktionen weiter das Wort gewünscht? – Herr Kosel von der Linksfraktion.PDS, bitte.

Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da der Redebeitrag der NPD-Fraktion in jeder Hinsicht das Thema verfehlt hat, kann man es sich fast schenken, darauf einzugehen.

(Uwe Leichsenring, NPD: Mach’s doch!)

Doch zu zwei Punkten möchte ich dennoch kurz Stellung nehmen.

Erstens. Es gilt natürlich zu berücksichtigen, dass die Polnische Treuhand erst als Reaktion auf die Preußische Treuhand, die von verschiedenen deutschen Vertriebenenverbänden gegründet wurde, entstand. Zweitens. Wenn Sie nach den Kosten der Verbesserung des deutschpolnischen Verhältnisses fragen, dann sollten Sie bedenken, dass dieses Verhältnis am stärksten durch die zwölf Jahre nationalsozialistischer Herrschaft belastet wurde.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Uwe Leichsenring, NPD: Geklaut bleibt geklaut!)

Deshalb sollten Sie sich vielleicht für diesen Antrag schämen.

Meine Damen und Herren, die Koalition hat mit ihrem Antrag „Deutsch-Polnische Zusammenarbeit im Schulbereich“ ein höchst wichtiges Thema gewählt, das den Landtag zu Recht seit der 1. Wahlperiode auf Antrag verschiedener Fraktionen immer wieder beschäftigte. Traurig ist jedoch, dass die Koalition hierzu nur die Form eines Berichtsantrages anwendet. Noch trauriger ist, dass die CDU-Fraktion dieses Thema seit der Drucksache 1/0670 in der 1. Wahlperiode nach meiner Recherche stets nur in Berichtsanträgen behandelte, als ob ihr das Thema deutsch-polnische Zusammenarbeit nicht ganz geheuer wäre. Selbst den heutigen zahmen Berichtsantrag haben wir wohl eher Aleksander Kwaśniewski und Horst Köhler und ihrer Idee eines Deutsch-Polnischen Jahres zu verdanken als der Inspiration sächsischer Koalitionäre.

Meine Damen und Herren, die deutsch-polnische Zusammenarbeit im Schulbereich bedarf nach Ansicht der Linksfraktion.PDS im Landtag eines stärkeren Impulses als nur eines Berichtes der Staatsregierung. Herr Grapatin, die Schubkraft eines bloßen Regierungsberichtes reicht uns von der Linksfraktion.PDS hierzu nicht aus; denn es muss um eine auf lange Sicht ausgerichtete, sich auf tragfähige Konzepte und deren langfristige Umsetzung gründende Zusammenarbeit gehen. Meine Damen und Herren, geben Sie es doch zu: Die partnerschaftliche Zusammenarbeit von sächsischen und polnischen Schulen hat nicht den Stand, der ihr von den Anforderungen her zukommt! Ob Polnisch oder Tschechisch, in der Schulpolitik hat die Vermittlung von Sprachkenntnissen der Nachbarn Sachsens kaum eine Rolle gespielt, geschweige

denn die darüber hinausgehende und Sprachfertigkeiten stützende Vermittlung von Kenntnissen der Geschichte, Gegenwart und Kultur der Nachbarvölker.

Schaut man sich im Register des Sächsischen Landtages die Antworten der Staatsregierung auf jene Anfragen und Anträge an, die der Sprache der Nachbarn gewidmet sind, dann wird allemal Stillstand in der Sache herauszulesen sein, bestenfalls Schneckentempo. Da ist die Überschrift einer Zeitung aus jüngster Zeit bezeichnend: „Wenig Interesse an Tschechisch“, was genauso heißen könnte: wenig Interesse an Polnisch. Wenig Interesse an den Schulen, wenig Interesse an der Ausbildung von Lehrern für Tschechisch und Polnisch – wenig Interesse im Kultusministerium.

Jeder weiß doch: Um in der Nachbarsprache ordentlich, will heißen: erfolgreich unterrichten zu können, bedarf es dreierlei: zum Ersten einer Schule. Permanente Schulschließungen ließen vereinzelt aufkommende Pflänzchen des Polnischunterrichts wieder verdursten. Zum Zweiten bedarf es der Sprachlehrer. Auf mehrere Kleine Anfragen kam die ernüchternde Antwort: kaum vorhanden. Über die Möglichkeit, Muttersprachler für den Sprachunterricht zu gewinnen, wurde kaum nachgedacht. Falls nachgedacht wurde, wurde kaum etwas getan. Zum Dritten. Wer in Polnisch oder Tschechisch unterrichten will, braucht dafür aufgeschlossene Schüler. Was wurde getan, um die Schüler in Kontakt mit ihren polnischen Altersgenossen zu bringen? Eine zielgerichtete Förderung der Teilnahme sächsischer Kinder und Jugendlicher an den Projekten des Deutsch-Polnischen Jugendwerkes könnte hier helfen.

Der Blick auf Zahlen zeigt, in welchem Ausmaß dies gerade hier versäumt wurde. Der Anteil sächsischer Kinder und Jugendlicher am Gesamtvolumen des außerschulischen deutsch-polnischen Jugendaustausches betrug vor etwa vier Jahren zirka 7 %, für MecklenburgVorpommern zirka 13 % und für Brandenburg zirka 23 %. Selbst Nordrhein-Westfalen kommt auf etwa 13 % und sogar Schleswig-Holstein ist noch besser als Sachsen. Beim Schüleraustausch kamen nur knapp 3 % der deutschen Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Sachsen. Aus Brandenburg kamen knapp 6 % und aus MecklenburgVorpommern knapp 5 %. Nachdenkenswert ist, dass aus Niedersachsen 25 %, aus Nordrhein-Westfalen etwa 20 % und aus Baden-Württemberg knapp 12 % der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler stammten. Sachsen als Nachbarbundesland zur Republik Polen liegt beim deutsch-polnischen Schüleraustausch unter den 16 Bundesländern auf Platz 11. Ich weiß nicht, ob es beruhigen oder beunruhigen soll, dass die Bundesländer Saarland, Bremen und Hamburg hinter uns liegen.

Meine Damen und Herren, die Statistik der Schulpartnerschaften weist auf eine weitere wirklich Zustände erhellende Tatsache hin. Es gibt eine handfeste Asymmetrie bei Schulpartnerschaften zwischen polnischen und westdeutschen bzw. ostdeutschen Schulen. Was die DeutschPolnische Gesellschaft vor Jahren auf einer Konferenz in Görlitz feststellte, hat sich sogar noch verfestigt: Je weiter