Protocol of the Session on December 8, 2005

Des Weiteren müssen wir uns beim Thema Schulstandorte darüber Gedanken machen, was passiert, wenn man eine Schule schließt. Es gibt zahlreiche Beispiele, dass Kapazitäten an anderen Schulen erweitert werden müssen. Man muss den Gesamtzusammenhang sehen, dass man nicht nur die Schule zumacht, sondern dass sich daraus Konsequenzen ergeben. Wir brauchen zudem – das zeigen die Diskussion und die Gerichtsprozesse – eine klare Regelung dazu, wenn eine Mindestschülerzahl erst nach dem Stichtag erreicht wird, weil sich durch Erkenntnisse über Anmeldezahlen ein anderer Sachverhalt ergeben hat. Auch das ist bisher nicht klar geregelt.

Ein weiteres Beispiel ist das Gerichtsurteil für Dresden. Was ist mit Schulen mit besonderem pädagogischem Profil, die eigentlich eine besondere Regelung verdienen? Auch das ist nicht geregelt. Man lässt die Schulträger die Sache erst einmal allein ausdiskutieren und hofft darauf, dass es nicht allzu viel Widerstand geben wird. Die Verwaltungsvorschrift, meine Damen und Herren, ist dringend notwendig, denn die Diskussion, die wir im vergangenen Schuljahr erlebt haben, war nicht die letzte um Schulstandorte. Wir werden ähnliche Diskussionen wieder haben, denn es ging um Mitwirkungsentzüge, die wir im nächsten Schuljahr entscheiden müssen. Es geht auch wieder darum, welche Schulstandorte Bestand haben und welche nicht. Deshalb ist es nötig, das jetzt zu definieren und eine Verwaltungsvorschrift zu verabschieden.

Ich kann ankündigen, dass sich die FDP-Fraktion weiterhin dafür einsetzen wird, dass wir nur zumutbare Schulwege und wohnortnahe Schulen haben. Für uns hat das zum einen mit Bildungsqualität zu tun, zum anderen aber auch mit Lebensqualität, denn wir wollen in ganz Sachsen gleiche Chancen für die Schülerinnen und Schüler. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der FDP)

Ich bitte die CDUFraktion. Herr Grapatin, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da wir heute über das sehr wichtige Thema Schulnetzplanung sprechen, lassen Sie mich einige grundsätzliche Dinge vorausschicken. Unsere Schullandschaft hat ein wesentliches Problem zu lösen. Seit Jahren haben wir mit den Realitäten eines Schülerrückgangs in Sachsen zu arbeiten. Wir haben nicht nur einen leichten Rückgang, sondern eine Halbierung der Schülerzahlen erfahren, die uns auch in den nächsten Jahren bei unseren Planungen begleiten wird. Dem müssen sich natürlich staatliche Institutionen und Ressourcen anpassen, und dies nicht nur unter finanziellem Aspekt, sondern auch aus Qualitätsgründen.

Ich möchte darauf hinweisen, dass sich Sachsen die beste Schüler-Lehrer-Relation im Bundesgebiet leistet. Dies zeigte jüngst die Statistik des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln aus den Quellen der KMK. Die durchschnittliche Schüler-Lehrer-Relation im Bundesgebiet liegt bei 16 Schülern je Lehrer, in Sachsen bei 12,3 und selbst in Mecklenburg-Vorpommern noch bei 15,4. Es sind Klassen mit angemessener Größe zu bilden, auf die Lehrer verantwortungsvoll verteilt werden können. Wäre dies nicht der Fall und hätten wir eine unmäßige Zahl von Kleinstklassen, würden die Lehrer trotz bester SchülerLehrer-Relation nicht ausreichen und es käme zu weiterem Unterrichtsausfall.

Nun zu den Anträgen: Die FDP-Fraktion beantragt, Rechtssicherheit zu schaffen und Dinge in eine Verwaltungsvorschrift hineinzuschreiben, die längst klar geregelt sind, und zwar durch das Schulgesetz, den Landesentwicklungsplan und letztlich durch die Rechtsprechung. Ich möchte darauf hinweisen, dass es einen Landtagsbeschluss vom Juni dieses Jahres gibt, der Präzisierungen für die Schulnetzplanung vorsieht und unter anderem auf den Landesentwicklungsplan verweist. Das ist in der Drucksache 4/2390 nachzulesen. Dort wird bereits darauf verwiesen, dass es Ausnahmen gibt, um solch lange Schulwege zu vermeiden.

Insoweit hat auch das Urteil, welches diesen Aspekt des Landesentwicklungsplanes aufgreift, bereits in genügendem Maße Rechtssicherheit geschaffen. Eine Verwaltungsvorschrift könnte nicht mehr tun. Der Koalitionsvertrag ist natürlich vor der Urteilsverkündung unterschrieben worden. In diesem Zusammenhang will ich darauf hinweisen, dass das Urteil nicht sagt, dass es absolute Obergrenzen für Fahrzeiten gibt, sondern das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen ist.

Es hat auch auf den Landesentwicklungsplan verwiesen. Eine absolute Obergrenze der Fahrzeiten wird nicht genannt, stattdessen auf Ausnahmen verwiesen. Dies haben wir auch als CDU-Fraktion oft genug betont: beispielsweise dass 5. Klassen gebildet werden, wenn der Schulträger in der Anhörung nachweisen konnte, dass die Mindestschülerzahlen erfüllt sind oder dass Ausnahmen zugelassen werden, wenn die Kapazitäten benachbarter Schulen nicht ausreichen. Gesetze regeln nie jeden Einzelfall, um solche atypischen Fälle und Probleme lösen zu können. Denn bereits mit der Verdrängung des allgemeinen Preußischen Landrechts durch das BGB sind Einzelfallgesetze grundsätzlich abgeschafft worden, und das ist über hundert Jahre her.

Nun zum Antrag der Linksfraktion.PDS:

Sie fordern unter Rücknahme des Mitwirkungsentzuges die Einführung der 5. Klasse und eine Bestandsgarantie. Hierzu gibt es inzwischen eine aktuelle Rechtsprechung. Selbstverständlich wird das Urteil von uns beachtet. Die Klasse ist eingerichtet und das SMK hat sich logischerweise an das Urteil gehalten. Für eine Wiedereinrichtung

der 5. Klasse brauchen wir deshalb keinen Landtagsbeschluss. Den Antrag können wir also ablehnen.

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass wir als CDUFraktion sehr gut mit dem Urteil leben können. Wir finden gut, dass festgestellt wurde, dass die Zumutbarkeit des Schulweges und damit zusammenhängende Fahrzeiten im Einzelfall zu prüfen sind. Das Gericht hat auch gesagt, dass es Aufgabe der Rechtsaufsicht und damit des Freistaates ist, die Landkreise und Kreisfreien Städte anzuhalten, ihre Verpflichtungen, nämlich zumutbare Schulwegbedingungen zu schaffen, zu erfüllen. Das heißt eben auch, dass Landkreise und Kreisfreie Städte nicht aus der Verantwortung herausgenommen sind.

Offensichtlich ist die Schaffung eines zumutbaren Schulwegs im Fall der Mittelschule Schönfeld auch möglich. Immerhin ist festgestellt worden: Der Hinweg ist zumutbar. Und das ist durch ein Gericht entschieden bzw. festgestellt worden.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Man muss ja nicht jeden Tag nach Hause gehen, nicht?)

Deshalb müsste eigentlich auch ein Rückweg zumutbar organisierbar sein.

Mit einer Bestandsgarantie für die 5. Klasse fordert die Linksfraktion.PDS einen Gesetzesverstoß. Genauso wie bei Schulnetzplänen ist fortlaufend auch bei einzelnen Klassenstufen eine geänderte Sachlage zu überprüfen. Jedes Jahr ist zu prüfen, ob Schulwege unzumutbar sind oder nicht. Das wird eben auch davon abhängen, ob Schüler aus dem speziellen Gebiet des Landkreises zur Schule befördert werden müssen oder nicht oder ob in zukünftigen Jahren eine andere Organisation des Schülerverkehrs ermöglicht wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

SPD-Fraktion; Herr Dulig, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier zwei Anträge vorliegen. In dem einen wird überflüssigerweise die Umsetzung eines nicht anfechtbaren Gerichtsurteils gefordert, in dem zweiten wird ein weiteres Mal versucht, Schulschließungen über eine Ausgestaltung des § 4a Schulgesetz zu vermeiden.

Das Problem liegt im Detail und betrifft den Kern der Regelungen, nämlich die Vorgabe der Schulwegzeiten.

Es erwies sich für das Kultusministerium als schwer machbar, eine rechtssichere Vorschrift zu erstellen. Das hat seinen Grund in den unterschiedlich beteiligten Trägern: Da ist das Land, welches das Personal stellt und das öffentliche Bedürfnis für eine Schule feststellt, da ist der Schulträger, der seine Schule auch unterhalb der Normative erhalten sehen will, und da ist der Schulbeförderungsträger, der durch den Schülerrückgang und nicht gebildete Klassen vor ernste Probleme gestellt wird.

Jetzt kommen beide Anträge wieder zusammen, und zwar durch das Urteil des OVG zum öffentlichen Bedürfnis einer 5. Klasse in Schönfeld. Mit diesem Urteil wurde das Problem einer Klärung zugeführt, die weder den Freistaat noch den Träger der Schülerbeförderung überfordert oder aus der Verantwortung nimmt und die die Schüler in ihrer Betroffenheit ins Zentrum der Regelung stellt. Die Philosophie des Urteils ist gut nachvollziehbar:

Erstens. Solange der reale einfache Schulweg von Tür zu Tür die durch den Landesentwicklungsplan gesetzten Zeiten nicht nur in einigen ungünstigen Ausnahmen überschreitet, besteht ein öffentliches Bedürfnis für eine Klasse oder Schule.

Zweitens. Der Freistaat hat im Rahmen seiner Rechtsaufsicht über die Schülerbeförderungsträger die Möglichkeit zu sichern, dass diese Träger ihrer Verantwortung nachkommen.

So wird gesichert, dass sich kein Beteiligter auf Kosten des anderen seiner Verantwortung entzieht. So wird gesichert, dass bestehende Differenzen nicht auf dem Rücken der jungen Menschen ausgetragen werden. Damit ist aber auch klar, dass es keiner Verwaltungsvorschrift zur Regelung dieses Sachverhalts bedarf. Sowohl die Schulwege sind durch das Gericht als gesetzt akzeptiert als auch das Verfahren im Konfliktfall.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Landtag hat mit dem Beschluss zur Drucksache 4/2390 – Kollege Grapatin wies darauf hin – der Staatsregierung und dem Kultusminister klare Vorgaben für den künftigen Umgang mit dem Schülerrückgang auf den Weg gegeben. Das OVG in Bautzen hat mit seinem Urteil zu Schönfeld das schwierigste Problem der Umsetzung des § 4a in klarer Zuweisung der Verantwortung einer praktikablen und schülerorientierten Lösung zugeführt. Aus unserer Sicht besteht kein weiterer verwaltungstechnischer Handlungsbedarf.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Die NPD-Fraktion bitte, Herr Schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn das Oberverwaltungsgericht die Wiedereinrichtung der 5. Klasse der Mittelschule Schönfeld wegen sonst unzumutbarer Schulwege beschlossen hat, erwartet man, dass das Kultusministerium unverzüglich den Mitwirkungsentzug aufhebt und alle anderen Maßnahmen ergreift, die erforderlich sind, damit die Klasse tatsächlich wieder eingerichtet werden kann.

Die von der Linksfraktion.PDS geforderte förmliche Feststellung und Bestandsgarantie für die betroffene 5. Klasse sind auf jeden Fall dann gerechtfertigt, wenn das Kultusministerium bisher durch Missachtung des Gerichtsbeschlusses und durch entsprechende Äußerungen in der Öffentlichkeit Zweifel an der vorbehaltlosen

Bereitschaft der Staatsregierung geweckt hat, dem Beschluss nachzukommen.

(Martin Dulig, SPD: Was Sie alles wissen!)

Angesichts der seit dem Gerichtsbeschluss verstrichenen Zeit – über ein Monat – scheint dies auf jeden Fall dann Tatsache zu sein, wenn die betreffende Klasse noch nicht eingerichtet ist und seitens des Kultusministeriums die Angelegenheit auf dem Rücken der Kinder und ihrer Eltern noch unnötig problematisiert wird.

In diesem Fall ist es nach Auffassung meiner Fraktion selbstverständlich, dass das Landesparlament im Rahmen seiner Kontrollfunktion die Regierung zur Räson rufen muss. Wenn die vollziehende Gewalt sich weigert, der aufgrund von Recht und Gesetz erfolgten Rechtsprechung der Gerichte zu folgen, muss der Gesetzgeber eben die Regierung anmahnen.

In diesem Licht gesehen haben wir es hier nicht „nur“ mit dem Schicksal der betroffenen Schulklasse in Schönfeld, sondern viel mehr mit der Frage einer funktionierenden Gewaltenteilung zu tun. Um dies zu klären, ist jetzt vor allem Herr Minister Flath gefordert. Er muss hier im Plenum gegebenenfalls erklären, warum die Mittelschulklasse noch nicht wieder eingerichtet ist und ob und warum vom Ministerium quergeschossen wird. Das ist das Mindeste, was wir als Abgeordnete vom Minister erwarten können.

Ich möchte meine kurze Stellungnahme zu diesem Thema nicht beenden, ohne die Forderung meiner Fraktion nach einer familien- und bevölkerungspolitischen Offensive in Sachsen zu wiederholen. Wenn wir damit heute beginnen, meine Damen und Herren, müssen wir alle Schulen erhalten, weil wir sie vielleicht in etwa sieben bis zehn Jahren dringend benötigen werden.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Die Fraktion der GRÜNEN, bitte. Frau Günther-Schmidt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für meine Fraktion sind die beiden Gerichtsurteile ein Signal weit über den Einzelfall hinaus. Seitdem wir uns hier im Parlament an der Schulstrukturdebatte beteiligen, weisen wir immer wieder darauf hin, dass das Schulnetz, wie es die Staatsregierung durch ihre Maßgaben vorgibt, nicht adäquat ist. Wir sehen eine wohnortnahe Beschulung im ländlichen Raum deutlich gefährdet und das Urteil zu den Schulwegen von Haustür zu Haustür gibt hier einen deutlichen Hinweis.

Die Frage nach den pädagogischen Konzepten ist letztlich auch die Frage nach der Qualität und dem Wettbewerb. Das heißt, die Staatsregierung ist unserer Einschätzung nach aufgefordert, in ihre Schulpolitik dringend auch qualitative Aspekte einzubeziehen. Schulwege und pädagogische Konzepte gehören, wie gesagt, dazu.

Ausnahmegenehmigungen, wie sie das Schulgesetz bereits jetzt vorsieht, müssen nach unserer Einschätzung nach diesem Urteil deutlich großzügiger erteilt werden.

Meine Fraktion wertet die genannten Gerichtsurteile als deutliche Absage an die derzeitige Schulstandortpolitik der Staatsregierung. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes nach neuen Wegen zu suchen, und zwar rasch.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS – Volker Bandmann, CDU: Er heißt Horst Rasch; so viel Zeit muss sein!)

Die Linksfraktion.PDS. Frau Falken, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Staatsminister! Ich hätte mir gewünscht – ich weiß, wünschen bringt in diesem Haus meistens nichts, aber trotzdem –, die Mittelschule Schönfeld, die betroffenen Schüler und Eltern hätten, auch ohne unseren Antrag und ohne die heutige Debatte führen zu müssen, alle Unterstützung vonseiten des Kultusministeriums erhalten.