Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Staatsminister! Ich hätte mir gewünscht – ich weiß, wünschen bringt in diesem Haus meistens nichts, aber trotzdem –, die Mittelschule Schönfeld, die betroffenen Schüler und Eltern hätten, auch ohne unseren Antrag und ohne die heutige Debatte führen zu müssen, alle Unterstützung vonseiten des Kultusministeriums erhalten.
(Beifall bei der Linksfraktion.PDS, des Abg. Torsten Herbst, FDP, und der Abg. Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE)
Eine solche Unterstützung hätte man zumindest aufgrund des eigenen Versagens des Kultusministeriums – denn es war ein rechtswidriger Mitwirkungsentzug, durch das Gericht entschieden – und des einen Rechtsstaat ausmachenden Respekts der Exekutive gegenüber notwendigen Korrekturen durch die Rechtsprechung in Sachsen erwarten dürfen. Das ist übrigens etwas, was ich überhaupt nicht nachvollziehen kann: wieso das Kultusministerium hier nicht entsprechend reagiert hat.
Doch die eindeutige Kampfansage und Drohgebärde aus dem Kultusministerium und durch den Staatsminister Herrn Flath an die Mittelschule Schönfeld, den Schulträger, den Landkreis sowie an die betroffenen Kinder und Eltern sprechen eine andere Sprache und gebieten hier und heute ein entschiedenes Einschreiten des Landtages.
Es gibt im Kultusministerium offenkundig nur ein mangelhaft verinnerlichtes Rechtsstaatsverständnis.
Die örtliche Presse bringt dies mit der Einschätzung „als schlechter Verlierer entpuppte sich gestern das Kultusministerium“ – „SZ“ vom 10.11.2005 – auf den Punkt.
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichtes vom 3. November 2005 lässt an der Deutlichkeit der Entscheidung keinen Zweifel. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen Prüfung stellt sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig dar. An
der Einrichtung der Klasse 5 an der Mittelschule der Antragstellerin besteht gemäß § 24 Abs. 3 Satz 2 Schulgesetz ein öffentliches Bedürfnis. Es liegt aber auch der Ausnahmetatbestand der zumutbaren Schulwegbedingungen und Schulwegentfernungen gemäß § 4a Abs. 4 Satz 2 Nr. 6 Schulgesetz vor. So nachzulesen auf den Seiten des OVG-Beschlusses.
Nach unserer Auffassung ist das nicht anzuzweifeln und auch nicht auslegbar. Der Respekt vor einer solchen gerichtlichen Entscheidung hätte im Minimum geboten, die als rechtswidrig festgestellten Bescheide unverzüglich aufzuheben und das Bestehen eines öffentlichen Bedürfnisses für die Klasse 5 festzustellen – was bis heute nicht wirklich passiert ist.
Die Einzelfallentscheidung zur Klasse 5 in der Mittelschule Schönfeld ist aber kein Einzelfall – mein Kollege Herbst hatte es schon benannt –, aber einzigartig. Einzigartig wegen des Obsiegens der Gemeinde im Klageverfahren gegen den Mitwirkungsentzug, einzigartig auch deshalb, weil sich ein Schulträger gewagt hat, überhaupt gegen einen Mitwirkungsentzug zu klagen und so weit zu gehen.
Die eigentlichen Ursachen liegen aber tiefer und sind von der seinerzeit allein regierenden Mehrheit dieses Hohen Hauses selbst gemacht. Unzumutbare Schulwege sind das unmittelbare Resultat eines von eben dieser CDUMehrheit verfolgten und durch nichts belegbaren starren Festhaltens an einem längst überholten Modell einer zweizügigen Mittelschule mit mindestens 40 Schülern eines Jahrganges.
Lieber werden Schüler Tag für Tag der Schülerbeförderung überantwortet, als dass sich die neuen Regierungsmehrheiten von der CDU und der SPD auch nur ansatzweise von der heiligen Kuh mehrzügiger weiterführender Schulen verabschieden würden. Jetzt müssen Sie es endlich einmal an dieser Schule tun.
Die einzig Leidtragenden eines solchen Strukturfetischismus sind die Schüler, deren Bildungsmöglichkeiten und Bildungschancen, deren Gesundheit und deren Freizeit im wahrsten Sinne des Wortes auf der Strecke des Weges bleiben.
Es ist nicht Ihr Schulsystem, in dem Sie nach Gutsherrenmanier schalten und walten, wie Sie wollen. Es geht eben nicht um das unbeirrte Festhalten an einem nur am grünen Tisch und auf dem Papier rechnerisch funktionierenden Schulsystem – dafür gibt es übrigens mehr Beispiele –, sondern darum, in der Realität für unsere Schüler beste Bildungsbedingungen und -möglichkeiten vorzuhalten.
Die derzeit realen Schulwegbedingungen und Schulwegzeiten sind in allen Landkreisen des Freistaates daher
Das sollte dieses Hohe Haus endlich zur Kenntnis nehmen. Es ist bedauerlich, dass dazu erst ein Gerichtsurteil notwendig ist.
Bezogen auf die Schüler in Schönfeld bedeutet das, alles, aber auch wirklich alles dafür zu tun, dass der Fortbestand der wieder eingerichteten 5. Klasse gesichert wird, damit eben nicht, wie von Herrn Rasch in seinem Offenen Brief – wenngleich, Herr Rasch, viel zu spät; die 27 Schüler hätten schon zu Beginn des Schuljahres in die Schule gehen können – völlig zu Recht gefordert wird, die Auseinandersetzung um die Einrichtung einer 5. Klasse an der Mittelschule Schönfeld auf dem Rücken der Schüler und Eltern ausgetragen wird.
Hierbei haben weder das Kultusministerium – mit Ausnahme seines Gesichts – noch die Mittelschule oder der Schulträger etwas zu verlieren. Zu den alleinigen Verlierern der fortgesetzten Auseinandersetzung können die in die Schule zurückgekehrten Schülerinnen und Schüler der 5. Klasse werden.
Dass das nicht zutrifft, liegt in der Verantwortung dieses Landtages als Hauptverursacher der nunmehr eingetretenen Situation. Die Mittelschule Schönfeld ist mit der 5. Klasse wie jede andere Schule und Klasse in Sachsen zu behandeln. Dazu gehört auch, nicht zuzulassen, dass die Aktivitäten der Schule durch die Verweigerung zusätzlichen Lehrerpersonals oder durch Einschränkungen des Unterrichts – das sage ich einmal mit Fragezeichen – und des Ergänzungsbereiches trocken gelegt werden.
Ich gehe davon aus, dass der Minister uns nachher in seiner Rede darstellt, wie viele Stunden dieser Schule nach dem Aufmachen der 5. Klasse zusätzlich zugewiesen worden sind.
Der Weg für notwendige Investitionen – jetzt komme ich auf einen ganz wesentlichen Punkt – in den Mittelschulstandort Schönfeld bzw. die diesbezügliche Förderung eines aus Landesmitteln durch Aufhebung des derzeitigen Beobachtungsstandes
Beobachtungsstatus, Entschuldigung! – muss endlich freigemacht werden. Denn solange dieser Beobachtungsstatus gegeben ist, gibt es auch keine Fördermittel für diese Schule und demzufolge einen schwierigen Stand in der Kommune vor Ort.
Daher kann der Landtag vollkommen zu Recht erwarten, dass das Kultusministerium die ihm mit der Oberverwaltungsgerichtsentscheidung ins Stammbuch geschriebenen Hausaufgaben zur Absicherung des Fortbestandes der 5. Klasse rechtzeitig und so erledigt, dass diese Erledigung im Interesse der betroffenen Schüler und des Erhalts des Schulstandortes mit hoffentlich „sehr gut“ bewertet werden kann. Welche Aufgaben das konkret sind, können Sie in den Punkten 1 bis 5 unseres Antrags detailliert
nachlesen. Diesen kostenlosen Nachhilfeunterricht erteilen wir – und speziell ich – Ihnen sehr gern.
(Dr. Fritz Hähle, CDU: Den brauchen wir nicht! – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Gehen Sie mal lieber hin!)
An die Adresse des Kollegen Rasch: Ihr publikumswirksamer Offener Brief an Ihren Fraktionskollegen und Staatsminister Herrn Flath, in dem Sie fordern – ich zitiere –: „Aber nun erwarte ich, dass Herr Flath dafür Sorge trägt, dass eine nachträglich gebildete 5. Klasse ihren schulischen Weg an der Mittelschule Schönfeld auch im nächsten Jahr fortführen kann“, ist aller Ehren und unterstützenswert. Bleibt zu hoffen, dass sich die Damen und Herren der Koalition diese frommen Worte zu Eigen machen und bei der Abstimmung über unseren Antrag zustimmen. Den betroffenen Schülern, deren Eltern, der Mittelschule und der Gemeinde Schönfeld steht ein Wiedergutmachungsanspruch zu, den die Mitglieder des Landtags mit der Beschlussfassung über den Antrag komplikationslos und rechtzeitig erfüllen könnten.
Noch ein Wort zu Herrn Grapatin: Ihren Ausführungen entnehme ich, dass aus Ihrer Sicht der Standort für die 5. Klasse in Schönfeld noch lange nicht gesichert ist. Wenn dies so sein sollte, empfehle ich Ihnen sehr, unserem Antrag zuzustimmen, damit dies wirklich gesichert ist.
Wird von den anderen Fraktionen noch einmal dazu das Wort gewünscht? – Wenn das nicht der Fall ist, dann Frau Abg. Bonk.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Koalition und die Staatsregierung haben es nicht fertig gebracht, den zumutbaren Schulweg nach § 4a zu definieren. Das Oberverwaltungsgericht hat jetzt festgelegt, welche Schulwege nicht zumutbar sind; und das ist gut so.
Denn dies zeigt, mit welcher blinden Verantwortungslosigkeit hier bislang rigorose Schulschließungspolitik gemacht worden ist, und die Linie wurde auf Landesebene vorgegeben – genau mit diesem § 4a. Das – dies muss ich einmal sagen, wenn wir über Schulwege und Schulschließungen diskutieren – ist auch das Unlautere daran: dass Sie im § 4a ganz klare Vorgaben machen, die Kreise zwingen, aber die Verantwortung für die Schulschließungen und die Schulnetzplanung auf Kreisebene weitergeben, wo es überhaupt keine Gestaltungsmöglichkeiten gibt und Mitwirkungsentzüge – auch gegen den Willen der Kreise – rigoros durchgesetzt worden sind. Dies halten wir für keine verantwortungsbewusste und an den Bedürfnissen vor Ort orientierte Schulpolitik.
Mal als Anregung: Selbstverständlich sind die regionalen Besonderheiten, wie lang zum Beispiel Schulwege sein werden, vor Ort besser bekannt; und wenn man dort tatsächliche Gestaltungsmöglichkeiten hingeben würde, wäre es auch möglich, regional zu reagieren und solche Engpässe, wie sie in Schönfeld bekannt geworden sind, zu vermeiden.
Das OVG Bautzen hat zu Schönfeld geurteilt. Die dort genannten Schulwege sind jedoch keine Einzelfälle. Dies hat leider auch unser Schulwegewettbewerb wieder bewiesen und, wie bereits angekündigt, möchte ich kurz auf einiges aus den 300 Einsendungen eingehen. Schülerinnen aus dem Regierungspräsidium Dresden sind zwischen 1:15 Stunden morgens und 1:40 Stunden nachmittags unterwegs bei einem Beginn des Schulweges um 06:10 Uhr, denn um diese Zeit fährt der Bus ab. Jetzt können Sie sich einmal vorstellen, wann die jungen Menschen aus dem Haus gehen müssen, was dies für ihre Lebensrhythmen bedeutet und wie sehr diese Politik in das Leben, in die Identifikation und in Konsequenz in die Schulqualität eingreift. Dies halten wir nicht für verantwortungsbewusst!
Eine andere Schülerin aus dem Regierungspräsidium Dresden ist 1:20 Stunden vormittags und 2:20 Stunden nachmittags mit einem ebenfalls zu frühen „Reisebeginn“ unterwegs. Ich möchte darauf verweisen, dass wir hier keineswegs nur über Bautzen sprechen, sondern dass es durch die Schulschließungspolitik im ganzen Land zu solchen Situationen gekommen ist. Deshalb bedeutet das Oberverwaltungsgerichtsurteil für uns nicht nur, dass die 5. Klasse in Schönfeld eingerichtet werden muss – was selbstverständlich ist und innerhalb unseres Antrages liegt –, sondern natürlich bedeutet dies auch, dass die anderen Mitwirkungsentzüge überprüft werden müssen.
Damit komme ich zum FDP-Antrag, zu dem ich genauer Stellung nehmen möchte. Sie wollen dafür eine Rechtsverordnung und setzen bestimmte Kriterien an: keinen abschließenden Katalog für ein besonderes pädagogisches Profil; die Dauer der Schulwege orientiert am Landesentwicklungsplan. Das ist ein Weg, den man über eine solche Rechtsverordnung gehen kann. Es wäre immerhin eine Regelung, die Sicherheit schafft und endlich eine aktive Bestimmung des zumutbaren Schulweges im Interesse von Schülerinnen und Schülern. Deshalb werden wir Ihrem Antrag zustimmen.
Wir haben einen eigenen Antrag auf den Weg gebracht. Sie werden sicher gleich alle darüber abstimmen, insofern möchte ich noch einmal auf die gemeinsame Willensbildung verweisen. Wir haben dazu einen eigenen Antrag auf den Weg gebracht, der fordert, dass alle Mitwirkungsentzüge nach den Maßgaben, die das Oberverwaltungsgericht angesetzt hat, überprüft werden. Dabei wird sich zeigen, dass Schulschließungspolitik in Sachsen verfehlt
gewesen und an den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler sowie an den Anforderungen vorbeigegangen ist.
Ich frage ganz konkret: Dort kann doch nicht einfach nichts passieren?! Dieses Gerichtsurteil zeigt, dass es Missstände gibt und keine stichhaltige Politik gemacht worden ist. Darauf muss das Kultusministerium jetzt reagieren – nicht nur bezogen auf Schönfeld, sondern Sie müssen dahin gehend Ihre gesamte Politik, die Sie in diesem Bereich gemacht haben, überprüfen und zu Veränderungen kommen.