Protocol of the Session on October 7, 2005

(Beifall bei der NPD)

Für die GRÜNEN spricht das Geburtstagskind, Herr Dr. Gerstenberg. 54 Jahre ist er übrigens geworden. Da sage einer, Politik hält nicht jung!

(Beifall des ganzen Hauses)

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sie erleben eine Fraktion in Redezeitnot, deshalb habe ich mein Manuskript zur Seite gelegt und mache nur einige Bemerkungen.

Wir wurden vor einem Jahr in den Sächsischen Landtag gewählt als Vertreterinnen und Vertreter einer repräsentativen Demokratie. Viele Wählerinnen und Wähler wollten damit ihre Verantwortung nicht abdelegieren, sondern sie wollen weiter in direkter Demokratie über ihre ureigensten Angelegenheiten entscheiden.

Für die Bündnisgrünen ist es seit ihrer Gründung eine Aufgabe, dafür mehr Raum zu schaffen, damit die Menschen sich in ihre ureigensten Angelegenheiten direkt einmischen können. Deshalb waren wir auch bei der Sächsischen Verfassung im Forderungskatalog für die Volksgesetzgebung mit ganz vorn. Ich gebe Herrn Bartl Recht, das passiert nicht allzu oft: Die Verfassungswirklichkeit hat gezeigt dass die Quoren zu hoch sind, insbesondere das Unterschriftenquorum für Volksbegehren. Deshalb sagen wir: Das Quorum muss gesenkt werden! Unser Vorschlag sind 5 %. Das ist kein kühner grüner Vorschlag, das ist Realität – in Hamburg, in SchleswigHolstein, und Brandenburg liegt noch darunter. Machen wir es in Sachsen nach!

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS)

Wenn Sie das nicht wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, dann lege ich Ihnen Artikel 36 der Verfassung des Freistaats Sachsen ans Herz, und zwar der Verfassung von 1920. Dort stand bereits, dass ein Volksentscheid dann ins Leben gerufen wird, wenn ein Zehntel der Stimmberechtigten dies begehrt. Dieser Rückschritt in das Jahr 1920 wäre für Sachsen bereits ein Fortschritt. Der Antrag der FDP ist dafür in keinerlei Art und Weise hilfreich. Ich habe den Eindruck, Sie haben vor zwei Wochen, am Freitagmittag, dagestanden und gesagt: Wir brauchen noch einen dritten Antrag.

Ich gebe zu, unserer Fraktion ist das nicht ganz fremd. Wir verzichten dann aber auf solche Anträge.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und vereinzelt bei der CDU und der Linksfraktion.PDS)

Wenn ein Quorum zu hoch ist, dann bleibt es zu hoch, auch wenn es der demografischen Entwicklung angepasst wird. Wenn sich die FDP als Freie Demokratische Partei bezeichnet, dann sage ich: Freiheit für direkte Demokratie bekommen wir nicht, indem wir die Fesseln im Einklang mit sinkender Bevölkerungszahl immer enger nachjustieren. Demokratie bekommen wir nicht, indem dieser

Landtag oder der Souverän, das Volk, seine Entscheidung über die Sächsische Verfassung an die Staatsregierung abdelegiert.

Ihren Antrag können wir nur ablehnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. – Gibt es seitens der Fraktionen noch Redebedarf? – Jawohl, Herr Schiemann, CDU-Fraktion, möchte noch einmal sprechen; bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die glorreichen Erwartungen doch noch einmal etwas dämpfen. Auch das, was mein Vorredner eben sagte, möchte ich noch einmal gerade rücken.

Wir haben gerade in der Diskussion zur Sächsischen Verfassung gesagt, dass wir ein Eingangsquorum wollen. Zunächst hatten wir ja ein Eingangsquorum von etwa 200 000 Stimmen und haben dann gleichsam aus dem Gohrischer Entwurf ein Quorum von einem Drittel der Stimmberechtigten übernommen. Ein Drittel der Stimmberechtigten, das wären 1,3 Millionen, plus die Mehrheit, diese müssten dabei zustimmen. Sie müssten also eine Mehrheit von mindestens 1,1 Millionen mobil machen.

Wir haben auch die Vorschläge der letzten Jahre vorliegen. Die CDU-Fraktion hatte damals gesagt: Bei diesem niedrigen Einstiegsquorum sollte man bei 50 % landen. Die SPD-Fraktion sprach vor etwa zwei Jahren von 20 %. Das sind immerhin 750 000. Diese Hürde müssen Sie auch beim Volksentscheid überspringen.

Es gibt noch einen Vorschlag, der im letzten Jahr gemacht wurde, von einem Viertel. Dieses eine Viertel sind beim Volksentscheid immerhin 900 000 Stimmberechtigte. Also, ich bitte bei der Diskussion – bei aller Euphorie, die auch nach außen getragen wird – darzulegen: Wenn ich das Quorum beim Volksbegehren nach unten drücke und beim Volksentscheid von null auf einen sehr hohen Maßstab drücke, dann wird es wieder unzufriedene Menschen geben.

Ich sage noch eins: Im Land Brandenburg sind es auch 25 % von zwei Millionen und ich glaube, die Zahl der Stimmberechtigten liegt bei knapp unter zwei Millionen – rechnen Sie es sich aus. Das macht das Verfahren des Volksentscheides nicht einfacher, auch wenn man es vielleicht gut in Pressemitteilungen nach außen vertreten kann.

Ich bitte darum, zu erkennen, dass das Ausgangsquorum, das Sie in Ihrer Diskussion provozieren, das Verfahren der Volksgesetzgebung nicht verbessert. Es wird genauso eine schwere Hürde bleiben. Ich bitte Sie, sich diesem Thema noch einmal zu widmen, und möchte gleichsam noch einmal darauf verweisen: Wir haben eben 1992 bei der Verfassungsgebung neben den 450 000 die dynamische Verweisung der 15 % angesprochen, und ich weise nochmals darauf hin, dass es im Freistaat Sachsen kein Ausgangsquorum gibt; es ist nur die Mehrheit der abge

gebenen Stimmen notwendig. Das heißt, da steht eine null wie im Freistaat Bayern und im Land BadenWürttemberg, und die Länder Brandenburg und Schleswig-Holstein haben ein Ausgangsquorum von 25 %. Ich bitte darum, dass bei aller Euphorie nicht aus dem Auge verloren wird, dass das Ausgangsquorum sicherlich keine kleinere Hürde als das Eingangsquorum ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bleibe dabei: Auch nach dieser Debatte sollten wir dem Antrag der FDP-Fraktion nicht folgen.

Vielen herzlichen Dank.

Danke schön. – Gibt es daraufhin noch einmal Redebedarf seitens der Fraktionäre? – Das ist nicht der Fall. Herr Staatsminister der Justiz Mackenroth, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP-Fraktion fordert, die Quoren für die Volksgesetzgebung an die demografische Entwicklung anzupassen. Eine solche Notwendigkeit erkenne ich nicht ohne weiteres.

Die Mütter und Väter der Sächsischen Verfassung haben – Herr Abg. Schiemann hat darauf hingewiesen – das Problem gesehen und in Artikel 72 Abs. 2 Satz 1 der Sächsischen Verfassung geregelt. Darin wird ausgeführt – ich zitiere –: „Ein Volksentscheid findet statt, wenn mindestens 450 000, jedoch nicht mehr als 15 vom Hundert der Stimmberechtigten das Volksbegehren durch ihre Unterschrift unterstützen.“

Meine Damen und Herren Abgeordneten von der FDP! Die Verfassung passt damit das Quorum mit der viel zitierten Auffangklausel von 15 % in – wie ich finde – höchst intelligenter Weise schon jetzt an die demografische Entwicklung an. Bei den Beratungen zur Verfassung ist intensiv und ausführlich über die Ausgestaltung dieser Quoren und die Anpassung diskutiert worden.

Lassen Sie mich aus den Protokollen des damaligen Verfassungs- und Rechtsausschusses zur Entstehung der Verfassung, aus den Beratungen der 9. Klausurtagung zitieren. Hier heißt es vom Abg. Dr. Kunzmann, SPD, zu Artikel 72 Abs. 2 – Zitat –: „Ein Problem könne sich aber im Falle demografisch unstabiler Verhältnisse ergeben, wenn nämlich die Zahl der Wahlberechtigten deutlich sinke. Die Verfassungen der alten Bundesländer hätten normalerweise alle Relativzahlen gewählt. Im Hinblick auf die denkbaren demografischen Veränderungen der laufenden Jahrzehnte sollte man eine Auffangbestimmung aufnehmen: …, jedoch nicht mehr als so und so viel Prozent vom Hundert der Wahlberechtigten. Dafür spreche – so Herr Kunzmann weiter – zusätzlich auch der erschreckende Geburtenrückgang. Aktuell würden die 450 000 Stimmen zirka 12,5 % bedeuten. Er schlage als Auffangklausel 15 % vor. Dies greife dann erst im Falle wesentlicher Veränderungen gegenüber dem heutigen Bevölkerungsstand.“

So weit die Beratung.

Geht man von den ganz aktuellen Stimmberechtigtenzahlen des Statistischen Landesamtes für die Bundestagswahl am 18. September, respektive 2. Oktober, aus, ergeben die 450 000 Sachsen exakt 12,6 % der Stimmberechtigten. Eine relevante Veränderung gegenüber der vom Abg. Kunzmann und der vom Verfassungsgeber genannten Zahl von 12,5 % vermag ich damit nicht festzustellen.

Die Berechnung der FDP in der Begründung ihres Antrages verkennt möglicherweise, dass unsere Verfassung nicht auf die Bevölkerungszahl abstellt, sondern auf die Zahl der Stimmberechtigten.

Mit ihrem Antrag versucht die FDP-Fraktion zudem erneut, Themen der Koalitionsvereinbarung vorzeitig für sich zu besetzen. Mich freut zusammen mit dem Abg. Bräunig natürlich, dass Sie die Koalitionsvereinbarung gründlich studieren. Da haben sich die Koalition und vorrangig die Fraktionen, die sie tragen, die Aufgabe gestellt: „Die Koalitionspartner prüfen, unter welchen Voraussetzungen die Änderungen bzw. Einführungen von Quoren bei Volksbegehren und Volksentscheid durch Verfassungsänderungen sinnvoll sind.“

Auch meine Mitarbeiter in der Staatsregierung denken über diese Frage nach und werden der Staatsregierung hierzu in Kürze einen Bericht vorlegen. Lassen Sie mich bereits heute auf eines hinweisen: Die Frage der Absenkung des Quorums ist im Gesamtsystem der Volksgesetzgebung zu bewerten. Es gibt mit dem Abg. Schiemann dabei zwei Grundmodelle: erstens ein niedriges Quorum im Volksbegehren und zusätzlich ein Zustimmungsquorum beim Volksentscheid, zweitens ein hohes Quorum beim Volksbegehren, aber kein Zustimmungsquorum beim Volksentscheid. Sachsen hat sich damals wie beispielsweise Bayern nach langen Diskussionen für die zweite und in sich ausgewogene Variante entschieden. Deshalb, Herr Abg. Bartl, haben wir es hier auch mit gleichberechtigten Gesetzgebern zu tun, gleich welches Quorum da gewählt wird.

Die Vor- und Nachteile beider Modelle werden wir nach der Vorgabe des Koalitionsvertrages nochmals prüfen. Dabei mag man sich darüber unterhalten, ob wirklich 15 % in unserer gelebten sächsischen Verfassungswirklichkeit ein zu hohes Quorum sind. Eine Vermischung der beiden vom Abg. Schiemann zitierten Modelle lehne ich allerdings ab. Die Kombination aus geringem Eingangsquorum beim Volksbegehren und der Verzicht auf ein Zustimmungsquorum beim Volksentscheid würde dazu führen, dass Vorhaben, die nur von einem relativ geringen

Teil der Bevölkerung unterstützt werden, Erfolg haben könnten. Diese Vermischung würde damit in einen Zielkonflikt zu unserem System der repräsentativen Demokratie geraten.

Im Ländervergleich ist das Quorum für Volksbegehren bei uns im Freistaat Sachsen zudem nicht außergewöhnlich hoch. Einzelne Länder, wie zum Beispiel Hessen oder das Saarland, haben deutlich höhere Quoren bis 20 %. Die Mehrzahl hat ein Quorum von 10 %. Sachsen liegt mit 12 % im Mittelfeld. Alle Länder mit einem geringeren Quorum als 10 % sehen als Ausgleich ein Zustimmungsquorum vor, das heißt, der Volksentscheid ist nur angenommen, wenn ein bestimmter Anteil der Stimmberechtigten dem Volksentscheid zustimmt.

Zusammenfassung. Die demografische Entwicklung erfordert keine Überprüfung des Quorums für das Volksbegehren, da die Verfassung hierfür bereits eine Auffangklausel vorsieht. Staatsregierung und Koalition prüfen, ob aus anderen Gründen Quoren für die Volksgesetzgebung geändert oder eingeführt werden sollen. Der Antrag der FDP-Fraktion ist nach meiner Auffassung nicht zielführend.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Danke schön. – Hat sich daraufhin weiterer Aussprachebedarf ergeben? – Dies scheint nicht der Fall zu sein. Herr Dr. Martens hat das Schlusswort.

Wir haben es bereits begründet und werden dies natürlich weiter verfolgen. Die Koalitionsfraktionen werden mit diesem selbst gesetzten Ziel und diesen Überlegungen umgehen. Das soll es als Schlusswort gewesen sein.

Danke schön. – Damit kommen wir zur Abstimmung. Meine Damen und Herren! Ich stelle die Drucksache 4/2939 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Das war eine kleinere Anzahl an Zustimmungen. Die Gegenprobe! Die Neinstimmen werden jetzt gezählt. – Das ist eindeutig. Jetzt brauchen wir noch die Enthaltungen. – Bei einer beachtlichen Anzahl von Enthaltungen ist diesem Antrag mit sehr großer Mehrheit nicht gefolgt worden. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6

Bürgersolarkraftwerke auf den Immobilien des Freistaates

Drucksache 4/2954, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Beginnen wird die Einreicherin, die Fraktion der GRÜNEN. Bitte schön, Herr Abg. Lichdi. Sie haben noch 4 Minuten.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Antrag zum Thema Bürgersolarkraftwerke hat viele Vorbilder. Es ist ein Antrag, der in vielen Kommunen bereits in die Praxis umgesetzt wurde. Wir haben in der Antragsbegründung auf das Beispiel Dresden Bezug genommen. In der Zusammenarbeit von Stadt und Bürgern, unterstützt von der lokalen Initiative Agenda 21, konnten bereits mehrere Projekte realisiert werden.