an jeder einzelnen Schule. Denn abgesehen von den vielen einzelnen Maßnahmen und Projekten, angefangen beim veränderten Schuleingang bis hin zu Schulverweigerungsprojekten, brauchen wir eine Lernkultur, welche jedem einzelnen Schüler und jeder einzelnen Schülerin eine optimale Entwicklung bietet.
Das verlangt einen Perspektivwechsel bei jedem Lehrer und jeder Lehrerin, bei jeder Schule, aber auch in der Schulverwaltung. Eben deshalb haben wir in der Koalition das Projekt „Eigenverantwortliche Schule“ vereinbart. Auf den ersten Blick scheint das nicht viel mit der Förderung benachteiligter Menschen zu tun zu haben; auf den zweiten, genaueren Blick eben schon. Denn nur wenn die Schule die Verantwortung für jeden einzelnen Bildungs- und Entwicklungsprozess übernehmen kann und muss, wird sie niemanden aus dem Blick verlieren, wird sie alle Anstrengungen immer am Ergebnis messen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem Berichtsantrag zur sekundären Ungleichheit und dem Gutachterantrag zur sozialen Lage und zu Bildungschancen haben wir heute also diesen Berichtsantrag zur Förderung benachteiligter Kinder und Jugendlicher. Ein wichtiger Themenkomplex – keine Frage! Aber leider wird dabei vergessen, dass diese Anträge auf Berichte und Gutachten, also das Frage- und Antwortspiel zwischen Parlament und Staatsregierung, nichts, aber auch gar nichts daran ändern, dass sich Arbeitslosigkeit, zerrüttete Familien und Bildungsferne längst als Lebensumstände ganzer Volksschichten verfestigt haben, wobei sich die Faktoren dann noch gegenseitig verstärken.
Es liegt doch auf der Hand, dass diese Lebensumstände zuallererst die betroffenen Kinder prägen und chancenlos machen. Es wird vergessen, dass intakte Familien mehr als nur Wohnung und Versorgungseinrichtung sind, sondern das wichtigste soziale Netz überhaupt, das die weiteren Lebenschancen Heranwachsender entscheidend bestimmt. Aber ausgerechnet die Familie als Fundament der Gesellschaft hat als Folge des Niedergangs aller positiven Werte – genannt Liberalisierung – stark gelitten.
So leben derzeit schon mehr als ein Drittel aller Kinder in Sachsen nicht mehr in einer intakten Familie, sondern in so genannten Ein-Eltern-Familien. Dies hat weit reichende Folgen für die Rahmenbedingungen, in denen Kinder aufwachsen müssen. Denn hier schlagen sich die Folgen des rasanten Sozialabbaus sofort nieder.
In Sachsen standen 40 % aller Ein-Eltern-Familien mit einem Kind monatlich weniger als 900 Euro für den Lebensunterhalt zur Verfügung. Bei zwei und mehr Kindern betraf es 30 % der Familien, während nur 15 % der intakten Familien, also mit Mutter und Vater, mit einem Nettoeinkommen von weniger als 1 500 Euro monatlich auskommen mussten.
Es zeigt sich also, dass Kinder in normalen Haushalten, die mit beiden Elternteilen aufwachsen, in deutlich besseren materiellen Verhältnissen leben. Das hat weit reichende Folgen für alle Lebensbereiche und natürlich auch für Bildungsfähigkeit und Bildungswilligkeit. Nach der materiellen und sozialen Armut stellt sich die Bildungsferne für ganze Volksschichten ein.
In diesem Zusammenhang nimmt der vorliegende Antrag der Linksfraktion.PDS schon beinahe komische oder tragische Züge an, wenn ausgerechnet jene über ihre Erkenntnisse und Aktivitäten bei der Zurückdrängung der so genannten Bildungsarmut berichten sollen, die ursächlich für die Massenarbeitslosigkeit und den Niedergang in allen gesellschaftlichen Bereichen verantwortlich sind.
Wer zeichnet in Sachsen denn verantwortlich für die massenhaften Schulschließungen? Wer ist dafür verantwortlich, dass, während die eigenen Kinder und Jugendlichen auf der Strecke bleiben, die Staatsregierung Rahmenbedingungen für Einwanderer schafft, damit deren schulische Leistungen und Integration gelingen können?
Lassen Sie mich bitte noch kurz auf diese Passage der Stellungnahme eingehen. Es gibt die vielfältigsten Betreuungen und Förderungen für fremdsprachige Migrantenkinder, die vor allem den Steuerzahler, also uns, Geld kosten.
Viel sinnvoller wäre es doch – wie in anderen Bundesländern bereits üblich –, einen Sprachtest durchzuführen, der dann Aufnahmebedingung für die Einschulung ist.
Trotz aller Erkenntnisse der Pisa-Studie, wonach die Länder am besten abschnitten, die ethnisch weitgehend homogen geblieben sind, treibt man die Integration raum- und kulturfremder Ausländer bei uns voran.
Meine Damen und Herren! Wir werden dem Berichtsantrag trotz der Bedenken, die ich Ihnen gerade geschildert habe, zustimmen.
Danke schön. – Endlich fallen seit 14 Tagen Name und Jahreszeit zusammen. Herr Kollege Herbst, Sie haben das Wort.
(Allgemeine Heiterkeit – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Im Winter heißt es dann wohl hatzsch-i?!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Es fallen nicht nur Name und Jahreszeit zusammen, es ist auch ein schöner Herbsttag. Das wollte ich doch einmal feststellen hier im Plenum.
Zum Thema! Dass materielle und Bildungsarmut etwas miteinander zu tun haben, ist, glaube ich, hier unbestritten, und dass Bildungsqualität über die Lebenschancen junger Leute entscheidet, liegt auch auf der Hand.
In Deutschland erreicht die Beschäftigungsquote der Zwanzig- bis Vierundzwanzigjährigen, die über keine gymnasiale Ausbildung verfügen und sich nicht mehr in einer Ausbildung befinden, nur knapp über 50 %. Wenn man es mit denen vergleicht, die einen erfolgreichen Abschluss in der Sekundarstufe II haben, sind es dort nicht 50 %, sondern 80 %. Insofern gibt es schon einen Zusammenhang zwischen Abschluss, der Qualität des Abschlusses und der Aussicht auf eine Beschäftigung. Schlechter ausgebildete Jugendliche sind nun einmal eher von Arbeitslosigkeit und damit eher von Armut betroffen als besser ausgebildete Jugendliche.
Es ist klar, dass die Bildung ein wesentlicher Schlüssel ist, um die Armut zu bekämpfen, aber auch um generell erst einmal Lebenschancen zu schaffen. Natürlich ist Bildung umfassender und bezieht sich nicht nur auf den Einflussbereich der Politik. Denn was wir beeinflussen können, das sind zum Beispiel Kindertageseinrichtungen, das ist auch der Bereich der Schulen. Die Frage, die wir uns als Politiker stellen müssen, ist: Gelingt es uns mit dem bestehenden System, Bildungsarmut zurückzudrängen,
Was wir nicht machen können und auch nicht erreichen können, ist eine völlige Gleichheit. Ich glaube, das ist auch manchmal die Versuchung der Linksfraktion.PDS: anzunehmen, dass das Politik erreichen kann. Das funktioniert leider nicht.
Wir vergessen oft, dass es eine zweite Seite der Medaille gibt, die sich auch der Politik entzieht, und zwar ist das das Elternhaus. Es wurde schon von einigen angesprochen. Natürlich ist klar: In ärmeren Elternhäusern wird vielleicht auch weniger Geld für die Bildung und Ausbildung der Kinder und Jugendlichen ausgegeben. In einem Elternhaus, in dem die Eltern geringere Abschlüsse haben, wird vielleicht auch weniger darauf geachtet, den Ehrgeiz bei den Kindern zu wecken, einen besseren Abschluss zu erreichen. Die Folge ist, dass sich über Generationen hinweg dieses Ungleichgewicht am Ende natürlich verstärkt. Dabei stehen wir in Sachsen – und das muss man fairerweise zugeben – noch relativ besser da. Wir haben nicht die großen Probleme mit Migrantenkindern, wie sie beispielsweise in Bremen oder anderen westdeutschen Ländern existieren. Das wurde in der Pisa-Studie auch angesprochen.
Natürlich besteht trotzdem der ursächliche Zusammenhang. Wir stellen auch fest, und das ist bitter, dass eine zunehmende Anzahl von Haushalten, gerade junge Familien, von Sozialtransfers und nicht mehr von eigenem Erwerbseinkommen abhängen und davon leben. Das heißt, auch hier besteht die Gefahr, dass in Zukunft Bildungsarmut entsteht. Uns geht es dabei nicht darum, Gleichmacherei zu betreiben, sondern unser Schul- und Bildungssystem so zu gestalten, dass es vergleichbare Lebenschancen für jeden jungen Sachsen gibt.
Die individuelle Förderung ist dabei der Schlüssel für die Chancengerechtigkeit. Ganz klar ist: Wer größere Probleme hat, der muss einfach intensiver gefördert werden, damit er eine Chance bekommt. Hier ist noch einiges zu tun. Das hat auch zum Teil die Antwort der Staatsregierung auf den Antrag der Linksfraktion.PDS gezeigt.
Ein Thema, das angesprochen wurde, das Ganztagsschulprogramm, ist sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Aber wir dürfen uns nicht darauf ausruhen, denn das Problem ist umfassender. Wenn wir uns beispielsweise anschauen, mit welchen unterschiedlichen Eingangsvoraussetzungen Kinder in die Schule kommen, so sind wir bei der FDP nach wie vor der Meinung, dass wir ein verpflichtendes und kostenfreies Vorschuljahr in Sachsen benötigen.
Ich glaube auch, dass die frühzeitige Trennung in der Schule nach den Schularten, und zwar nach der 4. Klasse, eben nicht dazu beiträgt, Ungleichheiten abzubauen, sondern im Gegenteil, dass sie die Ungleichheiten eher zementiert, dass sie sie eher verstärkt. Wir wissen, dass wir im beruflichen Bildungssystem zu wenig flexibel
sind, um unterschiedlichen Begabungen gerecht zu werden. Es gibt nun einmal Jugendliche, die Schwierigkeiten mit einer theoretischen Ausbildung haben, das heißt, die eine stärkere praktische Begabung haben. Für diese gibt es immer noch zu wenige Angebote. Hier brauchen wir eine stärkere Mobilisierung.
Ich möchte aber hinzufügen: Bei allen Anstrengungen, die wir in der Bildungspolitik unternehmen können, wird es faire Lebenschancen und damit eine effektive Bekämpfung der Bildungarmut nur geben, wenn wir unser Land insgesamt wieder auf einen wirtschaftlichen Wachstumskurs bringen. Die Wirtschaftspolitik der – Gott sei Dank! – alten rot-grünen Bundesregierung hat eben nicht nur zu Rekordarbeitslosigkeit geführt, sie hat auch – das ergeben alle Studien – zu einem neuen Rekord bei der Kinderarmut geführt. Das ist die unsozialste Politik, die es in diesem Land überhaupt gibt, das muss man hier einmal festhalten.
Deshalb brauchen wir in Sachsen sowohl eine leistungs- und chancenorientierte Bildungspolitik als auch eine wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik. Beides brauchen wir, um Bildungsarmut zu bekämpfen.
und zwar sowohl die im Titel genannte Förderung sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher als auch die Forderung, welche die Linksfraktion.PDS daraus ableitet. Aber das Thema, liebe Kolleginnen und Kollegen, greift weit über die geeignete schulische Unterstützung hinaus. Mehr noch: Wir glauben, dass die schulische Unterstützung in manchen – vielleicht auch in vielen – Fällen das Anliegen sogar nur unzureichend unterstützen kann.