Protocol of the Session on November 11, 2004

– Nein. Ich finde nur das Sprichwort bestätigt, dass getroffene Hunde bellen.

(Beifall bei der PDS)

Nur können sich Freiheit und Verantwortung im Falle der Not so sehr nicht mehr entfalten, weshalb es auch niemandem erlaubt ist, Verzweiflungstaten von Menschen in Not, sei es Drogenmissbrauch oder Suizid, dem

freien Willen zuzuordnen. Solche Menschen brauchen nichts als unsere Hilfe.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jede Kultur hat ihre Drogen, eigene und aus anderen Kulturen übernommene. Der Wein, im Alten Testament als Lebenswasser gepriesen, kam über die Römer zu uns. Kaffee und Tabak kommen aus Amerika, genauso wie die Kartoffel, zuerst verpönt, dann kultiviert. Jede Kultur hat ihre Droge und ihre Drogenprobleme. Letztere kann man nicht ernst genug nehmen. Ihre Ursachen liegen aber nicht vordergründig in den Drogen. Deshalb reicht es überhaupt nicht, Drogen in gute und schlechte einzuteilen. Es gibt nicht gute und schlechte Drogen. Es gibt nur – sagen wir einmal vorsichtig – etwas weichere, wie Bier oder Cannabis, und deutlich härtere, wie Schnaps oder Heroin.

(Beifall bei der PDS und der SPD)

Es gibt in der Kultur angekommene, wie Wein oder Tabak, und solche, die noch an die Tür der Kultur klopfen. Deshalb ist der Umgang mit Drogen zu lernen und zu kontrollieren wie der Umgang mit Streichhölzern und mit Automobilen.

(Uwe Leichsenring, NPD: Aha!)

Darin liegt unsere Verantwortung. Verbote und Kriminalisierung von Erwerb und Besitz sind da zu einfache Lösungen und der Aufkleber „Rauchen kann tödlich sein“ auf der frei verkauften Zigarettenpackung ist merkantiler Zynismus pur.

Im Übrigen, meine Damen und Herren Einreicher, schöner leben kann man mit oder muss man ohne Drogen. Da macht die Dosis den Unterschied. Bei Nazis aber geht nur schöner leben ohne, denn selbst die kleinste Dosis Nazis bringt nur Unglück und vergiftet.

(Uwe Leichsenring, NPD: Das bestimmen Sie aber nicht! – Beifall bei der PDS, der SPD und vereinzelt den GRÜNEN)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. – Nicht. Die FDP? – Frau Schütz, bitte.

Schöner leben ohne Drogen! – Der Antragsteller sei gefragt: tatsächlich alle Drogen? Ungefährlich, da sei allerdings auf die Pressemitteilung angespielt, halten wir natürlich für falsch. Mittlerweile gibt es abhängig Süchtige im Haschischkonsum, unabhängig davon, dass der Haschischkonsum als solcher gestiegen ist. Natürlich geben wir Ihnen auch darin Recht, dass zirka 80 bis 90 % der jungen Leute vom Haschisch wieder loskommen. Es verbleiben aber 10 bis 20 %, die dies leider nicht mehr können. Ein wichtiger Aspekt ist noch zu nennen: dass der THCGehalt im Haschisch heute um ein Vielfaches höher ist als der der siebziger Jahre; wir sprechen von ca. fünf bis sieben Mal.

(Heinz Eggert, CDU: Sehr richtig!)

Die Wirkung von Haschisch in Bewusstseinseinschränkungen, die Gefahr nicht nur für sich selbst, sondern vor

allem auch für andere – ich denke an den Straßenverkehr –, kann nicht das Ziel sein.

Wir fordern keine Legalisierung, aber Entkriminalisierung, keine weiteren Drogen zu etablieren, das heißt gleichzeitig, den Konsum nicht zu fördern oder gar Drogen legalisieren zu wollen, sondern den Jugendlichen die Schädigungen bewusst zu machen, die kein Problemlöser als solcher sind. Wir stehen für Präventionsmaßnahmen, Aufklärung und Entkriminalisierung.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP und den GRÜNEN)

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erhält das Wort. Frau Astrid Günther-Schmidt, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Schöner leben ohne Drogen“ – das passt ja wunderbar, dass Sie ausgerechnet die Frau, die Sie letztes Mal so geärgert hat mit „Schöner leben ohne Nazis“, in die Situation gebracht hat, diese Steilvorlage hier ausnutzen zu können. Der Sächsische Landtag muss jetzt dafür herhalten, dass wir Ihre Parolen hören – Ausländerfeindlichkeit ist damit verbunden, Diskriminierung von gesellschaftlichen Randgruppen. Ich war verblüfft zu hören, dass Sie mit einem Mal ein so hohes Interesse an der körperlichen Unversehrtheit von Menschen haben, wo doch Rechtsextremisten hier im Lande Angst und Schrecken verbreiten.

(Beifall bei den GRÜNEN, der PDS, der SPD und der FDP – Holger Apfel, NPD: Das haben Sie schön gesagt! – Uwe Leichsenring, NPD: Ja, sie haben richtig Angst! – So ein Unsinn!)

Sie nutzen das Podium hier, um Ihre Parolen zu verbreiten. Wir haben eine Mehrheit im Landtag, wir haben eine Mehrheit im Lande, die sich von Ihnen distanziert. Wir wollen nichts mit Nazis zu tun haben. Es war eine ungeschickte Äußerung von Frau Bonk. Wir haben wirklich andere Probleme zu besprechen als die Frage, ob die NPD noch einen Strauß mit der Frau Bonk auszufechten hat.

Ich möchte Ihnen zum Abschluss noch mit auf den Weg geben: Mir sind einhundert bekiffte Demokraten tausendfach lieber als ein besoffener Nazi.

(Starker Beifall bei den GRÜNEN, der PDS, der SPD und der FDP – Uwe Leichsenring, NPD: Das ist niveaulos!)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Bitte, die CDU-Fraktion; Frau Abg. Nicolaus.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben zwar heute den 11.11., aber es war nicht 11:11 Uhr, als die Debatte begann. Aber auch Ihr Beitrag, Herr Porsch, – –

(Zuruf von der PDS: … war gut!)

in diesem Rahmen, wenn das hier eine Faschingsveranstaltung wäre, …

Das Thema ist viel zu schade, um es in diesem Hohen Hause entwürdigend darzustellen.

(Beifall bei der CDU und der NPD – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Normalerweise hätte man sagen müssen, man lässt euch einfach der Dinge gewähren und man wendet sich überhaupt nicht dem Inhalt zu. Aber für unsere Fraktion müssen wir das tun, weil wir zu diesen Dingen einen gefestigten Standpunkt haben.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Nun müsste man sagen: „Schöner leben ohne Drogen“, das ist ja wunderbar, das klingt wünschenswert und es wäre für alle wünschenswert. Aber leider ist die Realität anders. Für den individuellen Menschen, aber auch für die Gesellschaft schlechthin ist „schöner leben ohne Drogen“ eben leider nicht Realität.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Das habe ich gesagt, liebe Kollegin!)

Ja, Sie haben aber noch viele andere Dinge angesprochen und ich will hier noch einmal zusammenfassen, was wir in diesem Bereich feststellen müssen: Der Konsum nimmt weiter zu, das Konsummuster wird immer riskanter, die Vermischung von verschiedenen Drogen – von legalen und illegalen. Nehmen wir die Einstiegsdroge Nikotin, darauf folgt Alkohol und Cannabis, und das kann man eben nicht verharmlosen.

(Lachen bei der PDS)

Das Einstiegsalter, meine sehr verehrten Damen und Herren, sinkt – ins Kindesalter, unter Zehnjährige sind bereits betroffen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Das habe ich gesagt!)

Ja, aber jetzt kommen wir doch zu dem wesentlichen Punkt, das muss hier einfach benannt werden.

Herr Prof. Porsch, ich bitte Sie um etwas Zurückhaltung.

Wir haben eine Zeitschrift „Sucht“, die von der Hauptstelle gegen Suchtgefahren herausgegeben wird. Was lesen wir denn dort über Cannabis – das muss man zur Kenntnis nehmen –: „Zu den dauerhaften Folgeschäden pubertären Cannabiskonsums zählen neben der Gefahr einer Abhängigkeitsentwicklung auch langfristige kognitive Beeinträchtigungen des Gedächtnisses, der Aufmerksamkeit, der Sprache und der Motivation und die Erhöhung einer schizophrenen Psychose“ – und das dauerhaft. Das muss man zur Kenntnis nehmen! – Da können Sie den Kopf schütteln, wie Sie wollen, Herr Lichdi; da haben wir vielleicht ein paar Welten dazwischen, aber es sind Fachleute, die das feststellen. Sie sind ja vielleicht ein neu benannter Fach

mann, das kann schon sein, aber das müssen wir erst überprüfen.

(Heiterkeit und Beifall bei der NPD)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Zu der Äußerung zur Legalisierung ab 14 Jahren: Das birgt viele Gefahren in sich, das kann man nicht so einfach hinnehmen. Sie haben ja nicht nur von Cannabis gesprochen, sondern Sie haben gesagt: Da nehmen wir noch ein bisschen reines Heroin dazu, wie wunderbar! Das kann man so nicht stehen lassen, wir können als Abgeordnete nicht solche Sprüche klopfen, das ist einfach glatt daneben.

(Beifall bei der CDU und der NPD)

Unser Petitum in diesem Hohen Hause muss es sein, dass wir mit frühen Maßnahmen – darauf haben sich auch die Koalitionspartner SPD und CDU verständigt – weiterhin im präventiven Bereich eingreifen, dass wir Früherkennung und Aufklärung bereits von Kindesbeinen an praktizieren. Es muss unsere vordergründige Aufgabe sein, dass wir die Nachbereitung, wenn jemand in die Abhängigkeit gerutscht ist, so gestalten, dass die Menschen eine Möglichkeit zum Ausstieg haben. Darauf sollten wir uns konzentrieren und nicht auf solche Sprüche, die letztendlich die Welt – wollen wir es nur einmal auf Sachsen beschränken – ermutigen, vielleicht neben den legalen Drogen noch die illegalen zu legalisieren und zu sagen: Halleluja, es ist alles wunderschön! – Mit uns nicht!

(Beifall bei der CDU und der NPD)

Ich erteile der Fraktion der PDS das Wort; Frau Bonk, bitte.