Herr Präsident! Verehrte Abgeordnete! Vor seltsam scheinendem Motivationshintergrund seitens der Antragsteller führen wir heute eine Debatte über das Thema Drogen. Ich begreife sie als Chance, sie hier einmal mit zum Teil in der Wahrnehmung leider vernachlässigtem Inhalt zu unterfüttern. Denn diese Debatte ist wichtig und es ist mir persönlich wichtig, meine Position etwas ausführlicher darzulegen. Die Reaktionen der Öffentlichkeit auf meine Äußerungen zeigen, dass dies ein noch immer heikles, weil sicher zum Teil mit Unwissenheit und vor allem aber mit Ängsten belegtes Thema ist. Das müssen wir bedenken und die Frage bei aller Direktheit sensibel behandeln; und sicher müssen wir dafür auch geeignetere Beispiele finden.
Meine Damen und Herren, es werden in der Gesellschaft Rauschmittel konsumiert – das war schon immer so, das haben wir gehört. Es sind heute zum Beispiel Zigaretten so sehr wie Kaffee, Kokain wie Alkohol, Hustensaft wie THC, Liebe und Geschwindigkeit so sehr wie Heroin und Designerdrogen. All das und noch viel mehr kann
Nun kann man diese Drogen unterscheiden – zum Beispiel danach, wie schädlich sie sind. Die Fachwelt dürfte sich im Vergleich von Cannabis und Alkohol – an welchem allein im Jahre 2003 40 000 Menschen starben – einig sein. Natürlich ist Heroin wie alle Opiate gefährlich. Nur: Einige dieser Suchtmittel sind aber nun verboten, ihre Konsumenten kriminalisiert und es zeigt sich, dass das Kriterium für legal oder illegal keineswegs die Gefährlichkeit ist.
(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Sehr richtig! – Beifall bei der PDS und vereinzelt bei der SPD und den GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, ich habe für die Entkriminalisierung aller illegalisierten Stoffe plädiert, das wissen Sie. Es gibt dafür ein grundsätzliches und ein pragmatisches Element. Grundsätzlich: Menschen treffen in der Gesellschaft freie Entscheidungen: etwa, ob sie sich einer Operation unterziehen, ob sie ein Kind bekommen wollen, ob sie den Urlaub an Nord- oder Ostsee oder anderswo verbringen, welchen Beruf sie ergreifen, wie sie also leben wollen.
Selbstbestimmtheit über den Weg, den man geht, und die Dinge, die man tut, gehört für mich zu den sehr wichtigen Grundsätzen unserer liberalen Gesellschaft. Die Freiheit, die man den Menschen gibt, darf also auch vor diesem Bereich nicht Halt machen.
Dazu – wie zu allen Freiheiten, die man gewährt – gehören natürlich Sicherungssysteme. Und da, wo Genuss zur Suchtkrankheit wird, brauchen die Menschen Hilfe.
Es muss statt der repressiven Tabuisierung konsequente Aufklärung über Wirkungsweisen und Risiken geben. Ich würde mich freuen, wenn man hier einmal inhaltliche Argumentationen anhören würde.
Natürlich kann die von mir verlangte Freiheit entgegen den Zitierungen der Zeitungen nicht in gleichem Maße für Jugendliche gelten. Sie müssen geschützt und erst sicher gemacht werden im Umgang mit Lust und Verantwortung für Rausch.
Zur Entkriminalisierung gehören hingegen die Einrichtung von Drogenzweckeinrichtungen und ein generelles Werbeverbot für alle rauschfördernden Substanzen.
Selbstverständlich muss man zwischen den Drogen differenzieren. Damit leite ich auf den pragmatischen Hintergrund meiner Argumentation über.
Es werden Drogen verschiedener Art und verschiedener Härte konsumiert. Meine Damen und Herren, seit 1972 gibt es das Betäubungsmittelgesetz. Seit 32 Jahren kämpft der deutsche Staat gegen Drogenkonsumenten und gebracht hat es nichts als Kosten, Leid und Tod.
Es erschwert offensichtlich nicht – schauen Sie doch nur einmal in den Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung – den Konsum von Drogen, aber es erschwert den Konsumenten das Leben.
Jedes Jahr werden weit über 100 000 Menschen in Deutschland für den Besitz illegalisierter Drogen in Gefängnisse gesperrt. Jedes Jahr werden Milliarden Euro für den so genannten Krieg gegen Drogen ausgegeben, ein Vielfaches von dem, was für Aufklärung, Prävention und Hilfe zur Verfügung steht.
Und trotzdem nehmen Millionen Menschen in Deutschland diese illegalisierten Drogen, weil es ihnen Spaß macht, weil sie interessante Erfahrungen machen oder weil sie nicht anders können. Millionen Menschen kann man aber nicht in Gefängnisse werfen. Millionen Menschen sind eine gesellschaftliche Wirklichkeit, der man anders als repressiv begegnen muss.
Meine Damen und Herren, Entkriminalisierung gibt dem Staat die Möglichkeit der Kontrolle, wo der Stoff verkauft wird und welche Beschaffenheit er hat. Das ist Verbraucherschutz
Das ist Verbraucherschutz und bewahrt vor den Produkten klammheimlicher Schwarzmarktgeschäfte. Die Entkriminalisierung bewahrt Menschen vor der gesellschaftlichen Ausgrenzung, vor Beschaffungskriminalität, vor dem Tod an Überdosen, schlechtem Stoff oder Krankheiten, verursacht mangels schlechter Hygiene.
(Gottfried Teubner, CDU: Das haben Sie doch gar nicht selber aufgeschrieben! – Holger Apfel, NPD, zur PDS gewandt: Die Rede hätten Sie erst mal prüfen sollen!)
Nun möchte ich auf einen Punkt hinweisen, der gerade in diesem Haus ganz oben auf unserer Agenda stehen sollte.
Vor über zehn Jahren hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass es in den Ländern eine definierte geringe Menge geben solle, bis zu der Hanfkonsumenten straffrei bleiben sollen. Alle Bundes
Wir haben eine Verantwortung, meine Damen und Herren, zur Selbstbestimmung und für Suchtkranke, und der sollten wir in der Diskussion mit der gegebenen Sachlichkeit und in notwendigen Entscheidungen gerecht werden. Vielen Dank.
Ich frage die SPD-Fraktion, ob das Wort gewünscht wird. – Ich frage die FDP-Fraktion. – Doch die SPD-Fraktion; bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nach dem, was in dieser Aktuellen Debatte abgelaufen ist, fällt es schwer, auf das zurückzukommen, worum es eigentlich geht. Die Tatsache, dass in der Bundesrepublik Deutschland wie in vielen anderen Ländern auch die Parlamente nicht richtig mit Sucht, illegalen und legalen Drogen, mit den Definitionen und Ähnlichem umgehen können und nicht wissen, wie sie gesetzlich hantieren sollen, gibt uns aus meiner Sicht noch lange nicht die Freiheit zu sagen, dass – und dann kann ich das mit Millionen, Tausenden, Hunderten oder auch nur zehn rechtfertigen, das ist das Gleiche – wir das einfach komplett in die Freiheit des Einzelnen legen können und jeder tun und lassen kann, was er will.
Das ist deshalb so, weil Konsum von Drogen, egal, welche Drogen genommen werden – ich fange beim Alkohol an, weil das wahrscheinlich die Droge ist, mit der schätzungsweise 99 % der erwachsenen Bevölkerung zumindest Erfahrungen haben –, weil die Auswirkungen dessen, was dadurch geschieht, nicht mehr allein von dem Einzelnen verantwortet werden, sondern in der Regel Handlungen projiziert werden, die der Einzelne nicht mehr verantworten kann, die aber – bitte schön – die Gesellschaft abzufedern hat, sich gefälligst darum zu kümmern hat, damit das, was da gerade passiert, nicht mehr passieren soll. So weit kann die Freiheit nicht gehen.
Warum brauchen wir in Sachsen weiterhin eine Polizei, die Geschwindigkeitskontrollen macht, obwohl wir alle genau wissen, dass in Deutschland jedes Jahr 3 500 Leute totgefahren werden, 500 000 schwere Unfälle passieren? Warum brauchen wir dieses Korrektiv, wenn wir es an anderer Stelle nicht mehr wollen?
– Kleinen Moment. Es kann also nicht sein, dass wir an einer Stelle, an der wir nicht richtig wissen, wie wir im Moment damit umgehen und es definieren sollen, einfach die Tür aufmachen. Ich denke, es kann nicht sein, dass wir uns ein Leben vorstellen, in dem wir der Grenzenlosigkeit einfach Tür und Tor öffnen. An dieser Stelle – ich denke, hier spreche ich nicht nur für mich selber – kann es nicht Aufgabe von Parlamentariern sein, einfach darüber hinwegzusehen und vielleicht noch mit einer lustigen Parodie über das Thema hinwegzugehen. Danke schön.