Protocol of the Session on November 11, 2004

Vor allem – und das ist ein entscheidendes Argument für den Mindestlohn –: Alle diese Länder stehen beschäftigungspolitisch wesentlich besser da als die Bundesrepublik und auch besser als die neuen Bundesländer. Wir dürfen dabei aber nicht vergessen, dass die Arbeitsmarktsituation der neuen Bundesländer natürlich auch durch das nicht bewältigte Erbe der DDR wesentlich verschuldet ist. Insofern sind die Vergleiche an dieser Stelle natürlich schwierig, aber – und das will ich hier noch einmal eindeutig sagen – Sachsen war wirtschaftliches Kernland in Deutschland und wir wollen in der Koalition alles daran setzen, dass genau dort angeknüpft wird und wir genau dort weiterentwickeln können.

Aus Sicht der SPD-Fraktion sind daher Mindestlöhne volkswirtschaftlich vertretbar und sozialpolitisch notwendig. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass ein großer Teil der Menschen nur von der Arbeit ihrer eigenen Hände lebt. Deshalb muss es aus unserer Sicht eine Untergrenze geben. Für mich ist es dabei nicht wesentlich, ob diese Untergrenze tarifpolitisch oder gesetzlich flankiert werden muss. Wesentlich ist, dass die Voraussetzungen für Verteilungsgerechtigkeit und die Verbesserung der Binnennachfrage geschaffen werden.

Hinzu kommt, dass wir in Deutschland nur noch rund 53 % der Beschäftigten in tariflicher Bindung haben, und hinzu kommt auch, dass ein großer Teil dieser tarifierten Bereiche seine Tarifverträge bereits unterhalb von 1 250 Euro abgeschlossen hat. Das ist nicht mehr weit von der Armutsschwelle entfernt. Deshalb, denke ich, ist es auch wichtig, dass wir in einer reichen Gesellschaft Armut anders definieren sollten als in einer armen Gesellschaft. Dazu trägt eine Regelung des Mindestlohnes bei.

Nun werden Sie mich fragen, wie es mit dem Thema Mindestlohn weitergeht. Wir werden natürlich genau beobachten, wie die Diskussionen in den Gewerkschaften und in den Parteien derzeit laufen. Natürlich werden wir diesen Diskussionsprozess auch beobachten, weil er noch nicht abgeschlossen ist. Wir werden auch darauf achten müssen, ob die Tarifverträge ihrer Schutzfunktion tatsächlich nachkommen können und dem Ausmaß nach all diese Schutzfunktionen erfüllen können.

Es ist richtig: In dieser Frage besteht zwischen den Koalitionspartnern eine unterschiedliche Auffassung, aber genau aus diesem Grund findet sich im Koalitionsvertrag zur Frage Mindestlohn keine Aussage. Eines findet sich jedoch im Koalitionsvertrag, und ich denke, das ist wichtig: Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft in Sachsen erhalten, und zwar in einer hohen Qualität und Produktivität; und wir wollen sie aus der Innovation der Beschäftigten in diesem Land gewinnen. Dieses Ziel kann nach unserer Auffassung nicht durch Dumpinglöhne realisiert werden.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Bitte zum Schluss kommen, Herr Brangs.

– Ein Satz noch. – Die SPD-Fraktion hält daher an der Diskussion zum Mindestlohn fest – ungeachtet der unterschiedlichen Auffassungen –, weil wir glauben, dass neben dem Thema Mindestlohn das Ziel sein muss, weitere Arbeitsplätze in Sachsen zu schaffen. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der PDS)

Ich erteile der Fraktion der NPD das Wort; Herr Apfel, bitte.

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Es hat mich schon erstaunt, dass ausgerechnet die PDS-Fraktion eine Aktuelle Debatte unter einem ökonomisch abstrusen Motto wie „Mindestlohn statt Abschottung des Arbeitsmarktes“ beantragt hat. Eine Partei, die sich auf Marx beruft, sollte wenigstens ein Minimum an ökonomischem Grundwissen in die Debatte einbringen und die wichtigsten Grundmechanismen von Markt, Preis, Angebot und Nachfrage verstanden haben. Da hier offensichtlich Verständnisprobleme vorliegen, muss ich mit einem kleinen Grundkurs beginnen.

(Vereinzelt Beifall bei der NPD)

Auf dem Arbeitsmarkt gelten selbstverständlich die gleichen Grundsätze von Angebot und Nachfrage wie auf jedem anderen Markt. Die Knappheitsverhältnisse bestimmen den Arbeitspreis.

Durch die von allen Kartellparteien betriebene Umwandlung Deutschlands in eine multikulturelle Gesellschaft und die explodierende Zuwanderung veränderten sich die Angebotsverhältnisse in den letzten Jahrzehnten dramatisch. Während noch in den sechziger und siebziger Jahren deutsche Arbeit knapp und teuer war, wurde das Arbeitsangebot durch den forcierten Arbeitskräfteimport dramatisch ausgeweitet und die deutsche Sozialordnung bis auf die Grundfesten geschleift.

Das Problem ist mittlerweile so eskaliert, dass der Arbeitsmarkt auf der Nachfrageseite nicht mehr funktionstüchtig ist und seine Aufgabe nicht mehr erfüllt. Dies wird vor allem daran deutlich, dass sich Zehntausende von Arbeitnehmern über so genannte Ein-Euro-Jobs durchschlagen müssen. Längst haben wir Weimarer Ver

hältnisse erreicht. Die Bundesanstalt für Arbeit schließt für den kommenden Winter eine offizielle Arbeitslosenzahl von über fünf Millionen nicht aus.

Wer über Zuwanderung nicht reden will, der sollte über Arbeitslosigkeit und Kapitalismus lieber schweigen.

(Beifall bei der NPD)

Diese These lässt sich am besten durch empirische Daten verdeutlichen, die der wissenschaftlichen Untersuchung „Ausländerpolitik in Deutschland“ von Stefan Luft entnommen sind, dem Sprecher des Senators für Wirtschaft in Bremen, den Sie sicher nicht mit Ihrem Lieblingstotschlagsargument Rechtsextremist erledigen können.

Luft stellt fest, dass im Jahr 2003 sieben Millionen Arbeitsplätze fehlten und die Bundesanstalt 2002 durchschnittlich 505 000 arbeitslose Ausländer registrierte. Zu dieser registrierten Arbeitslosigkeit muss noch die stille Reserve hinzugerechnet werden, die 1995 bei den ausländischen Staatsbürgern auf rund 500 000 in den alten Ländern geschätzt wurde. Mehr als eine Million Ausländer sind damit faktisch arbeitslos. Die Arbeitslosenquote ist bei der ausländischen Bevölkerung fast doppelt so hoch wie bei der Gesamtbevölkerung. 2002 lag sie bei 19,1 %.

Besonders von Arbeitslosigkeit betroffen sind Nicht-EUBürger, vor allem Türken, bei denen die Arbeitslosenquote in Westdeutschland 1998 bei 22,7 % lag. Das Risiko, arbeitslos zu werden, ist für Ausländer doppelt so groß wie für Deutsche. Am Zuwachs der Arbeitslosigkeit waren sie 2000 mit 17 % beteiligt, ihr Anteil an den Erwerbspersonen lag hingegen nur bei 9 %. Die wichtigsten Gründe für die hohe Arbeitslosigkeit sind vor allen Dingen die geringen sprachlichen und beruflichen Qualifikationen.

Diese Zahlen beweisen, dass eine Mindestlohnregelung, die deutsche Arbeitnehmer vor Sozialabbau und Ausbeutung schützt, nur dann sinnvoll ist, wenn gleichzeitig der deutsche Arbeitsmarkt vor weiterer Zuwanderung geschützt wird.

(Beifall bei der NPD)

Bei einem massiven Überangebot von Arbeit wird eine Mindestlohnregelung zu einem gefährlichen Bumerang. Es pendelt sich nämlich eine Mindestlohnarbeitslosigkeit in Höhe der so genannten natürlichen Arbeitslosenrate ein, weil die Leistungen der sozialen Sicherungssysteme niederwertige Arbeitsplätze unattraktiv machen. Es kommt statt zur Entstehung voll sozialversicherter Arbeitsplätze zu einer wuchernden Schattenwirtschaft.

Aus all diesen Überlegungen ergibt sich, dass eine Mindestlohnregelung zum Schutz der deutschen Arbeitnehmer nur dann ein zielführendes Instrument der Arbeitsmarktpolitik ist, wenn gleichzeitig durch konsequente Abschottung der nationalen Arbeitsmärkte der Produktionsfaktor Arbeit knapp gehalten wird.

(Karl Nolle, SPD: Quatsch!)

Neben den bürgerlichen Parteien, die sich, garniert mit den üblichen, von Heuchelei triefenden Bekenntnissen, inzwischen allein als Interessenvertreter der Konzerne

darstellen, ist auch die Linke, hier vor allem die PDS, zum Rottenschließer des Kapitals geworden,

(Beifall bei der NPD – Proteste bei der PDS)

indem sie zum Bannerträger der die Arbeitsmärkte zerstörenden immigrationistischen Ideologie wurde. Dabei zieht sich die PDS auf die bequemstmögliche Position zurück. Man spielt den Salonlinken und wirft mit den üblichen multikulturellen und scheinhumanitären Phrasen um sich. Gleichzeitig tobt sich der Terror der Einwanderungsideologie auf dem Rücken der sozial Schwächsten in unserem Lande aus, die in einem global entgrenzten Arbeitsmarkt alle ihre sozialen Rechte und am Ende auch ihre Arbeitsplätze verlieren.

Im Gegensatz zu Ihnen, meine Damen und Herren von der PDS, sind wir die einzige Partei, die den Blick auf die soziale und ökonomische Realität bewahrt hat. Es ist uns auch gleichgültig, ob Sie mit Ihren abstrusen Vorwürfen der Ausländerfeindlichkeit kommen. Im Gegensatz zu Ihnen fühlen wir uns den Interessen unserer Wähler noch verbunden und fordern beides, weil es nur zusammen sinnvoll umsetzbar und zielführend ist – Mindestlöhne für die deutschen Arbeitnehmer und einen strikten Außenschutz des deutschen Arbeitsmarktes vor weiterer Zuwanderung.

(Beifall bei der NPD – Proteste bei der PDS und der SPD – Karl Nolle, SPD: Herr Präsident! Der Mann hat Fieber! – Zuruf: Schamesröte würde mir ins Gesicht fahren!)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort; Herr Morlok, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich ausführlich zum Thema Mindestlohn sprechen, aber mein Vorredner nötigt mich dazu, auch etwas zum Thema Menschenwürde zu sagen.

(Beifall bei der FDP, der SPD, der PDS, den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Sicherlich ist die Arbeitslosigkeit bei den ausländischen Mitbürgern, insbesondere in Westdeutschland, höher als bei den Deutschen.

(Zuruf von der NPD: Tolle Erkenntnis!)

Aber es sind genau die ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die wir in Zeiten guter wirtschaftlicher Entwicklung ins Land geholt haben

(Holger Apfel, NPD: Ich nicht!)

und die in dieser Zeit Sozialversicherungsbeiträge gezahlt haben wie jeder Deutsche auch.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Sehr richtig!)

Es ist nur korrekt, angemessen und selbstverständlich, dass jemand, der wie wir Deutschen in die Kassen ein

gezahlt hat, genauso ein Anrecht darauf hat, aus den Kassen Leistungen zu erhalten.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der PDS, der SPD und den GRÜNEN)

Ich hatte Herrn Apfel bereits in der ersten Debatte darauf hingewiesen, dass beim Thema Menschenwürde in unserer Verfassung Menschen und nicht Deutsche steht.

(Beifall bei der FDP, der CDU, der PDS, der SPD und den GRÜNEN)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Kollege, sind Sie im Gegenzug der Meinung, dass diejenigen, die nichts eingezahlt haben, auch keine Leistungen erhalten sollten?

Diejenigen, die nichts eingezahlt haben, bekommen selbstverständlich genau die gleichen Leistungen wie die deutschen Mitbürgerinnen und Mitbürger, da wir in einer Gesellschaft leben und auch für die Kinder der nach Deutschland gekommenen ausländischen Mitbürger Verantwortung tragen.

(Beifall bei der FDP, der PDS, der SPD und den GRÜNEN)