Protocol of the Session on September 22, 2005

Im Jahre 2003 präsentierten sich in Sebnitz ebenfalls einige rechtsextremistische Organisationen mit Infoständen. Außerdem versuchten Rechtsextremisten die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und störten eine öffentliche Podiumsdiskussion, sodass diese schließlich abgebrochen werden musste.

(Holger Apfel, NPD: Oh! – Matthias Paul, NPD: Das ist ja peinlich!)

Das war ein ernster Vorgang, meine Damen und Herren Abgeordneten von der NPD, und nicht lächerlich.

Im Jahre 2004 trat in Döbeln im Zusammenhang mit dem Infostand der NPD der rechtsextremistische Liedermacher Frank Rennicke auf. Die NPD führte unter anderem mit einem Kleinflugzeug Wahlwerbung für die damals bevorstehende Landtagswahl durch und verteilte kostenlos CDs unter dem Titel „Schnauze voll“ mit Liedern szenebekannter Interpreten und Rockgruppen. Auf dem „Tag der Sachsen“ 2005 in Weißwasser präsentierte sich die NPD mit ihrer eigens für den Bundestagswahlkampf hergestellten so genann

ten Schulhof-CD. Weiterhin waren Stände des Nationalen Bündnisses Dresden e. V. und der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen vor Ort.

Bei der Wahl der Standorte aller Parteien und Vereine wurde durch die Stadt Weißwasser berücksichtigt, dass es Parteien und Vereine mit unterschiedlichen inhaltlichen Ausrichtungen bzw. Strömungen gibt. Eine Bündelung der Standorte nach grundlegender Ausrichtung erfolgte durch die Stadt und wurde der Polizei mitgeteilt. Ziel war die Trennung jener, die sich nicht besonders mögen.

An allen Veranstaltungstagen gab es keine solchen Feststellungen rechtsextremistischer Inhalte im Sinne der Anfrage, die einen Anfangsverdacht des Vorliegens einer Straftat und, daraus resultierend, die Einleitung von Ermittlungsverfahren begründet hätten.

Zu Ihrer Frage 2. Über die Verteilung des genannten Flugblattes zum „Tag der Sachsen“ liegen keine Erkenntnisse vor. Demzufolge kann keine Aussage getroffen werden, wer hinter dem Nachdruck des Flugblattes aus dem Jahre 2000 steht. Sollte Ihnen oder anderen ein Exemplar vorliegen oder eine Sicherstellung erfolgt sein, bitte ich darum, dies mit Benennung eines Anzeigenerstatters zur gegebenenfalls erforderlichen Einleitung weiterer Maßnahmen der Polizeidirektion Oberlausitz-Niederschlesien zu übergeben.

FHwO e. V. ist die Abkürzung für „Freundschafts- und Hilfswerk Ost e. V.“ Dieser Verein ist im April 1991 als „Deutsches Freundschafts- und Hilfswerk Ost“ in Bremen gegründet worden. Vom Bundesamt für Verfassungsschutz wird er als rechtsextremistisch beeinflusste Organisation eingestuft. Weitere Erkenntnisse können im Rahmen der öffentlichen Beantwortung der Anfrage aus Gründen der Geheimhaltung nicht mitgeteilt werden, gern aber im Rahmen der Parlamentarischen Kontrollkommission. Im Übrigen verweise ich auf die beiden letzten Absätze der ergänzenden Antwort auf Frage 1 der Drucksache 3/5973.

Aus polizeilicher Sicht ist eine Tätigkeit des „Freundschafts- und Hilfswerks Ost e. V.“, Postfach 11 54, Bad Bevensen, in Sachsen nicht bekannt.

Vielen Dank, Herr Staatsminister.

Der Abg. Herr Lichdi, Fraktion GRÜNE, bittet darum, dass seine Anfrage, Nr. 13 der Drucksache, schriftlich beantwortet wird.

(Dr. Rolf Jähnichen, CDU, meldet Redebedarf an.)

Haben Sie eine Zwischenfrage, Herr Dr. Jähnichen?

Herr Präsident, ich habe noch eine Frage zu der soeben beantworteten Frage. Ist das noch möglich?

Das ist möglich.

Herr Präsident, im Rahmen der Beantwortung der Frage haben wir von den Ereignissen auf dem „Tag der Sachsen“ gehört. Der Abg. Schön hat in seinem Beitrag vorhin davon gesprochen, dass er mit einer Familie aus der Ukraine, das heißt einer ausländischen Familie, nicht nur nachbarschaftlich, sondern sogar freundschaftlich verbunden sei, wenn ich es richtig verstanden habe.

Ich frage den Herrn Minister in Ergänzung, wie wir das dann zu beurteilen haben, wenn wir gleichzeitig derartige unterschwellig ausländerfeindliche Plakate in der letzten Zeit erlebt haben, mit Ideen wie: Ausländer raus, Grenzen dicht, EU weg usw. Wie kann man so etwas überhaupt in einer Partei zusammenbringen? Ist das überhaupt noch eine Parteimeinung oder ist der Abgeordnete einfach nur in einer falschen Partei?

(Uwe Leichsenring, NPD: Das ist bei den Republikanern!)

Es antwortet Herr Staatsminister de Maizière.

Herr Präsident! Herr Abg. Jähnichen, die persönlichen Motive des Abgeordneten und seine Freundschaften sind mir natürlich nicht bekannt. Aber ich möchte zu Ihrer Frage allgemein Folgendes sagen:

Die NPD ist eine offen nach Parteizielen und Programmatik verfassungsfeindliche Partei. Sie ist rechtsextrem, rassistisch und ausländerfeindlich, aber zur Unterstützungsgewinnung der Wähler verschleiert sie aus taktischen Gründen einen nicht unerheblichen Teil dieser Zielsetzung. Deswegen kann es aus taktischen Gründen sehr wohl erwünscht und geeignet sein, persönliche Freundschaften, sozusagen als Alibi, vorzuzeigen: Seht her, wir sind gar nicht ausländerfeindlich, weil viele von uns mit Ausländern befreundet sind. – So könnte dieses Verhalten zu bewerten sein.

Vielen Dank, Herr Minister.

(Uwe Leichsenring, NPD: So viel Fantasie!)

Ich bitte Herrn Abg. Schön, NPD, seine Frage an die Staatsregierung zu stellen; Frage Nr. 4.

Aufgrund des Wegzuges junger, leistungsfähiger Menschen aus Sachsen infolge des gravierenden Mangels an Arbeits- und Ausbildungsplätzen verliert Sachsen an Einwohnern. Seit 1991 zogen beispielsweise aus Leipzig 16 500 Menschen fort.

Einige sächsische Städte haben seit 1990 ein Drittel ihrer Bevölkerung verloren. Dauerhafter Wohnungsleerstand, überdimensionierte Infrastruktur und soziale Vereinzelung beginnen vielerorts das urbane Bild zu prägen.

Fragen an die Staatsregierung:

1. Wie viele Quadratmeter Wohnraum wurden in den letzten zehn Jahren im Freistaat Sachsen wegen Leerstandes abgerissen?

2. Wie viele Quadratmeter Wohnraum plant der Freistaat Sachsen aufgrund der demografischen Entwicklung in den nächsten fünf Jahren abzureißen?

Für die Staatsregierung antwortet Herr Staatsminister de Maizière.

Herr Präsident! Herr Abg. Schön, es entspricht den Regeln, die Vorbemerkungen nicht zu kommentieren. Wenn wir diese Gewohnheit nicht hätten, würde ich das gern tun. Ich beschränke mich also auf die Beantwortung Ihrer Anfragen.

Zu Frage 1: Mit Mitteln des Programms „Stadtumbau Ost“ des Landesrückbauprogramms konnten bislang rund 40 000 Wohneinheiten abgerissen werden. Das entspricht einer Fläche von 2,4 Millionen Quadratmetern. Eine zahlenmäßige Erfassung über den Rückbau von Wohnungen ohne den Einsatz von Fördermitteln, was es natürlich auch gibt, liegt der Sächsischen Staatsregierung nicht vor.

Zu Frage 2: Bis zum Jahr 2015 sollen insgesamt 250 000 Wohneinheiten – das entspricht rund 15 Millionen Quadratmetern Wohnfläche – rückgebaut werden. Das ist das erklärte Ziel der Sächsischen Staatsregierung.

Fördermittel stehen bis zum Jahr 2009 voraussichtlich für den Abriss von insgesamt 150 000 Wohneinheiten – das entspricht neun Millionen Quadratmetern Wohnfläche – aus dem Bund-Länder-Programm „Stadtumbau Ost“ zur Verfügung.

Schönen Dank.

Ich bitte jetzt, dass die Abg. Frau Köditz, Linksfraktion.PDS, die Anfrage an die Staatsregierung stellt; Frage Nr. 12.

Mir geht es um die Demonstration am 1. Oktober 2005 in Leipzig. Ich frage die Staatsregierung:

1. Welche Kenntnisse hat die Staatsregierung über geplante oder in die Wege geleitete Maßnahmen zur Deeskalation bzw. Gewaltvermeidung bei der für den 1. Oktober 2005 in Leipzig angemeldeten Demonstration des Neonazis Christian Worch bzw. in ihrem Umfeld?

2. Auf welche Weise gedenkt die Staatsregierung eigenständig aktiv zu werden, um solche Initiativen zu fördern und zu unterstützen bzw. hat sie dies bereits getan?

Für die Staatsregierung antwortet Herr Staatsminister de Maizière.

Herr Präsident! Frau Abg. Köditz, zu Frage 1: Die Polizeidirektion Leipzig und die Versammlungsbehörde der Stadt Leipzig werden gemeinsam unter ständiger Abstimmung nachfolgende Maßnahmen zur Verhinderung gewaltsamer Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem Aufzug des Herrn Worch und der Gegendemonstration durchführen bzw. veranlassen:

Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes wurde und wird auf die Anmelder und Versammlungsleiter aller Versammlungen und Aufzüge bei Kooperationsgesprächen – daran muss man allerdings auch teilnehmen – dahin gehend eingewirkt, dass sie auf ein gewaltfreies Verhalten ihrer Teilnehmer Einfluss nehmen. Dies wird auch unmittelbar vor und während der Versammlungen veranlasst werden.

Versammlungs- und Veranstaltungsorte von Gegendemonstrationen werden per Auflageverfügung an Standorte verlegt, die sich in einer solchen Entfernung von der Aufzugsstrecke des Herrn Worch befinden, dass kein direkter Kontakt gegeben ist. Ich darf hier an die Debatte erinnern, die wir vor kurzem hier führten. Ich kann nur inständig darum bitten, dass alle Beteiligten dafür sorgen, dass die Kontakte zwischen der Demonstration Worch und allen Gegendemonstrationen möglichst weit auseinander liegen, damit die Polizei nicht wieder in die Lage gerät, in der sie am 1. Mai war.

Für den polizeilichen Einsatz am 1. Oktober 2005 werden Deeskalationsteams gebildet, die aus Psychologen, Pfarrern, Polizeitrainern und ausgebildeten Mediatoren bestehen. Insgesamt sind 24 Mitarbeiter vorgesehen, jeweils 12 von der Polizei und 12 von der Stadt Leipzig, die als Zweierteams gezielt eingesetzt werden.

Zusätzlich wird die Polizeidirektion Leipzig in den Einsatzleitlinien für die eingesetzten Polizeibeamten wie bisher Festlegungen zu proaktivem Handeln, deeskalierendem praktischem Verhalten zur Vermeidung gewaltsamer Auseinandersetzungen treffen.

Es ist allerdings erfahrungsgemäß damit zu rechnen, dass, wie in der Vergangenheit, Personen am 1. Oktober 2005 in Leipzig in Erscheinung treten, denen es bewusst und gewollt auf die Konfrontation mit der Polizei und anderen Personen ankommt. Diesen Personen gegenüber läuft eine Deeskalationsstrategie ins Leere, da Deeskalation die Bereitschaft dazu auf beiden Seiten voraussetzt. Hier bleibt dann nur, wie in

der Vergangenheit, das entschlossene Einschreiten der Polizei nach Maßgabe des Versammlungrechts, des Sächsischen Polizeigesetzes und der Strafprozessordnung; die Eingriffsschwelle gegen Straftäter und Störer wird niedrig eingerichtet werden. Die Polizei duldet keine rechtsfreien Räume. Potenzielle Störer werden offensiv kontrolliert, die rechtlichen Möglichkeiten zur Freiheitsentziehung werden ausgeschöpft und Straftaten beweiskräftig verfolgt.

Zur Frage 2: Die Polizeidirektion Leipzig plant ihren Einsatz entsprechend ihrem gesetzlichen Auftrag auf der Grundlage einer Gefahrenprognose und Risikoabwägung unter Berücksichtigung aller Erkenntnisse. Im Vorfeld legt sie den Kräfte- und Mittelansatz und Einsätze fest und setzt sie um. Vieles ist nicht geeignet, vorher aus verständlichen Gründen öffentlich diskutiert zu werden.

Die Versammlungsbehörde der Stadt Leipzig erteilt entsprechend ihrem gesetzlichen Auftrag eigenverantwortlich Auflagen und kontrolliert deren Einhaltung. Die Staatsregierung unterstützt die genannten Maßnahmen der Polizeidirektion und der Versammlungsbehörde der Stadt Leipzig.

Vielen Dank. – Ich habe eine Nachfrage. Wenn ich Ihre Antwort zur Frage 1 richtig verstanden habe, hat der Anmelder Christian Worch an den Kooperationsgesprächen bisher nicht teilgenommen.