Protocol of the Session on July 15, 2005

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, Frau Kollegin.

Herr Dr. Martens, sind Sie mit mir der Meinung, dass es, wenn tatsächlich, wie der Finanzminister immerhin verkündet hat, 3 000 oder von mir aus auch 2 500 Stellen abgebaut würden, einer zweiten Polizeireform bedürfte, die die erste ad absurdum führen und die Sicherheit beeinträchtigen würde?

Ich gebe Ihnen insofern Recht, als die in Aussicht gestellten Einsparungen im Personalbereich eine sicherlich deutliche Reform dieser Reform erforderlich machen. Dass sie damit ad absurdum geführt würde, ist noch lange nicht gesagt, denn es kommt darauf an, wie man damit umgeht. Es kommt aber auch darauf an, wann man anfängt damit umzugehen und wie man dabei die Betroffenen einbezieht. Das muss offener geschehen, als es bei der letzten Strukturreform der Fall war. Anders als Herr Bandmann das sieht, haben sich bei uns Vertreter von Mitarbeitern und Bediensteten der Polizei heftig darüber beschwert, dass die Beteiligung der Bediensteten im Bereich der Polizei eben nicht hinreichend war. Die gesamte Vorbereitung ist aus unserer Sicht nicht ganz vorbildlich gelaufen. Sie können natürlich sagen, dass Sie eine Internetplattform mit mehreren zehntausend Zugriffen hatten. Aber ein ganz wichtiger Zugriff fehlte: Wer dort nicht hineingeschaut hat, war das Finanzministerium bei der Aufstellung des Haushaltes. Die haben das überhaupt nicht bemerkt.

(Heinz Eggert, CDU: Woher weiß er das?)

Es hätte uns gefreut, wenn man hier etwas weiter geschaut hätte, man also nicht nur die bisherige Reform gefeiert, sondern sich gleichzeitig Gedanken darüber gemacht hätte, wie man die Sicherheitslage tatsächlich in Zukunft besser gestalten will, und zwar angesichts der Herausforderungen, die vor uns stehen.

Aber wir sind kurz vor der Sommerpause. Der Sommer gibt allen Gelegenheit, im Urlaub entspannt darüber nachzudenken.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Die Fraktion der GRÜNEN erhält das Wort. Herr Lichdi, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Debatte nicht unnötig verlängern. Man kann den Berichtsantrag machen. Wir hören uns das auch noch zum dritten und vierten Mal an. Wir haben, glaube ich, in jeder Innenausschusssitzung darüber gesprochen. Wir haben eine lange Anhörung gehabt. Nun gut, dann lassen wir es uns noch einmal berichten. Da hat die Koalition sich wieder einmal gelobt.

Zum Punkt 1 möchte ich bemerken, dass ich einmal mitgenommen habe, dass von 266 Beamten gesprochen wurde, die für die unteren, die lokalen Dienste freige

stellt worden sind. Dann habe ich einmal etwas von 308 gehört. Das war, glaube ich, die Anfrage von Kollegen Zastrow im Januar. Jetzt höre ich von 400. Deshalb wäre es vielleicht ganz sinnreich, nach einem Jahr darüber Rechenschaft abzulegen.

Im Punkt 2 fordern Sie einen Bericht über die Auswirkungen auf die Sicherheitslage. Herr Kollege Martens hatte auf die PKS, also die Polizeiliche Kriminalstatistik, abgehoben. Herr Kollege Martens, wir sind uns doch darüber einig, dass die Polizeiliche Kriminalstatistik nicht geeignet ist, ein zutreffendes Bild der Sicherheitslage, wie auch immer man die definieren will, zu zeichnen. Die Polizeiliche Kriminalstatistik ist im Grunde ein Barometer der Aufmerksamkeit der Polizei auf gewisse Deliktsphänomene. Sie ist kein Element, um eine ordentliche Beurteilung der Sicherheitslage zu ermöglichen.

In diesem Zusammenhang habe ich eine Frage an Sie, Herr Innenminister: Wollen Sie in diese Statistik auch noch die Lagebilder aufnehmen? Wollen Sie das subjektive Sicherheitsgefühl in irgendeiner Form erheben? Wollen Sie die Justizstatistik mit einbinden? Das sind durchaus schwierige Fragen. Das kann man nicht mit der lapidaren Aufforderung, er möge über die Sicherheitslage berichten, beantworten.

Ich weiß schon, was darauf geantwortet wird: Die Sicherheitslage ist in Sachsen wie immer und stets und für alle Zeiten fantastisch und vorbildlich für Deutschland und Gesamteuropa. Wir haben das auch von Herrn Bandmann wieder gehört.

(Demonstrativer Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich möchte das auch gar nicht bestreiten. Aber das wird immer wieder gebetsmühlenartig wiederholt. Deshalb frage ich mich, warum Sie dazu noch einen Berichtsantrag machen.

Der Punkt 3 betrifft Bautzen und Görlitz. Das Thema haben wir wirklich bis zum Erbrechen bearbeitet. Mögen Sie auch dazu Ihren Bericht bekommen.

Ich bin schon etwas hellhörig geworden, Herr Bandmann, als Sie die Einräumigkeit der Verwaltung, der Polizeistrukturen und der komplementären Strukturen der Justiz gelobt haben. Sie wissen auch, dass der Verdacht nahe liegt, dass dies im Grunde der Probelauf für die Kreisreform war. In meinen Augen haben Sie die Befürchtungen, die ich in diesem Zusammenhang hege, bestätigt.

Die entscheidende Frage – meine Vorrednerinnen haben das auch zur Genüge gesagt – ist eigentlich: Wie geht es mit den Stellenkürzungen im Herbst weiter? Auf meine Frage hat der Innenminister im letzten Ausschuss geantwortet: Ja, wir machen eine Aufgabenkritik. Frau Ernst hat hier schon rumgeampelt. Aber das dürfen wir alles nicht wissen. Nur bei einer Aufgabenkritik kann politisch entschieden werden, welche Wirkungen der Stellenabbau hat und welche man als Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheitslage in Kauf nehmen möchte und welche nicht.

Herr Innenminister, Sie haben bestätigt, dass es diese Aufgabenkritik gibt. Sie haben aber nicht bestätigt, dass davon Ihre Kürzungspläne abhängig sein sollen. Sie

haben alles im Ungefähren gelassen. Sie erinnern sich an unsere Debatte über das Thema „Ei und Henne oder Henne und Ei“. Deshalb weiß ich nicht, warum heute hier über so einen inhaltsfreien Berichtsantrag gesprochen wird, wenn die eigentlichen Fragen ausgeklammert werden.

Herr Staatsminister, ich fordere Sie auf, wenigstens im Herbst nach der Bundestagswahl, auf die Sie alles verschoben haben, die Ergebnisse zu veröffentlichen, damit dann wenigstens dem Landtag und der Öffentlichkeit genügend Zeit bleibt, dieses Papier öffentlich und in aller Breite mit der Bevölkerung zu diskutieren. Das wünschen wir uns und erwarten es von Ihnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der FDP)

Herr Staatsminister, Sie haben es gehört, alle warten mit Spannung auf Ihren Bericht.

Frau Präsidentin! Da bin ich mir nicht so sicher, vor allem was die Spannung betrifft. Meine Damen und Herren! Ich freue mich sehr, dass wir hier in einer entspannten Atmosphäre vor der Sommerpause die Polizeistrukturreform diskutieren. Ich habe sehr aufmerksam zugehört, als die PDS gesagt hat, dass das Grundanliegen der Reform vernünftig war.

(Dr. André Hahn, PDS: Nur falsch umgesetzt!)

Ich habe mit Interesse gehört, dass die FDP gesagt hat, dass sie sogar notwendig war.

Dazu will ich sagen, dass sich das vor Tische alles ein bisschen anders angehört hat. Damals war Horst Rasch, der dort hinten sitzt, einer der wenigen, die gesagt haben, dass das vernünftig und notwendig ist. Vor Tisch gab es erbitterte Proteste gegen diese Strukturreform. Das wollen wir nicht vergessen,

(Beifall bei der CDU)

und zwar nicht nur wegen irgendwelcher Nichtbeteiligungen.

Es war richtig, Linie zu halten. Deswegen finde ich, gebührt einem Mann, neben vielen Mitarbeitern, noch einmal ein ausdrücklicher Dank, dass er dieses Thema durchgezogen hat. Das ist Horst Rasch. Er kann stolz sein, dass jetzt alle dieses Anliegen für richtig halten. Herzlichen Dank!

(Starker Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Die Ziele wurden im Einzelnen dargestellt. Ich muss das nicht detailliert wiederholen. Wir haben darüber in der Tat lange diskutiert. Lassen Sie mich aber trotzdem auf einige Punkte eingehen, die hier vorgetragen wurden.

Das erste Argument, insbesondere von Herrn Martens, lautete: Ihr habt der polizeilichen Basis einen Stellenzuwachs versprochen, der nicht eingetreten ist. Das ist einer der Kritikpunkte. Der Sachverhalt stellt sich aber wie folgt dar:

Insgesamt ist es durch die Abschaffung der Polizeipräsidien gelungen – Herr Bandmann hat das schon gesagt –, die polizeiliche Basis um zunächst 400 Stellen, Herr Martens, zu stärken. Dieser Stellenzuwachs kommt in erster Linie den Polizeirevieren einschließlich Posten zugute. Sie wurden um 308 Stellen verstärkt. Die Mehrzahl dieser Stellen, genau 248, ist bereits besetzt. Von 308 sind also 248 bereits besetzt, die anderen werden noch folgen. Dass es in einem Personalkörper mit 15 000 Beschäftigten einschließlich der zivilen Mitarbeiter, der Angestellten, zu Abordnungen und Veränderungen kommt, wenn man auf Lehrgänge geht, wenn man einmal im Lagezentrum arbeitet – das ist etwas ganz Normales. Die Zahl der Abordnungen ist auch nicht mehr überproportional. Es bleibt dabei: Die deutliche Mehrzahl dieser Stellen ist auch personell bei der Basis angekommen.

Zweitens zur Prävention. Wenn wir uns jetzt einmal auf die Polizeiprävention im engeren Bereich beziehen – ich rede jetzt hier nur von der Polizeiprävention, Frau Ernst; es gibt andere Präventionen, die wichtig sind, wie Gesundheitsprävention, im Schulbereich usw. –, so ist es so – das werden Sie in Deutschland mit der Lupe suchen können –, dass durch diese Polizeireform, durch die Entscheidungen, die damit getroffen worden sind, in jedem Polizeirevier, und zwar nicht nur stellenmäßig, sondern tatsächlich – es sei denn, er ist krank – ein hauptamtlicher Präventionssachbearbeiter sich ausschließlich mit der Prävention beschäftigt. Das ist eine tolle Leistung. Wir werden sehen, wie die Auswirkungen sind.

Ich verhehle nicht – darüber haben wir im Ausschuss diskutiert –, dass wir uns sehr genau ansehen müssen, ob diese große Leistung dazu führen könnte, dass die anderen Polizisten sagen: Prävention ist nicht mehr Teil meiner Verantwortung, dafür haben wir jetzt den hauptamtlichen Präventionsmitarbeiter. Wenn das der Fall wäre, müssten wir darüber neu nachdenken. Aber dass wir jetzt in jedem Revier jemanden haben, der sich hauptamtlich mit Prävention beschäftigt, ist wirklich eine Erfolgsgeschichte.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass die Polizeistrukturreform gezeigt hat, dass die Polizeidirektionen in der Lage sind, mit schwierigen Lagen umzugehen. Das ist zunächst am 13. Februar in Dresden geschehen und es ist, um einen anderen Fall zu nehmen, die Behandlung und Aufklärung des Falles der Ermordung der kleinen Ayla in Zwickau im Mai 2005 gewesen. Das waren zwei ganz unterschiedliche polizeiliche Einsätze, die gezeigt haben, dass die Polizei auch in den neuen Strukturen in der Lage ist, gute Arbeit zu leisten.

Natürlich gibt es im Einzelfall auch Kritik an der Arbeit der Polizei. Über einen Einzelfall, der jetzt mit dieser Polizeistruktur nichts zu tun hat, haben wir ja hier umfänglich diskutiert. Nehmen wir mal den Polizeieinsatz zu Himmelfahrt in Dresden. Hinweise an der Kritik solcher Polizeieinsätze nehme ich ernst. Jeder Polizeieinsatz, ob gut oder schlecht, wird anschließend ausgewertet. Sie waren und sind für die sächsische Polizei Anlass für entsprechende Einsatznachbereitungen. Sie sind aber nicht Ausdruck einer nicht funktionierenden Polizeiorganisation.

Mein Grundverständnis im Verhältnis zur Polizei – darin unterscheide ich mich zum Beispiel massiv von dem

Abg. Lichdi – ist wie folgt: Ich stelle mich erstens grundsätzlich vor die Polizei.

(Beifall bei der CDU)

Zweitens heißt das aber nicht Kritiklosigkeit. Die Kritik, die ich übe, übe ich intern. Drittens glaube ich nicht jeder Meldung, die von der Polizei kommt, und ich glaube auch nicht jeder Meldung, die Kritik an der Polizei übt. Aber im Zweifel glaube ich eher der Polizei als den Kritikern der Polizei. Das ist meine Grundauffassung im Verhältnis zur Polizei. Ich glaube, das ist auch richtig so.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt muss ich aber doch in die fröhliche Stimmung etwas Ernstes bringen.

Herr Minister, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Bitte.