Wenn man dann hier mit einer etwas wirklich abgestandenen Betrachtung der europäischen Landesgrenzen beginnt: Was ist ein europäisches Land? Nun, Zypern liegt östlicher als der größere Teil der Türkei. Das hat noch nie jemanden gestört, Zypern als einen Teil der Europäischen Union zu betrachten, zumindest teilweise. Europa hat sich doch historisch niemals geografisch fest nach Landesgrenzen gegründet. Europa ist eigentlich immer wieder ein Wissenschafts-, ein Sinn-, ein Wirtschaftsund ein militärischer Zusammenhang gewesen. Das Römische Reich hat sich vor allem um das Mittelmeer gebildet. Wer weiß, Herr Apfel, ob nicht das Blut eines römischen Legionärs, der aus Nordafrika stammt, in Ihren Adern fließt? Sehen kann man es nicht mehr, aber wissen kann man es auch nicht.
Nord- und Osteuropa waren damals in dem Prozess des Römischen Reiches überhaupt nicht beteiligt. Aber kein Mensch würde behaupten, dass ost- und nordeuropäische Länder nicht zur Europäischen Union gehören.
Sie sehen, so leicht kann man es sich nicht machen. Selbst der Balkan gehört dazu, auch wenn Byzanz und andere historische Entwicklungen dafür gesorgt haben, dass dort nicht diese Trennung von Kirche und Staat stattgefunden hat. Das ist alles kein Kriterium, weder die Sprache noch die Religion. Aber wenn man es möchte, gibt es eine europäische Identität, die in der Entwicklung entsteht. Das ist ein gesellschaftlicher Prozess. Den muss man natürlich wollen.
Übrigens verdanken wir den Türken den Kaffee, von dem ich weiß, dass auch Abgeordnete Ihrer Fraktion ihm immer wieder gern zusprechen. Wer weiß, was die Türken uns noch alles in die Europäische Union in den neuen Zeiten mit einbringen können? Deswegen sollten wir auf diese Bereicherung im Prinzip nicht verzichten.
Was Ihr Gequatsche von den „Fremdarbeitern“ betrifft: Als ich vor einiger Zeit im Elsass Urlaub machte, besuchte ich ein Museum für Bergbau. Ich fand anhand von Ausstellungsstücken heraus, dass sehr viele Sachsen aus der Gegend um Freiberg im vorletzten Jahrhundert dort gearbeitet haben, weil die Silberminen in Freiberg längst versiegt waren. Die Leute suchten Arbeit, im Elsass fanden sie sie. Es waren auch keine schönen Arbeitsbedingungen. Aber immerhin kamen die Sachsen dort in Lohn und Brot.
Ich denke, man kann es sich nicht so leicht machen, wenn man zum Beispiel Strukturumbrüche mit ansieht. Eine Chance, die die Europäer davon haben, dass wir jetzt über viele Jahre langfristige Verhandlungen mit der Türkei führen, auch eigene Reformen durchzuführen, wird zum Beispiel sein, dass die EU-Agrarsubventionen nach aufrichtigen Verhandlungen mit der Türkei natürlich ihr Ende finden müssen. Das geht gar nicht anders, wenn man sich zum Beispiel anschaut, wie viel des Bruttoinlandsproduktes der Türkei allein aus der Landwirtschaft stammt. Ich denke, da werden die Europäer gewinnen.
Das ist ein Punkt, den man auch betrachten muss. Nicht nur, dass die Türken davon profitieren, indem sie sozusagen ihre Gesellschaft verbessern, nach unseren Maßstäben jedenfalls verbessern können. Ich denke daran, wenn sie zum Beispiel den Aquis Communitaire annehmen, wenn sie sich um Freiheit, Demokratie, um die Achtung der Menschenrechte und um die Rechtsstaatlichkeit bemühen müssen. Dann wird das auch die türkische Gesellschaft verbessern. Sie wird davon profitieren. Das sind inzwischen universelle Werte. Die sind nicht mehr nur auf einen Kulturkreis bezogen. Ich bin dankbar, wenn sich ein islamisches Land dem unterzieht und damit vielleicht beispielgebend wirken kann. Das wird für uns alle eine bessere Sicherheitslage bedeuten.
Man kann es sich leicht machen, wie vielleicht auch im Moment die CDU, und davon ausgehen, dass es bei einer privilegierten Partnerschaft nicht so wichtig ist, wer für die Sicherheitspolitik im Nahen Osten zuständig ist, wobei die Türkei so eine Art Pufferzone darstellt. Was passiert, wenn die Europäer die Sicherheitspolitik im Nahen Osten den Amerikanern überlassen, das konnten wir in den letzten drei Jahren am Beispiel des Irak beobachten. Ich bin überhaupt nicht dafür, so vorzugehen. Die Türkei gehört nach Europa!
Wird weiter von den Fraktionen das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich jetzt das Schlusswort auf. Herr Apfel.
wie autistisch Sie jedwede argumentative Auseinandersetzung mit der NPD-Fraktion verweigern. Frau Weihnert, ich werde Ihnen demnächst wirklich einmal ein Taschentuch reichen. Wenn Sie nicht willens sind, genauso wie Herr Dr. Martens, meinem Vortrag zu lauschen, sondern nur etwas zu Rate ziehen, das letztendlich das Papier nicht wert ist, auf dem es überhaupt gedruckt wird – ich meine den Verfassungsschutzbericht –, dann kann ich Ihnen auch nicht helfen. Es ist absurd, ausgerechnet der NPD vorzuwerfen, dass sich unsere Fraktion gegen Europa stemmen würde. Gerade die NPD kämpft für eine gute nachbarschaftliche Zusammenarbeit aller europäischen Völker. Wir wollen die Vielfalt der Völker in ihrer kulturellen Eigenart erhalten. Letztendlich sind doch Sie diejenigen, die sich am Europagedanken versündigen! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Es ist bemerkenswert, wie groß der nationale Selbsthass der Parteien in ihrem multikulturellen Wahn gediehen sein muss, wenn sie noch immer die Augen vor den katastrophalen, offensichtlich erkennbaren Folgen eines EU-Beitritts der Türkei verschließen. Aus einem Gespräch mit der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ möchte ich einfach einmal Prof. Peter Scholl-Latour zitieren. Dort heißt es:
„Schließlich käme es, wie schon gesagt, zur millionenfachen Einwanderung nach Deutschland. Dann haben wir hier bosnische Verhältnisse. Eine solche Einwanderung zu tolerieren wäre eine eklatante Vernachlässigung unserer nationalen Interessen und würde eine verhängnisvolle Kluft zwischen Deutschen und Türken aufreißen. Das Schlimme ist, wie leichtfertig Politiker heute alles in Gefahr bringen,
was wir zum Teil über Jahrhunderte an politischem Kapital angesammelt haben: die europäische Integration durch die Überdehnung der EU-Osterweiterung, die wertvolle traditionelle deutsch-türkische Freundschaft durch das Wecken von Erwartungen, die nicht erfüllt werden können, unsere gesellschaftlichen Standards wie Frieden und Stabilität.“
Nein, ich gestatte jetzt keine Zwischenfrage. „Sehen unsere Politiker denn nicht, dass man eine Zivilisation zugrunde richten kann, wenn man ihre Referenz
verleugnet? Der französische Schriftsteller und Philosoph Paul Valéry hatte vor solcher Selbstaufgabe gewarnt. Im Abgrund der Geschichte ist Platz für uns alle.“ Zitatende; so weit Prof. Peter Scholl-Latour.
Meine Damen und Herren! Die Glaubwürdigkeit der Politik ist davon abhängig, ob es gelingt, die Beitrittsverhandlungen ergebnisoffen zu gestalten. Die politische Verlogenheit dieser angeblichen Einschränkung ist letztendlich durch die Erfahrung mit vielen anderen ergebnisoffenen Beratungen sattsam bekannt. Sie führt in der Regel zum autistischen Durchprügeln von Beschlüssen, die zuvor bereits von kleinen politischen Machtzirkeln gefasst wurden.
Vor dem Hintergrund der grauenhaften islamistischen Terroranschläge in London appelliere ich an Sie: Sehen Sie ein, dass sich Europa keine irren Erweiterungsprozesse mehr leisten kann! Europa muss zusammenstehen, um sein gewachsenes kulturelles, ethnisches, historisches Erbe in den Gefährdungen des 21. Jahrhunderts zu verteidigen.
Ich bitte Sie deshalb noch einmal eindringlich: Überwinden Sie Ihren antifaschistischen Schweinehund!
Halten Sie sich nicht an die Fraktionszwänge – ich bin gleich am Ende – und die von den Fraktionsführungen ausgehandelte Blockadepolitik gegenüber der demokratisch legitimierten Partei der Nationaldemokraten.
Stimmen Sie für den Antrag der NPD-Fraktion, wenn Sie sich nicht länger an Deutschland versündigen wollen!
Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zur Abstimmung. Ich stelle die Drucksache 4/2484 der NPD zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei wenigen Stimmen dafür ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 6 und rufe auf
Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die FDP beginnt. Es folgen CDU, PDS, SPD, NPD, die GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile nun der FDP-Fraktion das Wort. Herr Abg. Morlok, bitte.
Statt Frau Präsidentin Herr Präsident, wenn Sie gerade beim Wechseln sind. Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag der FDP-Fraktion, denke ich mal, spricht für sich. Ich möchte Ihnen deswegen hier auch keine lange Begründung vortragen. Ich denke, dass wir alle gemeinsam erkannt haben, dass bei der Festlegung der Hartz-Gesetze eine Sache übersehen worden ist, die sich insbesondere auf die neuen Bundesländer negativ auswirkt. Denn im Gegensatz zu den Altbundesländern haben wir hier Arbeitslosenquoten von 20 %.
In einer Vielzahl von Familien sind beide Elternteile erwerbslos. Viele Kinder kennen daher Erwerbsarbeit gar nicht mehr aus dem eigenen täglichen Familienleben, ohne dass man das jemandem vorwerfen kann. Aber das ist die tatsächliche Situation.
Wir sehen hier eigentlich einen Teufelskreis. Denn wer die Vorbildfunktion der Eltern, im Erwerbsleben zu stehen, nicht mehr hat, für den ist es natürlich auch schwer, als junger Mensch selber die Notwendigkeit zu erkennen, erwerbstätig zu sein, die Bereitschaft zu haben, erwerbstätig zu sein. In den Familien, wo beide Elternteile eben unverschuldet arbeitslos sind, haben wir diese Probleme.
Wenn jetzt in den Sommerferien junge Menschen die Initiative ergreifen und bereit sind, sich zu engagieren, bereit sind zu arbeiten, um Geld zu verdienen, dann finden wir das ein gutes Zeichen. Ich denke, das sollten wir alle als gutes Zeichen sehen. Ich glaube auch nicht, dass es da andere Meinungen gibt. Nur, durch diese Regelung, die jetzt entstanden ist, senden wir die vollkommen falschen Signale aus, nämlich dass sich Erwerbsarbeit eigentlich nicht lohnt. Genau das ist es, was bei den jungen Menschen tatsächlich ankommen wird: Erwerbsarbeit lohnt sich nicht, weil man den überwiegenden Teil der Vergütung, die man erhält, abgeben muss. Die tieferen Ursachen, die Logik und die Hintergründe der Gesetze sind den jungen Menschen nicht vermittelbar. Was übrig bleibt, ist: Ich gehe arbeiten und bekomme nichts.
Aber ich denke, das ist das falsche Signal. Denn wie sollen wir junge Menschen sonst zur Erwerbstätigkeit motivieren, wenn wir ihnen in dem Alter nicht zeigen: Wenn du dich krumm machst, wenn du etwas tust und dich engagierst, hast du auch etwas davon. Wir reden hier nicht über sehr hohe Beträge. Es sind nicht die Millionen, über die wir sprechen, sondern es sind im Verhältnis eher kleinere Beträge im Sozialbereich.
Wir müssen daran denken, dass – wir haben es im Ausschuss bereits diskutiert – sich die Schere zwischen Aus
bildungsplätzen und Ausbildungswilligen in wenigen Jahren bereits total umkehren wird, das heißt, wir werden weniger Auszubildende bzw. ausbildungsbereite Menschen haben, als die Wirtschaft Ausbildungsplätze anbietet. Auch wenn es noch nicht überall in allen Köpfen ist, wird das auf uns zukommen. Es ist also in unserem ureigenen Interesse, junge Menschen zu motivieren, am Erwerbsleben teilzunehmen. Es kostet nicht sehr viel Geld, es kostet im Verhältnis relativ wenig Geld, aber es hat eine sehr, sehr große Signalwirkung. Deswegen bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Schüler in den Ferien arbeiten wollen, dann unterstützen wir das. Nebenjobs bringen nicht nur ein wenig Geld, sondern auch Erfahrungen. Das fängt schon bei der Jobsuche an: Wo gibt es die besten Stellen? Wie trete ich beim Vorstellungsgespräch auf? Welche Angebote sind eindeutig unseriös?
Mit diesen Fragen beschäftigen sich junge Leute, die einen Nebenjob suchen. Die Ferien- und Schülerjobs geben ihnen einen Einblick in das Arbeitsleben. Disziplin, Verlässlichkeit und Leistung werden verlangt – so wie im späteren Leben auch. Ganz nebenbei lernen die jungen Leute, dass sich Leistung lohnt, aber auch, dass Arbeit ein hartes Stück Brot ist; denn zum Beispiel beim Prospekteverteilen müssen viele Briefkästen abgeklappert werden, bevor der erste Euro verdient ist.