Jetzt komme ich zum Entwurf der Koalition, der ja ein kleines bisschen auch noch ein anderes Thema umfasst. Wir können beiden Artikeln aus grundsätzlichen Erwägungen nicht zustimmen. In beiden Artikeln wird das Bestreben erkennbar, dass die schon heute sehr weitgehende Beherrschung der Parlamente durch Fraktionen noch ausgeweitet werden soll und jegliche Schranken fallen sollen. Das kommt zum Beispiel zum Ausdruck im § 1 Abs. 4 Satz 4 des Fraktionsrechtsstellungsgesetzes, der nach Ihren Vorstellungen folgendermaßen gefasst werden soll: „Die Fraktionen dürfen die Öffentlichkeit über ihre Ziele und Tätigkeit informieren; sie dürfen sich dabei mit gesellschaftspolitischen Fragen befassen, die die Grundlage ihrer Tätigkeit bilden.“ So steht es bei Ihnen drin.
Ja, meine Damen und Herren, wenn die Fraktionen die Öffentlichkeit über ihre Tätigkeit informieren dürfen, dann dürfen sie sich natürlich auch mit gesellschaftspolitischen Fragen befassen. Es geht ja gar nicht anders. Wir machen nichts anderes hier. Also müssen wir auch logischerweise über diese gesellschaftspolitischen Fragen sprechen. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Warum schreiben Sie dies aber hinein? Das ist die Frage; so explizit. Warum schreiben Sie diese Selbstverständlichkeit hinein? Da ist die Frage: Wollen Sie diesen Allgemeinplatz deshalb formulieren, damit Sie nachher eine volle Freiheit erhalten, öffentliche Gelder für Parteipropaganda auszugeben? – Das ist eine Fragestellung, Frau Henke, keine Feststellung. Ich frage Sie das.
Prof. Rödtke hat in der Sachverständigenanhörung festgestellt, dass es sich bei der Öffentlichkeitsarbeit der Fraktionen um Themen mit einem hinreichenden Bezug zur parlamentarischen Arbeit handeln muss.
Wenn das so ist, dann genügt das, was jetzt schon gesetzlich festgeschrieben ist. Ich halte den von Ihnen hinzugefügten Zusatz für eine Mogelpackung. Das sage ich Ihnen so ehrlich, weil ich vermute, dass Sie hier Fraktionsgelder für Parteipropaganda zweckentfremden wollen. Das stelle ich jetzt so in den Raum.
Das Nächste ist die vorgeschlagene Änderung im Fraktionsrechtsstellungsgesetz, welche besagt, dass Sie Fraktionsgelder über die Legislatur hinaus sozusagen kumulieren, ansparen, übertragen wollen. Auch das halte ich für problematisch, weil es eine Überbewertung der Fraktionen und damit der Parteien gegenüber den Abgeordneten ist. Der Abgeordnete ist es doch, der die Wähler vertreten soll, nicht die Fraktionen. Die Fraktionen werden von den Abgeordneten konstituiert. Deshalb ist es in unseren Augen absurd, wenn wir diese Mittel in die nächste Legislatur mitnehmen dürften; denn – –
(Dr. Fritz Hähle, CDU: Wenn Sie wieder draußen sind! – Zuruf des Abg. Alexander Krauß, CDU – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)
Das entscheiden die Wähler und nicht Sie, Herr Dr. Hähle, und ich bin überzeugt davon, dass sich die Größe ändern wird, aber im positiven Sinne.
Was ich sagen will, ist: Es wäre ja theoretisch möglich, dass sich eine Fraktion komplett personell auswechselt. Mit welchem Recht verfügen diese neuen Abgeordneten über Mittel, die den alten Abgeordneten zugestanden haben? Das ist für mich nicht logisch erschließbar und widerspricht, denke ich, auch dem Grundsatz des Fraktionsrechtsstellungsgesetzes. Deshalb können wir dieser Vorlage nicht zustimmen.
Demokratie, meine Damen und Herren, ist nicht gleichbedeutend mit absoluter Parteienherrschaft in den Parlamenten. Die Demokratie, die das Grundgesetz meint, bedeutet, dass die gewählten Abgeordneten Vertreter des ganzen Volkes sind und dass sie an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen sind. Dieses grundlegende Prinzip der repräsentativen Demokratie kehren die herrschenden Fraktionen durch ihre Machtpolitik und ihren Fraktionszwang leider immer mehr ins Gegenteil um. All das, was Sie zum Fraktionsrechtsstellungsgesetz vorgeschlagen haben, so erkenne ich es, soll diesen Punkten dienen. Deswegen können wir dem nicht zustimmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn ich geahnt hätte, welche Wogen unser Gesetzentwurf, den wir einmal eingebracht haben, hier auslöst, dann hätten wir es vielleicht anders gemacht.
Unkollegial seien wir – und da nenne ich nur die harmloseste der Beschimpfungen, die ich mir in den letzten Wochen anhören musste.
Unkollegial, weil wir, Herr Lehmann, aus meiner Sicht nichts Populistisches gemacht, sondern uns eigentlich nur um eine Selbstverständlichkeit gekümmert haben. Man kann über die Reformen, die wir zur Abgeordnetenversorgung gemacht haben, natürlich streiten. Man kann aber zumindest über zwei Dinge nicht streiten, nämlich über die Selbstverständlichkeit, dass wir das Sterbegeld in diesem Landtag abschaffen. Es ist nicht unkollegial, wenn ich etwas infrage stelle, was der normale Bürger seit dem 01.01.2004 nicht mehr hat. Es ist eher selbstverständlich, dass wir selbst uns dieses Recht auch nicht herausnehmen, sondern es schleunigst abschaffen.
Wie gesagt, es kam viel zu spät. Ich halte es auch für selbstverständlich und nicht für unkollegial, dass wir die Altersversorgung in diesem Haus an die Länge der Legislaturperiode anpassen und nicht die Vorteile, die irgendwann einmal in der 1. Legislaturperiode von 1990 bis 1994 hier festgeschrieben worden sind, weiter nutzen. Meine Damen und Herren, das hat etwas mit poli
Ja, und? Klar ist das Wahlkampf, wo gehört es denn sonst hin? Wo leben wir denn? Das ist Wahlkampf, und ich bin der festen Überzeugung, dass man dem Wähler sagen sollte, wie man sich im Parlament benimmt. Wir haben das als FDP gemacht. Es stand „Diäten 'runter!“ darauf. Genau das halten wir jetzt ein. Deswegen stehe ich hier. Genauso ist es wichtig, dass man solche Punkte, mit denen man in Zukunft als Abgeordneter im Parlament umgehen will, dem Wähler vor den Wahlen sagt und nicht danach.
Davon abgesehen, Herr Dr. Hahn, bitte ich dafür um Ihr Verständnis. Ich weiß, dass Sie das haben; denn wir sind ja hier noch neu, wir sind noch nicht so lange hier. Frau Henke, die Idee mit den Neuwahlen ist nicht unsere gewesen. Dass wir nun im September Wahlen haben werden, konnten wir, als wir im November den Gesetzentwurf eingebracht haben, überhaupt nicht wissen.
Wir haben ihn in einer Zeit größter Ruhe eingebracht – wie andere auch – und dachten eigentlich, er wird dann irgendwann einmal im Frühjahr behandelt werden. Was uns, Herr Dr. Hahn, als Neulinge überrascht hat, ist, dass sich dieses Procedere hier im Landtag aus unserer Sicht zur Farce entwickelt hat. Wir konnten nicht ahnen, dass unser Gesetzentwurf über ein halbes Jahr hinweg in den Ausschüssen blockiert wird. Wir konnten nicht ahnen, dass es am Ende die Geschäftsordnung sein wird, die uns – wie jeder anderen Fraktion – nach sechs Monaten das Recht einräumt, dass ein Gesetzentwurf überhaupt behandelt werden muss, und dass es die Geschäftsordnung sein muss, die uns dazu zwingt, hier im Parlament über uns selbst und über unsere Ansprüche an die eigene Arbeit zu reden.
Ich hätte wirklich gedacht, dass wir das so hinbekommen, und hatte Sie damals – es war Anfang Dezember – dazu eingeladen, uns gemeinsam zu bemühen, einen Konsens zu finden. Die Blockadepolitik, die von einigen in diesem Haus unserem Gesetzentwurf in den letzten Monaten anheim gestellt wird, lässt mich vermuten, dass vielen unser Gesetzentwurf sehr unangenehm war, dass viele keine Veränderung an den bisherigen Privilegien in diesem Landtag wollten.
Den Gipfel der ganzen Prozedur haben wir vor einer Woche erlebt. Wer Mitglied des Haushalts- und Finanzausschusses ist, hat es live erlebt und sich sicher gewun
dert. Wir haben nämlich, wie mir Kollege Weckesser bestätigt hat, einen in der Geschichte des Sächsischen Landtags einmaligen Vorgang erlebt; denn der Gesetzentwurf, den die Union vorgelegt hat, ist nur im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss behandelt worden und das Mitspracherecht des Haushalts- und Finanzausschusses wurde ausgehebelt. Man hat ihn dort abschließend behandelt, ohne auf das Votum des Haushalts- und Finanzausschusses zu warten, nur um den Gesetzentwurf noch in diese Sitzung hineinzubekommen.
Ich bin froh, dass wir das heute gemeinsam behandeln, Herr Schiemann, aber ich möchte daran erinnern, dass die CDU selbst ihren Gesetzentwurf allein im Haushaltsund Finanzausschuss zweimal zurückgezogen hat. Wir hätten also längst eine Entscheidung dazu treffen können. Dass auch die Anhörung aus meiner Sicht aus einer gewissen Verschleppungstaktik heraus durchgeführt worden ist, war nicht unsere Idee, sondern es war Ihre Idee. Dass man jetzt zu solchen Tricks greift und gerade da, wo es wirklich für die Fraktionen und auch für die Abgeordneten um richtig viel Geld geht – um ein Thema, bei dem der Haushalts- und Finanzausschuss mitsprechen muss –, den Haushalts- und Finanzausschuss erstmalig entmachtet, ist ein sehr, sehr schlechter Stil in diesem Haus. Ich hoffe nicht, dass so etwas noch einmal vorkommt.
Zu einzelnen Punkten aus unserem Gesetzentwurf und teilweise dazu, wie er jetzt von der Union eingebracht worden ist. Ganz klar: Das Sterbegeld muss weg. Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Regierung das nun durchgesetzt hat. 8 586 Euro – für diejenigen, die es nicht wissen: so hoch war das Sterbegeld – sind zu viel. Das brauchen wir nicht. Ich bin sehr froh, dass wir dies jetzt mit anderthalb Jahren Verspätung – und die Geschwindigkeit, die wir dabei an den Tag gelegt haben, ist peinlich für die Politik; das sage ich so, wie es ist – auf die Reihe bekommen.
Zur Altersversorgung. Ich hatte ja gehofft, dass die Union den Mut zu einer richtigen Reform hat. Wir haben auch immer gesagt: Wir können selbst als FDP gern auch über unser Modell sprechen. Wir wollen private Vorsorge treffen, vielleicht mit einem Zuschuss vom Sächsischen Landtag, wie es ganz normale Arbeitnehmer auch machen. Wir wollten eine Regelung treffen, die in der freien Wirtschaft genauso üblich ist. Man kann über die Höhen sprechen, man kann auch über das Modell sprechen. Es gibt verschiedene Modelle und es gibt andere Parlamente, die auch andere Modelle haben. Dazu, was die Regierung jetzt vorgelegt hat, meine Vorredner haben es zum Teil schon gesagt,
was die Koalition vorgelegt hat, muss ich Ihnen ehrlich sagen: Damit machen Sie sich hier ganz gewiss keine Freunde, und damit haben Sie den Reformdruck, der
Das Einzige, was Sie tun, ist wieder eine Selbstverständlichkeit: Sie passen die Altersvorsorge einfach an die Legislaturperiode hier im Sächsischen Landtag an. Den ersten Pensionsanspruch, den ein Abgeordneter hat, gibt es nicht, wie bisher, nach acht Jahren, sondern es gibt ihn logischerweise nach zehn Jahren. Die Änderung hätte aus meiner Sicht 1994 vollzogen werden müssen; denn seit 1994 ist die Legislatur des Sächsischen Landtags eben nicht mehr vier Jahre lang, sondern richtigerweise fünf Jahre. Ich frage diejenigen, die schon länger in diesem Haus sitzen: Warum hat man das nicht schon getan? Hat man versucht, sich durch die Hintertür noch einen kleinen Vorteil zu retten, oder was war der Grund dafür?
Ich habe ganz klar die Befürchtung, dass, wenn zum Beispiel wir es nicht in den Sächsischen Landtag geschafft hätten, es keinen anderen hier gestört hätte und das noch viele, viele Jahre genauso geblieben wäre.
(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Da irren Sie, Herr Zastrow! Wir haben unseren Antrag jedes Jahr gestellt!)
Dann waren Sie zu leise, Herr Prof. Porsch, aber ich finde es natürlich gut, wenn Sie das unterstützen
Trotzdem müssen wir über die Altersversorgung in diesem Land nachdenken. Wer sich einmal vergegenwärtigt, was die jetzige Regelung ist, die nach Annahme des Gesetzentwurfes der SPD und CDU kommt, wissen wir, was es bedeutet. Ein normaler Landtagsabgeordneter in diesem Land hat nach zehn Jahren Tätigkeit als MdL einen Rentenanspruch von zirka 1 500 Euro monatlich erworben. Ein normaler Werktätiger müsste – vorausgesetzt, er hat dasselbe Einkommen, was leider sehr wenige Menschen in Sachsen haben – dafür 37 Jahre arbeiten. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, da sehe ich eine gewisse Ungerechtigkeit, ein gewisses Privileg, das ich ablehne.
Schauen wir nach denjenigen, die länger in einem solchen Parlament sind, die es nämlich auf 20 Jahre Parlamentszugehörigkeit schaffen. Im Bundestag gibt es eine ganze Reihe Parlamentarier, die solche Zeiten schaffen. Nach 20 Jahren hat ein Landtagsabgeordneter in diesem Haus einen Rentenanspruch von zirka 3 000 Euro. Dafür müsste ein normaler Werktätiger – wieder vorausgesetzt, er verdient gleichviel Geld – zirka 75 Jahre arbeiten. Da brauche ich mich nicht zu wundern, wenn sich Menschen von der Politik in diesem Land abwenden, wenn sich Menschen in diesem Land weigern, zu Wahlen zu gehen, wenn sie zu uns hier im Parlament kein Vertrauen haben und wenn sie die Reformvorschläge, die harten Einschnitte, die wir von ihnen verlangen, nicht mittragen. Wir müssen als Parlamentarier mit gutem Beispiel vorangehen, wenn wir wollen, dass die Menschen in diesem Land mitmachen. Wir müssen als Sächsischer
Wir haben in unserem Gesetzentwurf auch eine Diätensenkung stehen. Man mag es als Populismus bezeichnen, wie auch immer – das ist mir an dieser Stelle ganz egal, weil wir zu dem, was wir im Wahlkampf versprochen haben, schlichtweg stehen. Ich halte dies für eine ganz wichtige Sache, über die wir auch nachdenken sollten. Wir brauchen das Vertrauen der Menschen in diesem Land. Auch eine neue Bundesregierung, egal wie sie aussieht, wird dies brauchen. Das, was auf dieses Land zukommt, wird sehr groß sein, nicht nur in Berlin, sondern auch hier in Sachsen. Ein solches Weitergehen wird es nirgendwo in diesem Land geben können. Dafür brauchen wir Menschen, die unsere Entscheidungen mittragen, die ihnen mit Verständnis entgegentreten.