Wir haben in Deutschland zu lange Stillstandszeiten, was sachorientierte politische Arbeit betrifft, und ich möchte Sie daran erinnern, wie es hier im Sächsischen Landtag war. Wenn ich mich recht erinnere, hat der letzte Sächsische Landtag vor der Sommerpause 2004 die Arbeit eingestellt. Wenn mich nicht alles täuscht, war das Anfang Juli. Dann kam die Sommerpause, dann kam der Wahlkampf. Dann hatten wir das Ergebnis dieser Wahl, und dann fanden sich irgendwie auch die beiden Koalitionspartner; und wenn mich nicht alles täuscht, haben wir im November/Dezember angefangen, zum Beispiel in den Ausschüssen zu arbeiten. Wir haben es uns hier in Sachsen geleistet, fast ein halbes Jahr mit der politischen Arbeit aufzuhören und fast ein halbes Jahr politischen Stillstand zu haben. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Diese Zeit ist mir zu lang, das ist mir zu viel. Wenn wir dieses Land nach vorn bringen wollen, müssen wir das verkürzen!
Herr Bandmann hat es angesprochen: Die Verlängerung der Wahlperiode auf Bundesebene ist natürlich nur ein ganz kleiner Tropfen und ein ganz kleiner Schritt, den man gehen kann. Wir müssen auch darüber nachdenken, wie man Wahltermine in Deutschland bündeln kann, wie man Wahltermine harmonisieren kann.
Ich finde es schon ziemlich dramatisch, dass wir Jahr für Jahr mehrere Landtagswahlen haben – wie immer zu unterschiedlichen Zeiten im Jahr –, dass wir manchmal auch Kommunalwahlen haben, die bundespolitischen Charakter tragen. Ich denke nur an NRW – die Kommunalwahlen in NRW haben ja fast diesen Charakter.
Wir müssen uns bemühen, neue Modelle zu finden und weniger Wahlen zu haben, um weniger Wahlkämpfe zu führen. Ich denke, auch da sollte Sachsen ein Vorreiter sein.
Wir müssen sicher auch darüber nachdenken, Amtszeitbegrenzungen einzuführen, und wir müssen auch über Parlamente nachdenken, die mehr Kompetenz aus der Praxis anziehen. Wir müssen darüber nachdenken, neue plebiszitäre Elemente einzufügen, und ich kann nur eines sagen: Auch wir als FDP hätten uns gefreut, wenn es eine Volksabstimmung zur EU-Verfassung gegeben hätte.
Wie ist die Situation in Deutschland? Wir haben den Bundestag, in dem die Legislaturperiode noch vier Jahre lang ist, und wir haben noch gerade einmal vier Bundesländer, die es ebenso handhaben: Das sind Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Hamburg. In Hamburg hat die CDU jetzt entschieden, auch dort die Legislaturperiode auf fünf Jahre verlängern zu wollen. Wir haben ein Europa-Parlament, in dem alle fünf Jahre gewählt wird, und wir haben mit Deutschland ver
gleichbare Staaten, wie Frankreich und Großbritannien, in denen die Legislaturperioden fünf Jahre dauern.
All das sind Beispiele dafür, dass sich eine längere Legislaturperiode sicher auch auf Bundesebene bewähren würde, und es gibt aus allen Parteien prominente Fürsprecher bzw. sehr prominente Politiker, die seit vielen Jahren um diese Verlängerung auf Bundesebene kämpfen. Ich möchte nur einige nennen. Das ist zum Beispiel Volker Kauder, der Generalsekretär der CDU. Das ist Wolfgang Thierse; das ist mein Fraktionschef im Bundestag, Wolfgang Gerhardt. Das ist von den GRÜNEN Antje Vollmer. Franz Müntefering hat sich dafür ausgesprochen. Hans-Jürgen Papier, der Bundesverfassungsgerichtspräsident, ist ebenfalls dafür.
Meine Damen und Herren! Ich denke, Sachsen hat gezeigt, wie es eigentlich gehen kann. Sie haben genau den Reformschritt gemacht, den wir uns auch auf Bundesebene wünschen würden. Im Freistaat Sachsen war die erste Legislaturperiode, glaube ich, noch etwas kürzer. Sie ging damals von 1990 bis 1994.
Man hat aus guten Gründen heraus damals mit allen im Parlament vertretenen Parteien entschieden, die Legislaturperiode zu verlängern. Wir als FDP haben darunter sogar ein bisschen gelitten. Denn Sie wissen, dass wir statt acht sogar zehn Jahre außerparlamentarisch waren. Trotzdem sage ich als jemand, der davon auch negativ betroffen war, dass wir die Regelung in Sachsen gut gefunden haben.
Ich finde, ein Parlament sollte Zeit haben, nicht nur in Wahlkämpfen zu verharren, sondern auch Sachpolitik zu betreiben. Wir in Sachsen haben gezeigt, wie man es machen kann. Wir haben den Schritt gewagt und sind von vier Jahren auf fünf Jahre gegangen.
Ich würde mich freuen, wenn Sie unserem Antrag zustimmen, damit Sachsen an dieser Stelle eine kleine Vorreiterrolle in Deutschland einnehmen kann.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! So richtig einfach haben Sie es mir jetzt nicht gemacht, Herr Kollege Zastrow. Ich habe im Vorfeld sehr lange überlegt, worin die Aktualität und die Notwendigkeit des Antrages Ihrer Fraktion zum jetzigen Zeitpunkt liegen könnten. So richtig zum Abschluss bin ich bei diesen Überlegungen nicht gekommen. Nach Ihrem Vortrag habe ich jetzt noch mehr Schwierigkeiten damit. Es gibt den logischen Gedankengang, der von vielen großen Leuten in der Öffentlichkeit in den deutschen Ländern vertreten wird, man müsse doch einen Wahltermin finden, dann würde es in den deutschen Ländern und im Bundestag die Gelegenheit geben, alle Wahlen mit einem Schlag abzuarbeiten. Das wäre effizient. Das wäre die Reform.
Herr Schiemann, da Sie es angesprochen haben, frage ich Sie: Teilen Sie auch meinen Eindruck, dass es offensichtlich der FDP, als sie ihren Antrag stellte, nur darum ging, ihr Antragskontingent aufzufüllen?
Ich weiß nicht, ob ich an dieser Stelle so hart urteilen sollte. Ich wollte noch einmal auf diesen logischen Gedankengang zurückkommen. Wenn Sie alle Wahlen auf einen Tag legen, mag das für die erste Wahl interessant klingen. Aber ich will fragen: Was passiert, wenn sich zum Beispiel ein Landtag auflöst? Dann haben Sie automatisch das alte System wieder, dass die Wahlen zu den Landtagen und zum Bundestag nicht am gleichen Tag stattfinden.
Wenn also Leute diese Überlegungen in die Öffentlichkeit bringen, dann muss man ihnen die Frage stellen, ob sie bis zum Ende durchdacht haben, ob das funktionieren kann. Es funktioniert nämlich nicht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass der Deutsche Bundestag derzeit andere Probleme hat, als sich jetzt über die Wahlperiode Gedanken zu machen.
Herr Zastrow, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass der Sächsische Landtag in der Verfassungsdiskussion im Jahre 1992 die Entscheidung getroffen hat, für den Landtag in der Verfassung eine Wahlperiode von fünf Jahren festzulegen. Das war ein demokratischer Meinungsbildungsprozess in diesem Hohen Haus. Deshalb sage ich Ihnen, dass ich großen Respekt vor den Mitgliedern des Deutschen Bundestages habe, die diesen Meinungsbildungsprozess genauso durchführen sollten, denn es obliegt ihnen, sich für eine Grundgesetzänderung zu entscheiden.
Ich halte es nicht für notwendig, dass wir eine Bundesratsinitiative zur Verlängerung der Wahlperiode von Sachsen aus auf den Weg bringen. Deshalb wird die CDU-Fraktion diesem Antrag ihre Zustimmung leider nicht geben können.
Da sucht das gesamte politische und unpolitische Deutschland nach einem Weg, die gegenwärtige Legislaturperiode des Deutschen Bundestages von den üblichen vier Jahren auf nur drei zu verringern, und Sie beantragen in dieser Situation just die Verlängerung auf eine fünfjährige Laufzeit. Und beschließen soll dies ausgerechnet noch der Sächsische Landtag.
Mit Verlaub – das ruft geradezu nach Satire. Welches Problem wollen Sie denn damit lösen, und dann noch hier?
Gestatten Sie also ein Gleichnis. Ich weiß nicht, ob Sie den österreichischen Autor Fritz von HerzmanovskyOrlando kennen. Ich kann ihn nur empfehlen. Das war der letzte Barockmensch. Er hat eine wundersame und angeblich auf einer wahren Begebenheit begründete Geschichte aufgeschrieben. Sie heißt: „Der zweite Donnerstag von Scheibbs“.
Das niederösterreichische Provinzstädtchen Scheibbs, das bis dato nur durch seine zwei weichen b im Namen aufgefallen war, beantragte dereinst bei der k. u. k.-Regierung in Wien einen zweiten Donnerstag in jeder Woche.
Die Aufregung, die dieser Antrag auslöste, war beträchtlich. Kommissionen wurden einberufen, Gutachten vergeben. Das ist uns ja nicht fremd. Die Quintessenz war: Es drohe große Gefahr von Scheibbs, wenn man dem Ansinnen nachkäme.
Durch die um einen Tag verlängerte Woche käme in Scheibbs wohl die Weltordnung durcheinander. Vor allem die Zeit würde sich gegenüber dem Rest der Welt verschieben. Scheibbs könnte sich deswegen irgendwann von der Erdkruste lösen und einige Meter über dieser hinter der Erdrotation zurückbleiben.
Fürchterliche Zerstörungen auf dem betroffenen Breitengrad könnten die Folge sein. Auf jeden Fall aber würde Scheibbs irgendwann hinter dem Horizont unwiederbringlich verschwinden – eine für alle, auch die Scheibbser, furchterregende Vorstellung.
Ähnlicher Natur dürften die Albträume unserer kleinen FDP-Fraktion bezüglich des Bundestages sein. Jedenfalls suggeriert dies die Begründung ihres Antrages. Weil die Legislatur des Deutschen Bundestages nur vier Jahre beträgt, im Gegensatz zu denen der Landtage und der Parlamente anderer Länder, wo fast alle fünf Jahre dauern, könnte vielleicht auch hier die Zeit durcheinander kommen. Anders zwar als in Scheibbs, wo sich die Zeit durch eine um einen zweiten Donnerstag verlängerte Woche verlangsamen sollte, würde sie für den Bundestag durch die kürzere Legislatur gegenüber den Land
tagen beschleunigt. Die Folgen wären im Grunde aber die gleichen – Grauen erregend. Der Bundestag würde sich von der Erdkruste lösen und der Erdumdrehung vorauseilen.