Protocol of the Session on June 23, 2005

Geben Sie mir Herrn Porsch.

Bitte, Herr Porsch.

Herr Zastrow, ich möchte Sie nur noch einmal fragen. Natürlich regeln das die Tarifpartner dort selber. Aber sie regeln es auf der Ebene eines Flächentarifvertrages und nicht auf der Ebene einzelbetrieblicher Regelungen. Ist Ihnen das bekannt?

Das ist jetzt ganz konkret falsch. Ich gebe Ihnen den Artikel, da steht es drin. Er liegt dort, Sie können ihn sich auch nehmen. Die regeln das individuell. Ansonsten muss man sagen, Österreich hat eine Körperschaftsteuer von 25 %. Es gibt keine Gewerbesteuer.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Die haben viel mehr Flexibilität als in Deutschland. Das würde ich mir für hier auch wünschen.

(Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD)

Frau Hermenau, die Einschätzung, wann der richtige Zeitpunkt gewesen wäre und ob man es heute noch ändern kann, teile ich mit Ihnen nicht. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir, wenn man 15 Jahre nach der deutschen Einheit mitbekommt, dass der Aufbauprozess an bestimmten Stellen nicht funktioniert, die Pflicht haben nachzujustieren und notfalls einen Neuanfang in Teilen zu wagen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Einfach den Kopf in den Sand zu stecken und zu sagen, so geht das nicht, das werden Sie mit uns nicht machen. Wenn wir 15 Jahre danach feststellen, das und das hat nicht funktioniert, wir müssen einige Sachen anders machen, dann bin ich immer noch jung genug und wir als Parlament und als Freistaat Sachsen sind auch noch jung genug, um jetzt einzugreifen und die richtigen Regeln, neue Regeln für die Zukunft zu treffen. Darin, das muss ich Ihnen sagen, kann ich Ihnen nicht Recht geben.

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Wir haben, weil Sie vom Wahlprogramm sprachen – die FDP braucht sich da nichts vorzuwerfen –, seit 1990 ein Niedrigsteuergebiet; Otto Graf Lambsdorff und HansDietrich Genscher haben das vorgeschlagen. Es ist damals gescheitert. Es ist bestimmt nicht an jemandem gescheitert, der hier im Parlament sitzt. Es ist an den Interessen der westdeutschen Bundesländer, und zwar parteiübergreifend, gescheitert. Wir können der CDU, der SPD oder sonst irgendjemandem einen Vorwurf machen – auch meinen eigenen Parteifreunden –, es ist ganz klar: Eine Sonderwirtschaftsregion mit anderen Regeln würde uns im Osten eine echte Chance geben, wirklich zu wachsen.

Es ist für viele westliche Bundesländer – das ist eine sehr ketzerische These – viel, viel einfacher, sich über Transferleistungen, über Gelder, die ich einmal so hinüberschiebe, von wirklichen Anreizen für Wachstum freizukaufen.

Ich muss ehrlich sagen: Ich möchte weg von Transferleistungen. Ich möchte, dass ich Anreize bekomme, aus eigener Kraft wachsen zu können. Ich habe selbst ein kleines Unternehmen und weiß, wie schwer es ist zu wachsen. Ich werde mit denselben Regeln, mit derselben Bürokratie und denselben Steuersätzen wie jedes westdeutsche Unternehmen bewertet.

Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Das westdeutsche Wirtschaftswunder hätte es nach dem Krieg nicht gegeben, wenn man dort damals dieselben Rahmenbedingungen gehabt hätte, wie wir sie heute hier in Sachsen haben. Ich möchte eine Chance haben, genau dieselbe Entwicklung wie Westdeutschland nach dem Krieg zu nehmen. Das will ich nicht, indem ich noch über Jahrzehnte am Tropf des Westens hänge, – –

Bitte zum Schluss kommen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

– sondern das will ich dadurch, dass ich mich selbst frei entfalten kann und selbst auch ein wenig meines eigenen Glückes Schmied bin. Dafür werbe ich. Ich werbe für Wettbewerb; ich werbe für Chancen. Dazu lade ich Sie nach der Bundestagswahl ein. Ich glaube, mit der CDU lässt sich dann wirklich etwas machen. Wir als FDP werden bereit sein. Ziehen Sie mit, es geht um Sachsen!

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich erteile der Fraktion der PDS das Wort. Herr Tischendorf, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben es gemerkt: Die FDP hat in dieser Aktuellen Debatte versucht, ihre Aktionsfähigkeit für den Bundestagswahlkampf zu prüfen. Wir alle haben feststellen können, dass das, was sie uns angeboten hat, erst einmal kräftig in die Hose gegangen ist.

Ich kann in der Aktuellen Debatte nicht auf alles eingehen, habe jedoch noch ein schönes Thema für Sie, welches Sie auch gern bedienen: das Thema der Lohnnebenkosten. Darüber schreiben Sie in Ihrem Landtagsprogramm – ich zitiere einmal ganz kurz –: „Es gibt viel zu tun in Sachsen. Vieles wird noch unterlassen, weil die Arbeit zu teuer ist.“ Dann kommt es: „Die Lohnnebenkosten sind zu hoch. Wir wollen deshalb eine Strukturreform der Sozialversicherungssysteme, die diesen Namen auch verdient.“ – Jetzt können Sie klatschen.

Nun, meine sehr geehrten Profis hier im Landtag, da Sie gern damit agieren, möchte ich Ihnen einmal ganz praktisch – denn das macht sich vielleicht am besten – am Beispiel des Handwerks zeigen, wie falsch Sie mit Ihrer Bewertung der Lohnnebenkosten liegen.

Die durchschnittlichen Kosten des Handwerks liegen pro Stunde bundesweit bei 43 Euro. Darin werden Sie mir noch Recht geben. Jetzt, Herr Morlok, nehmen Sie sich einen Zettel und einen Stift – Sie können es auch lassen, ich habe es Ihnen schon ausgerechnet. Wie setzen sich die 43 Euro zusammen? 12,30 Euro Bruttolohn, 5,90 Euro Mehrwertsteuer, 13,60 Euro Betriebskosten und Gewinn – sofern es diesen überhaupt im Osten gibt –, 4,70 Euro gesetzliche Sozialaufwendungen – an diese wollen Sie mit Ihrem Programm herangehen – und 6,50 Euro tarifliche und freiwillige Sozialaufwendungen.

Wenn man nun Ihren Vorschlägen der radikalen Senkung der Lohnnebenkosten auf zirka 10 % – das wäre ja eine stattliche Summe – folgen würde und diese dann auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber aufteilt – das wären fünf Prozentpunkte –, dann kämen am Ende 60 Cent heraus. Nun, meine Damen und Herren von der FDP, lade ich Sie gern ein, mit Handwerkern in Sachsen darüber zu diskutieren, wie mit diesen 60 Cent hier Arbeitsplätze entstehen sollen.

(Torsten Herbst, FDP, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, jetzt nicht. – Vielleicht, Herr Morlok, können Sie noch einmal herkommen und uns erklären, wie das funktioniert. Aber dieser Sozialaufbau würde zu Mehrbelastungen der Beschäftigten führen. Rot-Grün hat es in den letzten Jahren versucht, die Ergebnisse sind Ihnen bekannt. Sie werden gerade abgewählt.

(Sven Morlok, FDP, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Die meisten betroffenen Menschen haben davon nur Nachteile.

Ich lasse keine Fragen zu.

CDU und FDP drängen noch marktradikaler in diese Richtung, das sehen wir am Bundestagswahlprogramm. Vielleicht geben Sie mir aber darin Recht, dass in den Lohnkosten die Lohnnebenkosten bereits enthalten sind, und – mein Kollege hatte es vorhin angesprochen – diese sind im internationalen Vergleich auf keinen Fall zu hoch – ganz im Gegenteil: Das zeigt der jährliche Exportweltmeister Deutschland.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie mir nicht trauen, dann trauen Sie doch wenigstens der Bundesstatistik. Die Lohnkosten sind in den letzten Jahren in Deutschland kräftig gesunken. Im Verhältnis zur Wertschöpfung sind sie geradezu abgestürzt, das können Sie dort nachlesen. In der Bundesstatistik steht beispielsweise, dass die Wertschöpfung je 100 Euro Lohnkosten in den letzten zehn Jahren – von 1994 bis 2004 – von 159 Euro auf 171 Euro gestiegen ist.

Ebenfalls gestiegen – das gehört auch dazu –, und zwar um 11 %, sind allein im letzten Jahr die Einkommen der Unternehmen und Vermögensbesitzer. Das war Rekordzuwachs, die bei weitem höchste Steigerung seit mehr als 20 Jahren, wenn man die Preissteigerung hinzuzieht.

Nun komme ich zu dem, was ich bei Ihnen, meine sehr geehrten Profis im Sächsischen Landtag, etwas vermisse. Zur Bundestagswahl 2002 sind Sie mit dem Slogan „Steuersenkungen sind das beste Beschäftigungsprogramm!“ angetreten. Damit sind Sie hier auch durch das Land gezogen. Heute haben Sie monoton fast das Gleiche behauptet, wenn man es einmal zusammenfasst.

Sie machen jedoch noch nicht einmal den Versuch, wenigstens zu sagen, wie Sie die Vorschläge, die ohnehin in eine Sackgasse führen, gegenfinanzieren wollen – der beste Beweis dafür ist, dass in Ihrem Wahlprogramm weiterhin das zähe Festhalten am Ehegattensplitting besteht. Dabei machen Sie überhaupt keine Abstriche; denn es geht um Besserverdienende.

Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann Ihnen nur sagen: Auf in den Bundestagswahlkampf! Die FDP macht es vor. 2002 ist Ihr Bundesvorsitzender Westerwelle mit einem Projekt „18 %“ gestartet und in der Lächerlichkeit geendet. Von der „Spaßpartei FDP“ war damals in den Medien die Rede.

(Zuruf des Abg. Holger Zastrow, FDP)

Ich darf gespannt sein, ob Sie mit Ihren Vorschlägen in der Öffentlichkeit auf dem gleichen Niveau ankommen.

(Beifall bei der PDS)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Herr Lehmann, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um zur Konkretisierung der Debatte beizutragen, möchte ich eine Frage aufgreifen, die im Zusammenhang mit den Vorgängen um die NEUE ERBA LAUTEX wiederholt gestellt wurde: Warum ist es so schwer, eine Textilfirma in der Oberlausitz zu privatisieren? Eine Firma, die mit Millionenbeträgen aus öffentlichen Kassen gestützt wurde, um ihre Produktionsanlagen zu erneuern. Eine Firma, die auf qualifizierte Fachkräfte zurückgreifen kann, die zu Lohnkosten arbeiten, wie sie – zumindest in Europa – absolut wettbewerbsfähig sind. Eine Firma, die nach der Osterweiterung ins Zentrum Europas gerückt ist. Die Antwort der „Fast-Investoren“ war ebenso knapp wie ernüchternd: Die Standortbedingungen sind trotz aller Fortschritte noch nicht attraktiv genug. Die Elektroenergiekosten sind zu hoch, das Wasser ist zu teuer, und insbesondere fehlt die Anbindung an das Schnellstraßennetz über die immer noch nicht fertig gestellte B 178.

Nun stellt sich die Frage: Warum ist das so? Die Tarife für die Elektroenergie sind im internationalen Vergleich deshalb so hoch, weil Deutschland aus vorwiegend ideologischen Erwägungen den Ausstieg der Nutzung der Kernenergie versucht und stattdessen mit einem Energieeinspeisungsgesetz die ohnehin hohen Kosten für Elektroenergie künstlich verteuert. Mit größeren Freiräumen, Sonderregelungen oder Experimentierklauseln könnte es möglich werden, dass in Zukunft preiswerter Strom durch das vielleicht in Hirschfelde an der Neiße errichtete modernste und sicherste Atomkraftwerk der Welt erzeugt wird. Die zusätzlichen Arbeitsplätze und die Wertschöpfung könnte die Region dringend gebrauchen.

Im Gegenzug könnte auf die „Zuspargelung“ der Landschaft mit Windrädern verzichtet werden.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Als tangierende Maßnahme sollte die Abwahlmöglichkeit des Schulfaches Physik entfallen, damit zumindest den jungen Leuten klar wird, wie gering die Wirkungsgrade der Windräder auf dem flachen Land sind

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE – Allgemeine Heiterkeit)

und wie sicher und effizient moderne Atomkraftwerke inzwischen arbeiten.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Den Satz noch. – Auch hier gilt: Wer viel weiß, muss den grünen Überzeugungstätern – wie Herrn Lichdi – weniger glauben. – Bitte schön.