Protocol of the Session on June 23, 2005

(Dr. André Hahn, PDS: Sehr mutig!)

Wir alle wissen, wie wichtig dies für die persönliche Entwicklung der betroffenen Menschen ist und wie wichtig dies auch für unsere Gesellschaft ist: nicht sehenden Auges die weitere Entwicklung zu verfolgen und zusehen, wie junge Menschen zu Sozialhilfeempfängern von morgen werden.

Eine Ausbildungsoffensive für Sachsen, wie wir sie heute mit unserem Antrag diskutieren, kann nur auf der Basis vieler regionaler und überregionaler Initiativen zum Erfolg führen.

Wenn ich dabei nur an meinen Wahlkreis denke, so gibt es dort bereits eine Vielzahl von Aktivitäten, die sich zum Ziel gesetzt haben, Ausbildungsplätze zu akquirieren, zu fordern und zu fördern.

Was ich auch feststellen konnte, ist, dass es in allen Landesteilen diese Aktivitäten gibt, und das ist gut so. Ich glaube, es ist auch einmal angebracht, all denen zu danken, die mit ihrem Einsatz, mit ihren Ideen, mit viel Kreativität und der dazu notwendigen Beharrlichkeit in die Offensive für mehr Ausbildungsstellen gegangen sind.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das Prinzip unseres Beschäftigungssystems ist nicht, wie so oft behauptet wird, die Überalterung von Belegschaften, sondern eher deren „Unterjüngung“. Junge Menschen zu qualifizieren und in der Region zu halten wird damit zu einer zentralen Herausforderung der Wirtschaft und der bildungspolitischen Akteure einer jeden Region.

Deutlich wird auch: In den nächsten Jahren wird man mehr für die Berufswahl tun und natürlich auch in der Qualifizierungspolitik mehr Schwerpunkte setzen müssen. Die Optimierung – gerade bei den Übergängen von der Schule zur Ausbildung, von der Ausbildung in den Beruf und natürlich dann auch bei der Begleitung für den betrieblichen Einsatz – setzt voraus, dass wir alles dafür tun, dass eine bessere Kommunikation zwischen den jeweiligen Akteuren gefördert wird.

Die jungen Menschen brauchen realistische Erwartungen und interessante Perspektiven in den Regionen. Sie müssen in der Lage sein, ihre persönlichen Ambitionen und Fähigkeiten mit den Entwicklungschancen in der Region in Verbindung zu bringen.

Allerdings wird vonseiten der Schulen, der Elternhäuser und der Wirtschaft meiner Ansicht nach zu wenig getan, um die Jugend auf zukünftige Chancen hinzuweisen.

(Zuruf der Abg. Caren Lay, PDS)

Unternehmen müssen vor allen Dingen ihre Geschichte und ihre Erfolge stärker in die Schulen tragen. Ich glaube, Lehrer sollten sich vor Ort einen Eindruck von den heutigen Anforderungen in Beruf und Beschäftigung verschaffen.

(Beifall der Abg. Rita Henke, CDU, und Marko Schiemann, CDU)

Die Politik muss signalisieren, dass sie mittelfristig sogar wieder gute Beschäftigungsmöglichkeiten sieht. Gelingt es nicht, gerade die gut ausgebildeten, engagierten Jugendlichen zu halten und ihnen Perspektiven in der Region zu eröffnen, bleiben am Ende überdurchschnittlich häufig diejenigen am Heimatort, die auf dem westdeutschen Arbeitsmarkt keine Chancen haben. Dann droht ein weiterer Arbeitsplatzverlust in der Region, weil die kreativen Kräfte fehlen, die eigentlich mit ihrer Kreativität Arbeitsplätze und damit letztendlich Beschäftigung schaffen.

(Caren Lay, PDS: Das ist längst so!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kennzeichnend für die Jugendlichen ist eine relativ optimistische Grundstimmung. 54,7 % schauen mit Zuversicht in die eigene Zukunft, 36,6 % drücken sich jedoch verhaltener aus. Sie fürchten sich davor, eigene Vorstellungen nicht realisieren zu können – ein für mich wichtiger Aspekt, den man bei allen Initiativen, die wir einleiten und umsetzen, beachten sollte.

Alle Initiativen sind jedoch bei den notwendigen Finanzen, die dazu erforderlich sind, nutzlos, wenn wir nicht dafür sorgen, dass die unterbreiteten Angebote auch die entsprechenden Adressaten erreichen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir dort noch erhebliche Reserven haben. Getan wird sehr viel, aber ist es auch das Richtige? Sind die Unternehmen wirklich sensibilisiert, frühzeitig dafür zu sorgen, dass ihr Unternehmen eine Zukunft hat? Haben wir den Schülern die Möglichkeit gegeben, sich frühzeitig für ihr späteres Berufsleben zu interessieren und zu orientieren? Bezugspersonen spielen dabei immer eine sehr wichtige Rolle. Hauptansprechpartner sind nun einmal die Eltern, Freunde und die Berufsberater.

Letztendlich stellt sich die Frage nach dem Engagement der Wirtschaft. Das mangelnde Interesse des potenziellen Nachwuchses an einer Tätigkeit in der Industrie hat sicher viel mit fehlenden Kenntnissen über die aktuellen Tätigkeitsprofile in gewerblich-technischen Berufen zu tun. Dazu kommen aber auch die häufig negativen Erfahrungen der älteren Generation und die nicht immer positiv geschilderten Arbeits- und Entlohnungsbedingungen der gegenwärtig im verarbeitenden Gewerbe Beschäftigten.

Aufgrund des häufig fehlenden Kontakts zwischen Schule und Wirtschaft sind die Kenntnisse über regionale Unternehmen bei vielen Schülern sehr mangelhaft. Auch die beruflichen Möglichkeiten auf dem industriellen Sektor sind vielen Jugendlichen unklar. Das wenige Wissen beschränkt sich auf eine Hand voll gewerblichtechnischer Berufe, die bei den wenigsten wirkliches Interesse wecken.

Daran schließt sich für mich die Frage an Sie alle an: Kennen Sie in Ihrer Region ansässige Unternehmen, deren Produkte und die dazu erforderlichen Berufsfelder?

Es wäre mehr als fatal, wenn Sie nur nach dem Prinzip handeln würden: Wir tun alles, damit jeder werden kann, was er will, auch wenn er nicht will. Ich will damit sagen, dass es uns nicht um das Abarbeiten einer

Statistik gehen sollte, sondern um die Chance, eine Region mit ihren Potenzialen voranzubringen.

Wenn wir etwas erreichen wollen, dann müssen wir dafür sorgen, dass man über Möglichkeiten und Perspektiven, über interessante Berufe und lohnendes Engagement in Unternehmen aufklärt. Deshalb kann ich es nur begrüßen, wenn die Staatsregierung mit dem Landesergänzungsprogramm mindestens 2 000 zusätzliche betriebliche Stellen fördert. Von den Unternehmen erwarte ich eine konkrete Zahl zusätzlicher Ausbildungsplätze.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das duale Ausbildungssystem muss wieder verstärkt in den Fokus rücken. Zukunft fängt zu Hause an! Lassen Sie uns gemeinsam dafür Sorge tragen, dass sächsische Facharbeiter nicht nur ein Exportschlager sind, sondern ein Wert, den es zu festigen und zu entwickeln gilt.

Die Regionen brauchen die Jugendlichen. Sie müssen es aber auch wissen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Dr. André Hahn, PDS: Das war keine Erleuchtung!)

Gibt es aus den Fraktionen weiteren Redebedarf? – Für die Staatsregierung spricht Herr Staatsminister Jurk, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Eine Investition in Wissen bringt immer noch die besten Zinsen“, hat Benjamin Franklin einmal gesagt.

(Dr. André Hahn, PDS: Deshalb kürzen wir bei der Bildung!)

Diese Aussage gilt heute angesichts steigender Anforderungen im Berufsleben umso mehr. Unser Ziel muss es deshalb sein, möglichst allen ausbildungswilligen und ausbildungsfähigen jungen Menschen eine Chance in Sachsen zu bieten.

Die Ausbildung der jungen Menschen ist eine Investition in die Zukunft. Das gilt für die Jugendlichen und die Wirtschaft gleichermaßen.

Will man die Lage am Ausbildungsmarkt realistisch einschätzen, stellt man fest, dass die monatlichen Zahlen der Arbeitsagenturen unsicherer geworden sind. Die Zahlen der unvermittelten Jugendlichen in den Argen und den optierenden Kommunen sind noch unklar. Die Datenübertragung ist leider noch mangelhaft. Immer weniger Unternehmen melden offene Stellen freiwillig bei der Arbeitsverwaltung. Sie wählen sich ihre Lehrlinge direkt aus.

Wir wissen deshalb von Jahr zu Jahr später, wie viele Lehrstellen die Unternehmen tatsächlich anbieten. Ungeachtet dieser Unklarheiten rechnen wir im Jahr 2005 mit 56 500 Lehrstellenbewerbern, davon mindestens 46 % Altbewerbern. Gegenüber dem Vorjahr sind das zwar 4 000 Bewerber weniger, diese Zahl wird aber möglicherweise durch noch nicht in die Statistik eingeflossene Bewerber und eine weiter steigende Zahl von Altbewerbern noch auf das Vorjahresniveau anwachsen.

Zum Stand 31. Mai sind 13 291 Lehrstellen gemeldet. Das sind 1 465 weniger als im Vorjahr. Wir rechnen aber damit, dass zum Jahresende wieder zirka 22 000 betriebliche Lehrstellen erreicht werden. Die rechnerische Lücke der Bewerberstatistik der Arbeitsagenturen betrug 32 673 fehlende Lehrstellen. Das ist mit Stand 31. Mai 2005 etwa die gleiche Zahl wie im Vorjahr.

Trotz der schwierigen Lage am Arbeitsmarkt wird die Gesamtbilanz dieses Jahr voraussichtlich ähnlich ausfallen wie in den vergangenen Jahren. Am Jahresende wird keine Lücke bleiben. Jeder erhält eine Chance. Dazu müssen alle verantwortlichen Akteure ihren Beitrag leisten. Die sächsische Wirtschaft hat sich dazu bekannt, auch in diesem Jahr wieder alles zu tun, um die gleiche Zahl an Ausbildungsstellen wie im Vorjahr zu erreichen.

Das Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit wird zirka 4 000 außerbetriebliche Lehrstellen finanzieren und wir werden versuchen, dieses Angebot noch aufzustocken. Die Arbeitsämter finanzieren über 5 000 Berufsausbildungsstellen für Benachteiligte. Das Kultusministerium stellt einschließlich der Schulen in freier Trägerschaft über 17 000 Ausbildungsplätze an Berufsfachschulen zur Verfügung. Schwerpunkt sind hier die Gesundheitsberufe.

Dazu kommen 5 000 Plätze im Berufsgrundbildungsjahr in Berufsschulen und über 10 000 Plätze für berufsvorbereitende Maßnahmen. Dieses Angebot ist speziell für Jugendliche ohne ausreichenden Schulabschluss.

Es gibt über 5 500 studienqualifizierende Ausbildungsgänge an beruflichen Gymnasien und Fachoberschulen.

Die sächsische Wirtschaft will wieder Plätze zur Einstiegsqualifizierung anbieten. Diese wurden im letzten Jahr nur zur Hälfte in Anspruch genommen, obwohl uns Teilnehmer und Ausbilder überwiegend positive Erfahrungen gemeldet haben. Der besondere Vorteil ist, dass diese Angebote bis Januar zur Verfügung stehen und auch Ausbildungsabbrechern sofort einen neuen Einstieg ermöglichen.

Der Freistaat Sachsen selbst wird wie in den vergangenen Jahren über Bedarf ausbilden. Im Bereich des Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit werden 60 Jugendliche im Herbst eine Ausbildung beginnen. Ich habe mich persönlich dafür eingesetzt, dass sowohl das Autobahnamt Sachsen als auch einige Straßenbauämter die Zahl der Lehrstellen kurzfristig aufstocken. Nach zwei Jahren Abstinenz wird auch das Staatsministerium selbst wieder vier Lehrlinge ausbilden. Damit stehen in meinem eigenen Verantwortungsbereich insgesamt 17 Ausbildungsplätze mehr zur Verfügung als im vergangenen Jahr.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben versucht, unsere Angebote stärker auf die Problematik des steigenden Anteils von Altbewerbern und auf die ungenügende Ausbildungssituation in den weniger entwickelten Gebieten Sachsens auszurichten. Wir werden deshalb versuchen, das Angebot an Ausbildungen mit Kammerabschluss massiv zu verstärken. Die Gemeinschaftsinitiative Sachsen (GISA), die sächsische, besonders betriebsnahe Variante des Bund-Länder-Ausbil

dungsplatzprogramms Ost, hat in der Evaluation beachtliche Erfolge aufzuweisen. Diesen Effekt wollen wir verstärken.

Wir sind dem Bund dankbar dafür, dass er auch in diesem Jahr wieder 3 020 Plätze in Sachsen anteilig finanziert und das auch für das kommende Jahr zugesagt hat. Wir selbst wollen das durch ein Landesergänzungsprogramm mit mindestens 1 000 Plätzen, maximal bis zu 2 000 Plätzen aufstocken, nachdem wir im vorigen Jahr mit 100 Plätzen einen erfolgreichen Versuch gestartet haben. Wir wollen bis zu 1 300 Absolventen mit vollzeitschulisch erworbenen Berufsabschlüssen die Chance geben, mit einer Umschulung einen stärker praxisorientierten Abschluss zu erreichen. Wir werden in diesem Jahr 20 % der gesamten Angebote bis Anfang Oktober zur Verfügung haben, um diese Angebote dann gezielt in die Regionen mit besonders unbefriedigenden Lehrstellenangeboten lenken zu können.

Beim Berufsgrundbildungsjahr werden wir Warteschleifen abbauen und die Bildungseffizienz deutlich verbessern, und zwar zum einen dadurch, dass wir versuchen, Absolventen des BGJ in die GISA zu übernehmen und dort die Ausbildungszeiten anzurechnen, und zum anderen durch Förderung der Anrechnung des Berufsgrundbildungsjahres bei gewerblichen Unternehmen und des Weiteren durch ein Pilotprojekt eines so genannten kooperativen BGJ mit 300 Plätzen, in dem erhebliche außerbetriebliche Ausbildungsphasen und Betriebspraktika vorgesehen sind. Unternehmen können auf diese Praktikanten unter der Voraussetzung zurückgreifen, dass sie einen Vorvertrag zur Übernahme in das zweite Ausbildungsjahr abschließen.

(Beifall bei der CDU)

Mit diesen Angeboten verfolgen wir die Absicht, die Zahl der Altbewerber deutlich abzubauen. Das könnte uns besonders dann gelingen, wenn wir auch im nächsten Jahr noch einmal eine solche Kraftanstrengung unternehmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Kabinett hat vorgestern die neuen Richtlinien zur Förderung der beruflichen Erstausbildung beschlossen. Sie werden Anfang Juli in Kraft treten. Damit sind wir zeitlich im Plan.

Die Förderung von Ausbildungsverbünden und Zusatzqualifikationen wird auch zukünftig als Schwerpunkt der Förderung weitergeführt. Hier ändern sich lediglich einige Details im Verwaltungsverfahren. Für die ersten Lehrgänge der Verbundförderung mit Beginn im September bleibt dann immer noch der gesamte Monat August für Antragstellung und Bewilligung. Antragsteller können darüber hinaus einen vorzeitigen Maßnahmebeginn bei der SAB beantragen.

Aufgrund einer Empfehlung des Kollegiums Lehrstellen und Fachkräfte Sachsen vom 24. Januar 2005 wird die Sächsische Staatsregierung künftig folgende neue Schwerpunkte in der Erstausbildung fördern: Unterstützung von Ausbildungsabschnitten im Ausland zur Erreichung der zunehmend geforderten internationalen Kompetenz, externes Ausbildungsmanagement für erstmals ausbildende kleine Unternehmen, Übernahme von Absolventen des schulischen Grundbildungsjahres in das

zweite Ausbildungsjahr einer betrieblichen Ausbildung, die Förderung der Übernahme von Absolventen des Berufsvorbereitungsjahres sowie gleichwertiger Maßnahmen in die betriebliche Ausbildung, Förderung der beruflichen Erstausbildung junger Mütter und Väter bis 25 Jahre in KMUs.