Protocol of the Session on November 10, 2004

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Von meinem Fraktionsvorsitzenden immer.

Herr Dr. Hähle, bitte.

Frau Nicolaus, würde es Ihnen helfen, wenn ich den entsprechenden Passus

(Kerstin Nicolaus, CDU: Gerne, den habe ich nicht zur Hand, das ist hilfreich.)

aus dem Koalitionsvertrag vortrage? Da steht: „Deshalb werden Zugangskriterien, die Kinder von diesem Bildungs- und Erziehungsangebot ausschließen, abgelehnt.“ Ein kleiner Nebensatz ist da schon dabei. Wenn jemand sechs Stunden statt neun Stunden betreut wird, dann ist er von diesem Bildungs- und Erziehungsangebot nicht ausgeschlossen.

Gut. Das war jetzt etwas mehr als eine Zwischenfrage.

Ich würde jetzt gerne das Thema abschließen. Herr Porsch, ich möchte noch etwas zu dem sagen, was Ihr Kollege aus der Fraktion gesagt hat: dass die Ministerin nichts getan habe bzw. – das sage ich einmal von uns aus – kein Impuls von ihr ausging, was die Zugangskriterien oder die Betreuung betrifft. Es gibt ein Kita-Konsenspapier, das wir auch im Landesjugendhilfeausschuss behandelt haben. Darin ist explizit festgehalten, dass die Kinder, unabhängig von ihrem sozialen Status, betreut werden sollen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Sollen!)

Ja, sollen. Das haben wir noch einmal fundamentiert. Ich denke, das ist ein guter Schritt.

(Dr. Cornelia Ernst, PDS: Das ist doch nicht aufgegangen, Frau Nicolaus!)

Deswegen haben wir es ja noch einmal fundamentiert. Ich bin meinem Fraktionsvorsitzenden dankbar, dass er das hier noch einmal vorgebracht hat.

Jetzt kommen wir zu der familienpolitischen Komponente.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

– Ich denke, jetzt reicht es erst einmal zu dem Thema. Wir werden ja – das ist auch ungewöhnlich – nicht bei der 1. Lesung hängen bleiben, weil bei der 1. Lesung normalerweise keine offene Diskussion in diesem Hohen Hause stattfindet. Das ist für die neuen Mitglieder auch ein Erkenntniszuwachs. Normalerweise wird erst bei der 2. oder gegebenenfalls 3. Lesung hier offen diskutiert,

weil dann Anhörungen in den Ausschüssen stattgefunden haben, zu denen sich Sachverständige positioniert haben. Das ist ganz wichtig.

Ich war stehen geblieben bei der familienpolitischen Komponente. Sie erscheint mir besonders wichtig, weil ja – unabhängig von dem Bildungs- und Erziehungsauftrag – die Einrichtungen und damit die Träger der Jugendhilfe natürlich die Aufgabe haben, die Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf herzustellen. Das ist uns in Sachsen flächendeckend gelungen und das ist eine große Errungenschaft, auf die wir verweisen können, die wir aber selbstverständlich halten und ausbauen möchten.

Auch andere neue Bundesländer – aber ich denke, dazu wird Frau Dr. Schwarz dann noch etwas ausführen – halten das eine oder andere vor. Aber wie es umgesetzt wird und wie es in den Gesetzen fundamentiert ist, ist eine ganz andere Frage.

Ich meine, an der Stelle muss man auch fragen und darauf verweisen, wie denn unsere Betreuungsquoten aussehen. Das hatten Sie, Herr Neubert, in Ihrem Beitrag einleitend angesprochen. Ich will es hier dem Hohen Haus noch einmal unterbreiten: Bei den Krippen können wir auf eine Betreuungsquote von 38,4 % verweisen. In den Kindergärten haben wir 101,9 % erreicht. Es handelt sich hier nicht um mehr Kinder, sondern es sind ein paar Rücksteller dabei. Wir haben dort also durchweg die Betreuung, die wir uns wünschen – gerade in dem Lebensalter, in dem es für die Kinder so wichtig ist. Die dritte Betreuungsart, die dieses Gesetz umfasst, ist der Hort. Dort können wir auf 57,4 % Betreuungsgrad verweisen.

An dieser Stelle möchte ich mich auch bei den Trägern der Jugendhilfe und bei allen freien Trägern bedanken, die diese Aufgabe für die Träger der örtlichen Jugendhilfe wahrnehmen, also für die Landkreise oder Kreisfreien Städte, die das aus meiner Sicht vorbildlich organisieren und umsetzen.

(Widerspruch bei der PDS)

Lassen Sie mich ein Wort dazu sagen, wie Elternbeiträge gehandhabt werden. Das hatte ich in Ihren Eingangsbemerkungen, Herr Neubert, vermisst. Man muss auch eine Vorstellung davon haben, was es die Eltern letztendlich kostet. Hierzu muss man sagen, wir haben eine Drittelfinanzierung: Ein Drittel kommt vom Land mit der Betreuungspauschale, die jetzt bei 1 664 Euro liegt. Sie wird ab 2005 auf 1 800 Euro steigen. Ein weiteres Drittel ist der kommunale Anteil, das letzte Drittel der Elternbeitrag.

Für die Krippe sind es im Freistaat Sachsen 147 Euro, während in Mecklenburg-Vorpommern der Elternbeitrag 209 Euro beträgt. Das ist ein erheblicher Unterschied.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Sehen Sie! Und Sie machen eine Koalition mit der SPD!)

Im Kindergarten sind es bei uns 90 Euro, in Meck-Pom 108 Euro. Im Hortbereich sind es bei uns 51 Euro, in Mecklenburg-Vorpommern 63 Euro. Dort ist der Unterschied nicht so krass, aber in der Krippenbetreuung ist er, wie ich meine, schon sehr merklich.

Da hat sich eines für uns bezahlt gemacht – nicht bezahlt im finanziellen Sinne, sondern in dem Sinne, dass Betreuung möglich ist und umgesetzt werden kann –: dass wir die Pauschale eingeführt haben. Sie lässt sich leicht handhaben. Vieles stand unter Kritik, aber ich denke, diese Kritik ist inzwischen weggewischt, weil sich nämlich die Betreuungspauschale letztendlich ausgleicht. Wir haben nicht differenziert zwischen Krippe, Kindergarten und Hort, sondern wir haben gesagt: Pro betreutem Kind gibt es eine Pauschale. Es gleicht sich unter den Betreuungsarten aus. Darüber hinaus entsteht ein erheblich geringerer Verwaltungsaufwand – das, was wir eigentlich immer wollten.

Deshalb können wir mit Stolz darauf verweisen, dass dies auch so weitergeführt werden kann. Darum werden uns, denke ich, andere beneiden.

Hier sei auch darauf hingewiesen, dass wir in den letzten Jahren ein Investitionsprogramm aufgelegt hatten, was jetzt wieder aufgefrischt werden wird, so dass es möglich sein wird, neue Plätze zu schaffen. Ich denke, das ist von den Kommunen auch dementsprechend dankbar aufgenommen worden angesichts der steigenden Betreuungszahlen infolge steigender Kinderzahlen.

Ich will es an dieser Stelle mit Zahlen untersetzen. Vor der Wende hatten wir jährlich 52 000 Geburten. Das ist im Jahre 1993 auf 25 000 Geburten abgesackt. Jetzt hat es sich stabilisiert bei etwa 32 000 Geburten, so dass wir wieder einen Anstieg haben. Das wird sich einpendeln, so dass neue Plätze gebraucht werden – das ist gar keine Frage. Dementsprechend haben wir reagiert auf die jetzt eingetretenen Verhältnisse.

Das macht es letztendlich aus, nicht, indem wir sagen: Wir brauchen den Rechtsanspruch von null bis zehn Jahren! In Sachsen-Anhalt zum Beispiel hat man den Rechtsanspruch für die Krippenkinder erhöht. Wir haben – wie Sie, Herr Neubert, es richtig anführten – den Rechtsanspruch von drei bis sechs Jahren; von null bis drei Jahren ist kein Rechtsanspruch vorhanden. In Sachsen-Anhalt hat man das im Gesetz festgelegt. Aber deswegen kommen nicht mehr Kinder. Es werden also nicht mehr Kinder betreut. Das können Sie gern nachlesen bzw. statistisch noch einmal erfassen lassen.

(Unruhe bei der PDS)

Aber mit dem Rechtsanspruch würden wir die Kommunen verpflichten, Plätze vorzuhalten, die dann vielleicht gar nicht besetzt werden. Das kann man letzten Endes auch der kommunalen Ebene aus meiner Sicht so nicht zumuten. Das ist der entscheidende Knackpunkt, über den wir hier zu beraten haben. Natürlich werden wir das in einer fairen Debatte hier auch noch einmal im Hohen Haus tun, nachdem es in den Ausschüssen gemeinsam mit Sachverständigen beraten und entsprechend argumentativ abgeklopft worden ist.

In diesem Sinne habe ich auch in Bezug auf die vor uns liegende Diskussion Freude daran, dass man sich in einer guten Argumentationsstrecke darüber austauschen wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Die SPD-Fraktion; Frau Dr. Schwarz, bitte.

Frau Präsidenten! Meine Damen und Herren! Nachdem nun der Koalitionsvertrag vorliegt, sind wir, denke ich, in der Zielsetzung gar nicht so weit entfernt. Sie können uns eigentlich nicht genug loben.

(Zurufe von der PDS: Na, na!)

Stichworte sind: Zugangskriterien, Erhöhung der Landespauschale, Weiterbildung der Erzieherinnen, Investitionen, Vorschuljahr, Familienbildung, Bildungsplan. Ich denke, das sind alles gute Ergebnisse.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

So wie wir, hat sich der Gesetzgeber auf Bundesebene dieses Ziel, Rechtsanspruch anzustreben, nicht aus dem Auge verloren, wenn Sie sich die letzten Diskussionen zum Tagesbetreuungsgesetz vergegenwärtigen. Dabei müssen wir aber alle Bundesländer mitnehmen, und es ist wohl auch unser Anliegen, dass alle Kinder gleiche Startchancen bekommen.

Wir in Sachsen wollen diese Startchancen weiter verbessern, indem wir den Schwerpunkt ganz klar auf Bildung legen. Das werden wir auch in einem Gesetz regeln, und dann können wir darüber diskutieren.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage? – Herr Neubert, bitte.

Frau Dr. Schwarz, mich haben die Worte von Frau Nicolaus etwas verwirrt. Deshalb möchte ich einfach eine Frage an Sie richten: Verstehe ich Sie richtig, dass Sie das Verbot von Zugangsbeschränkungen auf Landesebene gesetzlich regeln wollen, das heißt, diese verbieten wollen?

Kollege Neubert, wir reden jetzt nicht über Sinn oder Unsinn dieser Formulierung der Zugangskriterien, sondern wir reden über die Grundsätze Ihres Gesetzentwurfs.

(Widerspruch bei der PDS)

Lassen Sie mich nur ausreden! Zu Koalitionsverhandlungen gehört natürlich auch, dass Kompromisse gemacht werden; das wissen Ihre Kolleginnen und Kollegen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern ganz genau. Ich komme nachher darauf zurück.

(Beifall bei der SPD)

Selbstverständlich werden wir als SPD uns auch weiterhin für das Ziel eines Rechtsanspruches einsetzen. Wir haben ja unsere Programmatik deswegen nicht aufgegeben. Aber wir haben auf dieser Grundlage genau das erreicht, was jetzt im Koalitionsvertrag steht, und es ist auch finanziell untersetzt.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)