Mit Wasserwerfern auf Kollegen zugefahren, sagt Lucassen – bitte schön, dann streiten Sie sich mit Ihrem Parteikollegen –, auf den Teil des Augustusplatzes, wo die DGB-Kundgebung stattgefunden hat. Park hinter dem Gewandhaus. Lucassen-Beobachtung: Reiterstaffel reitet hinter völlig friedlichen Bürgern her, darunter Bürger, die einfach an diesem Tag – herrliches Wetter, 1. Mai – mit Kind und Kegel unterwegs waren und dort hineingeraten sind.
Es ist manchmal gefährlich, wo Sie spazieren gehen. Dann spricht Lucassen weiter von der Hohen Straße, Münzstraße. Dort, sagt er, zünden fünf, sechs, sieben, acht Chaoten – da meint er jetzt linke Chaoten – eine Tonne bzw. einen Müllbehälter an.
Dann, sagt Lucassen, gehe ich zum Volkshaus. Kollegen sagen: Komm, Hanjo, setz dich her, hier machen wir noch unseren 1. Mai. – Jetzt kommt die Polizei und räumt die Leute am Volkshaus weg. Wir haben die Bilder gesehen, wie Lucassen weggeräumt worden ist. Dort war die Worch-Demo tatsächlich über einen Kilometer entfernt.
Nun sagen Sie mir einen einzigen Grund, Herr Müller, der in der Reichweite des Verhältnismäßigkeitsprinzips, des Übermaßverbots und anderer Rechtsstaatsprinzipien gerechtfertigt hat, dort gewalttätig vorzugehen.
Wenn das Konzept „null Toleranz“ heißt – ich will nicht unterstellen, dass man es so verstehen muss, dass Sie generell dieses Konzept haben wollen –, dann, Herr Staatsminister de Maizière, müssten Sie sich in die USA versetzen lassen. Hier gibt es nämlich einen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der zu den unabdingbaren Rechtsstaatsprinzipien gehört. Wenn Sie fordern, dass in Zukunft – meinethalben gegen gewaltbereite Demonstranten – mit null Toleranz vorgegangen wird, sage ich Ihnen, ist das de facto die Anstiftung zur Körperverletzung im Amt. Denn Sie haben in jedem Fall nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip zu handeln.
Ich möchte dazu noch einen letzten Satz sagen. Es ist letzten Endes mit Sicherheit verknappt, wenn das reduziert wird auf die Debatte über den Polizeieinsatz. Das ist ein Feld, was offensichtlich in diesem Landtag mit mehr Sensibilität angegangen werden muss, etwa so, wie es Kollege Külow aus meiner Sicht getan hat. Ich meine, dazu sollten wir uns öffnen. Damit meine ich die Fraktionen, die links von der beginnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte versuchen, auf einiges einzugehen. Frau Ernst, Ihre Antifa-Klausel wird uns in dieser Frage nichts helfen, weil es in der Auslegung höchstens etwas in die von Ihnen gewünschte Richtung eines Verbots geht, aber trotzdem das Demonstrationsgrundrecht – ich sage dazu an dieser Stelle: das ist gut so – nicht aushebeln wird und auch nicht aushebeln sollte.
Mir ist es nur wichtig, das hier auch klarzustellen, damit Sie diesbezüglich keine falschen Hoffnungen erwecken. Ich habe durchaus den Eindruck, dass Sie durch das Land rennen und sagen: Wir machen eine AntifaKlausel in die Verfassung und damit bekommen wir die ganzen Probleme weg.
Bei allem Verständnis dafür, ich glaube nicht, dass das der Schwerpunkt unserer Auseinandersetzung mit den Neonazis hier sein sollte. Aber ich möchte weitergehen.
Sie haben vorhin ein Zitat von mir mit Lachen oder Ungläubigkeit übergangen. Ich möchte Ihnen noch einmal eins vorlesen aus einem Leserbrief an die „LVZ“ vom vergangenen Wochenende. Zitat: „Die Gewaltbereitschaft der Polizei ist immens hoch und eine Bedrohung für die Bürger dieser Stadt.“ Da nützt es uns nichts, wenn Sie sich hinstellen, Herr Bandmann; Herr Seidel hat es gerade wieder getan: Es ist alles wunderbar gewesen, es ist alles rechtmäßig. Ende. Klappe zu, Affe tot. Wir brauchen nicht weiter zu diskutieren.
Die Bürgerinnen und Bürger von Leipzig haben diesen Einsatz anders verstanden und anders erlebt. Damit haben Sie ein politisches Problem.
Darum geht es doch. Wollen Sie denn tatsächlich darauf beharren und sagen: Es ist uns egal, wie die demokratische Polizei handelt. Die Polizei muss sich in ihrem Handeln dem normalen Bürger auf der Straße verständlich machen, der sein demokratisches Grundrecht auf Versammlung und Demonstration wahrnimmt, und das gerade in einer Frage, bei der wir sie alle zu Recht auffordern: Demonstriert gegen die Neonazis! Zeigt Gesicht! Zeigt Courage!
Sie haben ein Problem. Herr Seidel, Ihr Beitrag heute, war wirklich unerträglich. Er ist in keiner Weise diesem Problem angemessen.
Erstens – und Frau Weihnert, das verstehe ich auch unter Sachlichkeit, die ich für mich und meine Fraktion sehr wohl in Anspruch nehme –: Wir arbeiten den Polizeieinsatz auf. Wir nehmen die Kritik ernst und weisen sie nicht in ritueller Weise, wie das Herr Seidel hier getan hat, zurück.
Zweitens: Die Polizei wird nicht wieder überhart und für die Bürger unverständlich gegen friedliche Demonstranten vorgehen.
Drittens, das Allerwichtigste: Wir wollen, dass die Bürger auch in Zukunft ohne Angst demonstrieren gehen. Das ist doch der Kern dieser Debatte. Die Bürgerinnen und Bürger wissen doch nicht, sollen sie sich weiter auf die Straße trauen, wenn Herr Worch mit seinen Konsorten durch die Stadt rennt. Das ist doch genau der politische Punkt, den wir hier zu klären haben.
Herr Innenminister, ich fordere Sie auf, Ihrer demokratischen Pflicht gerecht zu werden. Sie haben im Innenausschuss angekündigt, sich in Leipzig einer Diskussion zu stellen. Ich begrüße das, tun Sie das auch.
Ich kündige an, dass wir im Innenausschuss verlangen werden, dass uns sowohl die Videoaufnahmen der Polizei wie auch die Einsatzprotokolle der Polizei zugänglich gemacht werden. Hier wurde schon oft gesagt, wir haben an den verschiedensten Stellen verschiedenen Aufklärungsbedarf.
Dem sind wir verpflichtet nachzukommen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, die auch in Zukunft demonstrieren sollen. Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist viel gesagt worden. Wir haben im Innenausschuss lange darüber geredet. Lassen Sie mich kurz den Sachverhalt nüchtern aus meiner Sicht schildern und dann ein paar bewertende Bemerkungen machen. Der Rechtsextremist Worch meldete für den 1. Mai 2005 bei der Stadt Leipzig einen Aufzug mit Kundgebung in der Zeit zwischen 12:00 und 20:00 Uhr an. Zur Aufzugstrecke erließ die Versammlungsbehörde, nämlich die Stadt Leipzig, einen Auflagenbescheid mit einer geänderten Aufzugstrecke. Dagegen eingelegte Rechtsbehelfe des Herrn Worch hatten Erfolg, so dass er die gewünschte Aufzugstrecke am Augustusplatz vorbei – darauf komme ich gleich – in den Stadtteil Leipzig-Connewitz und wieder zurück erreichte. In Leipzig fanden – nicht nur am Vorabend, sondern am gleichen Tag – viele weitere Versammlungen statt, zum Teil mit Aufzug und Kundgebung, die ebenfalls mit polizeilichen Einsatzmaßnahmen geschützt werden mussten.
Um 15:18 Uhr setzte sich der Aufzug des Herrn Worch mit 826 Teilnehmern in Richtung Innenstadt in Bewegung, ohne vorherige Zustimmung der Versammlungsbehörde. Davon war schon die Rede. Doch bereits dort gab es Gegenaktionen.
Insgesamt hatten wir in der Stadt zirka 2 000 gewalttätige Störer, überwiegend aus dem linksautonomen Bereich anderer Bundesländer, wie zum Beispiel aus dem gewaltbereiten Berlin. Darauf komme ich gleich noch.
Das nehme ich gern zurück. – Gewalttätige und gewaltbereite Störer aus Berlin. Vielen Dank für die Kor