Protocol of the Session on May 20, 2005

Wir haben – auch ich von diesem Pult aus – mehrfach immer wieder gefordert und unterstützt, dass denjenigen, denen zu DDR-Zeiten Unrecht zugefügt wurde, eine angemessene Entschädigung – Pension, Rente, wie Sie es wollen – zusteht.

(Beifall bei der PDS – Prof. Dr. Peter Porsch: So ist es! – Dr. Fritz Hähle, CDU: Aus SED-Vermögen!)

Aber das ist etwas anderes, als das in das gültige Rentenrecht, wie ich es hier dargestellt habe, einzugliedern. Das funktioniert so nicht.

Genau deshalb, meinen wir, sollte sich die Staatsregierung – auch das dürfte am nächsten Dienstag in der Kabinettssitzung möglicherweise eine Rolle spielen – noch einmal überlegen – wir haben Ihnen in unserem Antrag kein Abstimmungsverhalten vorgeschlagen –, wie wir verhindern können, dass dieses Gesetz erneut vor

dem Bundesverfassungsgericht landet. Das wäre dann das dritte Mal. Den Ausgang kann ich Ihnen jetzt schon sagen; denn ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das Bundesverfassungsgericht bei der dritten Entscheidung in derselben Angelegenheit anders verhalten würde. Das sollten wir vermeiden, auch im Interesse aller Beteiligten.

(Beifall bei der PDS)

Danke schön. – Wer spricht für die CDU-Fraktion? – Prof. Dr. Schneider.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der PDS-Fraktion ist heute Morgen vom Hohen Haus für dringlich befunden worden. In der Tat ist er dringlich. Es ist außerordentlich dringlich darzutun, um welche Personenkreise es geht, denen sich die SED und die „nachgewendete“ PDS nach wie vor zuwenden. Ihr Antrag bezieht sich auf eine Einzelregelung im so genannten Rentenüberleitungsrecht. Es geht um die gesetzliche Behandlung solcher „Bestandsrentner“, die vor über 15 Jahren einem Sonder- oder Zusatzversorgungssystem angehört haben. Genauer gesagt – und Herr Pellmann, Sie haben dies hier wirklich verschwiegen –, geht es um Berufsgruppen, die dem SED-Unrechtsstaat in ganz besonderer Weise nahe gestanden haben.

(Beifall und Pfui-Rufe von der CDU)

Ich will einmal die folgenden Berufsgruppen nennen: Mitglieder oder Kandidaten des Politbüros der Sozialistischen Partei Deutschlands,

(Pfui-Rufe von der CDU)

Generalsekretär, Sekretär, Abteilungsleiter im ZK der SED, Vorsitzender des Staatsrats oder Staatsanwälte in den vom Ministerium für Staatssicherheit oder vom Amt für nationale Sicherheit durchgeführten Ermittlungsverfahren.

(Andreas Grapatin, CDU: Pfui!)

Um Personen, die in solchen Beschäftigungen standen, geht es. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss, den Sie eben genannt haben, einen kleinen Teil, um den es in Ihrem Antrag geht und der Gegenstand des Bundesgesetzgebungsverfahrens ist, in Teilen für unvereinbar mit dem Grundgesetz befunden. Damit darf allerdings nicht der irreführende Eindruck erweckt werden, dass mit dieser Entscheidung sozusagen das gesamte Rentenrecht für null und nichtig befunden würde, wie Sie das eben darlegen wollten.

Tatsache ist, dass die Systementscheidung, die der Bundesgesetzgeber auf der Grundlage des Einigungsvertrages, des Rentenangleichungsgesetzes der DDR und der nachfolgenden bundesgesetzlichen Regelungen gefunden hat, für verfassungsgemäß befunden worden ist. Ich nenne Ihnen nur einmal als Beispiel die vier Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 1999 (BVerVGE 100,1). Schauen Sie sich diese einmal an.

Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juni 2004 ist eine Frage zum System der

Rentenüberleitung, nach dem auch Ansprüche aus Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen in das Rentenrecht der gesetzlichen Rentenversicherung zu überführen sind. Bereits der Einigungsvertrag hat ausgeführt: „Es sind ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und es sind überhöhte Leistungen abzubauen.“ Weiteres Zitat: „Eine Besserstellung gegenüber vergleichbaren Ansprüchen und Anwartschaften aus anderen Versorgungssystemen darf nicht erfolgen.“ – Das sind Vorgaben des Einigungsvertrags.

Die bisherige Regelung, die Sie eben genannt haben, verstieß deshalb gegen das Grundgesetz – und darauf kommt es an –, da sie ausschließlich auf die Entgelthöhe abgestellt hatte. Das Stichwort lautete: unzulässige Gleichsetzung des höheren Einkommens mit politisch überhöhtem Einkommen. – Das war der Ansatz. Man darf also nicht aus der Tatsache einer bestimmten Einkommenshöhe auf die Systemnähe schließen. Wir halten dies, genau wie das Bundesverfassungsgericht es auch ausgeführt hat, in der verfassungsrechtlichen Bewertung für sachgerecht.

Aus der Entscheidung darf allerdings nicht gefolgert werden, dass jegliche Entgeltbegrenzung unzulässig sei. Das Gegenteil ist der Fall. Das Bundesverfassungsgericht hat in genau dieser Entscheidung vom 23. Juni 2004 ausgeführt: „Das Ziel des Gesetzgebers, Versorgungszusagen,“ und darum geht es jetzt, „denen keine entsprechende Leistung zugrunde lag und die politisch motiviert waren, die Anerkennung zu versagen, ist legitim.“

Die PDS will mit Ihrem Initiativantrag erreichen, dass die Staatsregierung über den Bundesrat auf eine Neuregelung hinwirkt. Sie wollen also eine Veränderung der beschlossenen Neuregelung erreichen. Wir werden Ihren Antrag aus verschiedenen Gründen ablehnen.

Erstens. Anders, als die PDS glauben machen will, ist die Neuregelung keineswegs verfassungswidrig.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Das werden wir sehen!)

Die im Deutschen Bundestag beschlossene Neuregelung – Sie werden dies wahrscheinlich schon noch sehen, Herr Porsch, da bin ich mir sicher –

(Zuruf von der PDS: Abwarten!)

stellt bei der Berechnung der Rentenansprüche der Betroffenen nicht mehr auf das Überschreiten einer Verdienstschwelle ab. Es kommt vielmehr darauf an, ob die Betroffenen beispielsweise eine – und jetzt kommt es – Weisungsbefugnis gegenüber dem Ministerium für Staatssicherheit innehatten. Damit ist das wesentliche Kriterium, das zur Verfassungswidrigkeit geführt hat, natürlich und offensichtlich beseitigt worden, und damit ist von einer Möglichkeit Gebrauch gemacht worden, die gerade auch im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen liegt. Dies ist die Botschaft, und nicht die irreführende Behauptung der PDS, Herr Dr. Pellmann.

Es mutet im Übrigen auch schon etwas merkwürdig an: Noch bevor das Gesetz in Kraft getreten ist, wollen Sie praktisch Ihre verfassungsrechtliche Sicht der Dinge abgeschlossen haben. Warten Sie einmal ab! Haben Sie sich

denn noch nicht einmal damit befasst, dass im Deutschen Bundestag bis heute keinerlei Beanstandung vorgetragen worden ist, auch nicht im Gesetzgebungsverfahren? Sie lassen im Grunde genommen jegliche verfassungsrechtliche Substanz vermissen.

(Beifall bei der CDU)

Der zweite Grund unserer Ablehnung liegt in den mit Ihrem Antrag verbundenen Auswirkungen. Die PDS will, dass sich die Staatsregierung noch einmal für eine Änderung des bereits beschlossenen Gesetzes einsetzt. Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen näher bringen, welche Folgen sich mit diesem Antrag verbinden. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss angeordnet, dass die Nichtigkeit der verfassungswidrigen Begrenzungsvorschriften eintritt, wenn der Gesetzgeber sie bis 30. Juni 2005, also in wenigen Wochen, nicht durch eine Neuregelung ersetzt.

Die Nichtigkeit der bisherigen Regelung hätte zur Folge, dass es auch für diejenigen Personen, die in der DDR gegenüber den Mitarbeitern der Staatssicherheit rechtlich oder faktisch weisungsbefugt gewesen sind, zu einem Wegfall der Entgeltbegrenzungen käme und damit zu weit überhöhten Rentenansprüchen als gegenwärtig beim normalen Volk. Gerade für diese Personen, die im MfS oder ANS beschäftigt waren, diesen beiden Institutionen angehört haben, gilt – von Verfassungs wegen zulässig – eine Entgeltbegrenzung. Wichtig ist: Wenn es bis zum 30. Juni 2005 – aus welchen Gründen auch immer – zu keiner Neuregelung kommt, dann tritt die Nichtigkeitswirkung ein. Sie, die PDS, zielen mit Ihrem Antrag auf Hinauszögern des bereits Beschlossenen. Die Folge wäre, das ist der wahre, offensichtliche Grund Ihres Antrags, dass Ihre Klientel erhebliche Nachzahlungen und Erhöhungen der laufenden Renten hätte. Sie betreiben nichts anderes als eine billige Klientelpolitik für Ihre eigenen SED-Kader.

(Beifall bei der CDU, der FDP, den GRÜNEN und der Abg. Elke Altmann, PDS)

Anders ausgedrückt: Mit Ihrer Unterschrift unter diesem Antrag dokumentieren Sie, dass Sie Ihre Klientel in die Nichtigkeitswirkung retten wollen. Sie wollen einmal mehr den Bock zum Gärtner machen. Ich sage Ihnen: Mit uns nicht!

(Beifall bei der CDU, der SPD und der NPD)

Drittens. Die Entgeltbegrenzungen werden Folgende betreffen: Zum Beispiel ehemalige Mitglieder oder Kandidaten des Politbüros, Generalsekretär, Sekretär oder Abteilungsleiter im ZK der SED, Vorsitzende des Nationalen Verteidigungsrates, Staatsanwälte, die für das MfS sowie das Amt für Nationale Sicherheit Ermittlungsverfahren durchgeführt haben, oder auch Staatsanwälte der Generalstaatsanwaltschaft der DDR – das sind die Personengruppen für die das Maß der Durchschnittsverdienste und damit der durchschnittlichen Rentenansprüche für die Zeit ihrer systemnahen Tätigkeit begrenzt werden.

(Beifall des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Meine Damen und Herren! Das ist die Gleichheit und das ist die soziale Gerechtigkeit, um die es hier in dieser Regelung geht

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

und nicht die Kaderpolitik, die Sie nach wie vor betreiben. Sie haben offensichtlich bis heute nichts, aber auch gar nichts dazugelernt.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der FDP)

Mit uns ist das nicht zu machen. Genau Ihre Klientel, Herr Prof. Porsch, hat zu DDR-Zeiten dem Volk Wasser gepredigt. Bis jetzt hat Ihre Klientel Wein getrunken. Diesen unsäglichen Zustand sozialer Ungerechtigkeit versuchen Sie ausweislich Ihres Antrags bis heute durchzuhalten. Herzlichen Glückwunsch, dass Sie diesen Versuch so öffentlich machen. Ich könnte auch sagen: Prost Mahlzeit!

(Widerspruch des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Ich fasse zusammen: Jeder Versuch, meine Damen und Herren, am bereits beschlossenen Gesetz Änderungen herbeizuführen, führt dazu, dass die vom Bundesverfassungsgericht angeordnete Nichtigkeitswirkung bei gesetzgeberischer Untätigkeit eintritt. Ihr Antrag, Herr Porsch, ist nichts anderes als ein durchsichtiger, billiger Versuch, Klientelpolitik für alte SED-Kader zu betreiben. Es mag sein, dass Sie, Herr Porsch oder auch Herr Bartl, daran ein Interesse haben, vielleicht auch ein persönliches Interesse. Mit uns können Sie dies nicht machen. Ihr Antrag gehört nicht in dieses Hohe Haus. Ihr Antrag verhöhnt die Opfer des SED-Unrechtsstaates.

(Beifall bei der CDU, der NPD und der FDP)

Ihr Antrag beleidigt die Rentenempfänger aus den ostdeutschen Ländern, die der Sozialversicherung und der freiwilligen Zusatzrentenversicherung der ehemaligen DDR angehört haben. Sie sollten Ihren Antrag zurückziehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der NPD, der FDP und den GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion der Abg. Gerlach.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der PDS, ich könnte mir vorstellen, dass bei Ihnen über diesen Antrag schon sehr unterschiedliche Meinungen vorhanden sind, speziell, wenn ich mir anschaue, welche Generationen Sie vertreten und welche Klientel irgendeine Beziehung zu dem hat, was Sie in diesem Antrag versteckt haben, was Sie aber nicht hineingeschrieben haben. Es ist auch bezeichnend, dass Sie bei diesem Antrag, wo es nach dem oberflächlichen Lesen des Textes um verfassungsrechtliche Dinge geht, Herrn Bartl nicht reden lassen, sondern hier ausweichen. Es ist natürlich Ihr gutes Recht, aber man sollte fragen: Was steckt dahinter?

Mein Vorredner hat schon einige Personengruppen genannt, die genau von diesem Antrag profitieren würden, wenn er auch nur irgendwie durchkäme. Ich könnte noch weitere vorlesen; es sind neun Personengruppen in diesem Gesetz aufgeführt, die genau davon profitieren würden. Die Kürze der Zeit, in der uns dieser Antrag vorliegt, hat es leider nicht erlaubt – ich hätte mir gern diesen Spaß gemacht –, einmal aufzurechnen, um wie viel Geld es hier geht – wobei Sie uns immer vorwerfen, wo wir überall einsparen könnten in dieser Republik, während Sie einfach mit einem Antrag locker „ein paar Euros“ herüberheben wollen.

(Beifall bei der CDU)