Protocol of the Session on June 26, 2009

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich habe insbesondere bei den Abteilungsleitern, die im Innenministerium zuständig waren, den Eindruck, dass es sich hierbei um so etwas wie einvernehmliche Disziplinarverfahren handeln könnte.

(Zuruf von der Linksfraktion: Das ist Absicht!)

Das Amtsgericht Dresden wird in Kürze gegen zwei Opfer schwerster sexueller Gewalt verhandeln, die Anfang der Neunzigerjahre als 16-jährige Mädchen im sogenannten Kinderbordell „Jasmin“ festgehalten und vergewaltigt wurden. Angeklagt wurden sie von der Staatsanwaltschaft Dresden wegen Verleumdung. Das ist die Behauptung unwahrer Tatsachen wider besseres Wissen. Sie wurden im Ermittlungsverfahren gegen die Justizangehörigen im Jahr 2008 als Opferzeugen vorgeladen und haben dort eine Aussage gemacht, die der Staatsanwaltschaft nicht in den Kram passte. Ich halte es schon für mehr als ungewöhnlich und für erklärungsbedürftig, dass die Staatsanwaltschaft nicht etwa, wie sonst üblich, von Erinnerungslücken, von Verwechslungen oder Sonstigem ausgeht, sondern eine willentliche Falschaussage annimmt. Woran liegt das?

Der damalige Oberstaatsanwalt Drecoll hatte bereits im September 2007 erklärt, dass an der ganzen Affäre nichts dran sei. „Nichts als heiße Luft“ konnten wir in den „DNN“ lesen. Hätte Drecoll damals einen Tag vor dem entscheidenden CDU-Parteitag, als es um den Kopf von

Georg Milbradt ging, geschwiegen, dann hätte er den Eindruck vermieden, der jetzt besteht, nämlich dass die Staatsanwaltschaft voreingenommen gewesen sein könnte und jetzt missliebige Zeugen verfolgt.

Herr Kollege Martens, es war nicht nur so, dass die betreffende Person beim Landgericht angeklagt wurde, sondern das Landgericht hat es an das Amtsgericht zurückgeschickt mit einer gepfefferten Begründung. Aber die Staatsanwaltschaft Dresden hat es sich nicht nehmen lassen, in Beschwerde zu gehen und sich an das OLG zu wenden. Auch das OLG hat es zurückgepfeffert. Das sind alles äußerst merkwürdige Vorgänge.

Ich gebe zu, meine Damen und Herren, das alles macht mich mehr als misstrauisch. Ich frage Sie: Was soll hier vertuscht werden? Wer spielt bei diesem üblen Spiel alles mit?

Meine Damen und Herren! In meiner Rede vor zwei Jahren, als der Sachsensumpf hochgekommen ist, hatte ich beklagt, dass wir im Parlament zu Sachverhalten Stellung nehmen sollen, die uns nur gerüchteweise über die Presse kredenzt wurden. Mein Fazit damals war, dass wir zwar nichts Genaues wissen, aber geneigt sind, die Vorwürfe für wahr zu halten und das genau das Problem ist. Gerade deshalb war und ist es unsere Pflicht, mit diesem Untersuchungsausschuss aufzuklären.

Herr Kollege Piwarz, ich sage es Ihnen noch einmal: Ich bin es langsam leid, wenn ich von Ihnen die ganze Zeit in einen Topf mit Äußerungen des Kollegen Bartl geworfen werde,

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

die ich zu keinem Zeitpunkt so geteilt habe. Ich habe darauf in der Öffentlichkeit und im Untersuchungsausschuss mehrfach hingewiesen. Ich erwarte auch von Ihnen dieses Mindestmaß an Fairness.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Wie ist unser Erkenntnisstand heute? Ich sage ganz bewusst und sehr deutlich: Nach den bisherigen Untersuchungen können kriminelle und korruptive Netzwerke im Bereich der Justiz, Polizei und Verwaltung nicht bewiesen werden. Es haben sich allerdings einige Anhaltspunkte für zahlreiche Ungereimtheiten ergeben, die erklärungsbedürftig sind und die sehr wohl durch die Existenz korruptiver Netzwerke erklärt werden könnten. Sie könnten aber auch durch Schlendrian, Unfähigkeit, Faulheit oder manch anderes erklärt werden. Genau an dieser Stelle stehen wir heute.

Es geht aber nicht, meine Damen und Herren von der Koalition, mit der Haltlosigkeit der Verfassungsschutzakten die Haltlosigkeit der Vorwürfe schlechthin begründen zu wollen. Ich halte es schon für eine Ironie der politischen Geschichte Sachsens, dass Sie in den Jahren 2002/2003 ganz dringend die OK-Beobachtung durch das Landesamt für Verfassungsschutz brauchten und wenige Jahre später, wenn es Ihnen nicht mehr in den

Kram passt, schreien: Ja, die haben alle nur Mist gemacht! So leicht geht es auch wieder nicht.

Daher halten wir es für verantwortungslos, wenn die CDU- und die SPD-Fraktion in ihrem Abschlussbericht die Weißwäscherei der Staatsregierung einfach übernehmen. Eines ist klar – Herr Kollege Dr. Martens hat darauf hingewiesen –: Die Fach- und Dienstaufsicht im SMI hat schlicht und ergreifend nicht stattgefunden. Herr Buttolo, ich nehme es Ihnen persönlich übel, dass Sie nach mehr als zwei Jahren Debatte über diesen Gegenstand so wenig Problembewusstsein zu diesem Sachverhalt entwickeln konnten.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Das entspricht nicht den Aufgaben, die Sie als sächsischer Innenminister haben. Ich schweige davon, dass es mitnichten der Rechtsprechung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes entspricht, der die besondere Kontrollbedürftigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz schon im Jahre 1996 dargelegt hat. Vielleicht lesen Sie zur Abwechslung mal ein paar Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes.

(Heiterkeit des Abg. Dr. Volker Külow, Linksfraktion)

Kommen wir zu den Details. Die Zeugin „Sarah“ hat im Ermittlungsverfahren Anhaltspunkte für den Besuch von Justizangehörigen im Kinderbordell „Jasmin“ in den Jahren 1992/1993 bestätigt. Ihre Aussage ist weder durch die Aktenlage noch durch andere Zeugen widerlegt. An dieser Stelle möchte ich der Zeugin meine ausdrückliche Hochachtung und den Respekt meiner Fraktion aussprechen, dass sie sich dem Ausschuss zur Verfügung gestellt hat. Ihre Aussagen waren ersichtlich nicht von Belastungseifer, sondern von dem Willen geprägt, endlich vor der Öffentlichkeit ihre Geschichte, wie sie diese im „Jasmin“ erlebt hat, darstellen zu können. Eine Gelegenheit, die sie in den letzten 16 Jahren von den sächsischen Behörden nie erhalten hatte.

Die Zeugin muss sich für ihre Aussagebereitschaft nicht nur eine Strafverfolgung, sondern auch unerträgliche Diffamierungen gefallen lassen. Daher möchte ich die Zeugin selbst zu Wort kommen lassen. Zitat: „Zum Schluss möchte ich noch ganz deutlich sagen: Die Staatsanwaltschaft Dresden bezeichnet mich öffentlich als ExProstituierte. Die Presse hat das zum Teil aufgenommen. Ich fühle mich als Opfer schwerster sexueller Gewalt und Ausbeutung. Ich wurde gegen meinen Willen mit Gewalt zu sexuellen Handlungen an Männern gezwungen. Mit der Bezeichnung Ex-Prostituierte wird mir mehr oder weniger unverhohlen unterstellt, alles freiwillig getan zu haben. Damit verhöhnt man mich und andere Opfer, würdigt uns auf das Unerträglichste herab, verletzt unsere Menschenwürde. Mit solchen Demütigungen setzt man das Werk der Täter auf andere Weise fort.“

Meine Damen und Herren! Ich bin sehr froh, dass die Koalitionsfraktionen in ihrem Bericht, im Gegensatz zu

manchen Nebenerzeugnissen, von dieser diffamierenden Bezeichnung Abstand genommen haben.

Klärungsbedürftig ist aus unserer Sicht weiterhin:

Erstens. Weshalb haben die Ermittler 1993 die Täter schwerster sexueller Gewalt, verharmlosend auch Freier genannt, nicht ermittelt? Dieses Versäumnis bestätigen sowohl die im Jahr 2000 ermittelnden Polizeibeamten als auch die Staatsanwaltschaft Dresden entsprechend der Einstellungsverfügung des Prozesses gegen den Zuhälter dem Vorsitz führenden Richter.

Zweitens. Warum haben die Ermittler die Vergewaltigung der Opfer durch den Zuhälter nicht weiter aufgeklärt und verfolgt, obwohl übereinstimmende Aussagen der Opfer und sogar eine ausdrückliche Strafanzeige vorlagen? Insoweit ist die Aussage im Mehrheitsbericht schlicht widerlegt, dass 1994 beim Prozess gegen den Zuhälter entsprechende Aussagen nicht vorgelegen hätten. Ein etwas sorgfältigeres Aktenstudium hätte Sie eines Besseren belehren können.

Drittens. Warum hat der Zuhälter 1994 ein solch mildes Urteil erhalten? Stimmt seine Aussage, es habe einen Deal mit dem Gericht gegeben, dass er die sogenannten Freier nicht nennen sollte?

Viertens. Wie kam das im Übrigen nicht von der Zeugin unterschriebene Protokoll zustande, das die Staatsanwaltschaft heute als Beweis für die Unglaubwürdigkeit der Zeugin anführt, nämlich das polizeiliche Protokoll aus dem Jahr 2000?

(Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD)

Das haben die Akten und bisherigen Vernehmungen ergeben. Es bestehen erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass der Zeugin weitere Fotografien vorgelegt wurden und die Protokolle die Aussagen der Zeugin nicht vollständig und wahrheitsgemäß wiedergeben.

Meine Damen und Herren! Aufgrund der von den Koalitionsfraktionen assistierten Blockadehaltung der Staatsregierung konnte der Untersuchungsausschuss seine Aufgabe bisher nicht erfüllen. Was wir bisher zutage fördern konnten – ich muss sagen: mussten –, reicht allerdings dicke aus, um dieses Thema nicht wegzusperren und tief im Keller zu vergraben, wie es die Koalition so gern möchte. Wir Bündnisgrünen werden in der 5. Legislaturperiode die Wiedereinsetzung des Untersuchungsausschusses mit einem überarbeiteten Auftrag mittragen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Hat die Linksfraktion noch Redebedarf? – Herr Bartl, bitte. Die CDU hat auch noch Redebedarf gemeldet.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich spreche als eines der fünf Mitglieder meiner Fraktion im 2. Untersuchungsausschuss.

Kollege Piwarz, das Parlament hat diesen Untersuchungsausschuss eingesetzt in einer Situation – das räume ich gern ein –, der zwei bis drei Monate relativ scharfe Debatten und Dispute vorausgingen und in der Formulierungen von Mitgliedern dieses Hauses und Mitgliedern der Staatsregierung gewählt wurden, die letztendlich anhand dessen, was heute der Ausschuss an Erkenntnissen hat, so belastbar nicht sind.

Aber dass Sie sich jetzt hinstellen und wörtlich sagen, den Sachsensumpf habe es nie gegeben, nachdem Sie dabei waren, wenn Zeugen ausgesagt haben oder Zeugen Inhalte aus Vernehmungen bei der Staatsanwaltschaft vorgehalten worden sind, ist für mich – auch unter dem Aspekt, dass Sie Berufskollege, Jurist, sind – im Ansatz nicht nachvollziehbar.

Ich lese aus Band III von 3. Das ist die Vernehmung des Zeugen Dr. Sommer, Rechtsanwalt. Dazu sage ich zwei bis drei Sätze. Dr. Sommer war einer der Strafverteidiger, später der Prozessbevollmächtigte für die Aufnahme des Verfahrens eines der drei zu lebenslänglich Verurteilten, die noch jetzt im Klockzin-Attentatsprozess einsitzen.

Es gibt drei Menschen, die noch jetzt lebenslänglich einsitzen. Wir sprechen also nicht über Vorgänge von vor über 20 Jahren. Das Urteil ist 1996 verkündet worden. Drei sind zu lebenslänglich und einer ist zu zwölf Jahren verurteilt worden. Der Schütze, der auf Klockzin geschossen hat, ist zu zwölf Jahren verurteilt worden, weil ihm nach § 21 verminderte Zurechnungsfähigkeit zuerkannt wurde. Derjenige, der ihn zum Tatort gefahren hat, bekam lebenslänglich. Die beiden, die den Auftrag zum entsprechenden Attentat übermittelt haben sollen, bekamen lebenslänglich.

Die anderen beiden, die den Auftrag ausgelöst haben sollen und die, wie sogar Weitemeier in seinem Bericht schreibt, bereits 1996 im Abschlussbericht als die Hinterleute erwähnt werden, also die Auftraggeber – der Jurist nennt das Anstifter –, sind nach einem Verfahren verurteilt worden. Das fand im Jahr 2000 nach langen Geburtswehen statt. Unter Einstellung des Verfahrens sind sie nach § 153a mit einer Geldauflage in Höhe von 2 000 Euro an den Weißen Ring davongekommen.

Jeder, der in diesem Raum sitzt und nicht Jurist ist, muss sich doch fragen: Wenn diejenigen, die einen Mord in Auftrag geben, am Ende mit einer Geldauflage von 2 000 Euro an den Weißen Ring davonkommen, warum sitzen dann diejenigen lebenslänglich in Haft, die den Auftrag übermittelt haben und die nichts weiter waren als die Boten? Jeder Jurist weiß, dass der Anstifter mindestens genauso bestraft wird wie der Täter.

(Heinz Eggert und Rolf Seidel, CDU: Wollen wir das jetzt beschließen?)

Wenn das für Sie kein Anzeichen für eine nicht reguläre Justiz ist, frage ich mich: Was denn dann?

(Beifall bei der Linksfraktion – Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

In diesen Fällen hätte der Freistaat Sachsen, begonnen mit der Spitze, dem Ministerpräsidenten, wenigstens eine materielle Gerechtigkeit herstellen können, indem den wiederholten Gnadengesuchen dieser zu lebenslänglich Verurteilten – ich sage: zu Unrecht lebenslänglich Verurteilten – stattgegeben wurde. Das ist aber nicht passiert. Das ist ein Skandal, eine Ignoranz, die nicht zu überbieten ist!

(Beifall bei der Linksfraktion)

Wir haben dieses Urteil. Es wurde mehrfach ein Gnadenantrag von Verteidigern, Anwälten, Angehörigen und dergleichen mehr gestellt. Das juckt die Obrigkeiten in diesem Land überhaupt nicht.

(Heinz Eggert, CDU: Waren das Ihre Mandanten?)

Keiner von denen war mein Mandant.

Zweitens zur Legende Gemag, die tatsächlich auf allen Konferenzen, Pressekonferenzen – Boos, Fleischmann und wie sie alle hießen – durch die Welt getragen wurde. Tatsache ist: Felsenfest nach der Aktenlage hat das Referat 33/34 am 14. Mai 2006 zum ersten Mal, am 24. Mai 2006 zum zweiten Mal, exakt eine Woche vor Schließung, mit diesem Mann gesprochen. 17 Seiten sind darüber aufgeschrieben worden. 17 Seiten, bevor das Referat das Licht ausmacht und geschlossen wurde. Aber uns, der Bevölkerung, wird anderthalb Jahre lang eingetrimmt, dass es ein In-Sich-Geschäft zwischen Kriminalhauptkommissar Wehling war, der durch die damalige Großrazzia durch seine LKA-Leute gewissermaßen betroffen war und sich jetzt mit der ehemaligen DDRStaatsanwältin Henneck zusammenschließt. Der Frau Regierungsdirektorin wurde gleich einmal mitgeteilt, dass der Titel wieder aberkannt wird, da man feststellte, dass sie nur Diplomjuristin war und nicht hätte Regierungsdirektorin werden dürfen. – Diese beiden haben die Geschichte erfunden.