Zweitens zur Legende Gemag, die tatsächlich auf allen Konferenzen, Pressekonferenzen – Boos, Fleischmann und wie sie alle hießen – durch die Welt getragen wurde. Tatsache ist: Felsenfest nach der Aktenlage hat das Referat 33/34 am 14. Mai 2006 zum ersten Mal, am 24. Mai 2006 zum zweiten Mal, exakt eine Woche vor Schließung, mit diesem Mann gesprochen. 17 Seiten sind darüber aufgeschrieben worden. 17 Seiten, bevor das Referat das Licht ausmacht und geschlossen wurde. Aber uns, der Bevölkerung, wird anderthalb Jahre lang eingetrimmt, dass es ein In-Sich-Geschäft zwischen Kriminalhauptkommissar Wehling war, der durch die damalige Großrazzia durch seine LKA-Leute gewissermaßen betroffen war und sich jetzt mit der ehemaligen DDRStaatsanwältin Henneck zusammenschließt. Der Frau Regierungsdirektorin wurde gleich einmal mitgeteilt, dass der Titel wieder aberkannt wird, da man feststellte, dass sie nur Diplomjuristin war und nicht hätte Regierungsdirektorin werden dürfen. – Diese beiden haben die Geschichte erfunden.
Sie hatten nur die seltene Gabe, alle ringsum zu stimulieren: die zwölf Mitarbeiter im Referat, den Abteilungsleiter Hindinger und ihren eigenen Abteilungsleiter, der auch bestätigt hat,
Mein Problem ist, Herr Staatsminister: Seit anderthalb Jahren ist es dieser Kriminalhauptkommissar, der von Ihnen persönlich – ich bin überzeugt, das ist der einzige Polizist in der Flächendienststelle – ein Disziplinarverfahren, von dem Minister selbst, bekommen hat und seit anderthalb Jahren mit dem Vorwurf, dass er als „Gemag“ die gesamten Geschichten erfunden hat, leben muss und suspendiert wurde.
Es gibt auch einen Tatbestand der Verfolgung Unschuldiger, der sowohl die strafrechtliche als auch disziplinarrechtliche Verfolgung Unschuldiger unter Strafe stellt. Ich würde an Ihrer Stelle schnellstens handeln.
Herr Piwarz, jetzt komme ich zu meiner Argumentation, wie das ein Jurist übergehen kann. In der Vernehmung vom 09.06.2009 habe ich aus den Akten der Staatsanwaltschaft – das sind die Akten, die wir bekommen haben und in denen von der Staatsanwaltschaft Dresden angeblich zum Sachsensumpf ermittelt wurde – Vorhalte gemacht. Ich habe dem betreffenden Rechtsanwalt, da er in der Akte in einer Passage vorkommt, die Vernehmung eines Vorsitzenden Richters an einem Landgericht dieses Freistaates Sachsen vorgehalten. Dieser Vorsitzende Richter an einem Landgericht des Freistaates Sachsen – es war nicht Dresden oder Leipzig oder Zwickau oder Görlitz – war jahrelang Vorsitzender einer Schwurgerichtskammer, der 1. Großen Strafkammer.
Er hat am 15. Januar 2008 vor der Staatsanwaltschaft Dresden Folgendes ausgesagt – Zitat –: „Ich war an einer Hauptverhandlung wegen Mordes am Landgericht Chemnitz vor meinem Sitzungssaal als Schwurgerichtskammervorsitzender, als ein Herr auf mich zukam und mich ansprach. Er stellte sich als Polizist vor, entweder vom LKA oder als Kriminalpolizist. Ich bin mir auch sicher, dass er sich namentlich vorstellte, wobei ich heute nicht mehr sagen kann, welcher Name genau von ihm genannt wurde.“
„Er fragte mich, was mich etwas seltsam berührte, ob ich bei der Sache S – ich sage immer S, hier steht der vollständige Name – zuständig sei. Meine Gegenfrage lautete: Ich verstehe die Frage nicht. Daraufhin äußerte er sich: Sie machen doch die Sache wegen Klockzin.“
Ich unterbreche kurz das Zitat. Der betreffende Richter hatte einen Antrag des Rechtsanwalts Sommer auf Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten seines Mandanten, eines damals lebenslänglich Verurteilten, beim Landgericht Leipzig eingereicht. Der betreffende Richter hatte, weil nie das Gericht, dessen Verfahren wieder aufgenommen werden soll, selbst entscheiden darf, als Richter am Landgericht C diese Akte bekommen und sollte das Wiederaufnahmeverfahren bearbeiten. Er hat begonnen, dieses Verfahren zu bearbeiten und sich zu seinem Eindruck öffentlich – sprich: in der Kantine – geäußert. Daraufhin ist das Verfahren abgezogen und in Dresden entschieden worden. Daher kommt der Kriminalist zu dem Vorsitzenden Richter.
Das Zitat geht wie folgt weiter: „Daraufhin äußerte er: Sie machen doch die Sache Klockzin. Daraufhin erklärte ich ihm, da ich keine Zweifel hatte, dass es sich um einen
Polizeibeamten handelte, dass ich die Sache wieder abgegeben hätte. Danach bot er mir an, mir zu dieser Sache nähere Details zu erklären. Heute bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich mit ihm die Sache unten auf dem Flur oder in meinem Dienstzimmer besprochen habe. Jedenfalls äußerte er eine Vielzahl von Details, die ich aus der Akte kannte. Dann kam er darauf zu sprechen, ob ich eigentlich wüsste, dass die gesamte Spitze des Landgerichts oder auch der ganzen Justiz in Leipzig in dieser Sache verwickelt sei. Bei dieser Gelegenheit zeigte er mir eine Liste im Format DIN A4. Ich erinnere mich, dass es in Querformat war.“
„Auf dieser Liste waren alphabetisch nach meiner Erinnerung dienstgradmäßig wichtige Personen des Landgerichts, der Staatsanwaltschaft und – ich erinnere mich aber an Namen nicht mehr – eines Richters oder einer Richterin am BGH Leipzig.“
„Die Liste enthielt jeweils aufgeteilt in Spalten Namen, Vornamen, Grundbuchblatt, Datum, Kaufpreis – wobei ich heute nicht mehr weiß, ob in Euro oder D-Mark – und dann komischerweise als Überschrift Provision/’echter Preis’.“
Auf eine weitere Frage des Vernehmers – Sie können alles nachlesen –, was er aus der Liste noch weiß: „Mir fiel bei den schon genannten Rubriken Kaufpreis bzw. Provision oder Angebot auf, dass sich Kaufpreis und Angebot jeweils um ungefähr das Doppelte unterschieden, das heißt, der Kaufpreis war jeweils deutlich, und zwar im 100 000-Mark-Bereich, niedriger, als bei Provision bzw. Angebot stand. Keinesfalls war es eine reine Blanko-Liste ohne Kopf. Alles sah ich, ich kann mich auch täuschen, in einer Excel-Tabelle.“ Zitatende.
Das sagt ein Richter am Landgericht, der jahrelang Vorsitzender der Schwurgerichtskammer war, vor der Staatsanwaltschaft Dresden im Ermittlungsverfahren zum Sachsensumpf aus.
Jetzt frage ich Folgendes: Wo ist das, bei Frau Schlottmann oder wem auch immer, einmal aufgetaucht? Wo ist das in den Akten, die wir sonst bekommen haben, in einer Ermittlungsverfügung? Ich habe doch die Akten gelesen. Meines Wissens genauso viel wie Herr Schimpff. Aus den Akten geht nichts mehr hervor.
Aus den Akten geht nicht mehr hervor, dass aus dieser Sache heraus weitere Ermittlungen gemacht worden sind, obwohl es doch so leicht gewesen wäre festzustellen, wer
denn der Kriminalist vom LKA war, der mit solch einer Tabelle gekommen sein soll. Warum geht man dem nicht nach?
Ich kann Ihnen sogar den Namen sagen, wer es war, Herr Schimpff. Ein hoch dotierter Kriminalist. Den kriegen wir in der nächsten Runde.
So nebenbei bemerkt und um die Situation wieder aufzugreifen, erspare ich mir das Vorlesen der Passage aus der Vernehmung, in welcher der Richter am Landgericht, der als Zeuge von der Staatsanwaltschaft vernommen wurde, Namen nennt.
Ich nenne den Namen jetzt nicht. Wer nennt den Namen? – Ich frage nur, wenn doch so gründlich ermittelt worden ist: Was ist aus dieser Vernehmung geworden? Den Zeugen beispielsweise hätten wir intensiv vernehmen müssen. Von dieser Sache haben wir aber erst wenige Wochen vor Schließung der Akten erfahren, da die Akten von der Staatsanwaltschaft so spät kamen. Es gibt eine Reihe weiterer Zeugen, – –
die mit ähnlicher Intensität Aussagen treffen konnten, wozu der Ausschuss aus den hier gegebenen Darlegungen keine Chance mehr hatte.
Ich bin sofort bereit zur Frage, aber erst einmal Folgendes: Es ist mir nach achtzehneinhalb Jahren im Parlament – und mit Untersuchungsausschüssen nicht ganz unvertraut – noch nie passiert, dass ich mich in einer Ausschusssitzung befinde, in der ein Zeuge vernommen wird. Dann sagt der Ausschuss: Den Zeugen entlassen wir heute nicht, er ist schon zehn Stunden vernommen worden und hat nun körperliche Beschwerden. Wir unterbrechen nur und werden diesen Zeugen zu gegebener Zeit wieder laden: Kriminalhauptkommissar Wehling. Am nächsten Tag lese ich in der Zeitung, dass gegen diesen, vom Ausschuss noch weiter zu vernehmenden Zeugen das nächste Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist, weil er vor dem Ausschuss falsch ausgesagt hat.
Das ist eine solche eklatante Rechtswidrigkeit, gegen einen nicht entlassenen Zeugen ein Ermittlungsverfahren einzuleiten!
(Christian Piwarz; CDU: Den hat doch niemand verfolgt! – Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion)
Das ist unvorstellbar und jetzt hauen wir noch einen drauf. Dieselbe Staatsanwaltschaft hat nicht nur gegen den Zeugen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet – Herr Piwarz, vielleicht wissen Sie das gar nicht, es wurde uns aber geschrieben, Sie lesen es vielleicht nur nicht –, sondern sogar gegen dessen Zeugenbeistand, dessen Anwalt, der ebenfalls im Vernehmungsraum saß.
Auch dieser wurde also mit einem Ermittlungsverfahren überzogen. Das sind solche extraordinären Baustellen. Das hat, verzeihen Sie mir, mit einfachem Versehen in der Rechtsprechung nichts mehr zu tun.