Protocol of the Session on June 26, 2009

(Heinz Eggert, CDU: Weil er die Pinzette verloren hat!)

Es bleibt dabei, Herr Eggert, was ich vor zwei Jahren sagte und was mir ein Ermittlungsverfahren wegen Verunglimpfung des Staates einbrachte: „Die Justiz ist die Hure der antideutschen Politik.“ – Das Ermittlungsverfahren ist bekannterweise eingestellt worden.

Dem arroganten Geist der Macht gab der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion in der letzten Wahlperiode, Klaus Leroff, ungeniert Ausdruck, als er sagte: „Was schert mich die Verfassung? Wir haben doch die Mehrheit.“ Diese Haltung – „Wir haben doch die Mehrheit, was schert mich die Verfassung?“ – hat die CDU mit ihrer Mehrheit auch im Ausschuss immer wieder an den Tag gelegt.

(Christian Piwarz, CDU: Sie waren doch gar nicht da, Herr Gansel! Sie haben doch immer Berater geschickt!)

Ich war sehr wohl da, –

(Christian Piwarz, CDU: Seltenst! – Angelika Pfeiffer, CDU: Sie waren doch überhaupt nicht da!)

und ich habe in vielen Fällen genauer hingehört als Sie, deshalb bin ich auch zu anderen Einsichten gelangt. Damit diese Arroganz der Macht auch im Freistaat Sachsen

(Zurufe von der CDU – Glocke der Präsidentin)

gebrochen wird, damit endlich Licht ins Aufklärungsdunkel kommt, tritt die NPD auch in der nächsten Legislaturperiode für einen Untersuchungsausschuss ein.

(Beifall bei der NPD)

Für die FDP-Fraktion spricht nun Herr Dr. Martens.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist bereits gesagt worden: Das, was hier zur Diskussion steht, ist kein Abschlussbericht im eigentlichen Sinne; denn das, was es zu untersuchen gab, konnte nicht abschließend untersucht werden. Das ist einhellige Meinung der Antragsteller und derjenigen, die im Ausschuss mitgearbeitet haben.

Es ist bemerkenswert, wenn man sich die Geschichte des Ausschusses anschaut, mit welcher Verbissenheit die Staatsregierung und die Koalitionsfraktionen das verteidigt haben, was sie heute als „Legende“ oder „heiße Luft“ qualifiziert wissen wollen. Akten wurden nicht herausgegeben, Zeugen konnten nicht vernommen werden, der Sächsische Verfassungsgerichtshof musste zweimal angerufen werden, um die Arbeit des Ausschusses überhaupt erst einmal möglich zu machen. Diese Haltung, meine Damen und Herren, war nicht nur Behinderung der Ausschussarbeit, sondern ich bezeichne es als bewusste und gezielte Obstruktion.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Selbst am Ende der Legislaturperiode, wenn wir hier im Parlament über den Abschlussbericht diskutieren, muss man feststellen, dass auch noch im Präsidium für die Verkürzung der Redezeiten zulasten der Fraktionen gesorgt wird, um eine möglichst umfassende Bewertung in der Öffentlichkeit so gering wie möglich zuzulassen.

Schon das erste Urteil des Verfassungsgerichtes vom 29. August 2008 ist absolut klar und deutlich, daran gibt es nichts zu deuten. Die Weigerung der Staatsregierung, die Akten an den Ausschuss herauszugeben, war verfassungswidrig, und auch die Weigerung der Ausschussmehrheit über ein Jahr hinweg, Zeugenvernehmungen mit der obskuren Begründung nicht stattfinden zu lassen, wir brauchen erst die Akten – die die Staatsregierung natürlich nicht herausgibt –, bevor wir Zeugen vernehmen wollen. – Diese Begründung lag offensichtlich in der gleichen Absicht, damit der Ausschuss nichts aufklären kann. Deshalb wundert es auch nicht, dass die Koalition, besser gesagt, die CDU, im Ausschuss zu dem Ergebnis kommt, dass wir nichts feststellen konnten. Das verwundert nicht weiter. Wer die Aufklärung so behindert, der kommt zwangsläufig zu dem Ergebnis, dass man nichts feststellen konnte, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Trotz der unvollständigen Beweisaufnahme kommt die FDP-Fraktion, komme ich dennoch zu einer vorläufigen Wertung der Ergebnisse des Ausschusses.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Wie ist die?)

Die Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz im Bereich der Organisierten Kriminalität auch über den Zeitpunkt 21. Juni 2005, dem Urteil des Verfassungsgerichtes zur OK-Beachtung, ohne jegliche Einschränkung weiter fortzuführen war nicht rechtmäßig. Es war eine verfassungswidrige Tätigkeit, die hier fortgesetzt worden ist; jedenfalls in fast allen der beobachteten Fallkomplexe wurde diese Tätigkeit fortgesetzt.

Begründet wurde dies mit einem internen Vermerk, der sich in den beigezogenen Akten nicht mehr finden lässt, und wie auch die Referatsleiterin Frau Henneck und der ehemalige Innenstaatssekretär Dr. Staupe berichten, habe es diesen Vermerk gegeben. Das ist schon erstaunlich. Der Bericht, der die Prüfung vornehmen soll, ob die OKBeobachtung durch das Landesamt einen hinreichenden Bezug zu Gefährdungen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung hat, geht von einem im Nachhinein völlig unzureichenden Verständnis des Verfassungsgerichtsurteils aus.

Als Jurist muss ich sagen, die Argumentation, die dort benutzt wird, um eine kritische Tätigkeit fortzusetzen, war hanebüchen. Eine solche Argumentation konnte nicht ernsthaft Grundlage für die Fortsetzung der Tätigkeit in diesem sensiblen Bereich mit einer derartig großen Belastung von Betroffenen sein. Der Sächsische Datenschutzbeauftragte kam in seiner Überprüfung im Jahr 2006 ebenfalls zu der Auffassung, dass in den beobachteten Fällen eine Gefährdung der freiheitlichdemokratischen Grundordnung nicht gegeben war.

Ein weiteres Ergebnis, zu dem wir kommen müssen, ist die Feststellung, dass es eine interne Kontrolle des OKReferates im Landesamt für Verfassungsschutz durch die Hausspitze nicht oder nur völlig unvollständig gab. Gleichzeitig müssen wir aber feststellen, dass sich diese Hausspitze, die keine Kontrolle ausübte, dennoch über die Vorgänge im OK-Referat im Einzelnen unterrichten ließ – eine seltsame Auffassung der Gestaltung von Vorgängen innerhalb einer Behörde! Eine Dokumentation regelmäßiger Kontrollen findet sich weder in den Akten, noch konnten Zeugen solche Kontrollen belegen. Wichtige Verwaltungs- und Dienstvorschriften über die Informationsbeschaffung, wie zum Beispiel die Verwaltungsanweisung im § 5 Abs. 1 Satz 2 des Verfassungsschutzgesetzes, gibt es übrigens bis heute nicht.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Auch das ist aus meiner Sicht Skandal genug, der bereits eine gesonderte Befassung dieses Hauses mit diesem Problem erforderlich machen könnte,

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion)

wie auch der Umstand, dass es nach dem bisherigen Ergebnis des Ausschusses eine Rechts-, Fach- und Dienstaufsicht über das Landesamt für Verfassungsschutz seitens des Staatsministeriums des Innern so gut wie nicht gegeben hat.

Keiner der vernommenen Zeugen konnte belastbare Aussagen zu irgendwelchen Maßnahmen der Dienst- oder Fachaufsicht machen, die von ihm oder in seiner Kenntnis seitens des SMI gegenüber dem LfV durchgeführt worden sind. Es wurde immer behauptet, man habe sich informieren lassen, man habe sich unterrichten lassen. Wenn man dann einen Zeugen gefragt hat, wann, wo, in welcher Weise, verfielen diese in Erinnerungslücken. Ein Referatsleiter konnte nach zweistündiger Vernehmung allenfalls eingestehen, von der Existenz des Amtes gewusst zu haben, obwohl er die Dienstaufsicht hatte.

(Lachen bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Im Ergebnis der Arbeit dieses Ausschusses ist zu sagen: Alles das, worum wir uns bemüht hätten, sei am Ende eine Legende gewesen, wie Herr Piwarz es sagte, oder heiße Luft. Es gibt etliche Fakten, die aber eine andere Sprache sprechen. Aufgrund dieser heißen Luft und dieser Legende wurden Sonderermittler eingesetzt, die Berichte verfassten. Selbst in diesen Berichten, obwohl man die betroffenen Mitarbeiter nicht oder nur in sehr geringer Zahl einvernommen hat,

(Zuruf von der Linksfraktion: Einen!)

nämlich einen, kommt man zu dem Ergebnis, dass es erhebliche Versäumnisse bei der Aufsicht über das gesamte Landesamt für Verfassungsschutz gegeben hat. Die derart, mit diesem Ergebnis konfrontierten leitenden Mitarbeiter des Innenministeriums wollen das dann auch wieder nicht wissen und sagen, insofern würde der Beyer/Irrgang-Bericht irren. Man muss sich fragen, was in diesem Bericht eigentlich gilt. Nur das, was der Staatsregierung genehm ist, oder handelt es sich um eine halbwegs objektive Aufnahme dessen, was man trotz der wenigen einvernommenen Personen überhaupt ermittelt?

Oder nehmen wir den seltsamen Zufall, dass ein inzwischen pensionierter Oberstaatsanwalt rechtzeitig, und zwar zwei Tage vor einem CDU-Parteitag im Herbst 2007, bereits Absolution erteilt und sagt, dass daran überall nichts dran gewesen ist.

Zeugen, die vor dem Ausschuss reihenweise schwinden, weil sie mit Disziplinar- und Ermittlungsverfahren überzogen werden, sprechen eine eigene, wie ich finde, deutliche Sprache. Oder nehmen wir das Beispiel einer Zeugin vor dem Ausschuss, einer ehemaligen in diesem Kinderbordell Tätigen, gegen die aufgrund ihrer Aussage sofort Anklage wegen Verleumdung erhoben wurde, aber nicht, wie das üblich ist, beim Amtsgericht, sondern – man hat es nicht kleiner – bei der Großen Strafkammer am Landgericht. Auch das ist ein sehr merkwürdiger Vorgang, meine Damen und Herren.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

In diesem Zusammenhang könnten wir weiter ausschweifen und uns der Prüfung zuwenden, inwieweit die BKK vom Innenministerium oder vom Landesamt für Verfassungsschutz über die Vorgänge im Bereich der Organisier

ten Kriminalität unterrichtet worden ist. Sie wurde es nicht oder nur völlig unzureichend.

Das ist in dieser Form so nicht hinnehmbar, insbesondere dann nicht, wenn man sich vor Augen hält, dass von der Hausspitze des Landesamtes für Verfassungsschutz gleichzeitig Abgeordnete dieses Hauses, die aber der PKK nicht angehören, über die Vorstellungen, über Wünsche und Planungen des Hauses in einem Gesetzgebungsverfahren im Einzelnen unterrichtet worden sind. Auch das ist anscheinend eine typische Eigenart dieser Staatsregierung: eine sehr selektive Informationsweitergabe.

Meine Damen und Herren! Über all das hätten wir gern mit dem damaligen Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz, Herrn Stock, gesprochen. Leider war das aufgrund der mehrfach erwähnten Vernehmungsunfähigkeit von Herrn Stock, die weiterhin andauert, nicht möglich. Ich hoffe, dass er irgendwann einmal so weit genesen ist und es möglich sein wird, ihn zu diesen Vorgängen zu befragen.

Lassen Sie mich in Bezug auf das Vorliegen von kriminellen und korruptiven Netzwerken in Sachsen etwas sagen. Die Beweisaufnahme hat nach meiner Ansicht hierzu keine gesicherten Erkenntnisse für das flächenhafte und durchdringende Vorliegen von korruptiven Netzwerken ergeben. Was es gab, das waren Anhaltspunkte für das Versagen von Justizorganen in Einzelfällen. Es gibt dort einige sehr erklärungsbedürftige Vorgänge Das wird man feststellen können. Den Sumpf in der Fläche konnten wir so noch nicht aufklären. Aber gleichzeitig zu sagen, dass es überhaupt nichts gab, halte ich auch für verfehlt.

Fest steht eines: Das ist das systemische Versagen der Aufsicht zwischen Innenministerium und Landesamt für Verfassungsschutz, der Dienstaufsicht über die Tätigkeit im Bereich der Organisierten Kriminalität, der Kontrolle und der Aufsicht – all das fehlten. Bis heute sind weder die organisatorischen noch die personellen Veränderungen durchgeführt worden, die hier notwendig wären.

Meine Damen und Herren! Zum Schluss lassen Sie mich noch eines anmerken, was mich in besonderer Weise beim Abschluss dieses Untersuchungsausschusses berührt hat: Wenn man zu dem Ergebnis kommt, dass hier alles wunderbar gelaufen sei, dann stellt sich nur noch die Frage: Wer war eigentlich politisch verantwortlich?

(Beifall des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

Darauf bekommt man keine Antwort. Das ist etwas bedrückend, meine Damen und Herren. Es mag zwar sein, dass der Begriff der politischen Verantwortung in der älteren staatswissenschaftlichen Literatur des vergangenen Jahrhunderts erwähnt worden ist, aber es wäre schön, wenn es so etwas wie politische Verantwortung auch in Sachsen des Jahres 2009 gäbe. Aber diese will offensichtlich niemand übernehmen – jedenfalls nicht in diesem Fall. Das ist mehr als schade.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion, der NPD und den GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Abg. Lichdi das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Keine Pfütze“ titelte die „Sächsische Zeitung“ am 23. Juni 2009 zu den bisherigen Ergebnissen des 2. Untersuchungsausschusses. Die „Sächsische Zeitung“ schließt sich damit – ich meine, das ist durchaus ungewöhnlich für eine Presse, die sich als Wachhund verstehen sollte – der Interpretation der Koalitionsfraktionen an. Die Koalitionsfraktionen, also CDU und SPD – trotz der Rede des Kollegen Nolle –, halten eine Haltlosigkeit der Gerüchte über korruptive Netzwerke bereits durch die Einstellung der staatsanwaltlichen Ermittlungen im April 2008 für erwiesen. An dieser Stelle möchte ich betonen: Ein Parlament, das seine Kontrollaufgabe ernst nimmt, darf sich nicht auf Ermittlungen der Staatsregierung oder der Staatsanwaltschaft verlassen, sondern muss sich ein eigenes Bild machen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Dies würde selbst dann gelten, wenn wir die Ergebnisse der Staatsregierung und der Staatsanwaltschaft für richtig halten würden. Nach dem Willen der Koalitionsfraktionen ist damit alles zu Ende. Aber was bleibt? 72 Ermittlungsverfahren gegen Beamte, Journalisten und Zeugen. Es ist aus unserer Sicht kein Zufall, dass die Staatsregierung mit den Disziplinarverfahren dem Untersuchungsausschuss wichtige Zeugen entzog.

(Beifall bei der Linksfraktion)