Protocol of the Session on June 25, 2009

eigentlich nicht das ist, was in der Überschrift steht: Forschung im Freistaat Sachsen – Stand und Perspektiven. Vielmehr ist er ausschließlich auf den Bereich technologiebasierter Forschung konzentriert. Deswegen ist diese Anfrage, wie Sie gesehen haben, vom Wirtschaftsministerium und nicht vom Wissenschaftsministerium federführend beantwortet worden. Ich hätte mir tatsächlich gewünscht, dass wir über den gesamten Bereich der Forschung sprechen – und zwar auch über den Teil, der nicht die technologiebasierte Forschung, sondern die Grundlagen- oder geisteswissenschaftliche Forschung in den Hochschulen betrifft. Ich werde dennoch gerne bereit sein, auf Ihre Fragen bzw. auf den eingeschränkten Bereich zu antworten.

Eine Anmerkung sei noch gestattet, Herr Schmalfuß: Wenn dieser Entschließungsantrag das gesamte Konzept für die Forschungsperspektiven im Land Sachsen ist, dann werden wir wohl Ihre zahlreichen kritischen Anmerkungen, die Sie gerade dargelegt haben und von denen ich sicherlich einen Teil ernsthaft prüfen werde, nicht umsetzen können. Dafür reicht es nicht aus.

(Beifall der Abg. Regina Schulz, Linksfraktion)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war die erklärte Absicht der vorherigen Anfrage, den Stand und die Entwicklungsperspektiven der – ich schränke den Bereich ein – technologiebasierten Forschung im Freistaat Sachsen zu analysieren. Die Sächsische Staatsregierung – federführend das Wirtschaftsministerium mit Beteiligung des Wissenschaftsministeriums – haben erstmals tatsächlich umfangreiche Datenmaterialien zusammengestellt. Das ist der Fundus, der in dieser Anfrage und in den Ergebnissen enthalten ist.

Herr Clemen, hierzu möchte ich eine kleine Anmerkung machen. Ich sehe Sie zwar gerade nicht im Saal. – Dort hinten sitzen Sie und hören mir sicherlich sehr aufmerksam zu. Das, was in den Datenmaterialen zu finden ist, ist keine Sache der Wirtschaftsminister Herr Schommer und Herr Gillo gewesen, deren Arbeit mit Sicherheit sehr wichtig gewesen ist. Forschung und Wirtschaft benötigen eine gewisse Kontinuität in ihrer Entwicklung. Ohne ihre weitere Anknüpfung und den Ausbau der Forschungsleistungen durch das Wirtschaftsministerium unter der Leitung von Herrn Jurk und des Wissenschaftsministeriums in den vergangenen fünf Jahren wären die Ergebnisse, die Sie in dem Datenmaterial vorgefunden haben, nicht vorzuweisen gewesen.

Wie die Daten aber belegen – vielleicht sollte man das in das richtige Licht rücken –, fällt die Bilanz der Forschungstätigkeit im Freistaat Sachsen insgesamt sehr positiv aus. Wir gehen natürlich, insofern sehe ich auch die Anregungen, mit dem Erreichten nicht selbstzufrieden um. Das kann man bei der Forschung nicht, sondern es müssen neue Herausforderungen angenommen und die genannten Lücken geschlossen werden. Die Generierung neuen Wissens und lebenslanges Lernen sind zentrale Bereiche der modernen Wissensgesellschaft.

Aber – insofern knüpfe ich gern an die Anfrage an – erst die wirtschaftlich erfolgreiche Verwertung, also die Umsetzung neuen Wissens in Form von Innovation, führt zu Wachstum und Beschäftigung; zugegebenermaßen in der Regel nicht in Legislaturperioden, sondern solches Wissen wächst über Jahrzehnte, wenn wir zum Beispiel an die Erkenntnisse der Grundlagenforschung denken.

An dieser Stelle sei auch angemerkt, dass es gerade in der Umsetzung der Grundlagenforschung – ich nehme nur einen Bereich heraus, die Mikroelektronik – mittlerweile sehr wohl gelungen ist, die Zeit für die Verwertungskette stark zu verkürzen.

Vielleicht hat der eine oder andere bereits die Gelegenheit gehabt, den neuen Smart System Campus in Chemnitz zu besuchen und zu sehen, wie eng Universität, FraunhoferInstitut und Ausgründungen aus der Universität zusammenarbeiten und letztlich dafür Sorge tragen, dass die gesamte Wertschöpfungskette in einem relativ zügigen Prozess von der Grundlagenforschung über die Anwendung bis zur innovativen Produktion umgesetzt werden kann.

Hinsichtlich des quantitativen Niveaus der Aktivitäten im Bereich der Forschung und Entwicklung verfügt der Freistaat über eine sehr gute Ausgangsposition. Ich möchte die Zahlen, auch wenn Sie sie in dem Datenmaterial sehr wohl finden, dennoch einmal herausheben. Sachsen kann sich im Bundesvergleich behaupten und nimmt hier einen Platz im Mittelfeld ein, immerhin als ein ostdeutsches Land, das zunächst 20 Jahre Zeit hatte, überhaupt eine ausreichende Basis für Forschung und Entwicklung aufzubauen.

Unter den neuen Ländern hat der Freistaat Sachsen gemeinsam mit Thüringen eine Vorreiterrolle bei den Forschungs- und Entwicklungsinitiativen inne.

Qualitativ spielen wir heute schon auf einigen Technologiefeldern an der Spitze innerhalb der Bundesrepublik und teilweise auch auf internationalem Niveau. Das zeigen unsere Forschungsergebnisse. Das ist die Biotechnologie, das sind der Maschinenbau, aber auch energieeffiziente Informationstechnologien und natürlich die Mikroelektronik und die Materialwissenschaften.

Es macht keinen Sinn – und auch das sei vielleicht noch angemerkt zu der Frage regionale und sektorale Konzentration oder Nichtkonzentration –, mit der Gießkanne Forschungsmittel auszustreuen, egal ob im Bereich der Innovation oder der Grundlagenforschung, mit der Gießkanne über das Land zu gehen und zu meinen, daraus würden Blumen wachsen. Blumen wachsen nur dort, wo ein Nährboden da ist. Der Nährboden ist in der Regel – das sehen Sie an der jeweiligen Entwicklung – dort, wo wir Hochschulen, Universitäten oder außeruniversitäre Forschungseinrichtungen haben.

Wie Sie der Ihnen vorliegenden Drucksache entnehmen können, wurde im Freistaat im Jahre 2006 – das ist die letzte statistisch abgesicherte Zahl – über eine Milliarde Euro für die Durchführung von Forschungs- und

Entwicklungsaufgaben im öffentlichen Sektor aufgewendet, im Bereich der Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Dies entspricht einem Anteil von 1,2 % am sächsischen Bruttoinlandsprodukt. In Deutschland wird nur in den Stadtstaaten, in Berlin und Bremen, ein noch größerer Anteil an Mitteln für die öffentliche Forschung verwendet.

Neben den in der Großen Anfrage behandelten Ausgaben sind aber auch die Ausgaben der Unternehmen für Forschung und Entwicklung von großer Bedeutung. Das ist ja in den Redebeiträgen von einigen bereits hervorgehoben worden. Im Jahre 2005 wurde in den sächsischen Laboren und Entwicklungsabteilungen

(Johannes Lichdi, GRÜNE, unterhält sich mit Caren Lay, Linksfraktion.)

Herr Lichdi! Bitte, Herr Lichdi.

Ich finde es immer ganz interessant, dass selbst diejenigen, die hier am Rednerpult so vehement für ein Thema gestritten haben, dann, wenn sie die Hoffnung haben können, eine Antwort oder eine Reaktion zu bekommen, so „aufmerksam“ zuhören.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Das ist eine Erkenntnis, die ich im Laufe der Jahre gewonnen habe.

Im Jahre 2005 wurden in sächsischen Laboren und Entwicklungsabteilungen der Unternehmen immerhin Mittel in Höhe von über 900 Millionen Euro für die Durchführung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben aufgewendet. Das sind 2,4 % der Gesamtaufwendungen in Deutschland. Damit nimmt Sachsen den Rang 9 unter allen Bundesländern ein.

Dies ist im Vergleich der ostdeutschen Flächenländer die Spitzenposition. Aber es verdeutlicht auch sehr klar die relative Schwäche der privat finanzierten Forschung und Entwicklung gegenüber der öffentlich finanzierten Forschung in Sachsen. Spitzenreiter sind mit weitem Abstand die Unternehmen in Baden-Württemberg, die heute bereits jährlich weit mehr als 3 % des dortigen Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung aufwenden.

Bei den gesamten Ausgaben für Forschung und Entwicklung hat Sachsen im Jahre 2006 mit einem Anteil von 2,3 % am Bruttoinlandsprodukt deutschlandweit den fünften Platz eingenommen. Nun haben wir vorgestern in der Rede des Ministerpräsidenten gehört, dass in dem Strategiepapier Sachsen 2020 angestrebt wird, dass wir im Jahr 2020 das 3-%-Ziel am Bruttoinlandsprodukt für Forschung und Entwicklung erreicht haben wollen. Es sei mir an dieser Stelle noch einmal die Bemerkung gestattet, dass dieses 3-%-Ziel eigentlich für das Jahr 2010 angestrebt gewesen war.

Frau Staatsministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich will nur den Satz beenden.

Ich hoffe, dass wir das Ziel 2020 unterbieten können und vielleicht 2015 bereits bei 3 % angekommen sind.

(Beifall des Abg. Dr. Martin Gillo, CDU)

Herr Lichdi, Ihre Frage.

Vielen Dank. – Frau Dr. Stange, was mich schon immer interessiert: Ist dieses 2020-Papier, dieser Wegweiser, ein Papier der Staatskanzlei oder ist es ein Papier der Staatsregierung/CDU-/SPDKoalition?

Diese Frage ist sicherlich eher dem Ministerpräsidenten zu stellen. Dieses Papier 2020 ist kein Papier der Staatsregierung.

Ich möchte gern noch einmal auf das Thema Anteil am Bruttoinlandsprodukt zurückkommen. Wir sind deutschlandweit – vielleicht lassen Sie mich das einmal ausführen, weil Ihnen damit nämlich klar wird, welches Problem in den nächsten Jahren auf uns zukommt – bei 2,5 % Bruttoinlandsprodukt angekommen, was Forschung und Entwicklung angeht. Wir haben also noch eine erhebliche Wegstrecke vor uns, um das 3-%-Ziel zu erreichen. Es sei denn, unser Bruttoinlandsprodukt sinkt infolge der Wirtschaftskrise so weit ab, dass wir aufgrund der geringeren Wirtschaftskraft schon bei 3 % angekommen sind, ohne dass sich auch nur ein einziger müder Euro für Forschung und Entwicklung bewegt hätte. Ich glaube, auf diesen Punkt sollte man in der Debatte in den nächsten Jahren noch mehr Augenmerk legen, damit wir uns nicht nur in dieser Zahl sonnen, sondern auch genau hinsehen, wie viele Mittel in Forschung und Entwicklung fließen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das SMWA wird noch im Laufe dieses Jahres seinen Sächsischen Technologiebericht herausgeben. Ich denke, in diesem Bericht werden sicherlich die Daten noch einmal in einen Kontext gestellt und damit für den Gebrauch besser zu handhaben sein, als jetzt mit der Anfrage die Möglichkeit ist.

Sicher ist aber heute schon: Es bedarf in den nächsten Jahren weiterer großer Anstrengungen, um an die positive Entwicklung in Forschung und Entwicklung in Sachsen anknüpfen zu können. In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, dass sicher das Thema Technologietransferförderung ein Problem ist. Wie gelingt es, in den kleinen und mittelständischen Unternehmen, von denen ja unsere Wirtschaft insbesondere getragen wird, die wissenschaftlichen Entwicklungen auch nutzbringend einzusetzen? Ich denke, das Wirtschaftsministerium hat mit der nochmaligen Anpassung der Richtlinie im Jahre 2009 auf die Notwendigkeiten, die hier kritisiert worden sind, reagiert.

Meine Damen und Herren! Wir werden den Entschließungsantrag ablehnen, obwohl er einige sehr interessante Punkte anführt. Er ist dennoch insgesamt zu kurz gehalten.

Allerdings glaube ich, wir brauchen mehr Aktivitäten auch gegenüber unserem Mittelstand, dass er erkennt, dass für ihn Forschung und Entwicklung, innovative Entwicklung im Mittelstand, eine zentrale Herausforderung ist, um überhaupt bestehen zu können im nationalen und im internationalen Vergleich. Das kann nicht nur Aufgabe der öffentlichen Hand sein, sondern es ist auch Aufgabe der mittelständischen Unternehmen, genau das zu erkennen.

An dieser Stelle will ich noch einen ganz kleinen Ausflug auf die Hannover-Messe machen, die ich dieses Jahr besuchen konnte. Ich glaube, sehr viele Unternehmen haben gerade jetzt in der Krise erkannt, dass sie die Möglichkeit haben, Dinge auf den Weg zu bringen, für die dann, wenn die Konjunktur gut läuft, keine Zeit haben, nämlich Entwicklungen, Forschungsentwicklungen, innovative Produkte. In dieser Zeit fragen sie auch verstärkt in den Universitäten, in den Hochschulen, in den außeruniversitären Forschungseinrichtungen nach, ihnen bei der Entwicklung zu helfen.

Ich glaube, das ist auch eine Chance, die derzeit existiert, die Unternehmen hier zu animieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. – Wir kommen zum Entschließungsantrag der FDP. Herr Prof. Schmalfuß, Sie bringen ihn ein.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der Diskussion und nachdem alle bisherigen Redner Forschung und Entwicklung in Sachsen umsetzen wollen, freue ich mich, dass Sie dem Entschließungsantrag unserer FDP-Fraktion zustimmen werden.

Ich habe noch eine Frage, die Sie mir, Frau Staatsministerin Stange, im Anschluss beantworten können: Sind Sie eigentlich in die Beantwortung der Großen Anfrage eingebunden gewesen oder war das nur das Wirtschaftsministerium? Sie sagten vorhin, dass Herr Jurk die Fragen beantwortet hat. Ich denke, zumindest die Punkte 2 und 3 – Promotionen und Habilitationen – gehören noch in Ihren Bereich, ebenso die Ausgründung von Unternehmen auf Universitäten oder Hochschulen. Der Form halber: Ich denke, es hat zumindest Ihren Bereich berührt.

(Zustimmendes Nicken der Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange)

Ich bedanke mich für die Zustimmung.

Herr Clemen, Sie möchten darauf reagieren? – Bitte schön.

(Heike Werner, Linksfraktion: Wir können gern noch weitermachen!)

Er beinhaltet nur Teile der Forschungsförderung und nicht, wie Frau Staatsministerin Stange deutlich gemacht hat, die Forschungsförderung insgesamt. Deswegen halten wir ihn für zu kurz geraten.

Herr Dr. Gerstenberg für die GRÜNEN, bitte.

Herr Prof. Schmalfuß, ich muss Sie auch enttäuschen. Wir können all Ihren Feststellungen in Punkt I zustimmen, aber bei Weitem nicht den Forderungen in Punkt II, die das von mir Kritisierte noch einmal zuspitzen, demnach wirklich in eine Engführung in Richtung einer Forschung und Entwicklung zielen, die ausschließlich als Vehikel für technologische Innovationen und schließlich auch für wirtschaftliche Aktivitäten betrachtet wird.

Das betrifft insbesondere den Punkt 1. Eine solche Streuung von Förderpolitik kann ich nicht für richtig halten. Wir können lange darüber diskutieren, welche Steuerung überhaupt bei Forschungsförderung möglich ist, aber dass die Gießkanne das richtige Mittel ist, bestreite ich auf jeden Fall. Die Innovationsgutscheine sind für uns wirklich ein offen ungedeckter Scheck. Das ist ein Spekulationsprojekt, das wir in fachlicher Hinsicht nicht für richtig erachten. Vor allem sehen wir es nicht als angemessen an, die Konzentration der derzeitigen Stipendienangebote einem einzigen Landesstipendienprogramm unter maßgeblicher Beteiligung der sächsischen Wirtschaft zuzuordnen. Das zeigt aus meiner Sicht die Einseitigkeit der Neoliberalität der FDP in der Wissenschaftspolitik, die hoffentlich nie reale Forschungspolitik in Sachsen wird.