Protocol of the Session on May 13, 2009

Ja. Das war schon in den Medien nachzulesen, Herr Kollege Brangs.

Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit zu dieser Frage. Wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen. Ich bin mir sehr sicher, dass diese Frage die CDU und die Koalition, wer auch immer ihr in

der nächsten Legislaturperiode angehören wird, nicht loslassen wird.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Gibt es weiteren Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Herr Abg. Bartl, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Lichdi hat es bereits betont: Die Mitglieder des 2. Untersuchungsausschusses können aus dem, was sie bis dato aus der Arbeit des Ausschusses in zwischenzeitlich 35 Sitzungen an Erkenntnissen zu Schwachpunkten in der Ausübung der Parlamentarischen Kontrolle über die Tätigkeit des Landesamtes gewonnen haben, nur partiell reden. Heute ist ohnehin nicht der Ort, das im Detail auszuwerten. Aber ich sage es einfach auf den Nenner gebracht nach meiner Überzeugung, ganz gleich, zu welchen Wertungen der Ausschuss letzten Endes kommt: Der Gesetzentwurf hat im Grundsätzlichen jedenfalls seine Berechtigung und seine dringliche Notwendigkeit.

Hier setzt das Problem an, das Kollege Lichdi noch einmal aufgeworfen hat. Wir sind in der Frage, ob und wann wir die parlamentarische Kontrolle, über das Landesamt für Verfassungsschutz und den Nachrichtendienst ausregeln, als Parlament nicht frei. Artikel 83 Abs. 3 Satz 2 schreibt uns vor, als Parlament zu gewährleisten, dass eine ständige effektive Kontrolle seitens des Parlaments über den Nachrichtendienst und über die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel gewährleistet ist. Wenn selbst die Koalition – das ist unbestritten, sonst hätte sie keinen Gesetzentwurf eingebracht – diese Schwachpunkte erkennt, dann hat sie die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, sage ich einmal so respektlos, in dieser Legislatur damit zu Ende zu kommen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Aber die bringen es doch nicht mehr!)

Eben! Wenn sie das nicht tut, dann muss sie im Prinzip irgendwo die Konsequenz ziehen und dem vorliegenden Entwurf zustimmen. Auf den Nenner gebracht, wollen wir mit dem vorgeschlagenen Änderungsgesetz aus schlechten Erfahrungen Lehren ziehend einen Regelungsgehalt, der tatsächlich dem Auftrag einer Parlamentarischen Kontrollkommission, wie er im Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes vom 14.05.1996, Az.: VF44II94, klar bestimmt ist.

Wir haben ein eigenes Urteil des eigenen Sächsischen Verfassungsgerichtshof, der uns den Artikel 83 Abs. 2 Satz 2 noch einmal ausgestaltet. Dort ist gesagt worden, ich zitiere aus dem Tenor des Urteils: „Es ist eine permanente und einzelfallbezogene Kontrolle des Einsatzes nachrichtendienstlicher Mittel, diese Kontrollgremien als Hilfsorgane“ – gemeint ist die Parlamentarische Kontrollkommission – „des Parlamentes zu gewährleisten.“ „Eine

permanente und einzelfallbezogene Kontrolle“, hat der Verfassungsgerichtshof gesagt.

Ein weiterer Satz aus dem Urteil mit Bezug zu Artikel 83 Abs. 3 Satz 2 lautet: „Der Gesetzgeber muss einer der richterlichen Unabhängigkeit vergleichbar persönliche und sachliche Unabhängigkeit der Hilfsorgane des Parlaments“ – gemeint sind hier wieder die parlamentarischen Kontrollgremien, G10 und PKK usw. – „zur Kontrolle des Nachrichtendienstes sowie deren Einzelmitglieder sicherstellen.“ Ich wiederhole mich gern für das Stammbuch: „... eine der richterlichen Unabhängigkeit vergleichbare persönliche und sachliche Unabhängigkeit des Parlaments“ bzw. dieser Gremien zur Kontrolle des Nachrichtendienstes sowie der Einzelmitglieder des Gremiums.

Nun wissen wir, das ist notorisch, das kann auch jeder hier ohne Geheimnisverrat sagen: Fakt ist, dass weder vor dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes zur Problematik der Nichtverfassungskonformität der vorher im Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz enthaltenen Regelungen zur Beobachtung der Organisierten Kriminalität noch danach die Parlamentarische Kontrollkommission dieses Landtages der 4. Wahlperiode von der Existenz und der Tätigkeit sowie von den Erkenntnissen des Referates 33/34 des Landesamtes unterrichtet worden ist; weder vor dem Urteil noch danach, weder unter der Verantwortung des Innenministers Thomas de Maizière – heute bekanntermaßen auch unter anderem der Geheimdienstkoordinator der Bundesrepublik Deutschland – noch unter der Verantwortung des Amtsnachfolgers des Staatsministers des Innern, Herrn Dr. Albrecht Buttolo. Das ist Fakt.

Die Unterrichtungen in der 4. Wahlperiode sind nicht erfolgt, die Bestimmung aus dem § 17 Abs. 1 ist aber eindeutig. Dieser Abs. 1 des Verfassungsschutzgesetzes sagt definitiv – da gibt es überhaupt keine Deutungslücken –: „Über die allgemeine Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz und über Vorgänge von besonderer Bedeutung hat der Innenminister die PKK umfassend zu unterrichten.“

Ich will eine einzige plausible Erklärung, weshalb tatsächlich jedenfalls in der Legislatur des jetzigen Landtages keine Unterrichtung von Amts wegen erfolgt ist, bevor der Datenschutzbeauftragte mit seiner Unterrichtung vom September 2006 das Problem der Existenz des Umfanges der Datensammlung, der Regelungslücken, der Lücken zur Verwertung etc. pp. die Öffentlichkeit informiert hat, nie aber ein Ton in der Parlamentarischen Kontrollkommission gepfiffen wurde.

Wie sensibel das Problem ist, muss man doch gerade hier in den ostdeutschen Ländern nicht definieren. Uns ist immer erklärt worden, der wesentliche Unterschied zwischen der Akzeptanz oder der Duldung eines Geheimdienstes in der Demokratie im Verhältnis zum geheimen Dienst in der Diktatur ist der, dass in der ersteren eine parlamentarische Kontrolle vorhanden ist. Wenn ich diesen hehren Anspruch verkünde, dann habe ich im Prinzip keine drei, keine sechs Monate und gleich gar

nicht zwei Jahre Zeit oder kann warten bis in die nächste Legislaturperiode, um deutlich erkennbare Verletzungen der Informationspflicht gegenüber dem Parlament und deutliche Regelungslücken zu beseitigen.

Ein Nicht-Tätigwerden des Gesetzgebers ist in dieser Frage völlig inakzeptabel und kann nicht hingenommen werden, und es ist letztlich das Verdienst der einbringenden Fraktion, dass sie das eigentlich mit aller Sachlichkeit ausregeln will. Über die Reichweite einzelner Bestimmungen kann man sich noch verständigen.

Der Gesetzentwurf ist mitnichten zu weit weg von dem, was inzwischen auf der Bundesebene Konsens ist. Das lässt sich sogar mit Presseerklärungen nachweisen. Es ist Einigkeit über die Aktenherausgabe an Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Bundestag erzielt. Es ist Einigkeit darüber erzielt, dass PKGMitglieder im Bundestag künftig Zutrittsrechte zu sämtlichen Diensträumen der Dienste haben werden. Es ist Einigkeit darüber erzielt, dass auch Mitarbeiter von Abgeordneten künftig Geheimdienstsachen lesen dürfen, dass die Mitarbeiter gewissermaßen auch in dieser Form mit Sachkompetenz unterstützen dürfen.

Das alles sind Grundansätze für Regelungen in der zentralen Novelle zum Kontrollgremiumgesetz auf Bundesebene, die sinngerecht dem entsprechen, was in diesem Gesetzentwurf enthalten ist. Insofern ist der Gesetzentwurf nichts Linkspolitisches, sondern es ist einfach ein sachlicher Gesetzentwurf, dem man, wenn man springen wollte, auch ohne Not aus der Koalition zustimmen kann. Man kann es verbessern, weiterführen oder modern anpassen, wenn auf Bundesebene jemandem noch Gescheiteres eingefallen ist. Dass hier hohe Not zum Handeln besteht, liegt auf der Hand.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Gibt es weiteren Redebedarf aus den Fraktionen? – Das sieht nicht so aus. Die Staatsregierung wünscht das Wort nicht. Wir kommen zur Abstimmung.

Meine Damen und Herren! Aufgerufen ist das Gesetz zur Stärkung der parlamentarischen Kontrolle des Einsatzes nachrichtendienstlicher Mittel im Freistaat Sachsen. Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf der Linksfraktion.

Ich beginne mit der Überschrift. Wer möchte die Zustimmung geben? – Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist die Überschrift dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden.

Ich rufe Artikel 1 auf, Gesetz zur Änderung des Verfassungsschutzgesetzes. Wer möchte die Zustimmung geben? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist der Artikel 1 mit Mehrheit abgelehnt worden.

Ich rufe Artikel 2 auf, Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Artikels 10 des Gesetzes im Freistaat Sachsen. Wer möchte zustimmen? – Die Gegenstimmen? – Stimm

enthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden.

Ich rufe Artikel 3 auf, Änderung des sächsischen Kontrollgesetzes. Wer stimmt dem zu? – Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Auch hier sehe ich gleiches Stimmverhalten. Artikel 3 wurde mit Mehrheit abgelehnt.

Ich rufe Artikel 4 auf, Inkrafttreten. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? –

Bei einer Reihe von Stimmen dafür und Stimmenthaltungen wurde der Artikel 4 mit Mehrheit abgelehnt.

Damit erübrigt sich auch eine Gesamtabstimmung und der Tagesordnungspunkt ist abgeschlossen.

Meine Damen und Herren! Ich komme jetzt noch einmal zu

Fortsetzung Tagesordnungspunkt 5

Es hat einen Einspruch eines Abgeordneten zum Abstimmungsergebnis durch die FDP, Herrn Prof. Schmalfuß, gegeben.

Es besteht die Möglichkeit, nach § 102 unserer Geschäftsordnung Abschnitt 7, dass Herr Prof. Schmalfuß der amtierenden Präsidentin und den Geschäftsführern

gegenüber erklärt, dass er im Raum war und mit Nein gestimmt hat. Wir können das Ergebnis somit korrigieren. Das haben wir hiermit getan. Es ändert aber nichts an der Entscheidung entsprechend dem Gesamtergebnis.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 8

2. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Stärkung der Ortschaftsverfassung

Drucksache 4/10924, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Drucksache 4/15374, Beschlussempfehlung des Innenausschusses

Die Fraktionen erhalten das Wort zur allgemeinen Aussprache. Wir beginnen mit der Fraktion GRÜNE. Es folgen CDU, Linksfraktion, SPD, NPD, FDP und die Staatsregierung. Herr Abg. Lichdi, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit unserem Wiedereinzug in den Landtag im Jahr 2004 präsentieren wir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN laufend Vorschläge für eine Belebung der kommunalen Demokratie in Sachsen, leider ohne jeden Erfolg in den Köpfen von CDU und SPD. Man kann ja durchaus andere Bürgerbeteiligungsansätze verfolgen als wir GRÜNE. Dies tut etwa DIE LINKE, die sich in dieser Frage ebenfalls engagiert. Dagegen will die CDU am bestehenden Zustand der spärlichen Bürgerbeteiligungsmöglichkeiten und der äußerst schwachen Stellung der örtlichen kommunalen Ebene festhalten. Mir kommt da immer der Verdacht, dass die CDU mit der Kleinhaltung von Bürgerrechten ihre eigene Machtstellung zementieren möchte.

Besonders erschüttert bin ich aber immer wieder über die Äußerungen der SPD-Vertreter im Innenausschuss, die erkennen lassen, dass das Problem noch nicht einmal intellektuell angekommen ist.

Meine Damen und Herren! Nach unserer festen Überzeugung erleben wir eine Krise der Zustimmung zu demokratischen Formen und Verfahren. Uns alle sollte das nicht kalt lassen, sondern wir sollten ehrlich und offen nach Lösungsmöglichkeiten suchen. Wir wollen wirklich mehr

Demokratie, wie es einstmals ein bekannter SPD-Politiker wollte. Leider hat im Ausschuss zu diesem Gesetzentwurf wie so oft nur eine höchst formale Debatte stattgefunden.

Immerhin hat die Anhörung ein wichtiges Ergebnis erbracht. Schon nach der geltenden Rechtslage ist die Einführung der Ortschaftsverfassung in allen Ortsteilen einer Gemeinde zulässig. Dies wurde kommunal von interessierter Seite immer wieder anders dargestellt.

Andererseits mussten wir zu der Anhörung auch skurrile Stellungnahmen entgegennehmen. So erklärte ein Sachverständiger, dass die Ortschaftsverfassung nur möglich sei, wenn ein „Ortsteil“ vorliege. Ein „Ortsteil“ setze aber eine Unterbrechung des Siedlungszusammenhanges voraus. Hier sollen also die Geografie und die zufällige Siedlungsentwicklung über örtliche Rechte der Bürgerinnen und Bürger entscheiden. Eine absurde Vorstellung. Soll denn eine Ortschaftsverfassung verlustig gehen, wenn eine Siedlungslücke durch einen Bebauungsplan geschlossen wird?

Im Verfahren wurden auch ernst zu nehmendere Bedenken geäußert. So soll das aufschiebende Veto des Ortschaftsrates gegen Gemeinderatsbeschlüsse, das wir in unserem Gesetzentwurf vorschlagen, ein sogenanntes Kettenvetorecht ermöglichen, also dass immer wieder in derselben Angelegenheit ein Widerspruch seitens des Ortschaftsrates eingelegt wird. Dem ist natürlich nicht so. Ich habe immer wieder klargestellt und auch begründet, warum das nicht so ist.

Denn der Gemeinderat kann dieselbe Angelegenheit auch nur einmal in sechs Monaten behandeln. Das ist eine Regelung, die jetzt schon in der Gemeindeordnung steht und die natürlich selbstverständlich für die Ortschaft gilt. Zu einer dauernden Blockade kommt es dadurch natürlich nicht. Daran ändert auch nichts, wenn man, wie es ein Sachverständiger in der Anhörung getan hat, das nebulöse Prinzip der Einheitsgemeinde ins Feld führt.