Protocol of the Session on May 13, 2009

Was soll man etwa von einem ehemaligen Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz, Herrn Stock, halten, wenn dieser nach seinem Rausschmiss als Referent für den Einsatz verkehrspolizeilicher Aufgaben im SMI kaltgestellt wird? Was soll man davon halten, wenn der Chef einer solch sensiblen Behörde körperlich und geistig so zerrüttet sein muss, dass er nicht nur dem Amtsarzt, sondern auch noch dem Sozialpsychiatrischen Dienst vorgestellt werden muss, um auf seine Aussagefähigkeit überprüft zu werden?

Da passt es doch wie die Faust aufs Auge der Skandale der bundesrepublikanischen Verfassungsschützer, die ebenso Legion wie legendär sind. Denken wir nur an den ebenfalls unzurechnungsfähigen Landesverräter und als Präsident des Verfassungsschutzes mehrfachen Überläufer Otto John, an den Schwerstalkoholiker Tiedge, der 1985 Doppelagenten an die DDR-Staatssicherheit verriet, oder an Holger Pfahls, den abgetauchten Präsidenten des Kölner Verfassungsschutzamtes, der wegen millionenfacher Unterschlagung und Waffengeschäften jahrelang von Interpol gesucht wurde. Alles ehrenwerte CDU-/CSULeute.

Was ist ferner von einem sächsischen Innenminister zu halten, der einem Herrn Pieckert die Dienstaufsicht über den Verfassungsschutz übertrug, obwohl dieser weder

Kenntnisse noch Erfahrungen auf diesem Gebiet besaß? Die Vernehmung dieser Herren im Untersuchungsausschuss geriet fast zum Kabarett und der Begriff Amnesie für die Beschreibung seines Erinnerungsvermögens wäre wohl ein glatter Euphemismus. Herr Pieckert betonte so oft, er könnte sich daran und daran und daran nicht mehr erinnern, dass man Angst haben musste, ihn vergeblich nach dem Vornamen seiner Ehefrau zu befragen. Was gibt dieser Mensch auf die Fragen nach der Art und Weise der Kontrollausübung des Innenministeriums über den Verfassungsschutz zum Besten: Das Innenministerium verfüge über keine festen Kontrollregularien; der Verfassungsschutz bleibe weitestgehend unkontrolliert, weil man Vertrauen in die Amtsführung gehabt habe – ja, zumindest bis zum Beweis des Gegenteils –; dass die Kontrolleure, die aller paar Jahre wechselten, weder Kenntnisse der Strukturen und Arbeitsweise der StasiWest hatten oder haben mussten, noch dass eine intensive Einführung oder Amtsübergabe stattfand.

Die Kontrolle war also Zufall oder Willkür – keine festgelegten oder spontanen Kontrollintervalle, keine Berichtstermine oder festgelegten Treffen, stattdessen Vertrauen. Na dann, gute Nacht!, Herr Dr. Buttolo. Und wenn es schiefgeht, dann schreddern wir eben die Akten, zeigen Zeugen an, üben größtmöglichen Druck auf Untergebene aus und verweigern die Aussage, weil der zart besaitete Ex-Präsident nach seiner Amtsenthebung Zeichen des körperlichen und geistigen Verfalls vorgibt.

Und wenn das nicht reicht, blockieren CDU und SPD mit ihrer Mehrheit im Ausschuss wieder einmal die Untersuchung. Wie sagte Herr Eggert, gewissermaßen Gründungsvater der sächsischen Stasi-Nachfolgeorganisation, nach einer Ausschussabstimmung, mit der die Union den unliebsamen Ausschussauftrag weitere vier Wochen blockierte, danach im Treppenhaus zu Prof. Schneider noch so schön: „Und das Spielchen machen wir jetzt weiter, bis es schneit.“ – Heiterkeit war die Folge, ist ja auch verständlich.

Der Verfassungsschutz muss, wenn er denn noch nicht abgeschafft werden kann, einer erheblich engmaschigeren Kontrolle durch das Parlament unterworfen werden – schon deshalb, weil er wie weiland die Stasi als Instrument der Regierung eingesetzt wird, um unverhohlen und vorsätzlich die politische Opposition zu diskreditieren. Dabei übertritt er massiv seine verfassungsrechtlich gedeckten Befugnisse.

Die NPD schließt sich daher den Forderungen des Gesetzentwurfes an, also der deutlichen Stärkung der Minderheitenrechte, der Erweiterung der Auskunftsrechte der PKK, der verlangten Unmittelbarkeit der Informationspflicht, weitestgehenden Akteneinsichtsrechten, Unterrichtung des Landtages usw.

Wir gehen aber weiter: Minderheitenschutz und Kontrollrechte müssen so eingerichtet sein, dass sämtliche im Landtag vertretenen Parteien einen Sitz in der PKK haben, ja, die Vertreter aller Oppositionsparteien sollten Vorrang haben, denn der Verfassungsschutz wird sicher

lich nicht die eigene Auftrag gebende Regierung bespitzeln.

Abschließend kann ich mich aber auch hier nur wiederholen: Das Landesamt für Verfassungsschutz ist aufzulösen, denn diese Variante ist nicht nur billiger – nur sie kann diesen Machenschaften ein wirkliches Ende setzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Die FDP-Fraktion; Herr Dr. Martens, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass vonseiten der NPD auch anlässlich dieses Gesetzentwurfes lediglich Pauschalangriffe auf den Verfassungsschutz als solchen und wahrscheinlich auch auf die Verfassung kommen, war nicht anders zu erwarten. Wir haben uns inzwischen fast schon daran gewöhnt; besser werden diese Angriffe allerdings auch nicht, sie werden auch nicht substanziierter.

Im Gegensatz zur Weimarer Republik, die von Ihren Gesinnungsfreunden damals zu Fall gebracht worden ist, ist unsere Republik nicht wehrlos, sondern hat einen Verfassungsschutz, und den werden wir uns auch weiter leisten – allein Ihre Existenz macht ihn dringend notwendig.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Zum Gesetzentwurf selbst, meine Damen und Herren. Der Anlass des Gesetzentwurfes ist die Aktenaffäre, die Frage nach dem sogenannten Sachsensumpf, und die Vorgänge innerhalb des Landesamtes für Verfassungsschutz und im Staatsministerium des Innern. Diese Vorgänge haben gezeigt, dass eine verstärkte Kontrolle des Landesamtes durch das Parlament dringend erforderlich ist. Die Affäre selbst ist bis heute nur in Ansätzen überhaupt erst einmal aufgeklärt; aber selbst der von der Staatsregierung bestellte und schnellstens fertig gestellte Beyer/Irrgang-Bericht kommt zu dem Ergebnis, dass dieses Landesamt grob mangelhaft und unter dem Fehlen fast jeglicher Dienstaufsicht vor sich hinwerkeln konnte.

Das ist für einen Geheimdienst nicht hinnehmbar, meine Damen und Herren. Wer sich dieser Kontrolle so entledigt, setzt sich bewusst dem Vorwurf aus, hier seine Verpflichtungen nicht zu erfüllen. Es ist unbestreitbar, dass dieses Landesamt eine weitere, eine umfassendere parlamentarische Kontrolle braucht.

Lassen Sie mich zu den Einzelrechten des Gesetzentwurfes eines sagen: Die konkreten Einzelrechte, wie sie dieser Gesetzentwurf vorsieht, gehen zu weit. Die konkrete Einzeluntersuchung durch einzelne Mitglieder direkt im Amt verkennt das Prinzip der Behördenstruktur und der Verantwortlichkeit der Behördenleitung, auf die wir gesteigerten Wert legen – nicht zuletzt im Hinblick auf politische Verantwortlichkeiten, die es klar zu ziehen gilt.

§ 16 Abs. 3 Satz 6 schließlich hebt die Vertraulichkeit bei der Bewertung aktueller Vorgänge auf. Hierin sehen wir eine nicht hinnehmbare Kollision mit Geheimhaltungspflichten der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums – eine Kollision, die bis zur Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit des Dienstes führen kann.

Diese Mängel – lassen Sie es mich kurz machen – führen uns dazu, dass wir uns bei diesem Gesetzentwurf lediglich enthalten können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Die Fraktion GRÜNE; Herr Abg. Lichdi, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Herr Abg. Apfel hat hier soeben Behauptungen über den angeblichen Gesundheitszustand eines Zeugen im Untersuchungsausschuss in der Öffentlichkeit des Landtages zum Besten gegeben. Ich bitte Sie, Frau Präsidentin, und das Präsidium um Prüfung, ob nicht ein Verstoß gegen die Geheimhaltungsvorschriften und die Fürsorgepflichten gegenüber einem Zeugen vorliegen. Ich bitte Sie, Frau Präsidentin, zu prüfen, ob hier nicht im Nachhinein noch parlamentarische Rügemöglichkeiten bestehen. Ich denke, es kann nicht angehen, dass in der Öffentlichkeit Dinge über angebliche oder vorgebliche oder sonstige Gesundheitszustände und amtsärztliche Untersuchungen ausgebreitet werden. Ich denke, wir haben als Ausschuss eine Fürsorgepflicht, und dieser ist der Abg. Apfel nicht nachgekommen.

(Jürgen Gansel, NPD: Das ist ja bei Ihnen in guten Händen!)

Meine Damen und Herren! Es gibt tatsächlich gute Gründe für die Abschaffung von Geheimdiensten. Diese Gründe haben sich nicht erschöpft. Ganz im Gegenteil: Man hat den Eindruck, in den letzten Jahren nehmen sie zu. Urgrund dessen, dass immer noch die Frage der Abschaffung nachrichtendienstlicher Mittel der Geheimdienste in Rede steht, ist, dass Geheimdienste schlicht und ergreifend Löcher in der Demokratie und im Rechtsstaat sind. Denn Geheimdienste sind eben, wie der Name schon sagt, auf Geheimhaltung angewiesen. Das Wesenselement von Demokratie und Rechtsstaat ist Transparenz, Offenheit und Beteiligung der ganzen Gesellschaft.

Wenn sich ein demokratisch-rechtsstaatlich organisiertes Land Geheimdienste einrichtet, dann bedarf es einer effektiven Kontrolle; gerade bei Geheimdiensten bedarf es einer effektiven Kontrolle, denn es handelt sich um einen strukturell besonders kontrollbedürftigen Bereich, weil eben die übliche Kontrolle durch Gerichte durch diese Geheimhaltung sowie Medien und Öffentlichkeit ausfallen. Wir können seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland und auch seit Wiederbestehen des Freistaates Sachsen immer wieder die Verletzung von Bürgerrechten feststellen. Denn die bisherige Regelung im Sächsischen

Verfassungsschutzgesetz ist eher eine Kontrollattrappe, hinter der sich der Verfassungsschutz verbergen und ungestört agieren will.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Das ist leider wahr!)

Ich will die Ergebnisse des 2. Untersuchungsausschusses zur Aktenaffäre oder Verfassungsschutzaffäre – zum sogenannten Sachsen-Sumpf – nicht vorwegnehmen. Aber das, was wir bisher dort zu hören und zu sehen bekommen haben, reicht aus, um sagen zu können, dass hier offenbar Ermittlungen ins Blaue hinein vollzogen wurden, ohne dass im Amt strukturell für eine zureichende Verifizierung gesorgt wurde.

Übrigens, meine Damen und Herren, möchte ich einfach noch einmal darauf hinweisen: In der PKK sitzen die zwei stärksten Parteien des Landtages. Die CDU gibt natürlich an Herrn Brangs koalitionshalber einen Sitz ab, aber im Kern sind die beiden stärksten Parteien hier unter sich. Wir halten das im Kern für einen undemokratischen Zustand.

(Jürgen Gansel, NPD: Ich möchte auch in die PKK!)

Dadurch wird beispielsweise meiner Fraktion, uns BÜNDNIS-GRÜNEN, verwehrt, in diesem Bereich überhaupt mitzukontrollieren.

(Stefan Brangs, SPD: Zum Glück!)

Es geht also darum, dass wir bei den Geheimdiensten immer wieder ein „strukturell-chronisches Kontrolldefizit“ feststellen und erkennen müssen, wie das langjährige Geheimdienstopfer Rolf Gössner in der Anhörung gesagt hat.

(Lauter Wortwechsel zwischen der Abg. Caren Lay, Linksfraktion, und dem Abg. Stefan Brangs, SPD)

Ich möchte an dieser Stelle nur an den tragischen Fall von Murat Kurnaz erinnern. Ein Jahr nach seiner Gefangennahme wurde er von Mitarbeitern des Bundesnachrichtendienstes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Guantánamo verhört. Nach Auffassung der deutschen vernehmenden Beamten war Kurnaz nie terroristisch tätig, sondern nur zur falschen Zeit am falschen Ort. Aber Kurnaz blieb noch weitere vier Jahre in Guantánamo. Wären die Geheimdienste nicht so geheim, dann hätten sie diesen Fall sehr schnell öffentlich machen können und dieses schreiende Unrecht hätte früher beendet werden können.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Wir BÜNDNIS-GRÜNEN begrüßen daher die Initiative der Linksfraktion und werden dem Gesetzentwurf trotz einiger Bedenken im Detail zustimmen, denn aus unserer Sicht geht es hier um das politische Signal und nicht um rechtliches Klein-Klein.

Die Parlamentarische Kontrollkommission muss über Mechanismen verfügen, die eine permanente und einzelfallbezogene Kontrolle des Einsatzes nachrichtendienstlicher Mittel gewährleisten. Die Parlamentarische Kontrollkommission benötigt das Recht auf Erteilung von Auskünften, das Recht auf Einsicht in Akten und in Dateien des Landesamtes, das Recht auf Zugang zum Landesamt und Gespräche mit den Beschäftigten. Wir brauchen eine Stärkung und einen Ausbau der Minderheitenrechte, zum Beispiel bezüglich der Einberufung und Unterrichtung der PKK, auch schon auf Antrag nur eines ihrer Mitglieder. Wir brauchen eine bessere Ausstattung der PKK mit Personal- und Sachmitteln und wir brauchen eine Berichtspflicht der PKK an das Parlament.

In der Anhörung gab es Auseinandersetzungen hinsichtlich des Ausbaus und des Umfangs der Minderheitenrechte. Der Gesetzentwurf sieht hier auf Antrag eines einzelnen Mitglieds bereits ein Akteneinsichtsrecht vor. Ich könnte mir vorstellen, dass wir an dieser Stelle durchaus die Anforderung einer qualifizierten Minderheit ins Auge fassen sollten und nicht nur die eines einzelnen Mitglieds. Dass die PKK aber, wie DIE LINKE vorschlägt, mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten sollte, halte ich für durchaus schwierig. Es ist schließlich nicht Aufgabe eines parlamentarischen Kontrollorgans, die Arbeit der Staatsanwaltschaft zu übernehmen. Was uns aber auch in Ihrem Gesetzentwurf noch fehlt, ist ein umfassendes Akteneinsichtsrecht für Betroffene, wie es beispielsweise im Land Berlin schon besteht.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Da regieren wir ja auch!)

Wir fragen uns, liebe Damen und Herren von der Koalition – Herr Brangs hat dazu gesprochen –: Wieso haben wir von Ihrem Gesetzentwurf so lange nichts mehr gehört.

(Beifall der Abg. Regina Schulz, Linksfraktion)

Schließlich liegt die Anhörung über ein Dreivierteljahr zurück. Ich habe Ihnen sehr genau zugehört, Herr Kollege Brangs, muss Ihnen aber leider sagen, dass ich Ihre Einlassung, auf die Regelung im Bund zu warten, nicht für sehr überzeugend halte.

(Lachen des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Wahrscheinlicher erscheint mir die Interpretation, dass die interne Blockade beispielsweise aufgrund des Personalvertretungsgesetzes, das Sie nicht in der Lage sind gegenüber der CDU durchzusetzen, vielleicht die Ursache dafür ist, dass Sie an dieser Stelle nicht weiterkommen.

(Stefan Brangs, SPD: Was Sie alles wissen, Herr Lichdi!)

Ja. Das war schon in den Medien nachzulesen, Herr Kollege Brangs.