Zum Schluss noch ein Punkt, den ich meinem Kollegen Flath nicht ersparen kann. Sie haben davon gesprochen, man müsse abwägen und einen kühlen Kopf bewahren. Sie sagen, der Staat solle nicht als Unternehmer auftreten. Sie wissen, dass es dazu unterschiedliche Auffassungen gibt. Es gibt auch unterschiedliche Erfahrungen, wenn etwas privatisiert wurde, weil der Staat es nicht mehr sein sollte. Man hat oft erlebt, dass es dann zu einer Reprivatisierung gekommen ist, da die Aufgabe durch Private nicht gut erledigt worden ist. Diese Fälle kennen Sie.
Sie wissen auch, dass innerhalb der CDU und der CSU der Ruf nach dem Staat lauter wird. Da gibt es nicht nur Seehofer, sondern auch Vertreter der CDA und einzelne Bundestagsabgeordnete. Es gibt eine aktuelle Debatte um die Frage, ob man die Abfindungen bei Managern begrenzen soll. Seehofer spricht dabei von Versagern. Man solle Versagerabfindungen begrenzen. Insofern ist das eine Debatte, die nicht konsequent und stringent in der CDU geführt wird.
Ein Beispiel ist mir sofort eingefallen, als Sie davon sprachen. Das begründet vielleicht ein wenig, warum Sie damit Probleme haben. 1998 musste die Preussag AG Teile verkaufen. Damals ging es um ihre Stahltochter. Diese Stahltochter ist nach Österreich verkauft worden, weil man circa 2,5 Milliarden Euro Verluste kaschieren wollte. Das Besondere ist, dass man 1990 wesentliche Immobilienbestände und die Stahltochter vom Staat geschenkt bekam. Die West LB hatte am stärksten gefordert, dass es dazu kommen soll. Sie war Hauptaktionär. Das Ganze hat im Landtagswahlkampf in NordrheinWestfalen stattgefunden. Der damalige Ministerpräsident Schröder aus Niedersachsen ist schnell dorthin gereist und hat die Preussag AG davon überzeugt, dass man nicht verkaufen, sondern dem Land Niedersachsen das Angebot machen sollte. Niedersachsen hat dann gekauft und ist Eigentümer geworden. Insofern hat innerhalb von 24 Stunden zweimal der Eigentümer gewechselt. Sie wissen, dass die SPD die damalige Landtagswahl mit Schröder gewonnen hat.
Sie wissen, dass Schröder dann ins Kanzleramt gekommen ist und Bundeskanzler wurde. Ich denke, das ist ein traumatisches Erlebnis der CDU, was das Thema Staatsbeteiligung angeht. Dafür habe ich großes Verständnis.
Haben Sie mich nicht gehört? Das tut mir leid. Ich werde mir Mühe geben, auch zur FDP laut und deutlich zu sprechen.
Bisher habe ich die Auffassung mit großen Teilen derjenigen, die heute an der Kundgebung außerhalb des Sächsischen Landtages teilgenommen haben, geteilt, dass es nicht um eine Veranstaltung geht, bei der die einen draußen und die anderen drinnen sind. Ich habe die heutige Sondersitzung, beantragt vonseiten der Opposition, so verstanden, dass es uns gemeinsam um die Zukunft von Qimonda und deren Wichtigkeit für Sachsen und Europa geht.
Wenn wir, meine Damen und Herren, über Qimonda sprechen, reden wir insgesamt über viel mehr als Qimonda selbst. Wir sprechen über die Zukunft der europäischen Chip-Industrie.
Meine Damen und Herren! Microchips sind heute das Herzstück jeder Technologie und jedes technologischen Fortschritts. De facto funktioniert nur noch ganz wenig, um nicht zu sagen, fast nichts mehr ohne sie. Ohne eine eigene Halbleiterindustrie verlieren Deutschland und Europa die internationale Konkurrenzfähigkeit, oder, Herr Zastrow, Sie werden genauso wie beim Erdöl oder Erdgas vom technologischen Vorsprung in anderen Kontinenten abhängig. Das Ergebnis ist dann zum Beispiel in Hannover bei den Werkzeugmaschinenmessen zu sehen. In den europäischen Maschinen hat man noch die Steuerung von gestern, wohingegen die taiwanesischen Maschinen bereits die Steuerung von morgen eingebaut haben.
Das heißt, wenn es uns in der Tat darum geht, hier das zu erhalten, was sich allein in Sachsen bald für Europa tut, nämlich den gesamten Halbleiterbereich abzudecken, über den Europa noch verfügt, bis auf den geringen Anteil, von dem ja schon die Rede war, ob in Grenoble oder in den Forschungskapazitäten in Leuven, dann haben wir in Sachsen einzig und allein eine Halbleiterindustrie, die sich darin auszeichnet, dass hier sowohl Forschung und Entwicklung wie auch letztendlich Produktion, ja, Massenproduktion betrieben werden. Das ist Silicon Saxony mit 250 Unternehmen, das ist richtigerweise gesagt worden, mit zirka 35 000 Mitarbeitern. Qimonda ist heute eine von vielen Firmen, aber eines der wichtigsten Unternehmen für den Standort. Deshalb kämpft die Sächsische Staatsregierung – der Wirtschaftsminister, der Finanzminister, der Ministerpräsident – für den Erhalt von Qimonda. Wir versuchen seit Monaten mit aller Kraft, die Arbeitsplätze im Wissen darum, dass es sich um hoch entwickelte Arbeitsplätze handelt, für Sachsen zu erhalten.
Meine Damen und Herren! Das tun wir für die Menschen, die dort arbeiten. Das tun wir für den Freistaat, gleichwohl aber auch im Interesse der gesamten Europäischen Union. Ich habe versucht, die Wechselbeziehungen darzulegen.
Damit Europa überhaupt eine Chance hat, im Wettbewerb mit Amerika und Asien in Zukunft mithalten zu können, geht es uns als Staatsregierung – so habe ich zumindest den Antrag auf die Sondersitzung verstanden – und auch dem Sächsischen Landtag darum, diese Zukunftsfähigkeit für Dresden, für Sachsen, für Qimonda, aber natürlich auch für die Europäische Union und seine Wirtschaft zu behalten.
Uns alle bewegt nunmehr wie die Bürger in diesem Lande die Frage: „Wie geht es weiter mit Qimonda?“ Der Insolvenzverwalter hat in den vergangenen Monaten – das ist unser Eindruck – mit aller Kraft versucht, Investoren zu finden. Wir erwarten von ihm, dass er das ungemindert weiterhin versucht. Es ist nicht der Zeitpunkt aufzugeben, solange wir gemeinsam der Überzeugung sind, dass wir hier eine Technologie haben, wie sie der Wirtschaftsminister vorgestellt hat, die eineinhalb Jahre technologischen Vorsprung am Standort Dresden verspricht.
Wir haben dem Insolvenzverwalter so gut wir nur konnten geholfen. Wir haben ihm Türen geöffnet, auch auf politischer Ebene, wo er dies wünschte. Die Staatsregierung hat immer betont: Sobald ein Investor gefunden ist, werden wir Qimonda mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützen.
Aber, meine Damen und Herren von der Opposition, namentlich von den heutigen Antragstellern, eine Bedingung gilt: Ein Investor muss das Fundament legen, auf dem das Haus gemeinsam mit dem Freistaat Sachsen gebaut werden kann. Darum geht es. Frau Hermenau, es kann nicht zuerst das Dach gebaut werden und anschließend irgendwann nachgeschaut werden, wo das Fundamt herkommt.
Deshalb bleibt es bei dem, was ich eben sagte und was eine Vielzahl meiner Vorredner ausführte: Es bleibt dabei, und es ist daran nichts falsch, Herr Zais. Es ist richtig, dass der Insolvenzverwalter in der jetzigen Situation die Verantwortung trägt, zuerst die Suche nach den Investoren zu führen und diese mit Hochdruck zu betreiben.
Sollte es dabei notwendig sein, dass dem Insolvenzverwalter die nächsten zwölf Tage nicht reichen, halte ich es für opportun bzw. gerechtfertigt – das habe ich auch draußen zu den Mitarbeitern von Qimonda gesagt und darüber hat die Staatsregierung in den letzten Tagen auch mit dem Insolvenzverwalter verhandelt –, alle rechtlichen Möglichkeiten im Zusammenhang mit der Sicherstellung bzw. dem Zusammenhalten der Belegschaft zu prüfen, das heißt, auch eine Transfergesellschaft und eine Rettungs
beihilfe nicht nur in Erwägung zu ziehen. Wir brauchen die Entscheidung des Insolvenzverwalters dazu. Er muss einen Antrag stellen. Wir werden ihn dann auch dazu auffordern, das für einen Zeitraum zu tun, in dem er eine reelle Chance hat, letztendlich einen Investor zu finden.
Meine Damen und Herren! Ich wiederhole noch einmal: Sobald ein Investor mit tragfähigem Konzept da ist, schließt unser Hilfsangebot eine Vielzahl von Möglichkeiten ein. Es ist richtig, was betont wurde: Wir haben in der Vergangenheit, ob es AMD oder Infineon, aber auch schon Qimonda war, mit öffentlichen Mitteln geholfen, nicht nur beim Start, sondern auch beim Erhalt der Technologieführerschaft über den gesamten Zeitraum der letzten 20 Jahre. Nicht alle sind 20 Jahre auf dem Markt, aber in den letzten zwei Jahrzehnten haben wir geholfen. Das haben wir durch direkte Zuschüsse, durch Bürgschaften, durch Darlehen oder auch durch Einlagen getan. Wir haben daran keine Beteiligung geknüpft.
Meine Damen und Herren! Wir werden all diese Instrumente wieder prüfen, wenn ein Investor da ist und wenn er sein zukunftsfähiges Konzept vorlegt, das letztendlich dazu führen wird, dass diese Unternehmungen nicht vom ersten Tag an rote Zahlen schreiben, sondern in eine Zukunft geführt werden, die die Technologie verspricht und wodurch deren betriebswirtschaftliches Konzept untermauert wird.
Die Investorensuche ist aber nur ein Aspekt der Rettung von Qimonda. Ein weiterer Aspekt ist politischer Natur. Europa – das haben meine beiden Vorgänger vergeblich darzulegen versucht – braucht eine neue Industriepolitik.
Unsere Halbleiterindustrie, nicht nur die in Sachsen, sondern auch die in der Europäischen Union, muss in der Konkurrenz mit Amerika und Asien bestehen bzw. mithalten können. Deswegen muss sich die europäische Beihilfepolitik ändern.
In der Europäischen Kommission in Brüssel geht man immer noch davon aus – leider –, dass es einen innereuropäischen Wettbewerb gebe. Die Gespräche der letzten Wochen haben zumindest dazu beigetragen, dass man in Berlin, aber auch in Brüssel dazugelernt hat. Mittlerweile ist man der Auffassung, dass diese Sicht- und Handlungsweise nicht richtig ist. Das müssen wir hier in Sachsen ja gerade schmerzhaft erfahren. Warum ist Qimonda jetzt in dieser Situation? Weil in Taiwan, Korea und Japan Milliardenbeträge zur Verfügung gestellt werden, aber die europäischen Beihilferegeln dies für Sachsen unmöglich machen. Zuletzt hat der Investor, der wesentlich dazu beigetragen hat, AMD zu stabilisieren, auch mit den Amerikanern schlussverhandelt, als es darum ging, dass er eine neue Fabrik in den Vereinigten Staaten bauen wird, weil die Möglichkeit des Freistaates
zur Unterstützung einer solchen Fabrik in Sachsen nur mit 128 Millionen Euro gegeben wäre, in den Vereinigten Staaten aber die lokalen Behörden insgesamt 1,2 Milliarden Dollar zur Verfügung stellen, damit sich dieses Unternehmen im Staat New York ansiedeln kann.
Deshalb, meine Damen und Herren, bin ich in den letzten Wochen wiederholt nach Brüssel gefahren, um für eine solche neue Ausrichtung in der europäischen Industriepolitik zu werben. Es ist ein wenig vermessen, von mir heute zu fordern, über Vieraugengespräche zu berichten, aber ich will Ihnen eines sagen: Diese Gespräche haben sich zumindest für mich als Ministerpräsident dieses Landes insofern gelohnt, als der Kommissionspräsident deutlich gemacht hat, dass er die Strategie der Europäischen Kommission zu einer europäischen Halbleiterbranche befördert, die mir der Kommissar Verheugen 14 Tage vorher zugesagt hat, dass sie die Kommission spätestens im Mai vorlegen wird, um letztendlich – ob im Wirtschaftsrat oder im Wettbewerbsrat der Europäischen Union – darüber zu beraten.
Meine Damen und Herren, wenn dann die Bundesrepublik oder auch das Land Portugal die Kommission bei diesem Ansinnen unterstützen, bedarf es darüber hinaus der Zustimmung von weiteren 25 Mitgliedsstaaten, dass man bereit ist zu akzeptieren, dass es eine neue europäische Industriepolitik im Bereich der Halbleiterbranche gibt – natürlich eingeschlossen mit all den in diesem Zusammenhang stehenden Regularien, einschließlich der Beihilfepolitik.
Ich weiß, dass sich der Kommissionspräsident und auch der Industriekommissar Herr Verheugen darum bemühen, genauso wie es die Bundesregierung, namentlich die Bundeskanzlerin, aber auch ihr Wirtschaftsminister zu Guttenberg, tun, um letztendlich mit uns gemeinsam dieses Anliegen auf europäischer Ebene umzusetzen. Auch sie haben beide Aspekte im Blick, nämlich zum Ersten, uns bei der Suche nach Investoren zu unterstützen, und zum Zweiten, die europäische Industriepolitik neu auszurichten.
Ich will an dieser Stelle wiederholen, was ich draußen zu den Menschen, zu den Mitarbeitern von Qimonda gesagt habe. Dem Bund muss klar sein: Wir fordern: Das, was für Opel gilt, gilt für Qimonda allemal! Das habe ich heute auch schon von anderen gehört, und das kann ich nur unterstreichen.
Aber für Qimonda gilt mehr, nämlich die Bedeutung, die ich eingangs deutlich gemacht habe, dass es sich hier um einen Industriezweig handelt, der so querschnittsmäßig mit der gesamten volkswirtschaftlichen Entwicklung und deren Zukunft verflochten ist, dass es eben nötig ist, diesen industriepolitischen Ansatz auf europäischer Ebene umzusetzen.
Meine Damen und Herren! Wir sind uns darüber im Klaren, dass wir uns nicht für die Rettung eines maroden Unternehmens einsetzen.
Herr Hahn, Sie müssen zuhören. Wir sind uns einig, dass wir uns hier für etwas engagieren, von dem wir der Überzeugung sind, dass es nicht um die Rettung eines maroden Unternehmens geht; sondern es geht vielmehr um einen globalen Technologieführer, der eine große Zukunft bei uns im Freistaat Sachsen haben kann.
Ich wiederhole, was Kollege Jurk gesagt hat: Mit den Technologien, die Qimonda entwickelt hat, ist das Unternehmen den Konkurrenten gegenwärtig um Meilen voraus. Deshalb hat auch der Freistaat Sachsen im Dezember der Muttergesellschaft Infineon angeboten, 150 Millionen Euro frisches Kapital zur Verfügung zu stellen. Die Muttergesellschaft Infineon hat diese Chance nicht genutzt, weil der Konzern entweder keine Verantwortung übernehmen konnte oder tragen wollte. Kurz danach musste Qimonda Insolvenz anmelden. Die Insolvenz kommt einem Neubeginn gleich. Es ist eine zweite Chance, nämlich die Chance, einen neuen verantwortungsvollen Investor zu finden. Deswegen verstehe ich auch die heutige Sitzung so, dass Sie die Staatsregierung, aber gleichwohl auch den Insolvenzverwalter bei dieser Suche nach einem neuen Investor unterstützen.
Meine Damen und Herren, wir hier im Landtag haben alle gemeinsam großes Interesse daran, dass Qimonda diese zweite Chance nutzt. Ich sehe das auch in den Anträgen der Opposition. Bewahren wir uns diese Einmütigkeit und arbeiten wir gemeinsam für die Zukunft von Qimonda, damit die Mitarbeiter nicht den Eindruck haben, dass es ein Draußen gibt – die Mitarbeiter – und ein Drinnen, die politische Debatte; denn auf eindrucksvolle Art und Weise haben wir in den letzten Wochen gesehen: Jeder Arbeitsplatz bei Qimonda hat ein Gesicht. Das hat uns diese Kundgebung vor dem Sächsischen Landtag heute auch deutlich gemacht. Die Mitarbeiter zeigen, dass sie gemeinsam mit uns für ihr Unternehmen eintreten.