Protocol of the Session on January 22, 2009

Aber diese Honorarerhöhung kommt so nicht explizit bei den einzelnen Facharztgruppen an. Das ist auch auf diesem Neujahrempfang festgestellt worden. Jetzt muss ich einmal die anderen Kollegen aufklären. Es liegt nicht an der Staatsregierung, so etwas Dummes, sondern an einem anderen Selbstverwaltungsorgan, Herr Zastrow. Sie waren ja nicht auf dem Empfang. Die haben sich dort fast gebalgt, und zwar die Kassenärztliche Vereinigung als Selbstverwaltungsgremium und die Ärzte. Ein paar haben geschwiegen, weil diese die Honorarerhöhung bekommen, ein paar haben gesagt, wir bekommen weniger, und ein paar haben gesagt, wir spüren gar nichts. Nur dummerweise gibt es ein Selbstverwaltungsorgan, das jetzt einfach seine Verantwortung wahrnehmen muss. Die Staatsregierung hat zugesichert, dass sie die Klärung begleitet und betreut, damit 120 Millionen Euro, die an Honorierung mehr fließen, auch dort ankommen, wo sie hingehören, nämlich bei den sächsischen Ärzten.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion und der SPD)

Lassen Sie mich bitte erwähnen – das sollten wir nicht vergessen –, dass diese 120 Millionen Euro mehr Gelder der Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind. Diese haben ein Recht darauf, dass ihre Gelder auch dort ankommen, wo sie hingehören, und dass sie ordnungsgemäß verwendet werden, damit sie dann natürlich eine gute ärztliche Versorgung erhalten.

Ich möchte abschließend noch sagen, dass es eigentlich eine Illusion und nicht ganz fair ist, wieder eine Anzeige zu schalten und zu sagen: Krankenkassenbeiträge runter! Wo ist denn Ihre Lösung dafür, Herr Zastrow? Ist die Lösung bei Ihnen, dass Sie jetzt aufzeigen, aus welchem Steuertopf wir das nehmen, oder dass Sie zeigen, welche Leistungen gekürzt werden, oder dass Sie endlich eine andere Einnahmequelle nennen?

(Holger Zastrow, FDP: Mehr Wettbewerb!)

Mehr Wettbewerb löst nicht das Einnahmenproblem. Sie sind doch Wirtschaftler!

(Holger Zastrow, FDP: Ja, eben!)

Also nennen Sie doch endlich die Quelle, wo das Geld herkommen soll! Wettbewerb reicht nicht!

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich nochmals betonen, dass der Freistaat Sachsen völlig richtig mit der Einschätzung zu den Auswirkungen des GKV-WSG lag. Das zeigt auch die Beantwortung der Großen Anfrage.

Das Gesetz ist in Kraft getreten. Alle verantwortlichen Politiker sind sich ihrer jetzigen Rolle bewusst, dass sie gemeinsam mit den Leistungserbringern, mit allen Verantwortlichen in dem System hier Lösungen finden, nicht zurückschrauben, um eine perspektivisch gut finanzierte und qualitativ hohe medizinische Versorgung für unsere Bürger zu gewährleisten.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Die Linksfraktion erhält das Wort; Frau Lauterbach, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! Wir haben mit der Großen Anfrage der FDP-Fraktion einen ersten Überblick über die Auswirkungen der Gesundheitsreform auf den Freistaat Sachsen erhalten. Es kann nur ein erster Überblick sein, denn die Erfahrungen im Umgang mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz kann in vielen Punkten nicht eingeschätzt werden. Zu viele Fragen werden deshalb beantwortet mit „zurzeit nicht möglich“, „keine belastbaren Aussagen“, „nicht genau bekannt“ oder „grob geschätzt“. Das hilft uns natürlich im Wesentlichen nicht weiter. Viele Fragen sind einfach auch zu früh gestellt. Die Auswirkungen können zurzeit noch gar nicht umfassend aufgezeigt werden. Aber es gibt durchaus Antworten, mit welchen Vor- und Nachteilen in Sachsen in einzelnen Bereichen des Gesundheitssystems zu rechnen ist. Also schauen wir uns einige Teilbereiche etwas genauer an.

Erstens. Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz wird seinem Namen nicht einmal gerecht. Es zentralisiert im Wesentlichen. Es wird festgestellt, dass der Wettbewerb erheblich eingeschränkt wird. Die Gesundheitsversorgung unserer Bevölkerung ist Teil der Daseinsvorsorge des Staates und sollte nicht dem Wettbewerb ausgeliefert werden.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Der Wettbewerb wird hier lediglich auf Kosteneinsparung zum Nachteil der Versicherten reduziert. Die jetzigen Unsicherheiten bei den Krankenkassen werden sicher nicht zu einer Einheitskasse führen, Herr Zastrow. Aber genau das wäre der richtige Weg. DIE LINKE steht für eine Einheitskasse.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Zweitens. Laut Antwort der Staatsregierung kann keine Aussage zur voraussichtlichen Höhe der zur Verfügung stehenden Mittel für die landesunmittelbaren Krankenkassen getroffen werden. Genaue Berechnungen des Morbiditätsrisikostrukturausgleichs sind derzeit nicht möglich. Die Datenbasis beruht zurzeit noch auf dem Jahr 2006. Modellrechnungen in mehreren Varianten machen die unbefriedigende und unsichere Situation für die Krankenkassen nur noch komplizierter. Deshalb sind die Aussagen in der Großen Anfrage nur unter Vorbehalt zu betrachten. Vorgelegte Zahlenspiele können nur eine grobe Schätzung sein. Gleichzeitig erwartet die Koalition von den landesunmittelbaren Krankenkassen eine Prämienzahlung an die Versicherten.

Werte Abgeordnete! Bisher waren die niedrigen Beitragssätze ein spürbarer Standortvorteil. Unsere Krankenkassen in Sachsen haben effektiv und wirtschaftlich gearbeitet. Worin liegt nun in Zukunft unser Standortvorteil? Welche verbesserte medizinische Versorgung können wir in Zukunft erwarten? Die Antworten auf diese Fragen bleibt uns die Staatsregierung schuldig. Sind Prämienzahlungen das Allheilmittel, der Standortvorteil, oder ist es ein wichtiges Element in einem Superwahljahr?

Diese Gesundheitsreform ist eher ein Schritt in Richtung Privatisierung. Wir Linke sind für eine solidarische Bürgerversicherung, in die alle entsprechend ihrem Einkommen einzahlen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Schon hätten wir einen Schritt in Richtung Einnahmensicherung getan.

Drittens. Nicht nur Prämienzahlungen, sondern auch Zusatzbeiträge einfordern ist ein erheblicher bürokratischer Aufwand, der sich negativ auf die Kassen auswirkt. Besonders betroffen sind davon Kassen mit vielen einkommensschwachen Mitgliedern. Das ist Wettbewerbsverzerrung und keine Wettbewerbsstärkung. Die Auswirkungen auf Sachsen sind doppelt nachteilig, da die Grundlöhne im Vergleich zum Bundesgebiet deutlich niedriger liegen. Insolvenzen von Krankenkassen sind vorprogrammiert. Das bringt Unsicherheit bei Versicherten und Ärzten, trägt aber auch nicht zu einer Einheitskasse bei.

Viertens. Bei der Frage nach positiven und negativen Auswirkungen der Gesundheitsreform auf sächsische Krankenkassen erfahren wir nur Negatives. Wo bleiben die positiven Effekte der Gesundheitsreform für Sachsen? Die kleinen verbleibenden Chancen werden durch strukturelle Schwächen und einen erheblichen Bürokratieaufwand vertan. Auch der gute Vorsatz, alle Versicherten einer Versicherungspflicht zu unterziehen, führt schon jetzt zu Schwierigkeiten. Nicht alle Betroffenen streben einen Versicherungsschutz an, sondern versuchen sich stattdessen dieser Pflicht zu entziehen. Als Problem stehen hier Beitragsrückstände der Pflichtversicherten, wobei wir als Linke durchaus die Notwendigkeit einer Pflichtversicherung für alle sehen. Aber die zu leistenden

Beitragsrückstände sind meist nicht zu begleichen und so von allen Beitragszahlern zu tragen. Allein der bürokratische Aufwand kann hier noch nicht einmal beziffert werden.

Fünftens. Zu den Auswirkungen auf die medizinische Versorgung und deren Qualität in Sachsen schreibt die Staatsregierung: „Aus der Sicht der Sächsischen Staatsregierung ist die medizinische Versorgung im Freistaat Sachsen zufriedenstellend.“ Sehr geehrte Frau Staatsministerin, bisher haben wir immer gehört, dass unser Gesundheitswesen durchaus gut bis sehr gut ist. „Zufriedenstellend“ – das klingt gerade mal nach 4+ und reicht nicht einmal zu einer 3. Ich glaube, wir sind auf dem Weg, auf diesem Weg dorthin.

Der Privatisierungsdruck auf die Krankenhäuser wächst. Die sozial bedingten Unterschiede in der Gesundheitsversorgung werden immer größer, Reiche leben länger als Arme. Die ambulante Versorgung ist in vielen Regionen durch Nachwuchsmangel und lange Warte- und Bestellzeiten geprägt, und auch hiervon war Sachsen besonders betroffen. Ärzte haben bis zu 30 % mehr Patienten zu versorgen und erhielten bisher dafür circa 30 % weniger Honorare als in den alten Bundesländern.

Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen geht davon aus, dass sich die Wartezeiten bei niedergelassenen Ärzten verkürzen. Ich sehe dafür im Gesetz keine Grundlage – noch dazu vor dem Hintergrund der derzeitigen Entwicklung der Honorare. Die Gesamtvergütung der niedergelassenen Ärzte soll sich um 17 % erhöhen – Frau Strempel sagte dies bereits –, das bedeutet für Sachsen 120 Millionen Euro mehr. Laut Aussage der Staatsregierung können konkrete Auswirkungen auf die Vergütung der Haus- und Fachärzte noch nicht getroffen werden. Doch Ärzte und Ärzteverbände scheinen es besser zu wissen. Es werden Stimmen laut, die nachweisen, dass das Geld nicht ankommt. Hautärzte erhalten jetzt ein Viertel weniger als 2008; Leistungen der HNO-Ärzte werden um ein Drittel abgewertet. So wird sich die Situation der Ärzte im ländlichen Raum wohl eher nicht verbessern.

Sechstens. Zum Schluss möchte ich noch auf einen kleinen Aspekt aufmerksam machen, der viele Versicherte beschäftigt: die Auswirkungen auf die Art und Weise der Ausschreibungen medizinischer Hilfsmittel. Die Gewährleistung soll wirtschaftlich, qualitätssicher und wohnortnah erfolgen. Die Krankenkassen haben einen unmittelbaren Einfluss auf die Vergabemodalitäten, denn die Verträge über die Versorgung mit Hilfsmitteln schließen die Kassen mit den Leistungserbringern. Derartige Verträge wurden durch die AOK Plus bereits geschlossen. Von den 18 aufgeführten Verträgen in der Großen Anfrage sind acht nicht wohnortnah, wenn die Vertragspartner ihren Sitz in Mannheim, Remscheid oder Berlin haben. Was daran wohnortnah und wirtschaftlich sein soll, ist für Patienten nur sehr schwer nachvollziehbar.

Zusammenfassend muss ich sagen: Die Antworten der Staatsregierung sind unbefriedigend, die Auswirkungen auf die Partner des Gesundheitssystems und auf die

Patienten deprimierend. Das kann vom Freistaat auch in Zukunft nicht einfach so hingenommen werden. Eine Rücknahme der Gesundheitsreform, die durch Bundestag und Bundesrat bestätigt wurde, ist eine Illusion, die Sie, werte FDP, den Versicherten vorgaukeln. Politisch gesehen stimmen wir schon überein – der Gesundheitsfonds gehört abgeschafft! –, aber wir betrachten das aus einer völlig anderen Richtung.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Sie wollen den freien Wettbewerb. DIE LINKE hat das Angebot der solidarischen Bürgerversicherung, bei der alle entsprechend ihrem Einkommen in eine Kasse einzahlen. Das ist eine wirkliche Alternative.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die SPD-Fraktion erhält das Wort; Herr Abg. Gerlach, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Wir fordern Beitragssenkungen durch mehr Wettbewerb statt Einheitskasse“ – so die FDP heute in der „Freien Presse“ in ihrer Werbeannonce, zumindest in der Chemnitzer Ausgabe; was bei den anderen war, weiß ich nicht.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Freiheit statt Sozialismus!)

Ich will Ihnen einfach mal – für die, die außer dieser Werbeannonce nicht mitbekommen, wie es eigentlich wirklich aussieht – als Angebot sagen: Immerhin zwei Vertreter dieser Fraktion sind in diesem Saal noch anwesend. Der Fraktionsvorsitzende, der vorhin eine flammende Rede gehalten hat, über deren Inhalt man sehr geteilter Meinung sein kann, hat bereits mit seiner Tasche den Raum verlassen. So kann man auch die Wertigkeit und die Bedeutung einer Debatte, die man selbst initiiert hat, werten.

(Beifall bei der SPD – Holger Zastrow, FDP, betritt wieder den Plenarsaal.)

Schön, dass Sie wiederkommen! – Wenn man die Artikel in den Zeitungen der letzten Tage, die sich mit der FDP und ihrer Großen Anfrage beschäftigen, liest, bekommt man den Eindruck, der Gesundheitsfonds zerstöre genau das deutsche Gesundheitssystem, welches seit mehr als 120 Jahren eines der zuverlässigsten weltweit ist.

Eines muss ich Ihnen noch mitgeben, Herr Zastrow, der Sie wieder hereingekommen sind:

(Holger Zastrow, FDP: Ja?!)

Sachsen hat viele Jahre von der Solidarität Gesamtdeutschlands gelebt.

(Beifall bei der SPD)

Das haben Sie vergessen, in Ihrem Beitrag dazuzusagen.

(Holger Zastrow, FDP: Das hat damit nichts zu tun, das wissen Sie!)

Das stimmt nicht!

Wir waren nie Anhänger der Fondslösung, was ich im Plenum auch immer wieder kundgetan habe. In Sachsen haben wir nun einschließlich Konjunkturprogramm einen Beitragssatz von fast 15 %. Wir wissen noch nicht, wie viel Geld aus dem Fonds in die medizinische Versorgung Sachsens geht. Aus unserer Sicht würde nur durch eine spürbare Verbesserung der medizinischen Versorgung für die Patientinnen und Patienten in Sachsen die Belastung für die Beitragszahler in Sachsen kompensiert; zeigen doch alle Studien zum deutschen Gesundheitssystem, dass der Mehrheit der Menschen die Qualität und flächendeckende Versorgung – auch mit Fachärzten – weitaus wichtiger sind als die absolute Beitragshöhe.

Nun ist der Gesundheitsfonds aber Realität, Herr Zastrow. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, es ist doch nicht wirklich Ihr Ernst, diesen Fonds jetzt rückwirkend wieder abschaffen zu wollen? Man kann das milliardenschwere System wie das der Gesundheit jetzt nicht einfach wieder an den Anfang setzen, und schon gar nicht über die Schlossstraße wie beim „Monopoly“.