Protocol of the Session on January 22, 2009

Im Pflege- und Weiterentwicklungsgesetz wurde im Mai 2008 vereinbart, dass die Ergebnisse der Qualitätsprüfung zukünftig für Laien verständlich veröffentlicht werden. Deshalb ist auch in dem gerade in 1. Lesung behandelten BeWoG, Betreuungs- und Wohnqualitätsgesetz, festgelegt, dass ab 1. Januar 2011 Berichte über die in stationären Pflegeinrichtungen durchgeführten Prüfungen veröffentlicht werden sollen. Dies wird ohne Zweifel zu einem Mehr an Transparenz in der Pflege führen. Aber wenn die Pflegeeinrichtungen gar nicht überprüft werden, kann nun einmal auch kein Pflegebericht überprüft, geschweige denn in den Einrichtungen ausgehängt werden.

Wenn einerseits Mitarbeiter im Zuständigkeitsbereich des Sozialministeriums aufgrund der Verwaltungsstrukturreform seit fast sechs Monaten unter Fortzahlung der Bezüge beurlaubt sind und andererseits in der Heimaufsicht das Personal fehlt, dann haben Sie, Frau Staatsministerin Clauß, Ihre Hausaufgaben in diesem Bereich nicht gemacht. Ich fordere Sie daher an dieser Stelle auf: Tragen Sie dafür Sorge, dass die sächsischen Pflegeeinrichtungen zukünftig tatsächlich einmal jährlich überprüft werden!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat die Fraktion GRÜNE; Herr Dr. Gerstenberg, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Fraktion beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit der Frage nach mehr Qualität in der Pflege. Pflege in den Heimen, von der die Koalition am Anfang schwerpunktmäßig sprach, kann dabei aber nur ein Gesichtspunkt sein.

Wir haben vor Kurzem eine Veranstaltung zu Pflegestützpunkten durchgeführt. Dort wurde eines sehr deutlich: Qualität in der Pflege muss dazu beitragen, die Freiheitsspielräume der betroffenen Personen zu erhalten oder gar zu verbessern. Das heißt, dass das gesamte Beratungs-, Hilfe- und Versorgungsangebot aus dem Blickwinkel des einzelnen Betroffenen und seiner Angehörigen zu betrachten ist. Ihre Situation ist der Ausgangspunkt, nach dem die Pflege- und Hilfeleistungen geplant werden müssen.

Ein erster Schritt dazu ist auf Bundesebene getan. Seit dem 1. Januar dieses Jahres haben alle Personen, die Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XI erhalten, einen Anspruch auf Pflegeberatung. Es ist die Aufgabe der Pflegeberaterin oder des Pflegeberaters, Männer und

Frauen bei der Inanspruchnahme von Hilfeleistungen zu begleiten und den Ablauf zu koordinieren.

Um diesen Prozess zu verbessern, sieht die vom Bundestag im vergangenen Jahr verabschiedete Pflegereform vor, dass die Länder Pflegestützpunkte einrichten können. Pflegestützpunkte sind keine neuen Strukturen, die das Geld des Pflegebedürftigen verschleudern, wie es die Staatsregierung sieht, sondern eine zentrale Anlaufstelle, um die verschiedenen Professionen im Pflegebereich zu erreichen, um Angebote zu vergleichen und unabhängige Beratung sicherzustellen. Dort werden pflegerische und soziale Unterstützungsangebote vernetzt und aufeinander abgestimmt.

Welches sind die Vorteile? Ein funktionierender Pflegestützpunkt bietet

erstens eine unabhängige Beratung. Gibt es diese Pflegestützpunkte nicht, dann beraten in erster Linie die Kassen, die zumindest zum Teil die Finanzierung der Leistung übernehmen müssen. Unabhängigkeit und Transparenz sehen anders aus.

Zweitens bündelt ein guter Pflegestützpunkt alle Angebote eines Quartiers, und er kennt die regionalen Strukturen. Auf dieser Grundlage ist es einfacher, gemeinsam mit den Hilfebedürftigen passende Angebote in ihrer Nähe zu finden und ihr persönliches Umfeld aktiv einzubeziehen.

Drittens befördern Pflegestützpunkte den Grundsatz „ambulant vor stationär“. Eine gute Vernetzung aller Unterstützungsleistungen schafft sowohl für die Betroffenen als auch für die pflegenden Angehörigen bessere Voraussetzungen, um so lange wie möglich zu Hause, im sozialen Umfeld, zu bleiben; und wir wissen doch alle: Die pflegebedürftigen Frauen und Männer wollen genau das.

In diesem Zusammenhang nun noch einige Worte zum Heimgesetz. Die Staatsregierung hat es dem Landtag gestern ja nun doch vorgelegt; Frau Staatsministerin Clauß hat es hier vorgestellt. Was uns dabei sehr verwundert hat, ist der Arbeitsablauf im Sozialministerium. Frau Clauß, Sie haben den Verbänden den Gesetzentwurf zum Heimgesetz am 15. Dezember des vergangenen Jahres übersandt und um eine Stellungnahme bis zum – sage und schreibe – 22.12.2008 gebeten. Wenn wir Postlaufzeiten einrechnen und berücksichtigen, dass es sich um die Vorweihnachtszeit gehandelt hat, dann muss ich zu der Annahme kommen, dass es sich hierbei nur um eine „Feigenblattbeteiligung“ handelt und Sie überhaupt kein echtes Interesse an den Ansichten der Verbände haben.

Wenn ich mir dann noch anschaue, dass Sie dieses Gesetz bereits am 14. Januar 2009 in den Geschäftsgang des Landtages gegeben haben, dann wollen Sie uns doch hier nicht allen Ernstes erklären, dass Sie sich in den drei Wochen zwischen dem 23.12.2008 und dem 14.01.2009 tatsächlich mit den Verbänden über inhaltliche Positionen verständigen konnten – oder wollten.

Es ist gut, wenn Koalition und Staatsregierung Transparenz und Qualitätssicherung in der sächsischen Pflege

fordern, wie in der heutigen Debatte. Das sollten Sie aber nicht nur von anderen verlangen, sondern auch selbst ernst nehmen. Genau diese Transparenz und Qualitätssicherung durch öffentliche Beteiligung wäre im Entwicklungsprozess eines solch wichtigen Gesetzes notwendig gewesen.

(Beifall der Abg. Michael Weichert, GRÜNE, und Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion)

Eine Qualitätsbenotung, von der Sie, Herr Krauß, zu Beginn sprachen, würde für das Sozialministerium unter diesen Umständen sehr schlecht ausfallen.

(Beifall des Abg. Michael Weichert, GRÜNE, und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort; Herr Krauß, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn auf Herrn Dr. Gerstenberg eingehen. Wieso haben wir diese Eile beim Betreuungs- und Wohnqualitätsgesetz? Es ist doch offensichtlich, dass wir noch bis Juni Zeit haben, dieses Gesetz zu verabschieden, da ansonsten erst einmal ein Stillstand eintritt; der neue Landtag konstituiert sich und wir kommen nicht so schnell voran. Ich denke, es ist nachvollziehbar, dass man sagt: Wir bemühen uns, dieses Gesetz relativ schnell durch das Gesetzgebungsverfahren zu bekommen.

Nun kann man beklagen, dass die Frist knapp war, sich zurückzumelden. Wenn ich mir dann zum Beispiel anschaue, was der bpa, der Verband privater Pflegeanbieter, gebracht hat, dass er über 100 Seiten ausarbeiten konnte, dann kann ich nicht sagen, dass sie sich nicht inhaltlich mit dem Thema beschäftigt haben. Sie haben weit über 100 Seiten ausgearbeitet und Hinweise gegeben – bis zum kleinsten Komma –, was man noch besser machen könnte. Also, ich kann nicht sehen, dass die Qualität darunter gelitten hat.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Lassen Sie mich zum zweiten Punkt kommen, den ich Ihnen angekündigt hatte, nämlich dem seit dem 1. Januar bestehenden Anspruch auf Pflegeberatung. Sie wissen, die sächsischen Krankenkassen sind darauf sehr gut vorbereitet. Die AOK praktiziert diese Pflegeberatung bereits ein halbes Jahr eher, seit dem 1. Juli vergangenen Jahres.

Die Pflegekassen müssen ein sogenanntes Fallmanagement anbieten. Damit wird die Hilfe für die Pflegebedürftigen verbessert, und ich kann nur allen Betroffenen und ihren Angehörigen raten, von dieser Pflegeberatung, die jetzt möglich ist, auch Gebrauch zu machen. Das Fallmanagement führt dazu, dass man besser auf den Einzelfall eingeht und umfassender beraten wird; denn die Pflegeberater haben detailliertes Wissen – nicht nur aus dem Bereich der Pflege, sondern auch aus anderen Bereichen, wie Sozialrecht oder Sozialarbeit. Auf Wunsch haben die

Betroffenen auch den Anspruch, dass der Pflegeberater zu ihnen nach Hause kommt.

Wie läuft das bei diesem Pflegeberater nun ab? Er schaut zuerst einmal im Gespräch mit dem Betroffenen, welche Hilfen nötig sind. Als Nächstes erstellt er einen auf den Einzelfall zugeschnittenen Plan. Er fragt also, welche Hilfen im Einzelfall wirklich gebraucht werden. Das heißt nicht nur, dass er sagt: Bei Ihnen muss mal der Pflegedienst vorbeikommen, um Sie zu pflegen; sondern er macht auch präventive Angebote, sodass man vielleicht gar nicht pflegebedürftig ist, indem er beispielsweise sagt: Wir müssen in Ihrem Haushalt etwas anders gestalten, damit Sie zum Beispiel leichter in Ihr Bad kommen, oder indem er zu einer Kur bzw. Reha-Kur rät, weil das besser ist. Es gibt also einen viel breiteren Rahmen, ein viel breiteres Spektrum dessen, was jetzt in der Pflegeberatung stattfindet. Sie ist nicht mehr nur auf den engen Bereich der Pflege zugeschnitten. Der Pflegeberater bringt diese Maßnahmen dann in die Spur und überwacht die Einhaltung des Versorgungsplanes.

Herr Dr. Gerstenberg, wir haben uns bewusst gegen Pflegestützpunkte entschieden und sind uns darin mit allen Betroffenen einig; denn es gab im Sozialministerium eine Arbeitsgruppe, an der die Verbände teilgenommen haben. Ich nenne hierzu die Wohlfahrtsverbände und erinnere an die Krankenkassen sowie an die privaten Pflegeverbände – und möchte gern Herrn Dr. Pellmann kurz eine Frage erlauben.

Das wollte ich Sie gerade fragen. Sie gestatten eine Zwischenfrage? – Bitte, Herr Dr. Pellmann.

Herr Krauß, Sie sprachen soeben über die Arbeitsgruppe. Meinen Sie wirklich, dass diese Arbeitsgruppe hinsichtlich ihrer Mitglieder repräsentativ zusammengesetzt war, wenn beispielsweise Vertreter von Sozialverbänden – ich meine nicht die Wohlfahrtsverbände –, von Behindertenverbänden, von anderen Seniorenorganisationen oder auch unmittelbare Repräsentanten von zu Pflegenden dort überhaupt nicht vertreten waren?

Ich denke, dass die Gruppe sehr wohl repräsentativ war. Sie wissen, dass die Wohlfahrtsverbände den Anspruch erheben – ich glaube, auch berechtigt –, dass sie die Interessen von Betroffenen vertreten. Bei den großen Wohlfahrtsverbänden ist das auch berechtigt; denn sie haben zum Teil eigene Seniorengruppen. Ich meine, dass sie eine sehr gute Arbeit leisten und Anwalt der Senioren sind. Wir sollten das Engagement unserer Wohlfahrtsverbände im Freistaat Sachsen hier nicht herabwürdigen.

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Ja, bitte schön.

Frau Weihnert, bitte.

Recht vielen Dank. – Herr Krauß, ist Ihnen bewusst, dass Sie soeben formuliert haben, dass Pflegeberater bei den Kostenträgern sehr gut angesiedelt sind? Das heißt, der Kostenträger übernimmt die Pflegeberatung. Meines Wissens haben die Wohlfahrtsverbände genau dies abgelehnt.

(Beifall des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE – Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Genauso war es!)

– Nein, da sind Sie nicht ganz richtig informiert. Die Wohlfahrtsverbände haben das nicht abgelehnt, wobei man sagen muss, dass sie sich in einer doppelten Situation befinden: Sie sind zum Teil Anwalt der Pflegebedürftigen, auf der anderen Seite sind sie natürlich auch Anbieter von Leistungen. Nehmen wir Ihren Verband, in dem Sie sind. Sie haben in der AWO Seniorengruppen, für die Sie Anwalt sind; andererseits haben Sie selbst eigene Sozialstationen, in denen Sie sozusagen Leistungen ausreichen und diese den Senioren zur Verfügung stellen. Ich denke, dass diesen Spagat jede Kasse machen muss. Man kann einer Kasse ja nicht unterstellen, dass sie nur auf die Kosten schaut, sondern sie befindet sich auch in einer gewissen Anwaltsfunktion für ihre Mitglieder. Ich meine, dass dieser Spagat sowohl bei Ihrem Verband, der Arbeiterwohlfahrt, als auch bei vielen anderen Verbänden funktioniert.

Lassen Sie mich auf die Pflegestützpunkte zurückkommen. Wir haben uns dagegen entschieden, zusätzliche Bürokratie und Doppelstrukturen aufzubauen. Diese wären mit den Pflegestützpunkten entstanden, und es hätte ein zweites Problem gegeben. Natürlich hätte der Pflegestützpunkt sagen können: Wir empfehlen mal, dass Sie als Pflegebedürftiger diese und jene Leistung bekommen.

(Dr. Matthias Rößler, CDU: Wer ist pflegebedürftig?)

Das heißt aber nicht, dass es die Krankenkasse auch so machen muss; denn die Entscheidung liegt nicht beim Pflegestützpunkt, sondern bei dem Kostenträger, der es dann macht. Insofern hätten wir eigentlich nur zusätzliche Bürokratie aufgebaut. Deswegen haben uns auch alle Verbände geraten, dies nicht zu tun. Außerdem, das wissen Sie, ist die langfristige Finanzierung der Pflegestützpunkte nicht geklärt, und es wäre unklar, was dann in fünf Jahren mit den Mitarbeitern dort geschieht, und auf diese Unsicherheit sollten wir die Mitarbeiter, die es dort gegeben hätte, nicht einstellen.

Unser Ziel, welches wir auch, Herr Kollege Pellmann, weiterhin im Landtag in den nächsten Wochen und Monaten verfolgen, ist: Wir wollen die Qualität der Pflegeberatung insgesamt verbessern. Hierzu werden wir auch Initiativen in den Landtag einbringen.

So wird den Menschen am besten geholfen. Wir bitten Sie, daran mitzuarbeiten, dass die Pflegequalität steigt. Dazu laden wir auch die Kassen, die Wohlfahrtsverbände und die privaten Anbieter ein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Wird von der SPD-Fraktion noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann, bitte, die Linksfraktion; Herr Dr. Pellmann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann unmittelbar anknüpfen an das Problem Pflegestützpunkte. Ich sage sehr deutlich: Meine Fraktion hat von Anfang an diese Möglichkeit, die der Bundesgesetzgeber einräumt, ausdrücklich begrüßt, und wir begrüßen sie nach wie vor.

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

Wir sind nämlich in Sachsen gegenwärtig dabei, uns zu isolieren. Ich habe mir das noch einmal genau angeschaut. Wir sind im Augenblick das einzige Bundesland, das deutlich gesagt hat, keine Pflegestützpunkte einrichten zu wollen.

(Alexander Krauß, CDU: Was ist mit Thüringen?)