Sind die anderen Bundesländer etwa dümmer als wir oder wie sollen wir das alles auffassen? Wir sollten noch einmal ernsthaft darüber nachdenken, ob das wirklich so geht.
Ich hatte mit der Zwischenfrage bereits darauf aufmerksam gemacht, dass ich die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe nicht für repräsentativ halte. Wir haben uns im Ausschuss ausführlich mit den Dingen befasst. Wir hatten erwartet, dass wenigstens der Ausschuss noch einmal konsultiert wird, bevor hier eine Entscheidung fällt. Das ist nicht passiert.
Ich muss aus Anlass unserer heutigen Aktuellen Debatte noch auf etwas aufmerksam machen. Ja, wir haben in Sachsen eine Tendenz, die ich nicht für gesund halte, nämlich dass immer mehr der sogenannte Markt die Trägerlandschaft regiert. Das heißt im Klartext: Wir haben kaum noch kommunale Pflegeeinrichtungen. Wenn ich den Angaben glauben soll, die uns übermittelt wurden, liegt der kommunale Anteil noch bei 6 %.
Selbst der Anteil der frei gemeinnützigen Träger, denen ich durchaus Sympathie entgegenbringe, ist in den letzten Jahren zurückgegangen. Das kann nach meinem Dafürhalten so nicht weitergehen.
Jeder Kommune, die sicher auch aufgrund haushälterischer Zwangslagen Alten- und Pflegeheime verkauft hat, wird das noch einmal sehr leid tun. Heute haben wir erneut in der Presse eine ausführliche Berichterstattung über die zu erwartende Altersarmut. Ich sage Ihnen voraus: Wenn die Kommunen selbst keine Heime mehr
haben, dann werden sie auf Gedeih und Verderb dem Kostendruck, der dann über die Sozialhilfe abzurechnen ist, ausgesetzt sein. Das müssen wir verhindern.
Ich muss in dieser Aktuellen Debatte ein weiteres Problem ansprechen, das im Gegensatz zu den von Ihnen vorgetragenen wirklich aktuell ist. Die Staatsregierung ist ernsthaft der Meinung, dass sie die finanzielle Situation der gesetzlichen Pflegeversicherung verbessern könnte, indem eine zweite Säule, nämlich die private kapitalgestützte Pflegeversicherung, aufgebaut oder verstärkt wird. Dazu sage ich: Mir fehlen jegliche Worte, wenn jemand angesichts der Weltfinanzkrise solche Thesen verbreitet. Es ist doch gerade völlig klar und in den USA besonders deutlich sichtbar, dass viele aufgrund dieser Krisenerscheinungen um ihre Pensionen betrogen worden sind. Und da wollen wir uns hinstellen und darin einen Ausweg sehen?
Dazu sage ich: Wir als Linke sind auch und gerade bei der Pflegeversicherung für eine solidarische Pflegeversicherung, das heißt eine Pflegeversicherung für alle. Alle haben wie bei der Krankenkasse einzuzahlen. Dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, hätten wir mittel- und langfristig wirklich eine Stabilität, sowohl was die Versorgung als auch was die Einnahmesituation betrifft. Aber ich habe die Befürchtung, dass wir noch weit davon entfernt sind und sich erst einmal grundsätzlich politisch etwas ändern muss, bevor Vernunft einzieht.
Ich frage die NPD-Fraktion, ob noch das Wort gewünscht wird. – Das ist nicht der Fall. Wird das Wort von der FDP gewünscht? – Auch nicht. GRÜNE? – Auch nicht. Dann die CDU-Fraktion; Herr Krauß, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Da wir eine Aktuelle Debatte haben, wollte ich doch noch auf den einen oder anderen Redebeitrag eingehen.
Herr Pellmann, ich glaube, man sollte es den Bürgern freistellen, welches Altenpflegeheim sie aufsuchen. Da ist der Wettbewerb, glaube ich, ganz heilsam. Ihre These lautet ja: Ein kommunales Heim ist automatisch besser als ein frei gemeinnütziges von einem Wohlfahrtsverband oder ein privates. Wenn wir uns die Realität anschauen, können wir das aber nicht feststellen. In Dresden gab es ein kommunales Heim, das sehr große Probleme hatte. Die These, dass ein kommunales Haus automatisch besser sei, die hier unterschwellig anklang, halte ich für falsch. Ich glaube, der Wettbewerb ist das beste Mittel für eine Qualitätssteigerung.
Verehrter Herr Krauß, ich habe überhaupt nicht darüber gesprochen, dass die Qualität von Privaten schlechter sein könnte. Ich wollte lediglich andeuten – und würden Sie mir darin wenigstens recht geben? –, dass Kommunen dann, wenn sie keine eigenen Heime mehr haben, auch keinerlei soziale Steuerungsfunktion auf diesem Gebiet mehr haben, und dass das zu kritisieren ist.
Da kann ich Ihnen leider nicht zustimmen. Ich weiß nicht, wo man eine Steuerungskompetenz braucht, wenn es genügend Plätze gibt.
Es geht darum, dass genügend Plätze vorhanden sind. Das ist der Anspruch. Wir fangen doch jetzt auch nicht an, jeden Bäcker zu verstaatlichen, weil die Lebensmittelsicherheit so wichtig ist.
Wichtig ist, dass es Lebensmittel gibt. Das ist klar. Das kann aber der Bäcker sicherstellen. Man muss nicht alles verstaatlichen, nur weil es zu den Grundbedürfnissen gehört.
Lassen Sie mich zur solidarischen Pflegeversicherung kommen. Die Pflegeversicherung ist unter der CDU eingeführt worden, weil uns das Thema Mitte der Neunzigerjahre so wichtig war, dass wir gesagt haben: Wir wollen das gern als einen zusätzlichen Beitrag der Sozialversicherung in Deutschland haben, damit pflegebedürftige Menschen im Alter nicht auf Sozialhilfe angewiesen sind, sondern eine gute Pflege bekommen. Das soll auch weiterhin so sein. Dann kann man über die Finanzierung reden, Herr Pellmann. Aber dann darf man sich nicht nur dafür interessieren, was heute ist, damit die heutigen Senioren eine Absicherung bekommen, sondern wir müssen auch klären, was mit den jungen Leuten ist, die heute in die Schule gehen oder ihre Ausbildung machen und dann als junge Berufstätige in die Pflegeversicherung einzahlen. Ich möchte, dass sie im Alter auch von der Pflegeversicherung profitieren und wir nicht sagen: Nach uns die Sintflut!
Lassen Sie mich kurz auf Herrn Kollegen Müller eingehen, der die These geäußert hatte, dass der Niedergang der Gesellschaft dazu führt, dass wir zu wenig Familien haben und damit die Pflege erst notwendig ist und dass man eigentlich Angst haben müsste, jemanden ins Altenheim zu schicken. Ich glaube, dieses Bild vom Altenheim ist falsch.
Es hat schon immer, wenn Sie einmal in die Geschichte schauen, Pflegeheime oder Ähnliches gegeben, bei denen die Gemeinschaft dafür gesorgt hat, dass sich jemand um die alten Leute kümmerte. Die sind nicht immer in der Holzhütte zu Hause geblieben oder – ich weiß nicht, wie das bei den Germanen war, da kennen Sie sich besser aus – –
Es hat sich nicht immer nur die Familie gekümmert, sondern es gab immer schon Institutionen, die das gemacht haben, weil es zum Beispiel eben auch Paare gibt, die keine Kinder haben. Sie können schon in der Bibel nachlesen, dass es vorkam, dass eine Frau keine Kinder bekommen hat.
Ich will Ihnen einmal ein Beispiel nennen. Es gibt in Würzburg ein sehr schönes Haus. Das ist eine Stiftung, die sich seit über tausend Jahren um alte Menschen kümmert. In dieser Stiftung gibt es eine schöne Tradition, über die man vielleicht auch einmal nachdenken könnte. Jeder alte Mensch hat dort jeden Tag Anspruch auf ein Glas Wein. Das wird auch heute noch sichergestellt.
Für Herrn Porsch ist es wenig, aber ich glaube, dass es schon eine ganz gute Sache ist, wenn man die Möglichkeit für dieses eine Glas Wein am Tag eröffnet.
Natürlich ist es richtig, dass wir Familien brauchen, die in der Lage sind, die Pflege ihrer Angehörigen zu übernehmen. Das ist ja auch der Regelfall. Zwei Drittel der Menschen werden zu Hause gepflegt. Das wollen und unterstützen wir. Dafür gibt es die ambulante Pflege, damit Familien unterstützt werden, oder Familienangehörige bekommen dafür Geld, damit sie die Pflege der Angehörigen übernehmen können.
Aber man sollte das nicht gegen die stationäre Pflege ausspielen, denn beides gehört zusammen. Beides ist in der Pflegeversicherung angelegt und beides ist wichtig und richtig.
Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Frau Staatsministerin Clauß, bitte.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Die Pflegedebatte ist eine Wertedebatte, denn letztlich geht es bei der Diskussion um mehr Qualität und
Transparenz um eines: Es geht um die Würde des Menschen. Es geht darum, dass wir alten Menschen und Menschen mit Behinderung ein Leben in Würde ermöglichen, trotz des Pflegebedarfs und unabhängig davon.
Die Pflegedebatte ist aber auch eine Zukunftsdebatte, denn es geht heute darum, wie wir auch in Zukunft trotz des absehbar steigenden Pflegebedarfs eine würdige Pflege sichern. Nicht zuletzt ist die Pflegedebatte auch eine Kostendebatte. Die finanziellen Rahmenbedingungen, insbesondere die zukünftig demografisch bedingten, sind diesem Hohen Haus spätestens seit der gestrigen Debatte zur Enquete-Kommission noch einmal sehr deutlich vor Augen geführt worden. Trotzdem dürfen wir das Thema „Pflege in Würde“ nicht nur unter volkswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Überlegungen sehen. Pflege in Würde ist eine ethische und humanitäre Verpflichtung.
Allen, die sich dieser Aufgabe verantwortungsbewusst stellen, sage ich ein herzliches Dankeschön, besonders den vielen ehrenamtlich Tätigen, wie zum Beispiel den „grünen Damen“, die wir alle aus den Kliniken kennen, oder den engagierten Vereinen für Demenzerkrankte und viele andere mehr. Aber auch die Staatsregierung sieht sich sehr wohl in der Pflicht. Deshalb haben wir gemeinsam mit den Krankenkassen, den Kommunen, den Leistungsträgern und den Leistungserbringern im Bereich der Pflege eine Pflegeoffensive gestartet. Wir wollen der Motor einer Entwicklung sein, die ein Ziel hat: mehr Qualität und Transparenz in der Pflege, für eine Pflege in Würde.
Worauf können wir aufbauen? Wir haben in den vergangenen Jahren sehr viel Geld in die Pflegeinfrastruktur investiert. Allein in den vergangenen zehn Jahren wurden im Rahmen des Pflegeversicherungsgesetzes fast 20 000 moderne vollstationäre Pflegeplätze mit einem Investitionsvolumen von circa 1,5 Milliarden Euro geschaffen. Es gibt heute in unserem Freistaat 1 055 stationäre Einrichtungen der Pflege inklusive der Einrichtungen für erwachsene Menschen mit Behinderung.