Protocol of the Session on January 21, 2009

Ja, bitte schön.

Verehrter Herr Kollege, bei Ihren Berechnungen, bei denen wirklich kein Mensch mehr durchsieht: Geben Sie mir erstens darin recht, dass es dieses Problem in Sachsen gibt? Und zweitens: Was sagen Sie eigentlich den Kindern, die mit knurrendem Magen morgens im Kindergarten oder in der Schule sitzen?

Wenn Sie mich ausreden lassen würden, würde ich Ihre Fragen beantworten. – Möglicherweise hat die Frage von Frau Herrmann eine ähnliche Richtung; dann könnte ich das erklären.

Dann schließen wir die Frage von Frau Herrmann gleich an; bitte.

Schönen Dank. – Herr Kollege, ich weiß nicht, ob Sie die Richtung als ähnlich bezeichnen. Sie haben gerade darauf verwiesen, dass 80 % des Erwachsenen-Eckregelsatzes dann der KinderEckregelsatz sind. Können Sie sich daran erinnern, dass wir das in der Vergangenheit immer wieder diskutiert haben? Es ist eben nicht so einfach, weil man nicht sagen kann, es sind zum Beispiel keine Zigaretten drin, denn beim Erwachsenen sind in der Regel auch keine Windeln drin.

Der richtige Weg wäre demzufolge, einen eigenen KinderEckregelsatz zu finden. Sind Sie auch dieser Meinung? Deswegen kann man gar nicht so seriös mit Zahlen hantieren.

Sie haben vollkommen recht; das ist auch das, was ich sagen wollte. Frau Herrmann, das ist auch die Beschlusslage, die wir im Sächsischen Landtag haben: dass wir einen kindgerechten Hartz-IVSatz ausgerechnet haben wollen, bei dem man eben genau danach schaut, wie viel man für Windeln braucht – um Ihr Beispiel aufzugreifen –, aber auch für den Bleistift in der Schule oder für das Mittagessen. All das müsste sich in dem kindgerechten Hartz-IV-Satz wiederfinden, und das haben wir im Bundesrat gefordert, das haben wir hier gefordert. Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, das haben nicht nur wir gefordert, sondern auch die anderen Bundesländer sowie der Bund bei dem Bildungsgipfel, den wir im Oktober hier in Dresden hatten.

(Zuruf von der Linksfraktion: 10 Euro mehr!)

Dort können Sie es nachlesen, dass drinsteht: Der HartzIV-Satz soll kindgerecht ausgerichtet werden. Da hat auch das rot-rote Berlin zugestimmt, bei dem Sie dabei sind, und da steht in Klammern dahinter: inklusive des Mittagessens in der Schule. Das halte ich auch für den richtigen Weg.

Ich darf noch eine kleine Ergänzung bringen. Sie finden im Konjunkturpaket II ja auch einen Punkt, der sich mit der Thematik beschäftigt, die wir heute behandeln. Für Kinder von sechs bis 13 Jahren, für die bisher ein Satz von 60 % des Hartz-IV-Regelsatzes galt, soll eine Aufstockung auf 70 % stattfinden, sodass ein Kind, das zwi

schen sechs und 13 Jahren alt ist, ab dem 1. Juli einen erhöhten Regelsatz von 35 Euro hat.

Nichtsdestotrotz bleibt die Forderung an das Bundessozialministerium, jetzt endlich eine Rechnung vorzulegen, wie viel Geld ein Kind braucht, um auskömmlich mit Hartz IV hinzukommen, um nicht benachteiligt zu sein, um sich auch ein Mittagessen leisten zu können. Diesen Weg sollten wir gehen, und auf diesem Weg sind wir.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden den Antrag der Linksfraktion ablehnen. Es sind unbezahlbare Forderungen und Sie haben uns nicht gesagt, wie Sie es finanzieren wollen.

Der bessere Weg ist, die Hartz-IV-Sätze für Kinder so anzupassen, dass dort auch das Geld für ein Mittagessen enthalten ist, sodass die Eltern das Geld bezahlen können. Deswegen werden wir Ihren Gesetzentwurf ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Prof. Dr. Roland Wöller)

Die SPD-Fraktion erhält das Wort; Herr Abg. Gerlach, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Neubert, Sie haben uns in eine bestimmte Ecke zu stellen versucht. Ihre Bewertung ist natürlich immer frei, das können Sie gern tun; wie Sie es schon gesagt haben: Sie können bewerten, wie Sie wollen. Ich wäre Ihnen nur dankbar, wenn Sie mit dem Begriff Konjunkturprogramm, das im Moment Hochkonjunktur hat, sehr vorsichtig umgehen würden, weil es kaum noch eine Gruppe in Deutschland gibt, die genau ihr Interesse nicht als Konjunkturprogramm hinstellt, für das man sozusagen nur noch die Millionen oder Milliarden freigeben müsste, und dann würde das alles laufen. Also Vorsicht mit diesen Äußerungen! – So viel zum Einstieg.

Da zu Beginn der Legislatur keine aktuellen und für Sachsen aussagekräftigen Daten zur Verpflegung der Kinder in Kindertageseinrichtungen vorlagen, hat die Staatsregierung eine repräsentative Studie zur Analyse der Ernährung und zur Verpflegungssituation von Kindern in sächsischen Kitas in Auftrag gegeben. Diese wurde 2007 veröffentlicht. Befragt wurden 130 Kitas und 2 000 Eltern. Das Ergebnis – weil Sie sich in Ihren Daten so sehr auf die Schule bezogen haben – ist interessant, vor allem mit Blick auf den vorliegenden Entwurf, den Sie gerade vorgestellt haben.

Nur ein kleiner Teil – es waren zwei Kinder pro Kita – nimmt nicht an der Mittagsverpflegung teil. Sie machen hier ein Gesetz für Kindertageseinrichtungen und für Schulen. Der Hauptgrund für die Nichtteilnahme war: Das Mittagessen wird zu Hause eingenommen. Nur ein einziges Mal wurde Geld als der Grund genannt. Die Elternbefragung ergab: Nahezu alle Kinder nehmen ein Mittagessen ein, wobei die Einkommensstruktur im vorliegenden Kontext keinen bedeutenden Einfluss hatte.

Nur in sechs Fällen wurde seitens der Eltern ausgeführt, dass das Essen zu teuer sei – sechs von 2 000!

Wie gehen wir nun politisch mit diesem Ergebnis um? Sie schätzen die Kosten für das Mittagessen auf etwa 200 Millionen Euro pro Jahr. Die 38 Millionen Euro, die wir als Koalition für das kostenfreie Vorschuljahr einsetzen, sehen Sie kritisch, weil es auch gut verdienenden Eltern zugute kommt, so Ihre Argumentation.

(Zuruf von der Linksfraktion)

Das haben Sie zumindest auch öffentlich bekannt gegeben.

Wo ist hier der Unterschied? Wir haben uns für den aus unserer Sicht jetzt machbaren Weg des kostenfreien Vorschuljahres entschieden.

Ich möchte aber nicht die Eltern aus dem Blick verlieren, die in dieser Studie angegeben haben, das Mittagessen sei ihnen zu teuer. Darauf haben Sie sich ja im Wesentlichen in Ihrer Debatte eingelassen.

Was können wir machen? Erstens, wir können ihnen das Essen bezahlen, wie Sie es vorschlagen. Dieser Weg wird ab diesem Jahr zum Beispiel durch unseren flexiblen Vorschlag zur Lernmittelfreiheit erprobt.

(Cornelia Falken, Linksfraktion: Das ist nicht wahr!)

Natürlich ist das wenig. – Sie müssen mir erst einmal erklären, warum das nicht wahr ist; kleinen Moment! – Sie können gern das Mikrofon benutzen, und dann unterhalten wir uns darüber.

(Sebastian Scheel, Linksfraktion: Muss man aber nicht!)

Der Schulleiter kann auch die Übernahme der Kosten der Mittagsversorgung anordnen, wenn aus seiner Sicht eine entsprechende Bedürftigkeit besteht. Das kann man vor Ort am besten beurteilen. Wir sollten diese Maßnahme nach zwei Jahren evaluieren. Natürlich ist dort sehr viel weniger Geld dabei als das, was Sie fordern.

Ein zweiter Weg – auch wenn Sie sagen, eine Gegenrechnung verbietet sich – ist die Erhöhung der Regelsätze für Kinder. Diesen Weg geht gerade die Große Koalition, indem die Regelsätze um 35 Euro angehoben werden.

Ich halte unseren Weg – ich spreche langsam, damit Sie Ihre Frage noch stellen können – im Moment für den richtigeren Weg.

Ich habe noch einen Satz. Bitte schön.

Eine Zwischenfrage. Bitte schön, jetzt.

Danke schön, dass ich die Zwischenfrage noch stellen kann und Sie Ihren Redebeitrag so eingerichtet haben.

Ich habe ihn nicht auf Sie abgestimmt.

Ist Ihnen bekannt, dass diese 5 Millionen Euro, die von der Koalition zusätzlich in den Haushalt eingestellt worden sind, nicht für das Mittagessen zur Verfügung stehen werden, sondern lediglich für die Lernmittel? Bei dem Verfahren, das uns im Ausschuss für Schule und Sport erläutert worden ist, ist es gar nicht möglich, dieses Geld für Mittagessen auszugeben.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Abgesehen davon, dass es nicht reicht!)

Wenn es so sein sollte, wie Sie es hier darstellen – ich war dort nicht anwesend –, dann muss ich Ihnen dazu sagen, dass es nicht dem politischen Willen der Leute entspricht, die das eingebracht haben. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden Ihren Antrag ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Die NPD-Fraktion erhält das Wort. Frau Schüßler, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Obwohl wir das Anliegen zum kostenlosen Mittagessen der Linken grundsätzlich teilen, werden wir uns bei diesem Antrag enthalten. Die Linksfraktion hat sich hier wieder einmal als besonders beratungsresistent erwiesen.

Herr Neubert sagte ja schon in der Haushaltsdebatte im Dezember, dass er die angebliche Gegenrechnung für Hartz IV juristisch nicht erkennen kann, und hat das so noch einmal untersetzt. Was Sie uns hier aber vorlegen, ist im Großen und Ganzen der mangelhafte Gesetzentwurf vom 06.12.2006. Sie haben mit wenigen Ausnahmen lediglich den Text aus der Drucksache 4/7176 in das neue Gesetz hineinkopiert. So wurde selbst in der von Ihnen anberaumten Anhörung vom 10.11.2008 festgestellt: „Wir müssen allerdings feststellen, dass die in der Anhörung von beiden kommunalen Spitzenverbänden vorgetragenen Kritikpunkte keinerlei Berücksichtigung im vorgelegten Gesetzentwurf gefunden haben.“

Aber nicht nur das, der vorliegende Gesetzentwurf der Linken diskriminiert die sozial Schwachen. Daher hat auch meine Feststellung vom 6. Juni 2007 nichts an Aussagekraft verloren. Ich bedauerte schon damals, dass Ihre durchaus sinnvollen Anliegen durch populistische Schnellschüsse torpediert werden. Dass wir mit dieser Feststellung nicht allein sind, legt auch das Protokoll zur Anhörung zu Ihrem Gesetzentwurf offen, in dem es heißt: „In der damaligen Anhörung hatten wir schon auf das Problem des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II und SGB VII hingewiesen.“ Statt aber aus den Fehlern bei der Gewährung von Sozialleistungen zu lernen, bei der Gewährung einer kostenfreien Mittagessenversorgung, die Anrechnungspraxis durch die Hartz-IV-Behörden

abzuschaffen, begehen Sie den gleichen Fehler erneut. Sie greifen ein Thema auf, verpacken es populistisch und garnieren es mit Dingen, die den Bürgerinnen und Bürgern den Himmel auf Erden versprechen.

Der Sächsische Städte- und Gemeindetag führt in seiner schriftlichen Stellungnahme aus, dass in denjenigen Fällen, in denen erziehungsberechtigte Leistungsempfänger nach dem SGB II bzw. SGB VII bezugsberechtigt sind, die Ersparnis, die den Eltern durch ein kostenloses Mittagessen entsteht, bei der Gewährung des Regelsatzes berücksichtigt wird. Weiter heißt es: „Eine Kürzung des Regelsatzes ist die Folge.“

Was DIE LINKE also hier wider besseres Wissen zur Abstimmung bringt, hat die Kürzung des Regelsatzes der Sozialhilfebedürftigen zur Folge.