Protocol of the Session on December 11, 2008

Man könnte weitererzählen, über die mehr als 500 Wörter arabischen Ursprungs in der deutschen Sprache zum Beispiel, zu denen Admiral, Koffer, Mütze, Jacke und Joppe gehören. 500 Wörter! Das ist wahrscheinlich mehr, als der Durchschnittswortschatz von NPD-Mitgliedern.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Bei Fremdwörtern lassen die sich aber nicht lumpen. Im kurzen Text der Begründung des Antrags der NPDFraktion habe ich 23 Fremdwörter gezählt. Vorhin hat Herr Apfel ganz stolz von „oszillieren“ gesprochen. Von den Wörtern übrigens, deren fremde Herkunft nicht mehr zu erkennen ist, will ich gar nicht sprechen. Im Antrag ist von „Amtsdeutsch“ die Rede; das Wort „Amt“ kommt aus dem Keltischen.

Victor Klemperer – um darauf zurückzukommen – hat uns darauf hingewiesen, dass Nazis zwar gegen Fremdwörter kämpfen, solche aber in aufgeblasener Weise besonders häufig und meist unnötig oder gar falsch verwenden.

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP)

Fremdwort hin oder her – wir sollten uns an Goethe halten, der da sagte: „Die Gewalt einer Sprache ist nicht, dass sie das Fremde abweist, sondern dass sie es verschlingt.“ Insofern gehen Angst vor dem Fremdwort und Feigheit vor dem Fremden hier halt einfach in die Hose.

Sprachpflegerisches ist nirgends wirklich Gegenstand des vorliegenden Antrags. Der Antrag dient einzig und allein der Diskriminierung von Menschen ausländischer Herkunft und anderer Sprache. Dafür schrecken die Antragsteller – Frau Präsidentin, ich sage es gleich: jetzt wird es einen Moment herb, aber deutsch, und das soll ja nach Herrn Schiemanns Anspruch grundgesetzlich geschützt werden – vor keiner Blödheit zurück.

Wer will denn ernsthaft behaupten, dass die von mir gerade angesprochenen Dinge von Zuwanderermilieus ausgingen? „Zuwanderermilieus“ steht auch in dem Antrag.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Milieus!)

Kein Internationalismus, kein Fremdwort, kein Modewort, kein Wortungetüm und keine zwecks Einbringung in die internationale Kommunikation in englischer Sprache abgefasste wissenschaftliche Publikation sind dem Einfluss von Migranten geschuldet. Auch nicht die gerade zum Jugendwort des Jahres gekürte „Gammelfleischparty“ für Tanzveranstaltungen von Menschen über 30

(Heiterkeit bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

oder das so abstoßende Wort für eine so schöne Sache – wir haben gestern darüber gesprochen –: „Verpartnerung“.

Es sind schon die Deutschen selbst, die ihrer Sprache manchmal Unzumutbares zumuten. Es sind auch vornehmlich die Deutschen, die ihre Sprache in ihrer ganzen Biegsamkeit, ihrer Fähigkeit zu provokanter Originalität und ihrer Anpassungsfähigkeit an neue Kommunikationsbedürfnisse nutzen und dabei natürlich auch verändern und weiterentwickeln. Das ist gut so und notwendig; denn nicht einmal in den innerschweizerischsten Kantonen kommt man mehr allein mit dem Althochdeutsch dortiger Dialekte aus.

Die Antragsteller schrecken vor Verfälschungen nicht zurück. Nie und nimmer hat ein Norbert Dittmar, den ich seit Langem kenne und mit dem ich gerade wieder zusammenarbeitete, mit seiner Feststellung der Entwicklung einer „Misch-Sprache unter dem Einfluss von Migrantenkindern“ den Gedanken einer Gefahr für die deutsche Sprache verbunden. Er sorgt sich vielmehr um diese Kinder, wenn sie auf den Gebrauch dieser Sprache reduziert würden.

(Beifall des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Wenn Sie alles zitiert hätten, was da bei „Focus-Online“ zu finden ist, wäre das auch deutlich herausgekommen. Sie haben Herrn Dittmar hier verfälscht in die Debatte gebracht.

Die Antragsteller entlarven sich aber auch. Ausgerechnet „Girls’ Day“ und „Gender Mainstreaming“ bringen Sie als Beispiele für gefährliche Anglizismen. Glauben Sie wirklich, wir sind so doof und fressen diesen Apfel, um an seinem Griebsch zu ersticken? Hier stören Sie doch nicht die Wörter, hier stören Sie die Dinge, die Phänomene, die mit den Wörtern benannt werden!

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN)

Sie werden diese aber mit dem Kampf gegen die Wörter nicht abschaffen. Da stehen schon wir auch noch davor.

(Alexander Delle, NPD: Langweilig!)

Würden wir den vorgeschlagenen Wortlaut für einen neuen Artikel 22a im Grundgesetz übernehmen, so würden auch anerkannte sprachliche Minderheiten – in Sachsen: die Sorben – endgültig ihrer Rechte beraubt.

In Österreich zum Beispiel gibt es einen Verfassungsartikel zur deutschen Sprache als Staatssprache. Ich will mich angesichts des in nationalen und regionalen Varietäten gesprochenen Deutsch jetzt gar nicht darüber auslassen, welches Deutsch dies ist; aber dafür gibt es Wörterbücher und -listen in der EU. Wichtiger ist Folgendes – weil Sie „genau“ sagen; Sie sollten immer genau lesen und nicht bloß die Hälfte; Halbbildung ist wirklich gefährlich –: Es steht an gleicher Stelle und in einem Satz in der Österreichischen Verfassung der ausdrückliche Hinweis, dass dadurch die Rechte der anerkannten Minderheitensprachen nicht berührt sind. Dann funktioniert es vielleicht.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Funktioniert es tatsächlich? Auch in Österreich kann man leider beobachten, wie wenig sich rechte, nationalistische Politiker um solche Artikel scheren. Der jüngst durch rücksichtslose Raserei und Alkohol im Straßenverkehr ums Leben gekommene Jörg Haider hat sich als Landeshauptmann selbst um ein höchstrichterliches Urteil nicht gekümmert und Slowenen stur ihre Ortstafeln verwehrt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Schluss noch kurz eine Geschichte aus den Anfängen der deutschen Sprache erzählen. Am 14. Februar 842 trafen sich zwei Enkel Karls des Großen mit ihren Gefolgschaften bei Straßburg. Sie hatten gerade ihren Bruder Lothar im Streit um die Aufteilung des Reichs Karls besiegt. Es waren Ludwig – mit Beinamen „der Deutsche“ – und Karl, den man den „Kahlen“ nannte. Karls Heer bestand aus Menschen mit Altfranzösisch als Muttersprache, Ludwigs Heer vornehmlich aus solchen, deren Muttersprache Rheinfränkisches Althochdeutsch war. Karl und Ludwig wollten im Angesicht ihrer Heere die Festigkeit und Fortdauer ihres Bündnisses gegen den dritten Bruder durch einen Eid bekräftigen. Im lateinischsprachigen Bericht eines Chronisten über diese Eide wird zum ersten Mal in der Geschichte von der „deutschen Sprache“ gesprochen, der „teudisca lingua“. Der eine Heerführer legte den Eid in Altfranzösisch – „romana lingua“ – ab, der andere auf Deutsch, eben in „teudisca lingua“. Jetzt kommt der Clou: Altfranzösisch sprach Ludwig der Deutsche, damit er vom Gefolge Karls verstanden werden konnte. Deutsch schwor Karl, damit ihn die Deutschen Ludwigs verstehen konnten. Die Eide wiederholten die Gefolge ebenfalls in der Sprache der jeweils anderen Seite.

Ich stelle für mich und für uns – auch in Richtung der EU übrigens – fest: Älteste europäische Tradition und verbunden mit den Anfängen der deutschen und der französischen Sprache ist die Achtung der jeweils anderen Sprache, ist der tolerante, rücksichtsvolle, entgegenkommende Umgang damit. Die Sprache des anderen zu sprechen, um verstanden zu werden, stand – vor der eigensinnigen Verteidigung des eigenen Idioms – an den Anfängen der französischen und der deutschen Sprache.

Ich für mich leite daraus ab: So wie unser Grundgesetz die Würde d e s Menschen, also die Würde aller Menschen, für unantastbar erklärt, so sollte es das unantastba

re Recht auf Muttersprache sichern und nicht allein die deutsche Sprache schützen.

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN sowie der Abg. Heiner Sandig, CDU, und Dr. Jürgen Martens, FDP)

Meine Damen und Herren! Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Möchten Sie ein zweites Mal sprechen oder das Schlusswort halten?

(Jürgen Gansel, NPD: Ein zweites Mal!)

Gut.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Schiemann fing wirklich überzeugend und kulturpolitisch sattelfest, fast sogar kulturpatriotisch an zu reden. Doch dann machte er den unvermeidlichen Schlenker und glitt in die Untiefen einer Zeit ab, die 63 Jahre her ist. In den ersten fünf Minuten hatten Sie den ungeteilten Beifall der NPD-Fraktion sicher, aber dann haben Sie wieder einmal die alte, zerschlissene Schellackplatte des Dritten Reiches aufgelegt und damit Ihre fünfminütige Vorrede inhaltlich komplett entwertet.

Ich stellte mir an dieser Stelle die Frage, ob die Befürworter eines Sprachschutzes im Grundgesetz auch auf dem CDU-Bundesparteitag mit der NS-Keule traktiert worden sind, wie es der NPD-Fraktion hier geschah.

Ich habe mir auch die Frage gestellt, ob es im Parlament irgendeines anderen europäischen Staates denkbar wäre, dass so über ein Kernanliegen wie den Schutz der eigenen Muttersprache diskutiert wird. Ist es für Sie vorstellbar, dass in der französischen Nationalversammlung oder in einem französischen Regionalparlament – wenn die Franzosen den Sprachschutz nicht schon vor vielen Jahren gesetzlich verankert hätten – ein Franzose derart würdelose, auf kulturelle Selbstaufgabe gerichtete Reden halten würde? Niemals!

(Beifall bei der NPD)

Das ist kulturelle Selbstaufgabe, wie sie nur in dieser wirklich perversen Bundesrepublik Deutschland möglich ist.

(Proteste bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN)

Herr Gansel, bitte! Das ist wohl – –

Parlamentarier haben sich nur noch die kulturelle Selbstaufgabe auf die Fahne geschrieben.

Um aber jetzt wieder von der von Herrn Schiemann aufgelegten Schellackplatte des Dritten Reiches loszukommen: Beim Redebeitrag der CDU hatte ich den Eindruck, es mit einem Déjà-vu zu tun zu haben. Ich

fühlte mich nämlich an die Patriotismusdebatte erinnert, die Matthias Rößler mit seiner Forderung ausgelöst hatte, an sächsischen Grundschulen Text, Geschichte und Singweise der bundesdeutschen Nationalhymne verpflichtend zu unterrichten. Sie erinnern sich alle noch, das war die interessante mit patriotischen Aufwallungen verbundene Landtagsdebatte vom November 2005, als der CDUPatriotismusbeauftragte meinte durchs Land ziehen zu müssen, um der NPD ihre Wähler abspenstig zu machen. Das ist ihm augenscheinlich nicht gelungen, denn seit drei Jahren fungiert Herr Rößler nicht mehr unter dem Titel Patriotismusbeauftragter.

Kurz bevor in diesem Landtag über die Nationalhymne debattiert wurde, hatte die sächsische CDU einen Landesparteitag. Auf diesem Parteitag hat sie mit überwältigender Mehrheit für die Rößler-Initiative gestimmt. Gerade mal eine Woche später stellte die NPD-Fraktion im Landtag einen identischen Antrag, und siehe da, die Superpatrioten der CDU stimmten geschlossen gegen den NPD-Antrag, der sinnidentisch mit dem Antrag war, den ihre Parteifreunde eine Woche vorher auf ihrem sächsischen Landesparteitag selbst beschlossen haben.

Für uns ist es traurig zu sehen, dass Abgeordnete einer Regierungspartei ein solch weiches Rückgrat haben, ein Rückgrat wie Lakritze oder Bienenwachs.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Sie reden hier wie die Nazis im Reichstag!)

Der Beschluss des CDU-Parteitages – ich spreche jetzt nicht vom sächsischen Landesparteitag, dessen Ergebnis bekannterweise Ende 2005 durch die Landtagsabstimmung ad absurdum geführt wurde –, löste erwartungsgemäß Proteste bei den einschlägigen Lobbygruppen der sprachlichen Umweltverschmutzer aus.

Herr Gansel, ich bitte noch einmal!

Die türkische Gemeinde lehnt die Sprachschutzinitiative des Bundesparteitages der CDU ab, weil sie angeblich die Ängste der deutschen Bevölkerung bediene. Und der Zentralrat der Muslime warf der Union den Rückfall in die Leitkulturdebatte vor. Wir sprechen von einer deutschen Leitkultur, an der sich sowieso kein selbstbewusster Moslem zu orientieren bereit ist.

Ungeachtet der Kritik der Türken- und Islamlobby tritt aber die überwältigende Mehrheit der Deutschen für die grundgesetzliche Verankerung der deutschen Sprache ein. Nach einer vom Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ in Auftrag gegebenen Umfrage des Institutes für TNS Infratest unterstützen geschlagene 78 % der Bundesbürger die Aussage, Deutsch soll als Staatssprache im Grundgesetz verankert werden.

Meine Damen und Herren! Vertreten Sie in diesem Hause doch ausnahmsweise einmal eine glasklare Mehrheitsmeinung der Deutschen. Zeigen Sie einmal, dass Sie wahre Volksvertreter sind und Volkes Wunsch nach Schutz und Pflege der deutschen Sprache ernst nehmen. Stimmen Sie ausnahmsweise einmal für einen Antrag der NPD, damit überall im Land auch in vielen Jahren noch deutsch gesprochen wird – und das vielleicht auch wieder in der Hauptstadt Berlin.