Protocol of the Session on December 11, 2008

Sie halten offenbar Ihnen vorliegende Gutachten unter Verschluss. Sie enthalten dem Parlament wichtige Informationen vor, und ich füge hinzu: Selbst in den nichtöffentlich tagenden Ausschüssen haben Sie wichtige Fragen unbeantwortet gelassen.

(Zuruf des Abg. Robert Clemen, CDU)

Am Ende – darum sprechen wir auch darüber – geht es im Zweifel um den Einsatz von Steuergeldern in dreistelliger Millionenhöhe. Deshalb muss der Landtag aus unserer Sicht an der Entscheidung beteiligt werden, und anders als bei Herrn Kollegen Rasch ist unser Vertrauen in die amtierende Regierung durchaus begrenzt. Deshalb können und wollen wir dem Kabinett keinen Blankoscheck ausstellen.

Wir verlangen daher, dass die Kernaussagen vorliegender Gutachten oder Expertisen den Abgeordneten wenigstens in den nichtöffentlichen Sitzungen der Ausschüsse vorgestellt werden. Wir verlangen, dass die Regierung heute klar Position bezieht, also nicht nur fabuliert, sondern an der Seite der Beschäftigten steht, wirklich helfen will und im Landtag darlegt, was sie konkret in den nächsten Wochen zu tun gedenkt. Wir verlangen außerdem, dass neben dem Wirtschaftsminister auch der Ministerpräsident heute hier das Wort ergreift. Herr Tillich, Sie können sich nicht immer wegducken, wenn es schwierig wird. Sie wollten der Regierungschef dieses Landes sein, dann machen Sie die Angelegenheit Qimonda endlich auch zu Ihrer Chefsache!

(Beifall bei der Linksfraktion)

Klar ist natürlich: Der Erhalt der Arbeitsplätze bei Qimonda – darin stimme ich allen zu, die das gesagt haben – ist nicht allein Aufgabe der Regierung oder des Parlamentes. Selbstverständlich ist auch Infineon gefordert. Erfolg wird sich letztlich aber nur dann einstellen, wenn alle Seiten konstruktiv zusammenarbeiten. Dazu sage ich: die medialen Wortgefechte der letzten Tage waren in der Tat wenig hilfreich. Es geht bei Qimonda selbstverständlich nicht um eine Rettung um jeden Preis, aber es geht um den Erhalt möglichst vieler Arbeitskräfte und -plätze, und es geht in letzter Konsequenz um die Zukunft der Mikroelektronik am Standort Dresden.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Wenn wir diesen Standort erhalten wollen – und ich habe niemanden gehört, der das in Zweifel gestellt hat –, dann müssen wir Qimonda helfen und zumindest die Forschungs- und Entwicklungspotenziale dauerhaft in unserer Region halten. Dies sicherzustellen ist nicht allein die Aufgabe der Regierung oder der Koalition, es ist unser aller Verpflichtung. Deshalb dürfen wir, meine Damen und Herren, die Beschäftigten von Qimonda nicht hängen lassen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Wird von den Fraktionen weiterhin das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall. Herr Staatsminister Jurk, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Was hat unser Sachsen doch für eine großartige Industrietradition! Wenn man an den Maschinenbau denkt, dann denkt man an Hartmann in Chemnitz und bei Automobilbauern an Horch in Zwickau, oder wenn ich an die Mikroelektronik denke, dann denke ich an Konrad Zuse, einstmals geboren in Hoyerswerda, den Erfinder des ersten elektronischen Rechners; an Nicolaus Joachim Lehmann, kaum jemandem bekannt: Er lehrte und forschte an der TU Dresden. Herr Gerstenberg, Entschuldigung, ich weiß, Sie verstehen etwas vom Fach. Oder denken wir an Robotron.

Als sich der frühere Firmenchef von AMD zu Dresden bekannt hat, hat er sehr deutlich gemacht, warum. „It’s all about people“ – jawohl, genau deshalb, wegen dieser hoch qualifizierten, fachkompetenten Menschen haben sich AMD sowie andere Unternehmen hier in Dresden niedergelassen.

Und heute geht es wieder um die Menschen. Dies stelle ich voran, weil mir das so wichtig ist. Ich möchte auch gleich sagen: Es schmerzt schon, wenn sich das Unternehmen Qimonda gerade im laufenden Prozess von 950 Beschäftigten trennen muss. Ich will jetzt nicht auf die Ursachen eingehen, aber Qimonda ist ein leistungsfähiges Unternehmen der Mikroelektronik und stellt Speicherchips her,

(Einzelbeifall bei der CDU)

übrigens nicht nur für die Anwendung in PCs, sondern zum Beispiel für Server, für Handys, für unterschiedlichste Anwendungen.

Aber eines steht auch fest: Qimonda hat eine Mutter. Herr Apfel versteht davon sowieso nichts; er hat ja gesagt, wir hätten es angesiedelt. Aber Infineon hat Qimonda als Einzelunternehmen abgespalten und Qimonda quasi die Sparte Speicherchips verordnet. Das ist vor einigen Jahren gewesen. Aber eines steht auch fest: Infineon hält 77,47 % der Aktien an Qimonda, und dabei gilt natürlich, wie in unserer Verfassung bereits festgeschrieben: Eigentum verpflichtet. Darauf haben wir mit dem Ministerpräsidenten bereits hingewiesen, und ich denke, das war sicherlich legitim und an der richtigen Stelle.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Debatte, teilweise geprägt von hoher Fachkompetenz der Abgeordneten, hat bereits deutlich gemacht: Das Problem bei den Speicherchips besteht darin, dass wir momentan einen massiven Preisverfall erleben. Dieser Preisverfall trifft übrigens alle Wettbewerber.

Wenn man sich den Markt oder die Wettbewerbssituation anschaut, so ist das relativ überschaubar. Es gibt fünf

Player. Man kann also von einem Oligopol sprechen. Ich möchte sie einmal nennen, weil es interessant ist: Samsung, aus der Unterhaltungselektronik sehr gut bekannt, der große Player, und Hynix; die beiden kommen aus Südkorea. Wir haben Elpida in Japan, Micron in den USA und Qimonda hier in Dresden, in Sachsen, in Deutschland, in Europa, das will ich ausdrücklich hinzufügen.

Wir haben dahinter sozusagen eine zweite Reihe von Fertigungsstätten, unter anderem bis vor Kurzem auch noch mit einer Beteiligung von Qimonda an dem Unternehmen Inotera. Diese Beteiligung ist gerade verkauft worden.

Nun kommen wir dazu, wie sich Preise entwickeln können. Das hat natürlich etwas mit Kostenstrukturen und dem Einsatz modernster Technologien zu tun. Hier sage ich ganz knallhart, und das ist eine sehr wichtige Feststellung: Qimonda hat momentan die Technologieführerschaft. Qimonda ist der Konkurrenz um anderthalb Jahre voraus; das muss man wissen. Das ist ein gewaltiges Pfund, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Linksfraktion)

Derzeitiger Stand der Technik sind die sogenannten Trench- und Stack-Technologien. Qimonda hat hier in Dresden die vom Abg. Rasch bereits beschriebenen Buried-Wordline-Technologien erfunden. Das ist eine herausragende, eine großartige Leistung der Forscher und Entwickler hier am Standort Dresden. Hut ab vor dieser gewaltigen Leistung, die sie dort gebracht haben! Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Technologie wird es ermöglichen, eine höhere Ausbeute an Chips zu erzielen, im Übrigen – gerade auch mit Blick auf die GRÜNEN, weil sie immer nachschauen, wie die energetische Bilanz ist – natürlich auch mit geringerem Energieverbrauch. Die Lean Technologie ist ein solch großes Zukunftsthema, gerade auch im Mikroelektronikbereich, weil sie zeitgemäß ist, nicht nur, weil wir Energie einsparen müssen, sondern weil wir mit höheren Verbrauchen rechnen müssen. Je leistungsfähiger die Chips werden, desto mehr Energie fließt zweifellos, und je besser wir in diesem Bereich sind, was den Energieeinsatz betrifft, umso besser ist das für die Zukunftsfähigkeit.

Der Sächsischen Staatsregierung ist es natürlich wichtig, dass wir hier am Standort Dresden nicht nur forschen und entwickeln, sondern für uns ist es ganz besonders bedeutsam, dass neben Forschung und Entwicklung hier auch die Fertigung stattfindet. Dies sichert nämlich in erster Linie die Arbeitsplätze, und im Übrigen ist es vom Mengenvolumen her genau das, was wir momentan noch brauchen. Das muss man im Zusammenhang sehen.

Ich will mir die Welt nicht so vorstellen, wie momentan auch in Großbritannien diskutiert wird, dass wir nur noch von Dienstleistung und Handel leben, Handel mit Produkten, die anderswo für uns produziert werden. Ich komme zu meinem früheren Beritt: Schauen Sie sich einmal LCD-TVs an. Wir haben in Deutschland mit Loewe, Metz

und Technisat vielleicht noch drei große Hersteller. Technisat hat gestern bekannt gegeben, dass es in Dresden 100 neue Arbeitsplätze schaffen werde. Hier wird modernste Satellitentechnik entwickelt. Sie wird unter anderem in Schöneck im Vogtland gebaut.

(Beifall des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Wir haben auch TV-Produktion im sachsen-anhaltinischen Staßfurt – eine lange Tradition noch aus DDR-Zeiten. Dieses Unternehmen entwickelt hier in Dresden und baut im Osten. Hervorragend, kann ich nur sagen. Das macht deutlich: Man kann auch in diesem Segment erfolgreich für den heimischen, für den eigenen Markt produzieren. Es muss nicht alles eingeführt werden. Deshalb ist ja die Diskussion so fatal. Ich meine, man kann über Konsumgutscheine denken, was man will; aber, liebe Abgeordneten, man muss doch auch darüber nachdenken, welche Produkte man denn damit kauft,

(Robert Clemen, CDU: Japanische Autos!)

und es ist mir wichtig, dass diese Fertigung hier in Deutschland, in Europa stattfindet.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stelle also fest: Wir haben hier in Sachsen modernste Technologien. Wir haben wirklich hoch qualifizierte, leistungsfähige und -willige Mitarbeiter, und jetzt müssen wir die Finanzierung klären. Ich sage – auch im Hinblick auf die Finanzierung –: Da ist zunächst einmal die betriebswirtschaftliche Betrachtung des derzeitigen Vorganges. Aber man sollte nicht vergessen, welch große volkswirtschaftliche Bedeutung die Mikroelektronik am Standort Dresden hat, und Qimonda war bisher ein sehr großer Gewerbesteuerzahler für die Landeshauptstadt. Im Moment ist es etwas schwieriger, wenn man keine Erlöse bzw. Gewinne macht. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Qimonda verdienen nicht schlecht, sogar sehr hohe Gehälter.

Das heißt am Ende auch, dass sie hohe Steuern zahlen, und sie zahlen auch in die Sozialversicherungskassen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt aber auch Sekundäreffekte für die Dienstleistungen und den Handel. Hier ist ein Nukleus entstanden, den es zu pflegen gilt.

Ich komme zur industriepolitischen Bedeutung. Die Mikroelektronik als Schlüsseltechnologie hat eine strategische Bedeutung. Deshalb werden die Amerikaner wahrscheinlich nie zulassen, selbst wenn die Kostenstruktur noch so schlecht ist, dass die Mikroelektronik aus den USA verschwindet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist in Sachsen gelungen – das nicht nur in der Landeshauptstadt Dresden, sondern ich würde das Cluster weiter ziehen bis nach Freiberg und darüber hinaus –, dass wir das leistungsfähigste, dynamischste Cluster in der Mikroelektronik innerhalb Europas haben. Das ist eine großartige

Leistung gewesen, und das gilt es bei allen Entscheidungen zu berücksichtigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich komme zu dem, was als Schwierigkeit in der Debatte formuliert wurde. Es geht um die Frage des EU-Beihilferegimes. Häufig wird darüber gesprochen, die Regelungen zu flexibilisieren, sozusagen in strategischen Branchen Ausnahmen zu bewilligen, die es innerhalb des europäischen Binnenmarktes sonst nicht gibt. Das ist sicherlich eine wichtige Diskussion. Ich würde mir aber langfristig wünschen – Herr Rasch, diesbezüglich haben Sie völlig recht –, dass dieses europäische Beihilferegime auf der ganzen Welt gilt. Mir fehlt aber derzeit der Glaube, dass wir uns gegen die Amerikaner und die Asiaten durchsetzen können. Deshalb müssen wir mit dem klarkommen, was wir momentan haben. Deshalb führen wir intensive Gespräche mit der Europäischen Kommission.

In der Debatte wurde sehr wohl darauf hingewiesen. Wir haben uns beraten lassen und gutachtliche Stellungnahmen eingeholt. Ich will sehr deutlich sagen: Wenn ich überlege, welche Geschäftsinterna darin stehen, dann bitte ich um Verständnis, dass wir dieses Gutachten nicht ausbreiten können.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: „Ausbreiten“ hat niemand gesagt! Es geht um die Kernaussagen!)

Wenn Sie mir zugehört haben, dann haben Sie einige Kernaussagen des Gutachtens vernommen. Ich wollte es freundlich formulieren.

(Zuruf der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Klar ist doch eines – –

(Zuruf der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)

Frau Lay, Sie haben Geburtstag. Vielleicht gehen Sie ans Mikrofon, wenn Sie eine Zwischenfrage haben.

(Caren Lay, Linksfraktion: Sie können mir auch so zum Geburtstag gratulieren!)

Ich habe Ihnen schon heute Nacht, Quatsch, gestern Abend gratuliert.

(Heiterkeit bei der Linksfraktion – Zurufe von der Linksfraktion: Ah!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Klar ist eines für uns: Der Freistaat Sachsen hat mitgeholfen, dass sich die Mikroelektronik hier prächtig entwickeln kann. Deshalb ist es notwendig – das sage ich sehr deutlich in Richtung derer, die die Adressaten sind –, dass die Fördermittel zweckentsprechend verwendet werden. Darauf hat der Steuerzahler und darauf haben Sie als Abgeordnete ein Recht. Das behalten wir im Auge.

Aber eines, meine sehr verehrten Damen und Herren, muss unser gemeinsames Ziel sein: die Sicherung des Mikroelektronikstandorts Sachsen einschließlich Qimonda und der Erhalt von Tausenden von Arbeitsplätzen.