Protocol of the Session on December 11, 2008

Herr Brangs, Sie können nicht kritisieren, dass Herr Koch eine Politik von Pressekonferenzen macht, und wenn Herr Minister Jurk genauso eine Ankündigung macht, dann finden Sie das in Ordnung. Man muss Gleiches bitte auch gleich bewerten.

(Beifall bei der FDP)

Herr Brangs, Sie haben heute Morgen in der Aktuellen Debatte vor blindem Aktionismus gewarnt. Was war es aber dann, was der Minister gemacht hat? Das war doch blinder Aktionismus. Der Minister hat heute Morgen in der Aktuellen Debatte gesagt, die Politik muss maßvoll reagieren, –

(Staatsminister Thomas Jurk: Richtig!)

richtig dosiert reagieren. Ihr Blankoscheck, zur staatlichen Hilfe gebe es keine Alternative, war weder eine maßvolle Reaktion noch richtig dosiert. Das ist die Kritik, die ich hier übe.

(Beifall bei der FDP)

Sie haben Erwartungen geweckt, die Sie letztendlich nicht erfüllen können. Das ist das Dilemma der Staatsregierung in der jetzigen Diskussion.

Heute Morgen haben Sie auch die Bindung der GAFörderung an Arbeitsplätze angesprochen. Sie haben gesagt, Sie haben die Bindung der GA-Förderung an die Arbeitsplätze reduziert, um das Förderinstrument zu vereinfachen und mehr Möglichkeiten zu schaffen. Herr Jurk, Sie waren es doch nach dem Regierungswechsel und ihrer Aufnahme in die Regierung, der die Förderung an neue Arbeitsplätze geknüpft hat. Jetzt korrigieren Sie das. Wir begrüßen das selbstverständlich, aber den Fehler haben doch Sie ursprünglich gemacht!

(Beifall bei der FDP)

Ich kann durchaus nachvollziehen, Herr Ministerpräsident Tillich, dass Sie jetzt wegen der Forderungen auf Distanz zu Qimonda gegangen sind und damit auch auf Distanz zu Ihrem Wirtschaftsminister. Es kann eben keine Rettung um jeden Preis geben. Ich freue mich, Herr Minister Jurk, dass Sie diese Position übernommen haben. Es kann wirklich keine Rettung um jeden Preis geben. Wir wissen auch, dass wir bei einer weiteren Forderung von Qimonda EU-beihilferechtliche Probleme haben. Auch das haben wir in diesem Hohen Hause schon diskutiert.

Man muss innerhalb der Industrie auch unterscheiden, um welche Technologien es sich handelt. Gerade in der Halbleiterbranche gibt es einen sehr schnellen Rhythmus bei neuen Technologien. Innovationen müssen sehr schnell stattfinden. Das heißt, man muss solche Industrien gegebenenfalls anders bewerten als zum Beispiel die Schwerindustrie. Wenn es begründete Hoffnungen auf den Erhalt der Arbeitsplätze gäbe, bestünden gute Argumente, mit der EU zu reden, um zu einer anderen Förderung zu kommen.

Es macht keinen Sinn, Herr Kollege Zais, in ein Unternehmen nur um des Überlebens willen zu investieren. Ich halte auch die Insolvenz für eine Chance, denn wir könnten Fördermittel zurückfordern.

(Widerspruch bei der Linksfraktion)

Wir könnten mit diesen Fördermitteln –

(Empörte Zurufe von der Linksfraktion)

in neue und zukunftsfähige Arbeitsplätze investieren. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass diese Arbeitsplätze weit, weit sicherer wären, als es die bei Qimonda jetzt sind. Das heißt, auch das ist ausdrücklich eine Alternative der Politik. Deswegen tut Politik gut daran, sich nicht im Vorfeld auf irgendetwas festzulegen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Die Fraktion GRÜNE erhält das Wort; Herr Dr. Gerstenberg, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Frage Qimonda ist die Staatsregierung derzeit wirklich nicht zu beneiden; denn die Kernfrage „Retten oder nicht retten, und, wenn ja, wie?“ ist alles andere als leicht zu beantworten.

An die Linksfraktion gewandt: Die Frage Qimonda ist auch nach meinem Dafürhalten zu diffizil, um sie hier im Plenum sachgerecht zu diskutieren. Dafür sind die Ausschüsse der bessere Ort.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion)

Kollege Hahn, Sie verlangen doch nicht ernsthaft, dass die Staatsregierung in ihrem Bericht alle Karten auf den Tisch legt. Darin bin ich mir mit den Kollegen Rasch und Brangs völlig einig. Das würde die Verhandlungsposition deutlich schwächen und damit uns allen auf die Füße fallen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Aber zu Ihrer Beruhigung: Dem Antrag werden wir gleichwohl zustimmen.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, Industrie-, Haushalts- und Standortpolitik, Arbeitsmarktpolitik, Konjunktur- und Subventionspolitik und dazu noch eine gehörige Prise Spieltheorie, also die Lehre vom strategischen Handeln – alle diese Bereiche sind von der Frage „Rettung ja oder nein?“ betroffen, und die verschiedenen Politiken und Bereiche lassen sich schlicht nicht widerspruchsfrei zu einer Politik, zu einem einzigen Ziel zusammenfassen. Vielmehr bestehen Zielkonflikte und Widersprüche, die sich nur schwer auflösen lassen.

Würden wir nur auf die Marktanalysten hören, wäre die Entscheidung einfach. Die Überproduktion an Speicherchips ist zurzeit enorm. Die führenden Chiphersteller sind alle in den roten Zahlen. Die Schließung von Qimonda wäre aus dieser Sicht eine Marktbereinigung.

Die Risiken einer Rettung sind tatsächlich beträchtlich. Der bereits vorhandene weltweite Subventionswettlauf in der Chipindustrie könnte vollends aus dem Ruder laufen mit derzeit noch nicht absehbaren künftigen Folgen für

die beteiligten Staaten und ihre Steuerzahler. Wir wissen ja bereits aus dem Beispiel von Airbus und Boeing, wie teuer und letztlich unkalkulierbar Subventionswettläufe werden können. Und wer mag schon ernsthaft beurteilen, ob eine einmalige Spritze für Qimonda ausreicht oder ob wir dauerhaft zuschießen müssen, um den Standort Dresden zu retten? Wer mag beurteilen, wie lange und wie scharf die Wirtschaftskrise die Weltkonjunktur drücken wird? Denn nicht zuletzt von der globalen wirtschaftlichen Entwicklung wird es abhängen, wie stark und wie lange die Chipindustrie weltweit in den roten Zahlen verharrt. Kein Mensch weiß heute, ob eine Rettung von Qimonda nicht zum Fass ohne Boden wird.

Auf der anderen Seite ist ganz klar: Es steht sehr viel auf dem Spiel, der Einsatz ist hoch. Es geht um Tausende von Arbeitsplätzen. Neben Qimonda haben ja auch AMD und Infineon den Abbau von insgesamt 2 300 Arbeitsplätzen angekündigt. Das ist ein Viertel des Bestandes hier in Dresden. Es geht also um den Standort Dresden. Es geht auch um die Zukunft der europäischen Chipindustrie, die hier in Dresden ihren wichtigsten Platz gefunden hat. Jeder zweite europäische Mikrochip, jeder fünfte weltweit kommt aus Dresden – noch!

Es geht bei der Mikroelektronik um eine Basistechnologie für die Zukunft vieler anderer Branchen. Es geht um die Stabilisierung des Vertrauens der Bevölkerung in Zeiten einer globalen Finanz- und Wirtschaftskrise. Und es geht auch um so etwas wie die Beibehaltung einer Konkurrenzsituation im Bereich der Chipindustrie zwischen Asien, den USA und Europa, von der die Abnehmer profitieren.

Alle diese Gründe lassen unsere Fraktion zu der Überzeugung kommen: Wir müssen versuchen, Qimonda zu retten; nicht um jeden Preis natürlich, aber, so bitter es ist, gegebenenfalls um einen sehr hohen Preis. Ich weiß nicht, wie hoch dieser Preis sein kann. Ich weiß nur eines: Wenn die Staatsregierung es nicht zugelassen hätte, dass die Sächsische Landesbank zur Spielbank gemacht wird, hätten wir jetzt mehr finanziellen Spielraum zur Unterstützung einer Zukunftsbranche.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der FDP)

Dass sich das Management von Qimonda gegenüber der Staatsregierung nicht gerade geschickt verhalten hat, ist offenkundig. Das Durchsickern von Zahlen war bestimmt auch nicht förderlich für das Finden einer tragfähigen Lösung. Aber trotzdem: Herr Ministerpräsident Tillich, Herr Wirtschaftsminister Jurk, Ihre Aufgabe ist das Verhandeln und nicht der Schlagabtausch über die Medien. Ihre Aufgabe ist es, den Bund ins Boot zu holen, denn die Bundesregierung ist bei dieser Aufgabe genauso gefordert wie die EU mit ihren für die Mikroelektronik ungeeigneten Beihilferegelungen.

Ich und meine Fraktion, wir wünschen Ihnen dabei Erfolg, damit nicht bei einem wichtigen Leuchtturm das

Licht ausgeht, sondern Qimonda als Teil des Mikroelektronikstandortes Sachsen bestehen bleibt.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Wird von den Fraktionen weiter das Wort gewünscht? – Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Noch einmal zur Klarstellung: Der Zweck unseres Antrages ist, dass die Staatsregierung uns berichtet, wie nach dem Eingang des Gutachtens über mögliche Hilfsoptionen ihre Pläne aussehen, um dem Standort der Chipindustrie in Dresden und speziell Qimonda zu helfen.

Ich weiß, dass es in diesem Falle tatsächlich keine einfache Lösung geben wird. Dennoch sehen wir uns veranlasst, danach zu fragen, zumal eben auch widersprüchliche Äußerungen aus der Staatsregierung in den Medien verbreitet worden sind. Da zitiere ich nur einmal Herrn Ministerpräsidenten Tillich, der in den letzten Tagen mit seinen Äußerungen deutlich hat erkennen lassen, dass die Staatsregierung eher auf die Lösung durch einen dritten Investor hofft und setzt und weniger auf eine vom Staat übernommene Hilfestellung.

Ich gehe davon aus, dass es niemanden in diesem Hohen Hause gibt, dem das Schicksal von Qimonda in Dresden gleichgültig wäre. Ich gebe zu, dass eine Entscheidung über eine Staatshilfe, in welcher Form auch immer, wenn es keine Lösung durch einen dritten Investor gibt, keine einfache Entscheidung sein kann. Das hat etwas mit der Besonderheit im internationalen Chipmarkt zu tun. Hierfür ist ursächlich der sogenannte Schweinezyklus verantwortlich, dem die Chipindustrie unterliegt und der von extremen Konjunkturschwankungen mit starkem Preisverfall geprägt wird. Verschärfend kommt nun auch noch die internationale Wirtschaftskrise hinzu, die die Nachfrage nach Chips hat einbrechen lassen und zu einem extremen Preisverfall geführt hat.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte.

Danke, liebe Kollegin Runge.

Ich zitiere aus Ihrem sogenannten alternativen Haushalt: „Da die mit milliardenschweren Subventionen geförderten Leuchttürme der Chipindustrie in Dresden ins Wanken geraten sind, erinnert sich mancher an unsere alternativen Konzepte nachhaltiger Produktionsketten in den Regionen.“

Ich frage, liebe Kollegin Runge: Wie erklären Sie sich, dass Sie auf der einen Seite die Ansiedlung der Chipindustrie beklagen und auf der anderen Seite heute die Förderung unter allen Umständen vorantreiben wollen?

(Beifall bei der CDU – Unruhe bei der Linksfraktion)

Nein! Es geht doch überhaupt nicht um die Frage des Entweder-Oder, entweder Leuchttürme oder regionale Wirtschaftskreisläufe, sondern es geht sowohl um das eine als auch um das andere. Nur dann macht Wirtschaftspolitik einen Sinn.

(Beifall bei der Linksfraktion – Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion)

Das Cluster der Chipindustrie in Dresden mit Tausenden gut bezahlter Arbeitsplätze in der Hochtechnologie wurde, wie gesagt, mit Milliarden an Steuergeldern angesiedelt und staatlich gefördert. Erst dadurch ist dieses Zentrum entstanden, und wir können froh darüber sein, einen solchen Technologiestandort zu haben.