Protocol of the Session on November 14, 2008

Ich denke, auch die Preispolitik der Autounternehmen könnte hier ein wenig eingreifen, wenn man daran denkt, dass es auf dem europäischen Markt Preisunterschiede bis zu 25 % gibt. Dort sind Spielräume drin. Die Verschrottungsprämie usw. – gut, wer sein Auto weiterhin fahren will, der muss es ja nicht verschrotten; aber man versucht eben, die Binnennachfrage im Automobilbereich anzukurbeln. Ich sehe diese Maßnahmen eigentlich als eine Anpassungsphase, denn wir müssen zu anderen Antriebsarten kommen. Das ist auch der Automobilindustrie bewusst. Ich war vor drei Wochen in Sindelfingen. Dort hatten wir ein Gespräch mit dem Entwicklungsvorstand von Mercedes. Dieser hat eingeräumt, dass sie eigentlich einige Jahre nicht geschlafen, aber zumindest ihre Schularbeiten nicht gemacht haben und dass man jetzt ganz verstärkt auf alternative Antriebsarten, auf alternative Konzepte, auf geringere Verbrauche usw. Wert legt. Das ist eine richtige Zielrichtung. Sie wird uns weiterbringen. Dazu müssen wir eine Anpassung ermöglichen, denn in den Autos sind Riesenvermögen gebunden.

Zu begrüßen ist auch die zeitlich begrenzte Wiedereinführung von degressiven Abschreibungsmöglichkeiten; 25 % auf Neuanschaffung ist eine vernünftige Sache. Damit werden zusätzliche Anreize geschaffen, zu investieren und Beschäftigung zu sichern.

Beim Infrastrukturprogramm der KfW für strukturschwache Kommunen sind 3 Milliarden Euro eingestellt. Auch die zusätzlichen zwei Milliarden Euro für Verkehrsprojekte betrachten wir positiv und hätten dafür in Sachsen sehr gute Verwendung. Dabei bleibt zu hoffen, dass es dem Bundesverkehrsminister gelingt, diese Mittel auch zielgerichtet, effizient und zeitnah umzusetzen.

Mit der Aufstockung der GA um 200 Millionen Euro im kommenden Jahr sollten wir gemeinsam mit den anderen Bundesländern unsere Anstrengungen im Hinblick auf die Neuansiedlungen und die Erweiterung von Unternehmen verstärken. Hier erwarte ich von Staatsminister Jurk und von seiner WfS-Förderung klare Aussagen zur Strategie und eine Zielvorgabe für das, was wir erreichen wollen; denn wir müssen uns auf Branchen einstellen, die am Ende Wachstum bringen.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Aber langfristiges Wachstum!)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Sehr geehrter Herr Bolick! In diesem Konjunkturpaket sind ja auch 1 000 zusätzliche Vermittlerstellen für die Arbeitsagenturen vorgesehen. Wie bewerten Sie denn diese Maßnahme?

Bei dem Konjunkturpaket hat möglicherweise jedes Ministerium einen Beitrag abliefern müssen. Jedes Ministerium hat sich etwas ausdenken müssen. Sie wissen ja, wie das Ministerium besetzt ist, sodass ich dazu nicht mehr viel zu sagen brauche.

Frau Hermenau, Sie haben das Kurzarbeitergeld etwas schnöde behandelt. Ich denke, dass das Kurzarbeitergeld schon eine sinnvolle Maßnahme ist. In der Woche, als ich bei Mercedes war – ich sagte es gerade –, war der Betrieb, in dem 35 000 Leute arbeiten, geschlossen. Das muss jedoch überbrückt werden, und Kurzarbeitergeld sichert, dass die Leute nicht auf die Straße gesetzt werden, sondern erst einmal eine Brücke erhalten.

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Linksfraktion das Wort; Herr Scheel, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da kann es einem ja angst werden, wenn man Herrn Bolick so hört. Sind wir hier bei „Wünsch Dir was!“? Jedes Ministerium kann etwas beitragen, mal sehen, was am Ende rauskommt. Genannt wird von einigen hier das Konjunkturpaket. Ich allerdings habe noch kein Konjunkturpaket zu sehen bekommen. Mir liegt ein „Maßnahmenpaket zur Senkung der steuerlichen Belastung, zur Stabilisierung der Sozialversicherungsausgaben und für Investitionen in Familien“ vor – so nennt zumindest die Bundesregierung das, was Sie als Konjunkturpaket bezeichnen.

Das Problem, das wir haben, haben wir letzten Monat schon besprochen, als wir über die Finanzmarktstabilisierung gesprochen haben. Wir schlittern mitten rein in eine Rezession. Diese Rezession hat uns noch nicht einmal annähernd richtig erreicht. Allerdings spüren wir ihre Auswirkung schon. Der IWF stellt fest, dass wir die größte Rezession weltweit seit den Siebzigerjahren haben, seit der größten Ölkrise, und wir reden hier so einmal daher: Ach, da gibt es ein paar nette Ideen wie Kurzarbeitergeld! Ich glaube, wir sind uns der Dimension der Fragestellung, der Problemlage überhaupt noch nicht bewusst.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Jetzt reden wir einmal darüber, was Konjunkturprogramme in dieser Welt sind. China hat 460 Milliarden Euro in die Hand genommen. Nun kann man den Kommunisten

vielleicht viel vorwerfen, aber zumindest haben sie den Ernst der Lage erkannt: 460 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau, für Infrastrukturmaßnahmen, für Investitionen, die dringend notwendig sind und die die Konjunktur in China und auch weltweit ankurbeln. Selbst das hat der IWF zur Kenntnis genommen.

(Zuruf des Abg. Mario Pecher, SPD)

Jetzt kommen Sie mir nicht mit solchen Albernheiten!

Dann kommen wir einmal zu den USA. 168 Milliarden Euro haben die USA jetzt schon in die Hand genommen, um für Konsumstärkung zu sorgen. Dann sehen wir uns in Europa um. In Österreich und Frankreich gibt es große Diskussionen darüber, dass endlich etwas passieren muss, dass man Geld in die Hand nimmt, um Konjunkturprogramme zu starten und in Investition, in Konjunktur- und in Konsumstärkung zu gehen. Diese Diskussionen sind sehr spannend. Das ist ja auch ganz logisch. Konjunkturprogramme sind gut, wenn man nicht gerade in Rezessionszeiten ist; denn wir haben es mit einer Zurückhaltung von Unternehmen, Menschen und Familien zu tun, die nicht wissen, ob sie überhaupt noch Geld in die Hand nehmen können, weil Zukunftsangst besteht. Das gefährdet massiv Arbeitsplätze.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Hinter jedem Arbeitsplatz, der hier gefährdet ist, stehen auch wieder Familien und Schicksale. Das muss uns doch umtreiben. Wenn ich dann dieses Maßnahmenpaket, das hier in Deutschland geschnürt wird, sehe, kann ich nur sagen – Frau Hermenau hat es angesprochen –: Die Wirtschaftsweisen haben vollkommen recht: Es ist und bleibt ein Sammelsurium von unzusammenhängenden Einzelmaßnahmen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Das ist eine einmalige Situation: Der BDI, also die Interessenvertretung der Industrie, die Gewerkschaften, die Sachverständigen – alle sind sich einig, dass uns dieses Konjunkturprogramm, das CDU und SPD im Bund aufgelegt haben, überhaupt nicht weiterhelfen wird,

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion)

und Sie stellen sich hier hin und freuen sich darüber, dass dort zumindest 3 Milliarden Euro – ich freue mich auch darüber – an Investitionen in die CO2-Minimierung fließen. Es ist doch mittlerweile wirklich ein Trauerspiel, das um die Kfz-Steuer stattfindet. Die ökologischen Belastungen aus dem Vorschlag der Bundesregierung sind benannt worden. Aber dass sich jetzt allen Ernstes die Koalitionsfraktionen im Bund, CDU und SPD, darüber streiten, wie viele Jahre Laufzeit das haben und wer denn jetzt daran beteiligt sein sollte – ich komme aus dem Lachen nicht mehr heraus. Was hier stattfindet, ist wirklich absurd. Mit einer 200-Euro-Entlastung gewinne ich doch nicht zusätzliche Käufer. Das sind doch reine Mitnahmeeffekte! Auch das ist von den Sachverständigen schon gesagt worden.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Niemand kauft sich doch wegen 200 Euro Entlastung im Jahr ein neues Auto! Sind wir denn mit dem Klammersack gepudert, oder was? Aber das soll so sein. Von Konsumstärkung lese ich in diesem Maßnahmenpaket überhaupt nichts, Investitionen beschränken sich auf die 3 Milliarden Euro. Wir müssen aufpassen, dass wir hier in Sachsen nicht in diese gleiche absurde Debatte schlittern. Wir haben seit Jahren Milliarden von Mehreinnahmen in diesem Haushalt, und wir haben nichts anderes zu tun, als sie in Rücklagen für Beamte, für Bürgschaften, die wir selbst verbrochen haben, und in Rücklagen für Kommunen zu stecken. Ich sage, wir müssen das Geld für die Kommunen jetzt an die Kommunen ausreichen, damit sie investieren können

(Beifall bei der Linksfraktion)

in Bildung, in ihre Bildungseinrichtungen und auch in Schadstoffreduzierung; denn die Sparsamkeit, die die Sachsen hier an den Tag legen, ist nämlich schon Geiz, und Geiz ist überhaupt nicht geil und bringt uns in diesen schwierigen Zeiten nicht weiter. Wir brauchen mehr Eigenmittel für die Kommunen. Und ich sage noch einmal: Geiz ist keine Krisenprävention, kein Krisenmanagement, kein Krisenkonzept, denn sonst wird unser Freistaat zum Unland.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort; Herr Pecher, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter der Überschrift „Wachstum stärken, Beschäftigung sichern“ ist dieses Programm gestartet worden. Ich mache gar keinen Hehl daraus, dass einzelne Bausteine dieses Programms durchaus strittig sein können. Mir gefällt das Thema Kfz-Steuer auch nicht. Ich würde mir auch wegen dieser Steuerersparnis, ehrlich gesagt, kein neues Auto kaufen.

Ich möchte aber diese Debatte nutzen, darauf einzugehen, was denn die Hintergründe und Notwendigkeiten und Möglichkeiten eines solchen Programms sind, und beurteilen, wie schnell sich der Zeitgeist in der Bewertung der Marktwirtschaft teilweise ändern kann.

Wenn man sich einmal das Zitat ansieht: „Wenn die Selbstheilungskräfte der Märkte nicht reichen, muss der Staat eingreifen“, dann ist das nicht von Karl Marx gewesen, sondern es war Joseph Ackermann, seines Zeichens Chef der Deutschen Bank, der das gesagt hat. Wie kommt denn nun so ein Sinneswandel?

In der Tat ist das, was seit einigen Monaten die Welt in Atem hält, mehr als ein normaler Abschwung. Erst kippten die großen Banken, und nun springt die Krise aus der Welt des Geldes auf die reale Wirtschaft über. Das trifft die Welt in einem Augenblick, in dem das Vertrauen der Menschen in die Marktwirtschaft ohnehin schwindet

und der Staat lange als lästig galt, als Störenfried, der die Wirtschaft einengt – siehe insbesondere die Meinung der FDP.

Ich will noch einmal kurz zurückgreifen auf die vorangegangene Debatte. Ich glaube, wir brauchen keine Staatsdebatte oder eine Bürokratieabbaudebatte. In erster Linie brauchen wir eigentlich von der Ideologie her mittlerweile eine FDP-Abbau-Debatte;

(Beifall bei der SPD)

denn es ist genau Ihr Problem, dass die freien Regeln der Märkte eigentlich

(Zuruf des Abg. Holger Zastrow, FDP)

der Weltwirtschaft nicht guttun.

Ich möchte nicht nur die Gelegenheit nutzen, zu schauen, was der Bund richtig oder falsch und ob er viel oder wenig macht. Was können wir tun? Ich möchte an das anknüpfen, was Kollege Scheel versucht hat anzudeuten. Ich glaube, dass es möglich ist. Wir sind ein föderaler Staat. Die Bundesländer können sich auch fragen: Was können wir gemeinsam tun? Man kann einiges tun. Wir hätten zum Beispiel die Chance, Frau Hermenau, durch Streckung oder Aussetzung der Solidarpaktdegression in den – zumindest neuen – Bundesländern Investitionsimpulse freizusetzen. Wenn wir nur zwei Jahre die Degression aussetzen, hätte der Freistaat Sachsen 600 Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln zur Verfügung, die für Investitionen ausgegeben werden könnten.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Falsche Investitionen!)

Würden alle Bundesländer in annähernd gleicher Weise so verfahren, hätten wir ein Investitionsprogramm, das dauerhaft Arbeitsplätze schaffen könnte. Wir haben Aufgaben vor Ort zu liegen. Wir haben allein im Schulhausbau bewilligungsfähige Anträge für 150 Millionen Euro, mit denen es sofort losgehen könnte.

(Dr. Monika Runge, Linksfraktion: Dann gebt doch das Geld in den Haushalt hinein!)

Wir haben im Bereich Stadtumbau riesige Aufgaben vor uns, in die wir investieren könnten: ökologischer Umbau der Stadt, Energieeffizienz in öffentlichen Gebäuden, energieeffizientere Gestaltung unserer Schulen, der KitaBereich, Umbau der Wohnungen und der Stadtquartiere mit Blickrichtung auf seniorengerechteres Wohnen. Wir haben in vielen Bereichen große Aufgaben, die wir angehen könnten.

Wir sollten in erster Linie darüber debattieren: Was können die Bundesländer gemeinsam tun, um das vom Bund Angestoßene vernünftig zu ergänzen? Das sollte im Mittelpunkt dieser Debatte stehen und nicht die Schelte, der Bund mache alles falsch, und wenn er etwas anpacken würde, ginge es schief. Ich bin kein Hellseher. Ich weiß nicht, ob diese Maßnahmen greifen. Ich hoffe es sehr.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.