Worüber wir heute oder morgen abstimmen, ist ein handwerklich schlecht gemachtes Gesetz. Es mag sein, sehr geehrte Frau Staatsministerin Stange, dass Sie aus ästhetischen Gründen auf ein Artikelgesetz verzichtet haben. Wer aber mit dem steten Mantra von einer soliden Gesetzgebung unbeirrt gegen die formalen Einwände beispielsweise des Juristischen Dienstes ansingt, der verweigert sich einer sachlichen Auseinandersetzung und ignoriert bewusst die entsprechenden, übrigens auch verfassungsrechtlichen Zweifel. Auch hier sitzt Ihnen offenbar die Zeit im Nacken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft ist es entscheidend, ob es unseren sächsischen Hochschulen gelingt, die nachwachsende Generation auf international konkurrenzfähigem Niveau auszubilden, ob sie hochwertige Forschung betreiben und intensiven Wissenstransfer in die Wirtschaft pflegen. Kurz gesagt, wir brauchen noch mehr Exzellenz und Qualität an unseren sächsischen Hochschulen.
Wer diesen hochschulpolitischen Zielen zustimmt, der muss auch den Mut haben, die notwendigen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Wer zu Recht Qualität von den Hochschulen verlangt, der muss ihnen die dafür notwendige Freiheit und Autonomie geben.
Wir erkennen durchaus an, dass der Gesetzentwurf einige Verbesserungen bringt, beispielsweise, wenn die vom eingeführten erweiterten Senat beschlossene Grundord
nung der Hochschule nicht mehr vom Wissenschaftsministerium genehmigt werden muss. Auch die Erweiterung der Erprobungsklausel ist hier zu nennen. Hier wird zukünftig aber darauf zu achten sein, dass den Studentinnen und Studenten verlässliche Rahmenbedingungen beispielsweise im Bereich der Studienordnungen geboten werden. Ich bin mir aber sicher, dass die Hochschulen diese Experimentieroption verantwortungsbewusst und in Abstimmung mit den verschiedenen universitären Interessengruppen nutzen werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere sächsischen Hochschulen brauchen die Freiheit, ihr Personal selbst berufen und individuell, das heißt leistungsgerecht, bezahlen zu dürfen.
Freiheit für die Hochschulen bedeutet für uns aber auch, dass diese ihre Finanzverfassung einschließlich der Liegenschaftsverwaltung selbst bestimmen. Gerade in den Bereichen Personal- und Finanzautonomie sehen wir als FDP-Fraktion jedoch erhebliche Defizite im vorliegenden Entwurf.
Zwar können unsere Hochschulen künftig über 20 % statt der ursprünglich vorgesehenen 10 % ihrer Personalstellen frei verfügen. Aus Sicht der FDP-Fraktion geht dies aber nicht weit genug. Einerseits stellen wir enorme Anforderungen an die zukünftige Qualität der Forschung und Lehre unserer Hochschulen, andererseits schreiben wir ihnen zum großen Teil vor, mit welchem Personal diese Ziele erreicht werden sollen. Stellenplanbestimmende Hochschulexzellenz – das kann nicht funktionieren, meine Damen und Herren.
Hier hätten wir uns mehr Mut und Vertrauen in die fachliche Entscheidungskompetenz der Universitäten und Fachhochschulen gewünscht.
Auch beim Thema Finanzautonomie sehen wir erhebliche Mängel. Das Ziel weitgehend vorbedingungsfreier flexibler Globalhaushalte wurde verfehlt. Stattdessen finden sich diesbezüglich zahlreiche Rechtsverordnungen und Controllingvorgaben im Gesetz.
Auch beim Hochschulbau bleiben die sächsischen Hochschulen weitgehend „Scheckempfänger“ des Finanzministeriums ohne wirklich eigene Entscheidungskompetenz bei Bauvorhaben. Nach unserer Auffassung müssen die Hochschulen die Möglichkeit erhalten, ihre Liegenschaften selbst zu übernehmen, zu bewirtschaften und Baumaßnahmen in Eigenregie zu planen. Ob Baumaßnahmen dann vom SIB oder einem privaten Anbieter ausgeführt werden sollen, sollte dann auch der Entscheidungskompetenz der jeweiligen Hochschule obliegen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich an dieser Stelle noch ein paar Gedanken zum sensiblen
Punkt der Gebührenfreiheit äußern. Für das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Hochschulabschluss bleiben mit dem vorliegenden Gesetz Studiengebühren in Sachsen verboten. Zweitstudien können hingegen gebührenpflichtig angeboten werden. Bei erheblicher Überschreitung der Studiendauer soll dies sogar der Regelfall sein. Warum räumen Sie den Hochschulen die Möglichkeit, ihre Studenten an den Ausbildungskosten zu beteiligen, nicht auch beim Erststudium ein? Die von den Studenten geleisteten finanziellen Beiträge müssten dabei natürlich vollumfänglich in die Verbesserung der Lehre fließen. Die Entscheidung über eine Einführung von Studienbeiträgen kann jede Hochschule individuell treffen. Ich spreche hier wohlgemerkt von einem Kann, nicht von einem Muss.
Deutschland, meine sehr geehrten Damen und Herren, zählt zu jenen Ländern, die eine vergleichsweise geringe soziale Mobilität aufweisen. Jugendliche aus Akademikerfamilien studieren demnach deutlich häufiger als ihre Altersgenossen aus einem anderen Bildungsumfeld. Dieses Missverhältnis muss aus Sicht der FDP-Fraktion schnell und tiefgreifend korrigiert werden. Dies ist entscheidend für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ist es wirklich glaubhaft zu behaupten, dass Studiengebühren ursächlich für die jahrzehntelange Schieflage sind? Studiengebühren gibt es in allen Teilen Deutschlands erst seit relativ kurzer Zeit. Das pauschale Motto „Studienanreize statt Studiengebühren“ scheint mir etwas zu kurz argumentiert, sehr geehrte Frau Ministerin Stange! Offensichtlich hat das einkommensselektive BAföG-System keine ausreichenden Anreize geschaffen. Auch die ab Anfang August geltenden Leistungsverbesserungen werden nach unserer Auffassung nicht den Durchbruch bringen.
Bisher, meine sehr geehrten Damen und Herren, werden Bildungskosten größtenteils sozialisiert, Bildungsrenditen hingegen werden über das Einkommen privatisiert. Was ist dagegen einzuwenden, wenn Hochschulabsolventen nach ihrem Abschluss bei entsprechender finanzieller Einkommenssituation beispielsweise nachgelagerte Studiengebühren entrichten und somit zu einer besseren universitären Infrastruktur beitragen?
Den Hochschulen im Freistaat Sachsen wird diese Möglichkeit verwehrt. Auch in diesem Punkt ist der vorliegende Gesetzentwurf nach unserer Auffassung zu restriktiv.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetz werden die sächsischen Hochschulen nicht vom staatlichen Gängelband befreit. Es wird maximal die Leine etwas lockerer gelassen. Nicht nur die beachtliche Anzahl der – auch nach dem Änderungspaket der Koalition – vorgesehenen Rechtsverordnungen zeigt klar die gängelnde Hand des Staates. Die FDP-Fraktion wird
Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Wird von der GRÜNEN-Fraktion das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man sich bemühen sollte, ein bildliches Fazit über die abgelaufene Diskussion zu ziehen, dann fiele mir folgender Spruch ein: Wenn die Katze den Speck nicht bekommen kann, erklärt sie ihn für ranzig.
Genau in diesem Sinne haben wir diskutiert. Wir haben Gesetzentwürfe, die schon in den Ausschüssen und vor knapp zwei Jahren im Plenum abgelehnt wurden, als Heilsbotschaften empfohlen bekommen. Mit anderen Gesetzen hat man sich mehr oder weniger nur sehr oberflächlich auseinandergesetzt.
Das hat dieser Gesetzesentwurf – ich wiederhole es gerne noch einmal – nicht verdient. Ich möchte ganz kurz auf zwei Dinge eingehen. Es ist sowohl durch den Kollegen Dr. Gerstenberg als auch von Frau Werner die Verfassungsbedenklichkeit des Hochschulrates betont worden. Ich muss dazu anmerken: Wenn man sich zu solchen Dingen äußert oder äußern will, sollte man die bestehende Rechtsprechung zur Kenntnis nehmen und von dieser Rechtsprechung ausgehen. Das heißt: Die Verfassungskonformität von Befugnissen eines Hochschulrates, den es inzwischen in nahezu jedem Bundesland gibt, wird vom Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil vom 26. Oktober 2004 im Grunde genommen bestätigt.
Dies betrifft vor allen Dingen die Mitwirkungs- und Kontrollbefugnisse eines solchen Gremiums. Trotz der Existenz eines Hochschulrates verbleiben den Kollegialorganen alle Grundsatz- und Kontrollkompetenzen. Das war – muss ich zugeben – der veranlassten Klage von Brandenburger Wissenschaftlern auf der Basis des 1999 verabschiedeten Gesetzes geschuldet. Aufgrund dieses Kooperationsprinzips ist der Hochschulrat ein Organ der Hochschule – ein staatlich eingesetztes Mitwirkungsgremium – und deswegen verfassungsrechtlich unbedenklich. Die dem Hochschulrat übertragenen Rechte betreffen ohnehin weitestgehend keine wissenschaftlich relevanten Angelegenheiten. Vorrangiges Kriterium für eine Verfassungsbedenklichkeit ist, ob dadurch eine freie wissenschaftliche Betätigung und Aufgabenerfüllung strukturell gefährdet ist. Die Feststellung des Bundesverfassungsgerichtes sollte man im Hinterkopf behalten.
Solange der Gesetzgeber ein hinreichendes Maß organisatorischer Selbstbestimmung der Grundrechtsträger sichert, ist er frei, den Wissenschaftsbetrieb nach seinem Ermessen zu regeln. Deswegen ist das Vorschlagsrecht des Hochschulrates für die Wahl eines Rektors in keiner Weise mit Artikel 5 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes unvereinbar.
Die in Sachsen hauptsächlich dem Hochschulrat darüber hinaus übertragenen Kompetenzen – im Sinne der Genehmigung von Wirtschaftsplan und Jahresabschluss – sind staatliche Aufgaben. Der Verfassungsgerichtshof schreibt: „Wenn ein Hochschulrat nur mit Vertretern der Hochschule besetzt wäre, dann wäre ein solches Gremium verfassungswidrig.“ Die Externen sichern die Unbedenklichkeit und die staatliche Mitwirkung an dieser Stelle. Man kann sich über einen Hochschulrat ansonsten sicherlich streiten und das Für und Wider erörtern. Dazu, sich hier hinzustellen und zu sagen, dass es verfassungsrechtlich bedenklich sei und wir die Gerichte beschäftigen würden, kann ich nur sagen: Dieser Drohung oder Ermahnung sehe ich für die Koalition sehr gelassen entgegen. Das Verfassungsgericht hat dazu abschließend geurteilt.
Meine Damen und Herren! Abschließend noch folgende Anmerkung: Dieses Gesetz – ob man ihm folgen möchte oder es partiell als gelungen ansieht – sieht die Koalition trotz noch vorhandener Reserven als gutes Ergebnis an. Es ist Teil einer Strategie oder Kampagne, in Sachsen die Studienbedingungen zu verbessern – wie die Ministerin und das Ministerium es anstreben – und dafür zu werben, dass in Sachsen Studenten aus anderen Bundesländern studieren. Das heißt: Wir wollen mit unseren Möglichkeiten einen gesetzlichen Rahmen und Bedingungen schaffen.
Kollege Dr. Gerstenberg, ich mache es Ihnen zum Vorwurf, dass Sie eine unverantwortliche Äußerung eines Prorektors einer Hochschule – wir hätten in Sachsen zweitklassige Hochschulen, die erstklassig kontrolliert würden – wiederholen. Heute haben Sie auch gesagt, wo diese Äußerung herstammt. Das war in der Zeitung nicht zu lesen. Wenn Wissenschaftler oder Wissenschaftspolitiker – dazu muss ich in der Doppelfunktion eines Prorektors sprechen – hingehen und die eigenen Hochschulen als zweitklassig schlechtreden, dann dürfen wir uns nicht wundern, dass keine Studenten aus anderen Bundesländern zu uns kommen.
Nun folgt eine Zusammenfassung: Es existiert und findet kein Abbau von Mitbestimmungsrechten statt. Im Gegenteil, sie werden gestärkt. Wir haben in der Personal- und Organisationsautonomie erstmals den Hochschulen Instrumente an die Hand gegeben, die sie seit 1990 noch nie gehabt haben.
Wenn die eine oder andere Erwartung noch nicht umsetzbar ist oder erfüllbar bleibt, sollte die Objektivität und die Verantwortung der Politiker darin bestehen, diesem guten Gesetzesrahmen die Chance zu geben, in unserem Land angenommen und umgesetzt zu werden. Man sollte nicht vorher sagen, dass alles nichts taugen würde. Das ist ein Gesetzentwurf, der zustimmungsfähig ist, und daher bitte ich Sie um diese Zustimmung. Zum Änderungsantrag kommen wir später.
Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. – Doch, ich sehe noch eine Wortmeldung; Herr Dr. Gerstenberg, bitte.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ein erneuter Redebeitrag war von mir ursprünglich nicht geplant. Herr Prof. Mannsfeld, nach Ihren Ausführungen muss ich mich aber doch noch einmal zu Wort melden.
Sie haben mir schon in einem anderen Zusammenhang gesagt, wir sollten die Hochschulen nicht schlechtreden. Ich bin der Meinung: Wir müssen die Situation an den sächsischen Hochschulen so wahrnehmen, wie sie ist, und am nationalen und internationalen Maßstab messen.