Protocol of the Session on October 16, 2008

Bitte schön, Herr Dr. Hahn.

Herr Kollege Zastrow, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich bei meiner Kritik ausdrücklich von den Bankmanagern gesprochen habe und nicht von Unternehmern und schon gar nicht vom Mittelstand?

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich habe Sie – wie lange bin ich jetzt im Parlament? Vier Jahre? – in den ersten Jahren kennenlernen dürfen und ich kenne Ihre Skepsis gegen Eigenverantwortung, gegen Unternehmertum und gegen Personen,

(Widerspruch bei der Linksfraktion)

die unter Inkaufnahme des eigenen Risikos versuchen, etwas zu bewegen. Das können Sie mir mit Ihrem Beitrag derzeit nicht ausreden.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Zurufe der Abg. Prof. Dr. Peter Porsch und Caren Lay, Linksfraktion)

Sehr geehrte Damen und Herren! Verteidigen wir unser Land gegen alle, die unsere Werte, unsere Freiheit, unseren gesellschaftlichen Erfolg aus purem Egoismus und nur um der schnellen Mark wegen verscherbeln oder aus dieser einmaligen Notsituation politisches Kapital für ihre eigenen Parteiinteressen schlagen wollen. Schützen wir unser Land davor, und zwar mit mehr sozialer Marktwirtschaft und mit klaren Regeln zwischen Staat und Wirtschaft, vor allem der Finanzwirtschaft!

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich erteile der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Frau Hermenau, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! In den letzten Redebeiträgen konnten wir beobachten, was es bedeutet, wenn der Sächsische Landtag in Klassenkampf ausbricht. Jetzt ist Rot-Rot auf Schwarz-Gelb geprallt, eine Denkschule auf die andere. Beide haben sich tapfer geweigert, alle zugänglichen Informationen zur Kenntnis zu nehmen, und hier irgendwelche Klassenkampf- und Glaubenslieder gesungen. Das ist das, was gerade passiert ist.

(Zurufe der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)

Sie könnten in der Sache stärker argumentieren – jeder von Ihnen, jede Seite –, wenn Sie sich mit den Tatsachen auseinandersetzen würden.

(Caren Lay, Linksfraktion: Frau Hermenau erklärt uns gerade … – Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion)

Ja, Herr Hahn, Sie wollen Ministerpräsident dieses Landes werden. Jede Ihrer Reden, die Sie im Landtag halten, wird der Maßstab dafür sein, ob Sie dieses Amt ausfüllen können. Nutzen Sie dieses Jahr!

(Beifall bei den GRÜNEN – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Bravo!)

Sie haben auf die Riester- und die Rürup-Rente abgehoben. Diesbezüglich kann ich Ihnen nur sagen: Das sind gute Finanzprodukte, die Bestand haben werden. Da haben Sie sich eine schlechte Rede aufschreiben lassen. Ich habe Herrn Lafontaine, von dem Sie heute so positiv gesprochen haben, als Finanzminister ein halbes Jahr live erlebt. Ich kann ihn der Nation nicht weiterempfehlen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und der FDP)

Ich habe mir gestern auch seine Rede zum Paket der Bundesregierung angehört. Er hat es im Prinzip abgesegnet. Versuchen Sie also hier nicht irgendetwas zu rekonstruieren, was Ihr Parteichef nicht gesagt hat.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und der FDP)

Ein weiterer Punkt. Es hat mir damals schon, als RotGrün in der Verantwortung war, zu denken gegeben, dass Herr Lafontaine nach einem halben Jahr schon die Faxen dicke und Herr Gysi, Ihr zweiter großer Parteichef, als Wirtschaftsenator nach einem halben Jahr auch keine Lust mehr hatte.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Wenn Sie so mit der realen Politik umgehen und immer dann, wenn es schwierig wird, kneifen, aber hinterher behaupten, dass diejenigen, die es gemacht haben, weil es schwierig zu lösen war, die „Schweinebacken“ sind, dann werden Sie dieses Land nie erfolgreich regieren.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der FDP und der Staatsregierung – Zurufe der Abg. Caren Lay und Dr. André Hahn, Linksfraktion)

Zu Ihrer Forderung nach einem Konjunkturprogramm weise ich Sie darauf hin: Herr Strauß ist tot! Im Fernsehen werden gerade wieder Sendungen ausgestrahlt. Sie werden also innerhalb Deutschlands keinen zusätzlichen Kredit bekommen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Vor diesem Hintergrund würde ich mich hüten, Verteilungsmaximierung ohne Blick in die Zukunft in die Luft zu setzen.

(Caren Lay, Linksfraktion: Was haben Sie damals gemacht? Sprechen Sie einmal dazu! Sie waren doch dabei! – Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion)

Empören Sie sich nur. Ich weiß, das zu hören tut weh. Ich verstehe das.

Herr Zastrow, den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land will ich gern vertrauen. Das fällt mir überhaupt nicht schwer. Aber den Banken vertraue ich in den nächsten Jahren nicht mehr. Darauf können Sie sich verlassen. Mit dieser Meinung stehe ich nicht allein. Auch Herr Thumann vom BDI ist der gleichen Meinung.

Geht Ihnen politisch vielleicht ein wenig die Muffe? Die Bundesregierung musste seit dem SLB-Verkauf gewarnt sein. Die BaFin war ohne Gebiss. Das ist nun schon über ein Jahr her. Die Deutsche Bundesbank soll jetzt Krisenmanager werden. Herr Weber ist zweifelhaft verstrickt, wenn man sich anschaut, was mit der Hypo Real Estate abläuft. Das ist eine sehr gefährliche Sache.

Heute Mittag 12 Uhr wird in Berlin High Noon sein: 0,2 % Wachstumsprognose für das Jahr 2009. Und Sie versuchen, die Krise im Griff zu halten. Das ist eine psychologische Zahl und keine reale.

Die Automobilbranche ist schon jetzt schwer getroffen. Baden-Württemberg und Bayern sind Geberländer. Hessen ist theoretisch auch ein Geberland. Wir wollen einmal schauen, wie das nach der nächsten Koalition aussieht, wenn sich die PDS mit neuen Ideen durchsetzt.

(Lachen bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Die Absenkungen im Länderfinanzausgleich sind die wahre Bedrohung für die wirtschaftliche Situation in Sachsen, um das einmal auf den Punkt zu bringen. Das ist die wahre Bedrohung für die nächsten Jahre. Was kann passieren? Wir werden wahrscheinlich dreistellige Millionenbeträge weniger als geplant zur Verfügung haben. Das Volumen und die Geschwindigkeit des Maßnahmenpaketes verraten die wirkliche Tiefe der Krise. Der Umfang verrät auch die Unsicherheit der Bundesregierung über das Ausmaß und die Dauer der Krise.

Es wurden schon viele Vergleiche gebracht. Man sprach von 1929, der Weltwirtschaftskrise. Vielleicht kann sich der eine oder andere von Ihnen erinnern, wie das Alan Greenspan damals bei der Fed in New York mit der Zinssenkung nach dem 11. September 2001 gemacht hat. Das war der Schrittmacher für die nächsten Jahre am Finanzmarkt. Darauf hatten alle zu reagieren, weil die USA immer der Schrittmacher gewesen sind. Das verschiebt sich derzeit. Wenn ich das richtig beobachte, wird sich das auf Dauer verschieben. Die USA wird nicht mehr der Schrittmacher der Weltmärkte sein.

Nicolas Stern hat am 9. Oktober 2008, also vor wenigen Tagen, auf dem Zweiten Klimaforum in Thum in der Schweiz gesagt: Es ist Zeitgeist, dass wir Risiken in den Industrieländern unterschätzen. Wir halten uns für erfolgreich und denken, wir können alles. Die Kosten für Maßnahmen gegen die globale Erwärmung sind im Vergleich zu dem Ungemach, das mit der Finanzkrise kommt, klein. Sie sei genau deshalb entstanden, weil die Akteure in den vergangenen Jahren vergessen hätten, die Risiken richtig einzuschätzen.

Ich will einmal die Parallele ziehen, nicht dass es nach ein paar Jahren wieder heißt, wir hätten nichts gewusst. Es gibt eine neue Studie des Wuppertal Instituts „Zukunftsfähiges Deutschland“, die ich jedem nahe lege, der der Meinung ist, wir sollten in Zukunft Risiken besser einschätzen lernen. Ich denke, das spielt eine Rolle. Wenn ich mir die Weltlage anschaue, dann werden wir unseren

Wohlstand auf hohem Niveau wohl eher absichern müssen als neuen hinzuzugewinnen. Es stellt sich die Frage, ob wir nicht eine Renaissance der Bescheidenheit erleben. Diesbezüglich sind die GRÜNEN gut gerüstet.

Eine gesamte ökonomische Denkschule hat weltweit abgewirtschaftet. Der angelsächsische Kapitalismus hat zu jener Zeit kapituliert, als die Banker in ihren Limousinen bei den Politikern vorfuhren und um staatliche Hilfe ersuchten,

(Beifall bei den GRÜNEN und der CDU)

nachdem sie diese jahrelang als die größten Deppen der Nation beschimpft und immer zum Heraushalten aufgefordert hatten. Damals haben manche das Signal noch nicht gehört. Bankenchef Müller spricht von zu komplizierten Produkten, die die Kunden nicht verstanden hätten. Das ist arrogant, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Hätten die Bankster und die Berater diese verstanden, dann hätten sie sie nicht in ihren Portfolien. Nun kann der Staat nicht einmal ausschließen, dass er diese problematischen Papiere mit geliehenem Geld den Banken noch abkaufen muss. Das ist schon eine gravierende Geschichte, meine Damen und Herren. Der „dumme Kunde“ Steuerzahler muss für die „klugen Bankster“ zahlen. Das wird nicht ohne Auswirkungen bleiben, auch politisch nicht. Wir haben den Klassenkampf ja schon heute ein wenig mitbekommen.

Diesbezüglich kommen in Deutschland – es tut mir leid – auch auf die liberalen Monetenmachos von der FDP schwere Zeiten zu. Ihr politisches Geschäftsmodell ist nämlich gerade gescheitert.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU und der SPD – Zuruf von der NPD: Jawohl!)

Das gesamte Paket der Bundesregierung strahlt förmlich immer noch die Furcht der Akteure vor der staatlichen Intervention aus. Für die einen ist immer der Markt das Teufelswerk und für die anderen der Staat, in der Mitte liegt sicherlich die Wahrheit – das vermute ich jetzt einmal.

Nach der Krisenbewältigung soll es wahrscheinlich so weitergehen, wie es vorher war. Das wird aber nicht so sein, weil sich derzeit die Weltmärkte verschieben. Man will den Interbankenverkehr anstoßen. Das ist der erste und wichtigste Grund dieses Paketes. Die Banken trauen sich aber selbst nicht und wir sollen denen vertrauen?! Ich habe das Gefühl, dass Sie, Herr Finanzminister, einen sehr schweren Gang vor sich haben, um über so etwas zu entscheiden. Hinterher wird es immer jemanden geben, der sagt: Sie haben etwas ganz Schlimmes beschlossen.

Europa gibt inzwischen weltweit den Takt vor, wie mit der Finanzmarktkrise umzugehen ist. Die USA kopieren das. Das ist neu und das nehme ich gern zur Kenntnis. Der Finanzminister der Vereinigten Staaten Paulsen hat sich ganz schön verbiegen müssen, als er auf einmal doch

zu Verstaatlichungen kommen musste. Das entspricht sozusagen überhaupt nicht seinen gefühlten politischen Ansätzen. Ich denke, man muss versuchen, eine internationale Einigung zu mehr Kontrolle und eine internationale Börsenumsatzsteuer greifbar zu machen. Dass die Chinesen daran Interesse haben, ist eigentlich klar, wenn man sich ansieht, dass die USA noch vor 10 Jahren ihre damalige Spekulationsblase in Asien abladen konnten und sie noch nicht stark genug waren, um sich zu wehren. Es ist gut möglich, dass die Chinesen sich jetzt freuen, dass es geregelt wird: „Wir sind jetzt stark genug, um das auszusitzen. Nicht wir haben das Problem, sondern ihr.“ – Das ist interessant.