Protocol of the Session on October 16, 2008

Die Frage ist doch: Was wäre denn wohl, wenn er sie gekauft hätte? In Deutschland sind im Rahmen der Bankenkrise bisher zwei Banken krachen gegangen. Beide waren staatlich. Die Mibrag erwirtschaftet – ich habe das vorhin dargestellt – momentan eine Umsatzrendite von 10 %. Das ist ja so schlecht nicht.

Glauben Sie, liebe Kollegen von der NPD, glauben Sie, liebe Kollegen im Landtag, dass der Freistaat, der die Sachsen LB in die Pleite geführt hat, es bei der Mibrag besser machen würde?

(Beifall bei der FDP)

Die Fraktion der GRÜNEN wünscht nicht das Wort. Gibt es weiteren Redebedarf von den Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Herr Minister, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Lehmann, ich habe Ihnen auch zugehört.

Der Sächsischen Staatsregierung liegen bisher keine gesicherten Informationen über einen Verkauf der Mitteldeutschen Braunkohlegesellschaft, der Mibrag also, vor. Die mit einem möglichen Verkauf des Unternehmens auftretenden Sorgen vor allem der Beschäftigten und ihrer Familien, aber auch der Region selbst kann ich gut nachvollziehen. Immerhin ist die Mibrag mit über 2 000 Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmern ein wichtiger Arbeitgeber in Mitteldeutschland. Aber nicht nur das.

Das Unternehmen ist auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. So

wurden im Jahre 2007 Aufträge im Wert von circa 146 Millionen Euro an circa 1 800 Firmen, ein Großteil davon aus der Region, vergeben. Die beeindruckenden Bilanzen der letzten Jahre sprechen dafür, dass auch mit einem möglichen neuen Gesellschafter das Unternehmen ein starker regionaler Partner und Arbeitgeber bleibt.

Die Sächsische Staatsregierung wird sich auch zukünftig für den Erhalt des Energiewirtschaftsstandortes Lippendorf, bestehend aus Tagebau und Kraftwerk, einsetzen. Denn Braunkohle bleibt für Sachsen ein wichtiger Bodenschatz und mittelfristig ein wichtiger Energieträger für eine kontinuierliche und preiswerte Energieversorgung.

Sehr verehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend noch kurz auf das Thema des Antrages eingehen. Dieser zielt darauf ab, die Mibrag ins Eigentum der öffentlichen Hand zu überführen. Damit soll nach Ansicht der Antragsteller eine stärkere Kontrolle auf dem Energiesektor ermöglicht werden. Dabei wird jedoch meines Erachtens völlig verkannt, dass die Mibrag ein Bergbauunternehmen ist, dessen Unternehmensziel vorrangig die Gewinnung von Braunkohle und deren Veredelung ist.

Zwar besitzt das Unternehmen auch einige kleinere Kraftwerke in Sachsen-Anhalt. Diese dienen jedoch fast ausschließlich der Stromerzeugung für den eigenen Gebrauch.

Im Übrigen bin ich auch der Auffassung, dass eine Überführung privater Unternehmen in das Eigentum der öffentlichen Hand kein adäquates Mittel zur Marktregulierung darstellt. Die derzeit bestehenden kartell- und wettbewerbsrechtlichen Regelungsmechanismen sind bereits ausreichend, um einem Marktmissbrauch der Energieversorger zu begegnen.

(Alexander Delle, NPD: Na ja!)

Mein Haus wird auch zukünftig den Energieversorgern im Rahmen der kartellrechtlichen Aufsicht genau auf die Finger schauen. Wo es erforderlich ist, werde ich mich auch künftig auf bundespolitischer Ebene für effizientere Kontrollmechanismen einsetzen.

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass sich die Sächsische Staatsregierung bezüglich des geplanten Verkaufes im Kontakt mit der aufgrund des Unternehmenssitzes zuständigen Landesregierung von Sachsen-Anhalt befindet. Ich werde mich dort für eine Fortführung des Unternehmens und damit den Erhalt des Energiestandortes Lippendorf einsetzen.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der FDP, des Abg. Sebastian Scheel, Linksfraktion, und der Staatsregierung)

Das Schlusswort hat die NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man braucht kein Hellseher zu sein, um zu gewärtigen, dass die Staatsregierung diese Chance

der teilweisen Rückkehr zu einer selbst steuerbaren Energie- und Ressourcenpolitik nicht ergreifen wird. Auch wenn in diesen Tagen in ganz Europa geheiligte privatwirtschaftliche Sektoren verstaatlicht werden oder einer Verstaatlichung entgegensehen müssen, um keinen weiteren Spekulationsschaden anrichten zu können, vertritt die Koalitionsregierung in Sachsen eine Politik der ausgetretenen Pfade. Sie wird sicherlich nicht den Mut finden, ein Unternehmen wie die Mibrag zu verstaatlichen und neu auszurichten. Stattdessen wird sie tatenlos zusehen, wie die vier großen Monopolisten einen weiteren Marktkonkurrenten ausschalten, indem sie ihn aufkaufen oder aufteilen. Diese Unternehmen – dabei möchte ich auch auf Braunkohle verstromende Unternehmen wie Vattenfall als einen potenziellen Käufer eingehen – haben in den vergangenen Jahren auf Kosten der deutschen Energieverbraucher Gewinne in geradezu schwindelerregender Höhe gemacht.

Diese Gewinne, meine Damen und Herren, wurden in nicht unerheblichem Maße dadurch erzielt, dass die Stromkonzerne die Kosten für Verschmutzungsrechte in den Verbraucherpreis einkalkuliert haben, und das, obwohl die Zertifikate den Unternehmen über den Nationalen Allokationsplan kostenlos zugeteilt worden waren – von den Zukäufen einmal abgesehen. Der ursprünglich angestrebte Nutzen des Emissionshandels hat sich damit zu einem Bumerang entwickelt, wenn man die gestiegenen Kosten für die Verbraucher und die wachsenden Unternehmensgewinne betrachtet.

Aus Sicht der Nationaldemokraten muss es daher oberstes Gebot einer an den Interessen der deutschen Verbraucher ausgerichteten und damit vernünftigen Energiepolitik sein, die Macht und den Einfluss des Energiekartells mitsamt seiner Lobby zu brechen. Dies kann entweder

dadurch geschehen, dass man klare Gesetze erlässt und umsetzt, was sich leider als untauglich erwiesen hat, oder aber indem man den Energiesektor zumindest teilweise in die Hand des Staates übernimmt.

Dennoch möchte ich Herrn Staatsminister Jurk und Herrn Morlok für die konstruktive Debatte danken. An Herrn Morlok gerichtet, möchte ich Folgendes bemerken: Es ist richtig, dass zwei Banken, die in Landeseigentum waren, untergegangen sind. Dafür hat aber der Staat eine Privatbank, nämlich die Hypo Real Estate, mit 100 Milliarden Euro gerettet. Diese wäre ansonsten auch pleite gegangen. Wenn wir die 100 Milliarden Euro gehabt hätten, wäre die Sachsen LB auch noch am Markt.

Zu Herrn Lehmann möchte ich sagen: Herzlichen Glückwunsch, dass Sie uns jetzt schon zur DDR-Geschichte zurechnen. Irgendwann lernen Sie auch noch, dass wir in der Gegenwart angekommen sind.

(Heinz Lehmann, CDU: Da kommt ihr nie an!)

Einfache Lösungen, Herr Lehmann, sind vielleicht das Richtige. Das Ergebnis Ihrer komplex durchdachten Lösungen sieht man jetzt am internationalen Finanzmarkt. Ich denke, darauf hätten wir verzichten können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Ich lasse jetzt über diesen Antrag abstimmen. Wer die Zustimmung geben möchte, bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenstimmen, bitte. – Die Stimmenthaltungen? – Bei wenigen Stimmen dafür ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt und rufe auf

Tagesordnungspunkt 7

Mehr Sachverstand in den Kontrollgremien von Landesunternehmen

Drucksache 4/11817, Antrag der Fraktion der FDP

Es beginnt die FDP. Es folgen CDU, Linksfraktion, SPD, NPD, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn sie das wünscht. Ich erteile nun der FDP-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt Binsenwahrheiten, die sind so selbstverständlich, dass man sich fragt, warum sie auch noch schriftlich festgehalten werden müssen. Bei Kontrollgremien von Unternehmen wurden diese Wahrheiten schriftlich fixiert. Vor diesem Hintergrund wurde der Deutsche Corporate Governance Kodex geschaffen. Dieser Kodex gilt unmittelbar nur für börsennotierte deutsche Unternehmen. Seine selbstverständlichen Forderungen sollten Anlass genug sein, sie auch für öffentliche Unternehmen anzuwenden.

Aus der aktuellen Fassung des Kodex vom 6. Juni 2008 können wir Folgendes zum Thema Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern entnehmen. Ich zitiere: „Bei Vorschlägen

zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern soll darauf geachtet werden, dass dem Aufsichtsrat jederzeit Mitglieder angehören, die über die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen.“ Für öffentliche Banken scheint das zum Beispiel nicht zu gelten.

Prof. Marcel Thum und Prof. Harald Hau von der Technischen Universität Dresden haben in der vergangenen Woche eine Studie zur Besetzung der Aufsichts- und Verwaltungsräte deutscher Banken veröffentlicht. Die Analyseergebnisse zeigen, dass bei privaten Banken mehr als ein Drittel der Aufsichtsratsmitglieder Finanzmarkterfahrungen besitzen, doch bei den öffentlich-rechtlichen Banken weniger als 10 % über die vorgenannte Qualifikation verfügen.

(Beifall bei der FDP)

Zitat: „Unsere Studie zeigt, dass die Finanzkompetenz besonders in den Aufsichtsräten der untersuchten Landesbanken und öffentlichen Förderbanken nur sehr schwach ausgeprägt ist. Die besonders hohen Verluste dieser Banken im internationalen Finanzgeschäft sind daher unter anderem aus dem Fehlen effektiver Managementkontrolle erklärbar.“

Ein weiterer Vorschlag aus dem genannten Kodex: „Falls ein Mitglied des Aufsichtsrats in einem Geschäftsjahr an weniger als der Hälfte der Sitzungen des Aufsichtsrats teilgenommen hat, soll dies im Bericht des Aufsichtsrats vermerkt werden.“

(Karl Nolle, SPD: Schlecht für Frau Fischer! – Johannes Lichdi, GRÜNE: Extra einen Antrag zu machen ist einfach zu viel!)

Dazu kommen wir noch, Herr Nolle.

Die Anwesenheit in den Aufsichtsgremien scheint nicht selbstverständlich zu sein. Als wir im April dieses Jahres unseren Antrag eingebracht hatten, war die Zeugenaussage von Frau Staatssekretärin Andrea Fischer im Landesbankuntersuchungsausschuss noch frisch. Dort gab Frau Fischer zu, dass sie von 2002 bis 2004 insgesamt 16 von 24 Sitzungen im Kreditausschuss der ehemaligen Landesbank gefehlt hat. Das entspricht einer Quote der Abwesenheit von 66 %. Dieser Zustand war aus ihrer Sicht nach ihrer Aussage im Untersuchungsausschuss nicht zu beanstanden. Auch die Sächsische Staatsregierung sah in dieser permanenten Abwesenheit nichts Verwerfliches.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir sehen: Da liegt einiges im Argen bei den Kontrollgremien der sächsischen Landesunternehmen!

(Beifall bei der FDP)

Aus den negativen Vorgängen um die Landesbank Sachsen, aber übrigens auch aus den Vorgängen um die IKB auf Bundesebene, sollten wir alle zum Thema Besetzung und Kontrollfunktion der Aufsichtsgremien inzwischen einiges gelernt haben.

Erstens. Wir brauchen Fachleute in den Aufsichtsgremien. Es können auch Minister oder Landtagsabgeordnete sein, wenn sie vom Fach etwas verstehen und das zeitlich einordnen können. Wenn zum Beispiel der Sächsische Wirtschaftsminister, Herr Staatsminister Thomas Jurk, laut aktuellem Beteiligungsbericht des Finanzministeriums in Gremien von fünf Landesbeteiligungen sitzt, ist dieser Sachverhalt hinterfragenswert. Wir brauchen Fachleute, die wissen, was im jeweiligen Unternehmen läuft, und die sich auch bewusst sind, dass Mitglieder in Kontrollgremien für ihre mangelnde Fachkenntnis in eine persönliche Haftung, das heißt mit ihrem Privatvermögen in Haftung genommen werden können.

(Beifall bei der FDP – Staatsminister Thomas Jurk: Das ist eine Unterstellung! Wieso unterstellen Sie das?)

Hören Sie mir zu, Herr Staatsminister.

(Staatsminister Thomas Jurk: Das ist eine bösartige Unterstellung!)