Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Höll, ich glaube, Sie haben doch nicht richtig recherchiert. Sie sprechen von Ihren Anträgen. Da vermisse ich eigene Ansätze, denn beide Anträge wurden fast komplett von zwei Änderungsanträgen der SPD-Fraktion aus der letzten Legislaturperiode abgeschrieben.
Aber die Welt, Herr Porsch, dreht sich weiter. Im Gegensatz zu Ihnen nehmen wir neue Entwicklungen auf.
Der Gender-Ansatz ist eben keine Ideologie, sondern eine Strategie, die problemorientiert umgesetzt werden muss und dazu breiter Unterstützung bedarf. Sie haben selbst die Passagen aus dem Koalitionsvertrag zitiert. Es ist unser gemeinsamer Wille, den Gender-Ansatz in den Behörden des Freistaates umzusetzen. Ich gebe Ihnen Recht, natürlich haben wir einen gewissen Nachholbedarf. Zurückweisen möchte ich, dass Sie in den Raum stellten, die Staatsministerin Weber sei vielleicht weiter als Frau Orosz gewesen. Das kann ich überhaupt nicht bestätigen.
Ich sehe das anders. Es war gerade in der Zeit der Staatsministerin Orosz, dass es zu einem Kabinettsbeschluss kam, dass die geschlechtsspezifischen Fragen bei der Gesetzgebung und anderen Vorlagen der Staatsregierung überhaupt erst berücksichtigt wurden.
Weil es diesen Nachholbedarf gibt, können wir nicht darauf warten, bis ein Gender-Kompetenzzentrum, was durchaus sinnvoll erscheinen kann, institutionalisiert ist.
Nach unseren Recherchen würde das mindestens zwei Jahre dauern. Sie wissen doch, was da alles dranhängt an Ausschreibungen usw. usf. Deswegen setzen wir darauf, dass die Erfahrungen, die mit diesem Gender-Ansatz im Staatsministerium für Soziales bereits gesammelt wurden, jetzt in den anderen Ministerien umgesetzt werden. Da werden wir aufpassen, den Finger in die Wunde legen, damit dies wirklich geschieht. Der Gender-Ansatz muss in jedem einzelnen Ministerium in diesem Politikfeld umgesetzt werden. Es kann nicht Sache eines Sozialministeriums oder eines Kompetenzzentrums sein, dass in den Behörden solches umgesetzt wird.
Wir haben, wie Sie wissen, auch eine Initiative Mitteldeutschland, die Sie nicht ansprachen. Es gibt in Sachsen-Anhalt das „GISA“, das Gender-Institut Sachsen-Anhalt. Sachsen nutzt dessen Fortbildungsprogramme. Inzwischen gibt es eine Kooperation bei der allgemeinen ressortübergreifenden und fachspezifischen Ausund Weiterbildung. Warum sollen wir das Rad noch einmal neu erfinden und nicht dort Synergieeffekte herstellen, wo uns das wesentlich kostengünstiger erscheint?
Dass in der „GISA“ diese Kompetenz vorhanden ist, zeigt das Internet. Dort kann man sich hervorragende Angebote anschauen. Ich finde es sehr gut, dass wir das in Sachsen nutzen.
Nun noch einige Bemerkungen zum Gender-Report. Übrigens war unser Änderungsantrag damals eine Reaktion auf einen Männer-Report, den Ihre Fraktion verlangt hatte. Wir unterstützen die Staatsregierung, die gegenwärtig dabei ist, das Berichtswesen in Sachsen neu zu strukturieren. Ich denke, auch das ist der richtige Ansatz. Jeder erstellte Bericht wird auf das Gender-Problem abgeklopft. Wenn wir einen eigenen Gender-Report machen, wird das Stückwerk bleiben.
In jedem Bericht, der uns vorgelegt wird, muss dieser Gender-Ansatz berücksichtigt werden, dann sehen wir, wie sich das auf das jeweilige Geschlecht auswirkt, was dort berichtet wird. Das wird in der nächsten Zeit bei der Gesundheitsberichterstattung erfolgen und es wird auch Teil des umfassenden Lebenslagenberichtes sein. Ich denke, dass Ihre beiden Anträge, also unsere ehemaligen Anträge, nicht mehr zeitgemäß sind und wir ihnen deswegen auch nicht zustimmen können.
Ich habe hier eine Broschüre liegen, die ich Ihnen aus Geschäftsordnungsgründen nicht zeigen kann: „GenderKompetenz, ein Reader für die Praxis“, erstellt durch das internationale Netzwerk Weiterbildung in Dreiskau-Muckern. Ich kann Ihnen empfehlen, dort einmal hinzugehen. Es ist ein kleines Kompetenzzentrum am Rande der Großstadt Leipzig. Dort wird Ihnen auch deutlich wer
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Grundgesetz der BRD lässt keinen Zweifel an der Gleichberechtigung von Männern und Frauen. „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ heißt es in Artikel 3 Abs. 2. Im Zuge der Wiedervereinigung wurde der Gleichberechtigungsgrundsatz des Grundgesetzes entsprechend dem Vorschlag der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat im Jahre 1994 novelliert. Dabei wurde der Artikel 3 um folgenden Satz erweitert: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ So weit also die juristische Betrachtung. Seit der 3. Weltfrauenkonferenz in Nairobi 1985, spätestens aber mit In-Kraft-Treten des Amsterdamer Vertrages 1999 ist Gender Mainstreaming auch in Deutschland angekommen. Das Bundeskabinett erkennt mit Beschluss vom 23. Juni 1999 die Gleichstellung von Frauen und Männern als durchgängiges Leitprinzip der Bundesregierung an und bestimmt, diese Aufgabe mittels der Strategie des Gender Mainstreaming zu fördern. Seither gibt es viele bundes-, aber auch landespolitische Impulse, welche die auf dem Papier stehenden juristischen Maßnahmen praktikabel machen sollen. Bereits im Vorfeld von Entscheidungen sollen die Auswirkungen auf Frauen und Männer bedacht und die Entscheidungen so geplant werden, dass die Chancengleichheit der Geschlechter gefördert wird. In der Praxis bleiben diese Wege allerdings häufig wirkungslos, da sie zu bürokratisch angewandt werden. Die geforderte Vorlage eines sächsischen Gender-Reports und die Einrichtung eines Kompetenzzentrums, wie von der PDS gefordert, zeigen genau diese Tendenz auf. Ich muss hier ganz klar die Frage stellen: Wem nützt das eigentlich? Alle Daten, Zahlen und Tendenzen, die hier gesammelt, gebündelt und analysiert werden sollen, liegen bereits in diversen Teilaspekten vor – das wurde bereits erwähnt –, sei es beim Statistischen Landesamt oder seien es Analysen und Berichte diverser Fachbereiche. Es ist auch überhaupt nicht erkennbar, dass der GISA-Report die Lebenswirklichkeit der Frauen in Sachsen-Anhalt irgendwie beeinflusst hat. Meine Damen und Herren von der PDS, kurz gesagt, der Aufwand ist hoch, der Nutzen minimal, zumindest aus meiner Sicht, wenn wir nicht davon ausgehen wollen, dass Sie Ihrer Klientel an Sozialpädagogen und ähnlichen Menschen eine Existenzberechtigung verschaffen möchten. Eine moderne, praxisgerechte Gleichstellungspolitik ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Diese
In Sachsen wird eine Doppelstrategie gefahren: auf der einen Seite die klassische Frauen- und Gleichstellungspolitik, auf der anderen Seite das Gender Mainstreaming. Diese Strategie wird durch die Leitstelle für Gleichstellung von Mann und Frau im Staatsministerium für Soziales koordiniert und durchgesetzt. Sicherlich wäre es ganz interessant, wenn das Staatsministerium einen Bericht herausgeben würde, der die im Antrag der PDS genannten Punkte umfasst, eventuell auch unter Einbeziehung externen Sachverstandes. Eine bürokratische und periodische Festlegung für die Herausgabe eines GenderReports ist allerdings überflüssig und auch praxisfern.
Es wäre begrüßenswert, wenn das Staatsministerium künftig die Bündelung von Forschungs-, Schulungs- und Trainingsangeboten für Gender Mainstreaming in Sachsen prüfen und vornehmen würde. Nur so lassen sich auch Synergien entwickeln, welche für die praktische Umsetzung theoretischer Vorgaben wichtig sind.
Die angespannte Haushaltslage im Freistaat gebietet es, anstelle von kostenintensiven Instituten und Berichten nach Alternativen zu suchen, und diese Alternativen können nur schon vorhandene Einrichtungen und Strukturen sein. Meine Fraktion kann den Anträgen der PDS deshalb sowohl aus Gründen des Nutzens als auch aus finanziellen Überlegungen heraus nicht zustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Gender Mainstreaming ist offenbar doch nur ein Frauenthema, wenn ich mir die heute Vortragenden anschaue. Ich hoffe, dass sich das in der Diskussion vielleicht doch noch etwas ändern wird.
„Gender Mainstreaming bedeutet, bei allen gesellschaftlichen Vorgaben sind die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern von vornherein und regelmäßig zu berücksichtigen, da es keine geschlechtsneutrale Wirklichkeit gibt.“ – Dies von der Internetseite des Väteraufbruch für Kinder e. V.
Unsere Wirklichkeit in Sachsen ist immer noch so, wie es das Sächsische Staatsministerium für Soziales und damit die Staatsregierung im Jahr 2003 im Vorwort der Broschüre „Gender Mainstreaming im Freistaat Sachsen“ beschreibt: Eine tatsächliche Gleichstellung von Frau und Mann ist jedoch noch nicht erreicht. Nach wie vor sind insbesondere Mädchen und junge Frauen deutlich benachteiligt, wenn es zum Beispiel um den Berufseinstieg in nicht-frauentypische Berufe, um die Besetzung von Spitzenpositionen in Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft und um die Vertretung in der Politik geht.
Dies liegt unter anderem auch darin begründet, dass die männliche Normalbiografie zum Maßstab gemacht wird.
Weiblich bestimmte Lebensmuster, Kompetenzen und Tätigkeiten, insbesondere von Haus- und Familienarbeiten sowie von Vor- und Fürsorgearbeiten, werden als weniger wichtig eingeschätzt. Wenn Frauen beruflich mithalten wollen, haben sie sich so zu verhalten wie Männer. Unter diesen Umständen ist es aber nur sehr schwer möglich, eine Familie zu gründen und sich um diese zu kümmern. Abweichungen von der Geschlechterrolle Frau/Mann sind immer noch mit einem gesellschaftlichen Statusverlust für Frauen wie für Männer verbunden.
Wenn also diese bestimmten Rollen gesellschaftlich bestimmt werden, dann impliziert Gender die Auffassung, dass Geschlechterrollen nicht ererbt, sondern durch die Gesellschaft bestimmt und dementsprechend auch von ihr verändert werden können.
Wie kann dieser von der PDS geforderte Bericht jetzt Veränderungen herbeirufen? Die statistischen Erhebungen sind nach Stellungnahme des SMS vorhanden und auswertbar. Dann tun Sie es bitte auch und teilen Sie uns die Ergebnisse mit und lassen Sie uns an den sich für Sie als Regierung ergebenden Schlussfolgerungen teilhaben! Denn gab es bisher weder einen Kabinettsbeschluss noch entsprechende Richtlinien für die Verwaltung, so gibt ja jetzt der Koalitionsvertrag unter 6.4 letzter Absatz nachfolgende Verbindlichkeit: „Die Koalitionspartner werden in der Staatsverwaltung Gender Mainstreaming einführen und umsetzen. Darauf muss das Führungs- und Leitungspersonal der öffentlichen Einrichtungen gezielt vorbereitet werden,“ – sehr gut, dass Sie das berücksichtigt haben; Sie werden sich zukünftig daran messen lassen müssen – damit Chancengleichheit und Geschlechtergerechtigkeit keine Worthülsen in Sachsen bleiben.
Was ein sächsisches Kompetenzzentrum betrifft, so geht die FDP-Fraktion ebenfalls davon aus, dass die vorhandenen Infrastrukturen genutzt und natürlich auch entsprechend weiter unterstützt werden sollen. Daher werden wir diesen Antrag ablehnen und uns, daraus logisch schlussfolgernd, bei dem Antrag zum Gender-Report enthalten.
Gender Mainstreaming steht für mich als Strategie für die Vereinbarkeit von Familienpflichten und Erwerbstätigkeiten für Frauen und Männer und ist damit das wichtigste Mittel, der Überalterung unserer Gesellschaft entgegenzuwirken.
Herr Präsident, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Gender Mainstreaming verstehen wir als Gleichstellung von Frauen und Männern und die ganzheitliche Förderung dieses Prozesses in der Gesellschaft. Gender Mainstreaming trägt der Erfahrung Rechnung, dass es neben biologischen Unterschieden zwischen den Geschlechtern vor allem soziale Unter
schiede, resultierend aus dem soziokulturellen Umfeld, der Erziehung und der Rollenzuweisung, sind, die letztlich zur Benachteiligung von Frauen oder Männern führen. Der Ansatz Gender Mainstreaming ist geschlechtsneutral in dem Sinne, dass er nicht von vornherein auf Förderung eines Geschlechtes abzielt und das andere Geschlecht ausgrenzt, sondern die Strukturen verändern will, die Ungleichheiten bedingen, und den Nutzen herausarbeitet, den die Chancengleichheit beinhaltet.