Und so weiter, und so weiter! Stellen wir uns vor, im Jahre 2010 reibt sich eine Großvieheinheit, sprich: Kuh, an einem im Jahre 2005 registrierten und inzwischen morschen Landschaftselement, besser bekannt als Baum, und reißt sich dabei die Ohrmarken aus. Sollte dabei der morsche Baum unberechtigterweise einfach umfallen, verstieße die Kuh aufgrund der fehlenden Ohrmarken nicht nur gegen die Tierkennzeichnungspflicht, sondern aufgrund der Beseitigung des Landschaftselements auch noch gegen die Vogelschutzrichtlinie, möglicherweise sogar gegen die FFH-Richtlinie. Einfach so und ohne vorher einen förderunschädlichen Maßnahmenbeginn zu beantragen!
Glauben Sie mir, so lustig, wie es hier klingt und wie es Herr Porsch vielleicht sieht, ist es nicht. Unrealistisch ist diese Darstellung auch nicht.
Mindestanforderungen in den Bereichen Arbeitsschutz, Pflanzenschutz, Lebensmittelrecht und Futtermittelrecht kommen noch dazu. So darf zum Beispiel in einem Getreidelager weder ein Spatz fliegen noch eine Maus krabbeln; sonst droht dem Landwirt, dass das gesamte Getreide als Nahrungsmittel verworfen wird. Wer schon einmal Mäuse im eigenen Haus hatte und weiß, wie schwer diese Biester zu bekämpfen sind, sollte sich vorstellen, was das Ganze in einer Halle mit Hunderten Tonnen Getreide bedeutet.
Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will nicht den Eindruck erwecken, dass die sächsische Landwirtschaft nicht in der Lage sei, alle diese Bestimmungen einzuhalten, denn ein Großteil unserer Betriebe macht das seit Jahren auch ohne Cross Compliance einfach aufgrund guter fachlicher Praxis.
Aber es ist eben nur ein einzelner Leiter eines Landwirtschaftsbetriebes, der die Verantwortung für diesen Wust an Verordnungen trägt, und zwar nicht mit einer riesi
gen Rechtsabteilung wie ein großer Konzern im Rücken, ein Landwirt, der mit lebenden Organismen produziert mit nicht immer kalkulierbaren Risiken, wie sicher die Beispiele von Kuh, Baum, Spatz und Maus zeigen.
Die Umsetzung dieser Maßnahmen setzt ein Vertrauensverhältnis zwischen Landwirtschaftsverwaltung und Landwirten voraus, wie es seit vielen Jahren in Sachsen gelebte Praxis ist. Wenig hilfreich sind da pauschale Verurteilungen, wie: „Sie werden von ihren Landwirtschaftsämtern belogen. Die alten Männer, die da sitzen, belügen sie!“ – Gemacht durch die grüne Verbraucherschutzministerin Renate Künast auf der ABL-Tagung am 11. Februar 2005 in der Dresdner Dreikönigskirche, ohne konkrete Beispiele zu nennen. Frau Altmann müsste das auch gehört haben.
Es geht nur mit einem Miteinander. Als positives Beispiel möchte ich die zur Verfügung gestellte FeldblockCD nennen. Sie ist eine große Hilfe für die Antragstellung und eben keine Selbstverständlichkeit, wie ein Blick in andere Bundesländer zeigt. Dafür möchte ich mich ausdrücklich bei unserem Ministerium bedanken.
Ich möchte auch darum bitten, dass bei Kontrollen der genannten Verordnungen nicht jeweils ein Stab von Mitarbeitern aus den jeweiligen Fachbehörden durch die jeweiligen Landwirtschaftsbetriebe zieht und nach der letzten Kommastelle sucht, denn ich bin der Meinung, wenn ein einzelner Landwirt dies alles überschauen muss, dann kann man das auch von einem einzelnen Mitarbeiter im Landwirtschaftsamt verlangen.
Bei all dem Gesagten sollten wir nicht vergessen: Wenn unsere Landwirte alle Formulare ausgefüllt, jede Verordnung beachtet und alle Nachweise gebracht haben, dann müssen sie noch etwas anderes tun, und zwar Ackerbau und Viehzucht, um eines des Wertvollsten zu produzieren, was wir haben: unsere Nahrungsmittel. Nehmen wir unseren sächsischen Landwirten nicht den Mut. Motivieren wir sie, dabei eben nicht einfach die Flächen in Größenordnungen stillzulegen, Tierbestände abzubauen, Investitionen einzustellen und letztlich, Herr Dr. Martens, ihre Mitarbeiter zu entlassen. Obwohl ich weiß, dass dieser Weg sehr, sehr schwer ist, sollten wir ihn doch nicht von vornherein aufgeben.
Besteht seitens der Fraktionen weiterer Redebedarf? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann bitte ich Herrn Abg. Heinz um das Schlusswort.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die landwirtschaftliche Praxis sieht etwas vielfältiger aus, als man es vielleicht auf der einen oder anderen Bauernversammlung erlebt. Ich denke, Kollege Schmidt hat hier auf die Risiken verwiesen. Wir haben mit der GAP einen Umschwung der bisherigen Ausgleichsansprüche zu jeder Zeit entziehbarer Subventionen vor uns. Das wird verstärkt durch mehr oder weni
ger sinnvolle Cross-Compliance-Regelungen. Hierzu wurde auch schon Einiges gesagt. Während sich die Landwirte zwar betriebswirtschaftlich bis 2013 anpassen können, gilt dies aber nicht für Cross Compliance. Hier ist zum ersten Mal ab diesem Jahr die Stunde Null, wo 1 % aller Betriebe zu kontrollieren sind und bei nicht richtiger Antragstellung Sanktionen greifen. Ich kann nur bitten und nochmals die Erwartung äußern, dass die notwendigen Kontrollen angemessen und im Sinne der praktizierenden Landwirte durchgeführt werden, dass die im Antrag unter Punkt 4 angebotene sozioökonomische Beratung mehr auf Umstrukturierung und weniger auf Extensivierungs- und Ausgangsstrategien genutzt wird. Ansonsten danke ich aber an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich unserem Ministerium und den dort Beschäftigten für die nahezu vorbildliche Vorbereitung der Antragstellung in Form der Feldblock-CD und verbinde
auch von dieser Stelle aus damit die Erwartung, dass spätestens Ende 2005 die ersten Gelder fließen können, um die Liquidität nicht über Gebühr zu belasten.
Ich stelle nunmehr die Drucksache 4/0521 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenstimmen! – Keine Gegenstimmen. Und die Stimmenthaltungen? – Wenige Stimmenthaltungen. Damit ist dieser Antrag mit übergroßer Mehrheit beschlossen und der Tagesordnungspunkt beendet.
Die Fraktionen können dazu Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: PDS, CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, falls gewünscht. Frau Dr. Höll, PDS-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche natürlich jetzt über die Bäuerinnen, aber auch über die Bauern. Wir haben als PDS zwei Sachen beantragt: erstens die Gründung eines sächsischen Kompetenzzentrums für Gender Mainstreaming und
Diejenigen von Ihnen, die schon länger mit in diesem Hohen Hause sind, werden natürlich sofort sagen: Das ist doch nicht ganz so neu. Das stimmt.
Aber ich bin neu in diesem Hause und habe mich natürlich darüber informiert, was alles schon besprochen wurde, welche Positionen es hier gab, und ich habe mich gefreut, im Koalitionsvertrag auf Seite 45 folgende Bemerkung zu finden: „Die Koalitionspartner werden in der Staatsverwaltung Gender-Mainstreaming einführen und umsetzen. Darauf muss das Führungs- und Leitungspersonal der öffentlichen Einrichtungen gezielt vorbereitet werden.“ Das ist eine ganz klare Ansage, die aber nun untersetzt werden muss. Für diese Untersetzung sind unsere beiden Anträge mehr als hilfreich; denn wie wollen Sie etwas einführen, wenn Sie nicht Bescheid wissen, wenn nicht richtig analysiert wurde, wie die Situation in Sachsen ist, welche Benachteiligungen es aufgrund des Geschlechts gibt.
Die Stellungnahme, die uns die Sozialministerin gegeben hat, sagt einfach: Es ist nicht notwendig, noch einen Gen
der-Report aufzulegen. Ihrer Meinung nach ist alles schon da. Es gibt genug Daten. Ich glaube, diese Einschätzung ist nicht richtig. Die geschlechtsspezifische Sicht auf Politik in Sachsen ist ja noch nicht so sehr alt. Erst seit dem Jahr 2000 wird hier im Haus darüber diskutiert.
Es gab Anträge zu einem Frauenreport, zu einem Männerreport und dann zu einem Gender-Report, der eben etwas Neues darstellt, weil er nicht allein nur die Situation von Frauen oder die Situation von Männern betrachtet, sondern durchgängig die Frage stellt, inwieweit politische Entscheidungen geschlechtsrelevant sind. Gerade die Entscheidungen, die auf den ersten Blick scheinbar überhaupt keine Auswirkungen haben und scheinbar nicht unterschiedlich auf Männer und Frauen wirken, gilt es dabei besonders zu hinterfragen.
Ich muss allerdings auch feststellen, dass nach meinem Eindruck die Frau Ministerin Weber etwas mehr Feeling für dieses Gebiet hatte. Bei Frau Orosz habe ich so ein bisschen zweideutige Stellungnahmen gefunden. Sie haben einmal gesagt, dass diese Schrift „Gender Mainstreaming in Sachsen“, das Einzige, was wir hier in Sachsen als Papier haben, nicht Grundlage Ihrer Politik ist. Das ist eine Informationsschrift. Immerhin sind dort zusammengefasst bestimmte Analysen und auch Handlungsvorschläge gemacht worden. Es ist also etwas mehr.
In einer anderen Stellungnahme sagen Sie dann, dass es doch die Grundlage Ihrer Politik ist. Vielleicht können Sie das dann heute noch etwas aufklären.
Es ist richtig, wenn Sie darauf verweisen, dass es schon eine Reihe von Analysen und Zahlen in verschiedenen
Berichten gibt. Sicher gibt es im Seniorenbericht und im Kinder- und Jugendbericht Zahlen und geschlechtsspezifische Erhebungen. Aber die Erfassung ist absolut unzureichend und die Zahlen sagen noch nicht genug aus, wenn die Verkreuzungen nicht da sind, das heißt die Datenverschränkung. Sonst haben wir ganz schnell einen Datenberg, der ein Datenfriedhof ist, weil eben keine direkten Aussagen und Schlussfolgerungen wirklich aus den Daten gezogen werden können.
Die Erstellung eines Gender-Reports dient auch der Sensibilisierung derjenigen, die in den Ministerien und in den öffentlichen Einrichtungen arbeiten. Wir brauchen die Analyse; denn dadurch ist es erst möglich, Interventionsschritte aufzuzeigen und zu bestimmen, welche Maßnahmen politisch gewollt sind und wie sie durchgeführt werden können. Der nächste Schritt ist die Evaluierung, um festzustellen, ob Maßnahmen tatsächlich in dem von uns gewünschten Sinne gegriffen haben oder nicht.
Wir meinen deshalb, es ist notwendig, den Gender-Report aufzulegen und kontinuierlich fortzuschreiben. Es gibt dafür gute Beispiele. Ich verweise ausdrücklich auf Sachsen-Anhalt, wo jährlich ein Gender-Report vorgelegt wird.
Eine Handlungsoption, die in der Informationsschrift „Gender-Mainstreaming im Freistaat Sachsen“ vorgestellt wurde, war die Gründung eines sächsischen Kompetenzzentrums für Gender. Dieses Kompetenzzentrum, welches wir hier beantragen, ist keine zusätzliche Einrichtung, in der in erster Linie wissenschaftlich geforscht wird. Es gibt an verschiedenen Orten in Sachsen einzelne Forschungsrichtungen zur Frage der Geschlechterspezifik. Es geht darum, eine Einrichtung zu gründen, in der praxisbezogen eine Vernetzung erfolgt, gleichzeitig natürlich eine Verbreiterung des Ansatzes und die Vorbereitung und Durchführung von Trainingsmaßnahmen. Es geht um eine nationale und internationale Vernetzung. Das sind Voraussetzungen, um Ihren Anspruch aus dem Koalitionsvertrag erfüllen zu können, Führungs- und Leitungspersonal der öffentlichen Einrichtungen auf Gender-Mainstreaming vorzubereiten. Das hat ganz viel damit zu tun, die Menschen zu sensibilisieren und zu schulen.
Mein Eindruck ist, dass wir in Sachsen sehr viel Nachholbedarf haben. Wenn ich mir nur anschaue, wie die Geschlechterfrage gesetzesbegleitend eine Rolle spielt, so bin ich erstaunt, wenn ich Anfang dieses Monats eine Antwort auf meine Kleine Anfrage bekomme, in der mir die Checkliste über die gleichstellungspolitische Relevanz von Gesetzesvorhaben mitgeschickt wird. Immerhin stehen ganze drei Fragen auf dem Zettel. Nun mag es sein, dass wir in Sachsen besonders klug sind, aber die Checklisten, die beim Bund oder bei der EU vorliegen, um sach- und fachgerecht die Auswirkungen von Gesetzen auf die Geschlechterproblematik bewerten zu können, sind ein bisschen umfangreicher und tatsächliche Hilfen. Ich glaube, die drei hier aufgeführten Fragen sind dafür relativ wenig, aber Ausdruck dafür, dass wir bei der Umsetzung eines wirklichen Ansatzes zum Gender-Mainstreaming erst am Anfang stehen.
Ich möchte mit Ihnen nicht weiter darüber diskutieren, dass wir eine Ungleichbehandlung der Frauen im öffent
lichen Leben haben. Das wissen wir, wir brauchen uns nur hier im Haus umzusehen. Selbst bei der politischen Teilhabe an der Landespolitik ist die Verteilung sehr unterschiedlich, ob das auf der Ministerbank ist, wo wir immerhin zwei Ministerinnen haben, aber nicht einmal 50 %. Wir haben zwei Fraktionen, in denen wenigstens 50 % der Abgeordneten Frauen sind. Das ist wirkliche Teilhabe, da Frauen selber ihre Positionen vertreten. In anderen Fraktionen sieht es sehr viel schlechter aus. Weil die Situation in der Politik, in der Wirtschaft, in den Inhalten des Bildungswesens oftmals so ist, ist es notwendig, diesen Antrag wieder aufzugreifen, das Kompetenzzentrum zu installieren, die Daten zu erfassen, um eine Grundlage für eine Analyse und politische Handlungsoptionen zu haben. In diesem Sinne werbe ich besonders bei denen, die auch schon in den vergangenen Jahren für diesen Ansatz waren, um Unterstützung für unsere Anträge und freue mich auf die Diskussion.