Protocol of the Session on October 15, 2008

kranken und armen GKV-Mitgliedern – wer das arm auch immer definiert –, insbesondere von Sozialhilfeempfängern, mit denen von PKV-Versicherten. Jetzt kommt etwas sehr Wichtiges. Die Autoren kontrollieren die verschiedenen Indikatoren unter anderem anhand der subjektiven Einschätzung des Gesundheitszustandes. Die Autoren räumen mögliche Ungenauigkeiten bei der Erfassung der Personen mit chronischen Erkrankungen anhand des sogenannten sozioökonomischen Panels ein, beschreiben aber nicht die Beobachtung, dass Angehörige unterer sozioökonomischer Schichten ihre Gesundheit tendenziell schlechter einschätzen als Bessergestellte.

Da sind wir auch bei dem Problem, das Frau Lauterbach vorhin nannte. Ich teile Ihre Auffassung nicht, wenn Sie sagen: Auf den Arztbesuch muss man in Deutschland auch verzichten. Sie haben zwei Varianten gesagt. Ich denke das nicht, aber ich weiß, dass wir das Problem haben, dass Leute, die aus den sogenannten unteren sozialen Schichten – das ist ein schwieriger Begriff, ich verwende ihn aber einmal so – kommen, eher dazu neigen, nicht zum Arzt zu gehen als Leute, die gesundheitsbewusst sind und sich wie auch immer gesellschaftlich aktiv hervortun. Nur lösen wir das Problem nicht, wenn wir die Praxisgebühr ganz wegnehmen. Da habe ich große Zweifel.

Noch einmal zurück zur Studie. Der Vergleich mit PKVVersicherten ist aus meiner Sicht schwierig. Dass diese seltener zum Arzt gehen, liegt daran, dass in der PKV durchschnittlich besserverdienende und gesündere Menschen versichert sind. Wenn man das dann in einer Studie miteinander vergleicht, halte ich das zumindest für angreifbar. Noch gehört Deutschland zu den Spitzenreitern bei der Zahl der Arztkontakte, wobei allerdings die Kosten für ambulante Versorgungsleistungen im internationalen Vergleich nicht sonderlich hoch sind.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Eben!)

Die Praxisgebühr bleibt für uns als SPD ein Thema. Einige Diskussionswege habe ich genannt. Aber so einfach, wie Sie es wollen, werden wir es uns nicht machen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke. Die NPDFraktion hat Herrn Apfel angekündigt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die globale Finanzkrise und die Praxisgebühr haben eines gemeinsam: Sie sind Auswirkung ihres gescheiterten Globalextremismus. Wie auf dem Finanzsektor greift Ihre Politik nicht ein. Sie versucht, die Entwicklung nur zu begleiten.

Mit dem am 14. November 2003 verabschiedeten Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung kamen die Lobbyisten im System der Altparteien der Forderung zahlreicher einflussreicher Krankenkassen nach, ihre Einnahmen zu steigern. Dass dies einseitig

zulasten der Krankenversicherten geschah, um zum Beispiel Lohnnebenkosten nicht weiter steigen zu lassen, kümmert die Verantwortlichen dabei herzlich wenig. Genauso wenig aber kümmert sich die heute wieder einmal heuchlerisch einen Antrag stellende Partei der Linken exakt dort um eine Rücknahme der Praxisgebühr, wo sie konkrete Handlungsmöglichkeiten gehabt hätte, nämlich in Berlin, wo sie direkt in der Regierung beteiligt ist.

Zwar forderte die SED-Nachfolgepartei im Wahlkampf und im Machterhalt um das Rote Rathaus nicht nur auf Bundesebene, sondern sehr gezielt im Wahlkampf in Berlin im Kampf um das Rote Rathaus, die Abschaffung der Praxisgebühr. Getan hat sich aber bisher nichts; wie ein Blick in die Parlamentsdokumentation zeigt auch keine Aufforderung über den Bundesrat, entsprechend aktiv zu werden. Darüber kann auch nicht die Bundestagsdrucksache 16/451 hinwegtäuschen, die Sie inhaltlich kopiert haben. Das ist unseriös, aber man ist natürlich nichts anderes von Ihnen gewohnt.

(Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD)

Aber nicht nur Sie kopieren, meine Damen und Herren von der Linken, sondern auch die Befürworter der Praxisgebühr drücken lediglich die Taste der Wahlwiederholung. Begriffe wie „Steuerungsfunktion“, „Lenkung durch den Hausarzt“, „demografische Entwicklung“ und „gestiegene Gesundheitskosten“ halten sich über die gesamte Zeit als Kernelemente in der Diskussion. Daran haben weder die drastisch gestiegenen Einnahmen der Krankenkassen aus der Praxisgebühr in Höhe von 1,72 Milliarden Euro im Jahre 2004 noch die 1,68 Milliarden Euro in 2005 oder die 1,57 Milliarden Euro in 2006 etwas geändert.

Die rückläufigen Einnahmen aus der Praxisgebühr zeigen aber, dass – wie auf vielen Gebieten Ihrer Politik – Pfusch statt Handwerk der Maßstab Ihrer Arbeit ist. Dabei verwundert es nicht, dass Ihr Systemgebäude von außen zwar schmuck anzusehen ist, innen aber längst marode ist. Die Frage, warum die Praxisgebühr rückläufig ist, die Arztbesuche aber im Gegensatz dazu ansteigen, lässt sich schnell erklären und war so nicht nur vorhersehbar, sondern auch prognostiziert. Davor verschließen aber Regierung wie auch die angebliche Opposition die Augen.

Während einerseits der von Armut betroffene Niedriglohnsektor, die Hilfsbedürftigen, versuchen, die nicht mehr finanzierbaren Gesundheitskosten einzusparen und nicht mehr zum Arzt gehen, sind es andererseits die Bezahlenden, die vermehrt mit der Begründung zum Arzt gehen: Man wolle schließlich auch eine entsprechende Gegenleistung dafür erhalten. Eine solche Entwicklung war vorhersehbar und war auch schon im Jahre 2006 bekannt.

Wenn man Ihre Begründung für die Beibehaltung der Praxisgebühr aufgreift, stellt sich die Frage, welche nicht vorhandenen Voraussetzungen man eigentlich mitbringen

muss, um in einer der gewendeten Altparteien Abgeordneter zu werden.

Zur Erinnerung: Die CDU führte entgegen besserem Wissen aus, die Steuerungswirkung sei eingetreten. Die SPD wird in der Bundestagsdrucksache so zitiert, dass eine Ausgrenzung von Menschen mit geringem Einkommen bei medizinischen Leistungen nicht belegbar sei. Das kann schon sein, meine Damen und Herren der Hartz-IVPartei, aber doch wohl deshalb, weil die Menschen nicht mehr zum Arzt gehen!

Die GRÜNEN wollen lieber evaluieren anstatt handeln. Doch den größten Wurf macht die FDP, denn diese sagt konsequenterweise, man müsse bei der Abschaffung der Praxisgebühr eine andere Gebühr erheben. Das nennt sich „Politik“, meine Damen und Herren. Die einen kopieren die Anträge, die anderen belügen nicht nur die Bürger, sondern auch noch sich selbst, und für das Ganze soll und muss der Bürger aufkommen.

Das Ergebnis Ihrer Politik erleben wir gerade. Statt stabiler Beiträge werden die Krankenkassenbeiträge auf 15,5 % erhöht. Neben den in den letzten Jahren kassierten Milliarden Euro wird noch mehr von den Bürgern ohne erkennbare Gegenleistung abgefordert.

Wenngleich wir uns dem Antrag der Linken nicht verschließen, da er nicht schädlich ist, so ist dieser Antrag doch wieder nur ein Herumdoktern an den Auswirkungen. Wichtiger wäre es nach unserer Auffassung, der Fehlentwicklung grundsätzlich entgegenzutreten. Wir brauchen nicht über 200 gesetzliche Krankenkassen mit eigenständiger Verwaltung und Wasserkopfvorständen. Die Bürger brauchen keinen Routenplan, den man nur noch in völlig überfüllten Hausarztpraxen erhält, und wir brauchen erst recht kein einzig und allein auf Gewinnmaximierung getrimmtes Gesundheitswesen. Dann, meine Damen und Herren, wäre es möglich, nicht nur auf die Praxisgebühr, sondern auch auf die jetzt von der Koalition beschlossene Erhöhung der gesetzlichen Krankenkassenbeiträge zu verzichten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Für die FDPFraktion spricht die Abg. Frau Schütz.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Damen und Herren der Linksfraktion! 1,6 Milliarden Euro im Schatten der aktuellen und weltweiten Finanzkrise erscheinen Ihnen vielleicht wenig, aber 1,6 Milliarden Euro in unserem aktuellen Gesundheitssystem sind nicht unerheblich. So viel würde der Wegfall der Praxisgebühr kosten, und wie schon so oft zeigen uns die Damen und Herren der Linksfraktion dazu leider keine Gegenfinanzierung und kein Finanzierungskonzept, wie es getragen werden könnte: entweder durch erhöhte Steuern oder durch erhöhte Kassenbeiträge der gesetzlichen Versicherten.

Die sächsischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind durch den Gesundheitsfonds ab dem Jahre 2009 von den Beitragserhöhungen mit dem voraussichtlichen Beitragssatz von 15,5 % überdurchschnittlich betroffen. Das sind fast drei Prozentpunkte mehr als der derzeitige Beitrag der günstigsten sächsischen Krankenkasse.

Doch Sie von der Linksfraktion setzten noch einen drauf: Der Wegfall der Praxisgebühr würde unserer Meinung nach zu einem weiteren Anstieg der Kassenbeiträge führen. Ich frage Sie: Soll gerade von Sachsen ein Signal zur Erhöhung der Krankenkassenbeiträge ausgehen? Ich denke, nein. Sie von der Linksfraktion würden die sächsischen Arbeitnehmer, die ab dem nächsten Jahr mehr für die Krankenkassen zahlen, noch weiter belasten.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Niemals!)

Das halten wir für unsozial. Das werden wir nicht mittragen.

Ich muss mich schon wundern, dass Sie dauernd vom Mindestlohn sprechen. Ihre politischen Forderungen mit all den steigenden Abgaben führen aber aktuell zu Lohnsenkungen, zu weniger Netto des Einzelnen. Ich denke, das ist Augenwischerei der Demagogen.

(Beifall bei der FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren! Natürlich ist die Praxisgebühr – diesbezüglich gebe ich Ihnen von der Linksfraktion auch recht – ein bürokratisches Monster, das viel Zeit und Geld frisst. Es ist ein Missbrauch der Ärzteschaft als Inkassounternehmen der Krankenkassen.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Das machen die Sprechstundenhilfen und nicht die Ärzte!)

Die Praxisgebühr führt nicht zu weniger Arztbesuchen, sie führt nicht zu mehr Gesundheitsbewusstsein und sie führt auch nicht zu mehr Eigenverantwortung. Wir dürfen aber auch nicht verschweigen, dass wir ohne die Selbstbeteiligung der Patienten in Zukunft unser hochwertiges Gesundheitssystem nicht weiter aufrechterhalten können.

Frau Schütz, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Pellmann?

Herr Pellmann, bitte.

Frau Schütz, das war für mich jetzt nicht verständlich. Sie sprachen davon, dass die Patienten sich selbst beteiligen sollen. Sind Sie nicht auch wie ich der Meinung, dass sich die allermeisten Patienten als Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse durch ihre Krankenkassenbeiträge an ihrer gesundheitlichen Versorgung beteiligen und es eines Sonderkrankenkassenbeitrages wie der Praxisgebühr deshalb nicht bedarf?

(Beifall bei der Linksfraktion)

Diesbezüglich kann ich Ihnen leider nicht zustimmen, weil es für den einzelnen Krankenkassenversicherten nicht nachvollziehbar ist, wo seine Beiträge landen und ob diese tatsächlich bei seinem Arzt für seine Leistung ankommen, geschweige denn die Gelder in Sachsen zukünftig für den Gesundheitsfonds verwendet werden.

(Zuruf des Abg. Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion)

Der Patient sieht nicht, was die Behandlung seines Arztes wert ist, geschweige denn, was sie kostet.

Die notwendige Akzeptanz in der Bevölkerung für mehr Eigenbeteiligung kann nur mit sozial ausgewogenen, transparenten, einfachen und unbürokratischen Lösungen im Rahmen der Kostenerstattung geschaffen werden. Dafür sind wir Vorreiter, das wissen Sie.

Sehr geehrte Damen und Herren! Durch den medizinischen Fortschritt und durch die Alterung der Gesellschaft steht unser Gesundheitssystem vor großen Herausforderungen. Schließlich wollen wir einerseits eine gute Versorgung gewährleisten und andererseits die Kosten für die Beitragszahlung nicht ins Unermessliche steigen lassen. Ohne mehr Eigenverantwortung für die eigene Gesundheit wird das nicht funktionieren. Jeder, der etwas anderes behauptet, behauptet dies wider besseres Wissen. Ich hätte mir gewünscht, dass wir das Thema Praxisgebühr beispielsweise im Rahmen einer Anhörung im Ausschuss diskutiert hätten. Ärzte, Patienten und Kassen hätten uns dazu sicherlich wertvolle Informationen liefern können.

Der Antrag der Linksfraktion greift zu kurz und würde in letzter Konsequenz Beitragssteigerungen bedeuten. Dies lehnen wir ausdrücklich ab und damit auch Ihren Antrag.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Danke schön. – Frau Herrmann von der Fraktion der GRÜNEN beschließt die erste Runde der Aussprache; bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion! Übermäßig viel Arbeit haben Sie sich mit diesem Antrag nicht gemacht.

(Zuruf des Abg. Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion)