Ein Beispiel einer Familie aus Reichenbach: Diese Familie kommt aus China und Malaysia. Sie lebt seit über 14 Jahren in Deutschland und hat zwei Kinder, die minderjährig, also unter 16 Jahren, sind. Ihrem Antrag der Härtefallkommission hatte der Innenminister seine Zustimmung verweigert. Zum Glück für die Familie gab es couragierte Bürgerinnen und Bürger aus Reichenbach, die dagegen protestierten. Auch der Reichenbacher Bürgermeister hat sich persönlich eingesetzt, er hat interveniert, und so gab es nach mehreren Monaten doch die Zustimmung des Innenministers.
Zum Thema Abschiebehaft. Die Abschiebehaft für minderjährige Flüchtlinge stellt wohl den schwersten Verstoß gegen das Kindeswohl dar. Im Jahr 2007 befanden sich 14 Kinder und Jugendliche in Sachsen in Abschiebehaft. Frau Hermann hatte die Zahl für dieses Jahr genannt; es sind 13. Junge Menschen, die vor Verfolgung, Krieg, Armut, Hunger und Gewalt geflohen sind, werden nun, ohne eine Straftat begangen zu haben, wie Kriminelle behandelt und stigmatisiert, indem sie weggesperrt werden. Sie erhalten keine Verfahrens- und Rechtsberatung, keine oder nur ungenügende soziale Beratung, sie haben kein Recht auf Hafturlaub, kein Recht auf Bildung und sie werden oftmals retraumatisiert.
Doch im § 80 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes ist festgeschrieben: „Die mangelnde Handlungsfähigkeit eines Minderjährigen steht seiner Zurückweisung und Zurückschiebung nicht entgegen.“ So werden diese jungen Menschen wehrlose Objekte staatlichen Handelns.
Die Linksfraktion lehnt die Inhaftierung von Menschen ausschließlich zur Sicherung der vorgesehenen Abschiebung grundsätzlich ab. Abschiebehaft bei unbegleiteten
Kindern und Jugendlichen entspricht nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Sie ist in keiner Weise mit dem grundgesetzlich festgeschrieben Kindeswohl vereinbar.
Ich habe ein Zitat eines Abschiebehäftlings aus Schleswig-Holstein herausgesucht, um Ihnen noch einmal die Situation eines solchen Menschen zu verdeutlichen. Ich zitiere: „Wir sind auf die Welt gekommen, um zu leben und alle Rechte zu haben, die wir verdienen.
Aber in Gefängniszellen zu sitzen, ohne etwas begangen zu haben, das will Gott nicht. Wie soll das ein Mensch akzeptieren? Ich habe mich schuldig gemacht, weil ich die Menschen in Deutschland um Asyl bat. Zur Strafe behandeln sie mich wie einen Schwerverbrecher und sperren mich ein.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Sinne der Menschenrechte für alle bitte auch ich Sie darum, Ihre Stimme gegen die inhumane Praxis im Umgang mit Flüchtlingskindern zu erheben. Kampagnen der Staatsregierung gegen Kindeswohlgefährdung sind nur halbherzig, wenn sie sich nicht auf alle in diesem Land lebenden Kinder beziehen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf meine Vorrednerin in einem Punkt eingehen. Ihre pauschale Kritik an der Unterbringung in Asylbewerberheimen kann ich so nicht stehen lassen. Ich habe mich vor Ort im Mittleren Erzgebirgskreis bei den Behörden immer dafür eingesetzt – es ist auch umgesetzt worden –, dass die dezentrale Unterbringung, wenn möglich, Vorzug hat. Es kann nicht sein, dass hier pauschal geurteilt wird. Es mag vielleicht an der einen oder anderen Stelle Probleme geben, aber dann muss man sich mit den Behörden vor Ort in Verbindung setzen und versuchen, manche Dinge mit denen gemeinsam abzustellen.
Zurück zum Antrag. Die Rücknahme der Vorbehalte zur UN-Kinderrechtskonvention – ich will keine Wortklauberei machen – beschäftigt seit Jahren nicht nur die Fraktionen hier im Hause. Nach der Ratifizierung der Kinderrechtskonvention 1992 hatte die Bundesregierung bei den Vereinten Nationen diese sogenannte Interpretationserklärung abgegeben, wonach das Übereinkommen als völkerrechtliche Staatsverpflichtung innerstaatlich keine unmittelbare Anwendung findet.
Gleich. – Die Erklärung enthält darüber hinaus Interpretationen, wie Bestimmungen des Übereinkommens im Hinblick auf das elterliche Sorgerecht, die Strafverfolgung, die Einreise und den Aufenthalt auszulegen seien.
Frau Schwarz, ist Ihnen bekannt, dass im alten Landkreis Annaberg lediglich eine Familie dezentral untergebracht ist und diese das lange juristisch erkämpfen und durchsetzen musste?
Das ist mir so nicht bekannt. Ich habe aber auch nicht vom Kreis Annaberg, sondern vom Mittleren Erzgebirgskreis gesprochen, wo ich – wie gesagt – gute Erfahrungen gemacht habe.
Entsprechend der sogenannten Lindauer Absprache hatten die Länder der Unterzeichnung der Konvention nur unter der Voraussetzung dieser sogenannten Vorbehaltserklärung zugestimmt. Seitdem ist die Bundesregierung immer wieder zur Rücknahme dieser Erklärung durch den UNAusschuss zur Kinderrechtskonvention, den Deutschen Bundestag, UNICEF und zahlreiche Nichtregierungsorganisationen aufgefordert worden. Auch führende Konservative – ich nenne zum Beispiel Heiner Geißler – befürworten die Rücknahme der Erklärung. Trotzdem blieben unzählige Anläufe bislang ohne Erfolg.
Aber die Bundesregierung allein kann diese Erklärung nicht zurücknehmen, da eine Mehrheit der Länder dies ablehnt. Wir hatten ja im Juni dazu eine Abstimmung im Bundesrat, bei der sich dies noch einmal gezeigt hat. Der durch Rheinland-Pfalz und Berlin initiierte Entschließungsantrag wurde mit Mehrheit der B-Länder abgelehnt. Sachsen hat sich entsprechend der Spielregeln enthalten. Das SMWA war dafür, SMS und SMI waren dagegen. Es wurde inzwischen von Juristen und Staatsrechtlern mehrfach festgestellt, dass die Interpretationserklärung aus heutiger Sicht eigentlich nicht nötig gewesen wäre. Das außenpolitische Ansehen der Bundesrepublik Deutschland leidet jetzt auch zunehmend darunter, dass diese Rücknahme nicht erfolgt. Auch nationale und internationale Nichtregierungsorganisationen hegen Zweifel an der Glaubwürdigkeit deutscher Politik. Deswegen ist meine Fraktion auch für die Aufhebung dieser Erklärung. Aber wir konnten, wie Sie gehört haben, unseren Koalitionspartner davon nicht überzeugen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe nur noch eine Minute und möchte mich sowieso kurz fassen.
Wir haben nicht vor, uns hier und heute mit dem Antrag der GRÜNEN inhaltlich auseinanderzusetzen, vor allem nicht, wenn in der Begründung, die die Frau Kollegin vorgetragen hat, von einer angeblichen „besonderen Schutzwürdigkeit von Migranten“ die Rede ist. Dass die GRÜNEN sich dem Ausländerlobbyismus in all seinen Facetten verschrieben haben, ist hinlänglich bekannt. Dass nun aber noch die Kinder vorgeschoben werden, um die Forderungen nach einer totalen Niederlassungsfreiheit für ausländische Sozialschnorrer zu begründen, ist schon allerhand.
Das ist vielleicht eine einfallsreiche Begründung, um einmal wieder die Multikulti-Trommel zu schlagen. Aber sie ist auch geschmacklos. Wenn Sie schon über Armut in Deutschland und Probleme von Kindern reden wollen, dann bedenken Sie die Problematik von zweieinhalb Millionen Kindern, die nach Angaben des Kinderschutzbundes der Vereinten Nationen hier in Armut aufwachsen. Wenn Kinder Gegenstand einer Debatte sind, dann nehmen Sie die Kinderarmut in Deutschland zur Kenntnis und versuchen Sie nicht noch, fremde Betreuungsfälle aus irgendwelchen Weltwinkeln nach Deutschland einzufliegen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Gansel, Sie haben es tatsächlich geschafft, in der einen Minute wieder Ihre braune Gesinnung darzulegen. Das war wieder eine Schande für dieses Haus.
Die Rücknahme der Vorbehaltserklärung ist nicht nur rechtlich möglich, sie ist auch politisch geboten; denn sie ist geeignet, national wie international bestehende Zweifel am Willen Deutschlands, die UN-Kinderrechtskonvention uneingeschränkt durchzusetzen, auszuräumen. So hat zum Beispiel der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes in seinen Schlussbemerkungen zum Erstbericht der Bundes
Die Rücknahme der Vorbehaltserklärung stellt daher ein dringend notwendiges und längst überfälliges Signal für ein kinderfreundliches Deutschland dar. Sie wird die Position der Bundesrepublik Deutschland in der Frage des internationalen Menschenrechtsschutzes stärken und helfen, innerhalb und außerhalb Deutschlands Irritationen zu vermeiden. Die Rücknahme der Vorbehaltserklärung ist darüber hinaus erforderlich, um anderen Staaten nicht Argumente zu liefern, ihrerseits Vorbehalte anzubringen. Durch die Rücknahme der Erklärung wird sich zudem der Dialog mit den Kinderrechtsorganisationen, die die Rücknahme seit Langem fordern, merklich entspannen.
Mit einer Zustimmung des Sächsischen Landtages wird zumindest unser Freistaat dieses Vorhaben nicht blockieren. So hoffe ich, dann auch auf Bundesebene für die Rücknahme der Vorbehaltserklärung einzutreten.
So weit zu Punkt 1, dem wir, wie Sie aus meiner Rede gehört haben, zustimmen werden. Anders sieht es dann allerdings im Punkt 2 aus. Hier haben wir doch vor allem praktische Bedenken. Natürlich gibt es immer wieder Fälle, bei denen Kinder in Situationen abgeschoben werden, die ich nicht gutheißen kann. Es gibt Entscheidungen, die gegen jede Vernunft und gegen jede Würde sind. Doch so, wie es die GRÜNEN hier wünschen, können wir es nicht umsetzen. Die Pflicht zur dezentralen Unterbringung ist sicherlich gut gemeint, doch es wird nicht immer möglich sein. Wir haben das schon gehört, und wir sollten das anstreben. Aber so, wie es beschrieben ist, ist es nicht unbedingt praxistauglich.
Die Berücksichtigung des Kindeswohls, soweit ich weiß, muss so sein. Was ein vorrangiger Gesichtspunkt sein soll, ist mir zu schwammig. Ich plädiere daher dafür, jeden Einzelfall gewissenhaft zu prüfen; Vorgaben der Politik und Gummibegriffe verwirren da nur. Gleiches gilt für die wohlwollende Prüfung. Damit verabschieden sich die GRÜNEN übrigens von einem wichtigen Grundsatz, nämlich der objektiven Prüfung.
Kommen wir zum Letzten, der Abschiebehaft. Sicherlich ist das das letzte Mittel, doch es gibt nun einmal Fälle wie den legendären Mehmet aus Bayern. Hier muss man als letztes Mittel mit der ganzen Härte durchgreifen können. Diese Option dürfen wir nun einmal an der Stelle nicht ausschließen. Wir werden daher den zweiten Punkt ablehnen, wie Sie meiner Rede dann entnehmen können, und wir bitten um punktweise Abstimmung.