Protocol of the Session on September 10, 2008

Es ist falsch, wenn behauptet wird, die Unternehmen würden ihren eigenen Betriebsnachwuchs ausbilden. Es gibt keine Garantie, dass der Ausgebildete nach erfolgreicher Beendigung seiner Lehre im Ausbildungsunternehmen bleibt. Der geschlossene Vertrag gilt nur für die Zeit der Ausbildung. Der Betrieb, der die Ausbildungskosten spart, kann logischerweise höhere Löhne zahlen. Nach dem Ende der Ausbildung geht man dorthin, wo man

seine Arbeitskraft am teuersten verkaufen kann. Ganz klar. Man geht dorthin, wo er oder sie am meisten verdient.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Zurufe von den GRÜNEN)

Und dennoch ist die Ausbildungsleistung der gewerblichen Wirtschaft und des Handwerks in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Davon hörten wir auch gestern hier in diesem Raum beim Parlamentarischen Abend des Sächsischen Handwerkstages.

Die Industrie- und Handelskammern haben im vergangenen Jahr fast 7 % mehr betriebliche Ausbildungsplätze registriert. Im Bereich der Handwerkskammern sind es 9,6 %. Auch in diesem Jahr deutet sich trotz rückläufiger Schulabgängerzahlen eine weitere Steigerung bei der Zahl der betrieblichen Ausbildungsplätze an. Insgesamt werden im Bereich beider Kammern zusammen 7 000 neue Arbeitsplätze registriert. Davon sind 70 bzw. 75 % betriebliche Ausbildungsplätze.

Ich habe Ihnen dargelegt, dass der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sicherlich gut gemeint ist, aber er ist nicht zielführend, und deshalb werden wir ihn ablehnen.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön. – Die Linksfraktion wird vertreten durch Frau Klinger.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Anfang des Sommers kam die erfreuliche Nachricht: Es gibt mehr Ausbildungsplätze als im letzten Jahr, jeder/jede Ausbildungssuchende bekommt ein Ausbildungsplatzangebot unterbreitet, und zudem wird endlich nach über 15 Jahren die Bugwelle an Altbewerbern abgebaut werden.

Die Welt schien in Ordnung. Man hätte glauben können, dass man nach einigen Jahren verfehlter Berufsausbildungspolitik nun endlich aufatmen könne. Dabei hat nicht die Regierung, haben nicht die politischen Handlungsträger in diesem Lande für die Entspannung der Situation gesorgt, sondern die Demografie war es. Weil vor 17 Jahren von einem Jahr auf das andere weniger als die Hälfte der Kinder geboren wurde, reduziert sich jetzt, 17 Jahre später, auf einen Schlag die Zahl der Bewerber und Bewerberinnen um einen Ausbildungsplatz. Aber auch wenn es kein Erfolg der Politik ist, kommt die Entspannung auf dem Ausbildungsmarkt den Betroffenen, also den jungen Sächsinnen und Sachsen, zugute. Diese im Land zu halten und ihnen hier in Sachsen eine gute Perspektive zu geben muss oberstes Gebot für Politik und Wirtschaft sein.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Deshalb wurde auch wie in den Jahren zuvor ein Bündnis für Ausbildung geschmiedet. Angesichts des nicht nur bevorstehenden, sondern in einigen Branchen bereits Realität gewordenen Fachkräftemangels erklärte der

Vorsitzende des Kollegiums für Lehrstellen und Fachkräfte, das heißt jetzt Berufsausbildung und Fachkräfte, der Chemnitzer Handwerkskammerpräsident Dietmar Mothes: „Es kommt jetzt darauf an, dass die deutlich weniger gewordenen Bewerber möglichst ohne Umwege zu dringend benötigten Fachkräften herangebildet werden.“ So weit, so gut.

Was aber war am 25. August dieses Jahres zu hören und zu lesen? Auszubildende in Sachsen werden nicht tarifgerecht entlohnt. Die 80-%-Regelung wurde zum Teil grob unterschritten. Was es mit dieser Regelung auf sich hat, haben meine Kolleginnen bereits erklärt. Ich will es noch einmal wiederholen. Zulässig sind Ausbildungsvergütungen, die wenigstens 80 % des Tariflohns entsprechen. In der sächsischen Realität liegen sie oft gerade mal bei 70 %. Es gibt auch Absprachen, die darunter liegen und von den Kammern akzeptiert werden. Dies war auch Herrn Wirtschaftsminister Jurk bekannt. Er ist SPDMitglied, er ist Gewerkschaftsmitglied und duldet und toleriert den systematischen Tarifbruch für Auszubildende.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN – Zuruf: Hört, hört!)

Hört, hört. Wieso eigentlich? Weil es sich um Ausnahmen handelt, um unternehmerische Sondersituationen, wie er sich zitieren lässt? Ich frage: Wie viele unternehmerische Sondersituationen gibt es denn in Sachsen und wie viele Auszubildende sind davon betroffen?

Im Vergleich mit den Altbundesländern schneidet Sachsen bei der tariflichen Bezahlung sowieso schon schlecht ab. Die Tariflöhne in Sachsen liegen unter denen in Westdeutschland. Also sind die bereits zulässigen 80 % eine Kürzung der Kürzung. Ich möchte das einmal verdeutlichen. Auch ich habe mir ein paar Zahlen herausgesucht und möchte mich aber vorher noch einmal an Frau Schmidt wenden, die das natürlich ganz clever angestellt hat und genau die zwei Ausbildungsberufe gewählt hat, die die höchste tarifliche Ausbildungsvergütung bekommen. Das Lehrgeld, das ein Auszubildender im 1. Lehrjahr bekommt, liegt meist bei 300 Euro oder sogar darunter.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Hört, hört!)

Jetzt zu den Zahlen, die ich herausgesucht habe. Ein Auszubildender im Kfz-Handwerk in Sachsen verdient in seinem 1. Lehrjahr laut Tarif 415 Euro. Abzüglich der 20 % sind das nur noch 332 Euro. In einem vergleichbaren Ausbildungsverhältnis in Baden-Württemberg hätte dieser junge Mensch Anspruch auf 597 Euro. Das ist immerhin ein Unterschied von 265 Euro.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Hört, hört!)

Es wird noch drastischer: Einem Auszubildenden im Transport- und Verkehrsgewerbe stehen in Sachsen im 3. Lehrjahr 355 Euro zu. In Baden-Württemberg sind es bis zu 790 Euro.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Hört, hört!)

Wenn ich nun wiederum den sächsischen Tariflohn minus 20 % nehme, dann komme ich im Vergleich auf eine Differenz von 506 Euro. Das ist die Differenz zwischen dem, was ein junger Mensch in Sachsen verdient, und dem, was er in Baden-Württemberg bekommen würde.

Meine Damen und Herren! So stoppen Sie die Abwanderung junger Menschen aus Sachsen definitiv nicht.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Ich komme zurück zum Handwerk, das über unbesetzte Ausbildungsplätze klagt. Das konnte man auch in der vergangenen Woche der Presse entnehmen. Alle Handwerkskammern deutschlandweit meldeten noch unbesetzte Stellen. Die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge ist zum Beispiel im Handwerkskammerbezirk Chemnitz um 9 % im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Da frage ich mich doch, wie man künftig in Sachsen um Lehrlinge werben wird. Vielleicht mit einer Stellenanzeige mit folgendem Text: „Suche topmotivierten Lehrling mit besten schulischen Leistungen für das halbe Geld“? Stellen Sie sich das so vor? Das ist schizophren. Das ist der blanke Hohn, aber leider auch Realität in Sachsen.

Herr Jurk hat versucht, sich aus der Verantwortung zu ziehen. Er hat darauf verwiesen, dass dem Wirtschaftsministerium lediglich die Rechtsaufsicht obliegt. Herr Jurk ist der Wirtschaftsminister, er gibt den Rahmen vor. Er sollte bemüht sein, um jede junge Sächsin, um jeden jungen Sachsen zu kämpfen. Er ist ein politischer Entscheider in diesem Land.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Die entscheiden doch nichts!)

Das ist ja das Problem, er verweist auf die Rechtsaufsicht.

Auch der Wirtschaftsminister hat dafür zu sorgen, dass Recht umgesetzt wird. Alles, was er aber bisher getan hat, ist, im Nachhinein die unangemessen niedrigen Ausbildungslöhne zu kritisieren, und das, obwohl ihm die Situation bereits im Vorfeld bekannt gewesen ist. Dass er nur kritisiert, ist uns zu wenig. Er soll handeln, aber anders als bisher.

Wieso, das muss ich fragen, wurde nicht gegen die vertrauliche Abrede vorgegangen, die es erlaubt, auch weiterhin Ausnahmen zu machen?

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das Gremium, das Sie im Punkt 4 Ihres Antrages vorschlagen, existiert bereits. Es ist eben jenes Kollegium für Berufsausbildung und Fachkräfte. Alle Vertreter, die Sie im Antragstext benennen, also die Unternehmensverbände, die Kammern, die Gewerkschaften und eben auch der Wirtschaftsminister, sitzen da an einem Tisch. In diesem Gremium kann sich auch ein Minister Jurk nicht aus der Affäre ziehen, indem er nur darauf verweist, dass er die Rechtsaufsicht hat. In diesem Gremium werden politische Entscheidungen

getroffen und nicht juristische. Genau da sollte die Lösung des Problems angesiedelt werden.

Zuletzt möchte ich noch das Wort an die FDP-Fraktion richten. In dem Artikel der „Sächsischen Zeitung“ vom 25. August dieses Jahres wird der Abg. Torsten Herbst zitiert. Vorschriften seien eine Gefahr für den sich belebenden Ausbildungsmarkt. Bisher hätten die Kammern doch die niedrigen Löhne auch genehmigt, aber nun ziehen sie die Zügel an. Und das finden Sie schlecht? Warum denn nur?

(Torsten Herbst, FDP: Weil Arbeitsplätze vernichtet werden!)

Herr Herbst, dass die Zügel angezogen werden, ist gut und ist längst überfällig. Sie von der FDP treten doch sonst immer für den freien Markt ein. Aber sobald die Situation die ist, dass einmal Preise nicht gedrückt werden, sondern im Gegenteil Löhne bzw. Ausbildungsvergütungen ansteigen – und das müssen sie, wenn wir hier ausbilden und Fachkräfte einstellen wollen –, wenn also mehr für Auszubildende und Arbeiter herausspringt, dann sind Sie plötzlich dagegen und wollen gesetzliche Regelungen. Sie rufen nach dem Staat, wenn der Gewinn der Unternehmen sinkt. Sie rufen nach dem Staat, wenn die Auszubildenden in Hungerlöhnen in Ausbildung stehen und zum Überleben staatliche Sozialleistungen brauchen.

(Zuruf von der Linksfraktion: Hört, hört!)

Zum Abschluss kurz und knapp: Die Linksfraktion unterstützt den Antrag der GRÜNEN. Die Linksfraktion setzt sich für eine tarifgerechte Entlohnung der Auszubildenden ein. Auch in der Lehre gilt für uns: Von Arbeit muss man leben können.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Danke schön. – Nach der Linksfraktion kommt die SPD-Fraktion; Herr Abg. Brangs.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Wo ist eigentlich der Wirtschaftsminister?)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat ist das eine interessante Debatte. Bei einigen Wortbeiträgen ist mir der Klassiker eingefallen: Da spricht der Blinde von der Farbe. Man muss in der Tat sagen, dass die FDP bisher dafür prädestiniert war, dass sie sich immer dann zu Debatten hinreißen ließ und diese in den Landtag einbrachte, wenn sie schon in der Öffentlichkeit waren. Jetzt machen das auch die GRÜNEN.

In der Tat ist es so, dass sich der Minister zu diesen Sachverhalten geäußert und ganz klar die Rechtslage erläutert hat. Deshalb ist es schon etwas seltsam, warum jetzt die GRÜNEN einen Antrag stellen, obwohl parallel dazu Kleine Anfragen der Linksfraktion laufen. Wenn man sich die Fragen ansieht, stellt man fest, dass es genau die gleichen Fragen sind, die jetzt in dem Antrag verwurstelt werden sollen. Hätte man die Antworten abgewartet,

hätte man vielleicht einen qualitativ besseren Antrag schreiben können.

Ich kann aber auch der Linkspartei leider nicht bescheinigen, dass sie von Fachkenntnis strotzende Debatten führt. Auch Kollegin Klinger hat immer wieder betont, dass es sich um eine Rechtsaufsicht handelt. Das ist falsch, liebe Kollegin. Es handelt sich hier um eine eingeschränkte Rechtsaufsicht und keine Fachaufsicht. Diese eingeschränkte Rechtsaufsicht ist deshalb zustande gekommen, weil nach § 11 des IHK-Gesetzes das SMWA lediglich eine solche eingeschränkte Rechtsaufsicht ausführt. Ich bitte darum, das vielleicht noch einmal nachzulesen.

Weiter stellen Sie fest, dass Ihr Zitat, das Sie hier noch einmal wiederholt haben – ich hätte nicht gedacht, dass Sie sich das trauen, aber Sie haben es getan –, in dem Sie behaupten, dass es befremdlich sei, wenn ein SPDWirtschaftsminister den systematischen Tarifbruch für Auszubildende duldet und toleriert, mit der Erklärung ad absurdum geführt wurde, weil der Wirtschaftsminister weder einen systematischen Tarifbruch duldet noch toleriert, sondern ihm nach dem Gesetz nur bestimmte Handlungsmöglichkeiten offenstehen. Diese hat er genutzt. Er hat einen klaren Appell an alle Beteiligten, auch an die Kammern, gesandt und gesagt, dort müssten die gestärkt werden, die nicht bereit sind, die schwarzen Schafe zu tolerieren.

Dazu gibt es übrigens in Dresden ein sehr gutes Beispiel. Das ist „Saxoprint“, ein Unternehmen, das im August dieses Jahres 43 Ausbildungsverträge mit jeweils 400 Euro Vergütung eintragen lassen wollte, obwohl der Tariflohn bei 816 Euro liegt. Selbst wenn man diese 20 % hineinrechnet, die nach § 17 des Berufsbildungsgesetzes als Abweichung vom Tariflohn möglich sind, wären es rund 650 Euro gewesen. Dazu hat die IHK gesagt: Nein, diese Verträge unterschreiben wir nicht. Mit uns gibt es einen solchen Rechtsbruch nicht. – Deshalb Glückwunsch – ein Vertreter sitzt auf der Tribüne – dafür, dass Sie an dieser Stelle Kante gezeigt haben, weil ich glaube, dass das der richtige Weg ist.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und der CDU – Karl Nolle, SPD: Sehr richtig!)

Ein Argument, das ich mir auch sehr genau angehört habe, ist von meiner geschätzten Kollegin Schmidt. Die Botschaft, die ich verstanden habe, war: Besser nicht ausbilden, es kostet zu viel. Die Botschaft, die ich ferner verstanden habe: Auszubildende verursachen immer nur Kosten. – Nur, wenn Sie sich einmal ansehen: Es gibt ja nun einmal Einnahmen und Ausgaben. Ich glaube, wenn Sie mit Unternehmern sprechen, werden Sie feststellen, dass es sehr viele Unternehmer gibt, die ganz bewusst Auszubildende einstellen, weil diese nicht eine Belastung, sondern eine Entlastung sind und als wirtschaftlicher Faktor dazu beitragen, dass sich ein Unternehmen dementsprechend am Markt orientieren und platzieren kann.

Die Mär zu sagen, Ausbildung ist immer nur Belastung für den Unternehmer, da fehlt die Gegenüberstellung von

Ausgaben und Einnahmen. Es gibt eine Reihe von Unternehmern, die genau wissen, wo der Hase lang läuft.